Kritik an Nassehis reaktionärer systemtheoretischer Interpretation von 1968
Ist Inklusion wirklich der Grund ?
Handelt es sich wirklich um eine kritische Dauerreflexion ?
Oder die Dialektik der Dauerreflexion
Die Kämpfe in Frankreich
Wem ist Unterkomplexität/Trivialisierung zu attestieren ?
Die reflexivmoderne Wende
Nassehi, Schelsky, Gehlen
Ist gründliche Selbstreflexion möglich ?
Handelt es sich wirklich um Dauermoralisierung ?
Ist Inklusion wirklich der Grund ?
In dem Text, Gab es 1968 ?, Eine Spurensuche (Kursbuch Edition, 2018), will Nassehi angeblich die gesellschaftlichen Bedingungen der 68er Revolte verdeutlichen. Nassehis Hauptargument warum die Revolte entstand, lautet, dass eine weitgehende gesellschaftliche Inklusion breiter Bevölkerungsschichten, als auch der relativ geringen Anzahl der Revolutionäre schon weit vor 1968 einsetzte. Vor dem Hintergrund eines die 50er und 60er Jahre prägenden “Wirtschaftswunders” mit Vollbeschäftigung, starken Wachstumsraten und einer boomenden Bildungsexpansion in den 60er Jahren, die auch zuerst verarmten Teilen der Nachkriegsbevölkerung eine umfassende Inklusion bescherte. Nassehi differenziert kaum zwischen Amerika und einzelnen europäischen Ländern. Seine Analyse dreht sich vor allem um Deutschland, was besonders bezüglich 1968 ein beachtliches Problem hinsichtlich seiner Argumentation stellt.
Nicht nur die Intensität mit der Nassehi das Inklusionsargument vorträgt, wirft vielmehr Fragen auf als sie klärt. Auch das Inklusionsargument ist fragwürdig. Denn eine fortgeschrittene Inklusion würde doch dafür sprechen, dass es kein 1968 brauchte, weil überall große Zufriedenheit vermittels sozioökonomischen Wachstums vorherrschte. Warum hat 1968 also trotzdem stattgefunden, wäre die interessantere Frage. Es müsste viel stärker auf die historischen Umstände wie den Vietnamkrieg und die Art der angeblichen Inklusion eingegangen werden, die die 68er revoltieren ließ. Nassehi erwähnt den Vietnamkrieg nur am Rande und gibt ihm nicht den angemessenen Raum, den er bei den 68ern hatte. Denn es würde Amerika und seine Gesellschaft in den Fokus rücken. 1968 nur aus der deutschen Perspektive zu betrachten, wird der internationalen Komplexität des Phänomens nicht gerecht. Um 1968 zu erklären, kommt man gar nicht daran vorbei, die schon relativ frühen Proteste gegen den Vietnamkrieg und das Politestablishment in Amerika zu fokussieren. Vor allem aber auch die eminent wichtige Rolle der Medien, die sich tatsächlich noch als Beobachtungs- und Aufklärungsmedien verstanden.
In Amerika wurden auch die Söhne des Establishments, dh. der Upper Middleclass und Middleclass für den Militärdienst eingezogen. Sie waren in dieser Zeit besonders kritisch, wenn es darum ging für ein Politestablishment in den Krieg zu ziehen, dass die gleichen Elitecolleges absolvierte. Für sie war überhaupt nicht mehr einsichtig warum Klassenmitglieder aus der selben Klasse über ihr Leben bestimmen sollten. Es war komplett offensichtlich, dass ein System, das sie für einen absurden vorgestrigen Kolonialkrieg ausheben wollte, nicht mehr tragbar war. Mit intensiviertem Militäreinsatz kannte nun fast jede/r jemand aus der selben Schicht, der in Vietnam gefallen oder schwer verwundet wurde. Diese Horrorvision im vietnamesischen Djungel verblutend sein Leben auszuhauchen, aufgrund von massiven Fehlentscheidungen des Politestablishments, ist ganz real in der amerikanischen Gesellschaft angekommen. Der andere große Schub für die damalige farbige Bürgerrechtsbewegung war das Argument, dass mehr als die Hälfte des Truppenkontingents People of Color aus den armen, exkludierten Schichten der Bevölkerung stellten. Sie wurden verstärkt zwangsrekrutiert. Sie mussten einen Krieg führen, der nicht ihrer sein konnte. Muhammad Ali hat an prominenter Stelle all die Argumente vorgebracht, die auch für die Bürgerrechtsbewegung relevant waren, warum er den Kriegsdienst verweigerte.
Zudem trat die Diskrepanz der offiziellen Regierungsmemos, dass der Krieg nicht mehr lang dauere, und alles unter Kontrolle wäre, durch die Kriegsberichterstattung der amerikanischen Fernsehsender zu Tage. Sie hatten eine Vielzahl von Fernsehteams in Vietnam stationiert, flankiert von vielen journalistischen Kriegsberichterstattern, die Bilder und Berichte für die Printmedien lieferten. Noch heute sind die vielfach ausgezeichneten Fotos dieses Krieges Ikonen der Pressefotografie .
Nicht nur ein Widerspruch sondern ein profunder Hiatus zwischen offiziellen Verlautbarungen und medialer Öffentlichkeit brach auf, der tief an der Legitimität der amerikanischen Regierungen kratzte und von dem sie sich bis heute nicht erholten. Die massiven Proteste und Protestbilder aus den USA respektive Vietnam, die über die Medien verbreitet wurden, zeitigten ein Übersprungsphänomen für Westeuropa und Südamerika. Viele revolutionäre Gruppen, die in ihren jeweiligen Ländern isoliert geblieben wären, erfuhren ein unglaubliches Resonanzphänomen, das noch bis Anfang der 80 er Jahre den Westen prägte und ihn auch entscheidend sozialpolitisch veränderte.
Diese Argumente allein würden viel besser begründen, warum es zu starken Protesten kam als das Inklusionsargument. Ein nicht von Krieg und Tod bedrohtes Leben ist ein wesentlich stärkeres Argument und auch viel einsichtiger. Zudem tat sich die Perspektive auf mit anhaltenden Protesten die Regierung evtl. stürzen zu können, um den Krieg zu beenden. Dass der Krieg als ein Hauptauslöser für gesellschaftliche Unruhen und speziell für 1968 war, beweist, dass auf Grund der Erfahrungen und der Proteste im Gefolge des Vietnamkriegs die amerikanische Armee auf eine Freiwilligenarmee umgestellt wurde. Jeder war zukünftig selbst für das Risiko von Tod und schwerer Verletzung verantwortlich. Gesellschaftlichen Protesten wurden derart eine bedeutende Grundlage entzogen.
Aber es gibt noch mehr Argumente, die gegen die Inklusionshypothese sprechen, die eigentlich nichts erklärt.
Was Amerika betrifft führt Nassehi an, dass es 1964 in Berkeley zu der free Speech Movement kam, denn die Studenten forderten ihre verfassungsrechtlich verbrieften Rechte ein, weil sie schon stark inkludiert waren. Dies trifft aber nur auf die Weißen zu und auch nur auf die weiße bildungsnahe UPM, Middleclass (wie gut dotierte Teile der blue color Arbeiterklasse). Aber bezüglich der farbigen Bürgerrechtsbewegung, wie den zu dieser Zeit sehr wenigen PoC Studierenden, wäre es viel angemessener von einer Exklusion der PoC respektive Indigenen zu sprechen. Die meisten von ihnen waren universitär, gesellschaftlich, kulturell und materiell ausgeschlossen. Deshalb verlangte die Bürgerrechtsbewegung sie gleichberechtigt partizipieren zu lassen. Dafür war 1968 aber erst der Anfang in Amerika. (Es gibt durchaus unterschiedliche Perspektiven ob dies überhaupt in dem Ausmaß gelang, wie es sich die Bürgerrechtsbewegung wünschte. Vor allem Trump schraubte alle Inklusionsbemühungen von Obama wieder zurück. Doch sehr wahrscheinlich wird er hauptsächlich von den PoC Votes im November 2020 abgewählt werden.)
Die Antwort auf die Frage, was begründet 1968, müsste eine materialistische historische Analyse, zudem vor allem auch foucaultsche, anders beantworten. Hier würde das Argument stechen, dass die Ungleichheit zwischen Weißen und PoC respektive die Exklusion der PoC, innerhalb der weißen UMC nicht mehr länger zu rechtfertigen war. Darüberhinaus engagierte sich eine gerade entstehende PoC UMC politisch einflussreich für die Verbesserung der Lebenswelten der PoC Communities.
Ist Inklusion wirklich der Grund ?
Handelt es sich wirklich um eine kritische Dauerreflexion ?
Oder die Dialektik der Dauerreflexion
Die Kämpfe in Frankreich
Wem ist Unterkomplexität/Trivialisierung zu attestieren ?
Die reflexivmoderne Wende
Nassehi, Schelsky, Gehlen
Ist gründliche Selbstreflexion möglich ?
Handelt es sich wirklich um Dauermoralisierung ?
Ist Inklusion wirklich der Grund ?
In dem Text, Gab es 1968 ?, Eine Spurensuche (Kursbuch Edition, 2018), will Nassehi angeblich die gesellschaftlichen Bedingungen der 68er Revolte verdeutlichen. Nassehis Hauptargument warum die Revolte entstand, lautet, dass eine weitgehende gesellschaftliche Inklusion breiter Bevölkerungsschichten, als auch der relativ geringen Anzahl der Revolutionäre schon weit vor 1968 einsetzte. Vor dem Hintergrund eines die 50er und 60er Jahre prägenden “Wirtschaftswunders” mit Vollbeschäftigung, starken Wachstumsraten und einer boomenden Bildungsexpansion in den 60er Jahren, die auch zuerst verarmten Teilen der Nachkriegsbevölkerung eine umfassende Inklusion bescherte. Nassehi differenziert kaum zwischen Amerika und einzelnen europäischen Ländern. Seine Analyse dreht sich vor allem um Deutschland, was besonders bezüglich 1968 ein beachtliches Problem hinsichtlich seiner Argumentation stellt.
Nicht nur die Intensität mit der Nassehi das Inklusionsargument vorträgt, wirft vielmehr Fragen auf als sie klärt. Auch das Inklusionsargument ist fragwürdig. Denn eine fortgeschrittene Inklusion würde doch dafür sprechen, dass es kein 1968 brauchte, weil überall große Zufriedenheit vermittels sozioökonomischen Wachstums vorherrschte. Warum hat 1968 also trotzdem stattgefunden, wäre die interessantere Frage. Es müsste viel stärker auf die historischen Umstände wie den Vietnamkrieg und die Art der angeblichen Inklusion eingegangen werden, die die 68er revoltieren ließ. Nassehi erwähnt den Vietnamkrieg nur am Rande und gibt ihm nicht den angemessenen Raum, den er bei den 68ern hatte. Denn es würde Amerika und seine Gesellschaft in den Fokus rücken. 1968 nur aus der deutschen Perspektive zu betrachten, wird der internationalen Komplexität des Phänomens nicht gerecht. Um 1968 zu erklären, kommt man gar nicht daran vorbei, die schon relativ frühen Proteste gegen den Vietnamkrieg und das Politestablishment in Amerika zu fokussieren. Vor allem aber auch die eminent wichtige Rolle der Medien, die sich tatsächlich noch als Beobachtungs- und Aufklärungsmedien verstanden.
In Amerika wurden auch die Söhne des Establishments, dh. der Upper Middleclass und Middleclass für den Militärdienst eingezogen. Sie waren in dieser Zeit besonders kritisch, wenn es darum ging für ein Politestablishment in den Krieg zu ziehen, dass die gleichen Elitecolleges absolvierte. Für sie war überhaupt nicht mehr einsichtig warum Klassenmitglieder aus der selben Klasse über ihr Leben bestimmen sollten. Es war komplett offensichtlich, dass ein System, das sie für einen absurden vorgestrigen Kolonialkrieg ausheben wollte, nicht mehr tragbar war. Mit intensiviertem Militäreinsatz kannte nun fast jede/r jemand aus der selben Schicht, der in Vietnam gefallen oder schwer verwundet wurde. Diese Horrorvision im vietnamesischen Djungel verblutend sein Leben auszuhauchen, aufgrund von massiven Fehlentscheidungen des Politestablishments, ist ganz real in der amerikanischen Gesellschaft angekommen. Der andere große Schub für die damalige farbige Bürgerrechtsbewegung war das Argument, dass mehr als die Hälfte des Truppenkontingents People of Color aus den armen, exkludierten Schichten der Bevölkerung stellten. Sie wurden verstärkt zwangsrekrutiert. Sie mussten einen Krieg führen, der nicht ihrer sein konnte. Muhammad Ali hat an prominenter Stelle all die Argumente vorgebracht, die auch für die Bürgerrechtsbewegung relevant waren, warum er den Kriegsdienst verweigerte.
Zudem trat die Diskrepanz der offiziellen Regierungsmemos, dass der Krieg nicht mehr lang dauere, und alles unter Kontrolle wäre, durch die Kriegsberichterstattung der amerikanischen Fernsehsender zu Tage. Sie hatten eine Vielzahl von Fernsehteams in Vietnam stationiert, flankiert von vielen journalistischen Kriegsberichterstattern, die Bilder und Berichte für die Printmedien lieferten. Noch heute sind die vielfach ausgezeichneten Fotos dieses Krieges Ikonen der Pressefotografie .
Nicht nur ein Widerspruch sondern ein profunder Hiatus zwischen offiziellen Verlautbarungen und medialer Öffentlichkeit brach auf, der tief an der Legitimität der amerikanischen Regierungen kratzte und von dem sie sich bis heute nicht erholten. Die massiven Proteste und Protestbilder aus den USA respektive Vietnam, die über die Medien verbreitet wurden, zeitigten ein Übersprungsphänomen für Westeuropa und Südamerika. Viele revolutionäre Gruppen, die in ihren jeweiligen Ländern isoliert geblieben wären, erfuhren ein unglaubliches Resonanzphänomen, das noch bis Anfang der 80 er Jahre den Westen prägte und ihn auch entscheidend sozialpolitisch veränderte.
Diese Argumente allein würden viel besser begründen, warum es zu starken Protesten kam als das Inklusionsargument. Ein nicht von Krieg und Tod bedrohtes Leben ist ein wesentlich stärkeres Argument und auch viel einsichtiger. Zudem tat sich die Perspektive auf mit anhaltenden Protesten die Regierung evtl. stürzen zu können, um den Krieg zu beenden. Dass der Krieg als ein Hauptauslöser für gesellschaftliche Unruhen und speziell für 1968 war, beweist, dass auf Grund der Erfahrungen und der Proteste im Gefolge des Vietnamkriegs die amerikanische Armee auf eine Freiwilligenarmee umgestellt wurde. Jeder war zukünftig selbst für das Risiko von Tod und schwerer Verletzung verantwortlich. Gesellschaftlichen Protesten wurden derart eine bedeutende Grundlage entzogen.
Aber es gibt noch mehr Argumente, die gegen die Inklusionshypothese sprechen, die eigentlich nichts erklärt.
Was Amerika betrifft führt Nassehi an, dass es 1964 in Berkeley zu der free Speech Movement kam, denn die Studenten forderten ihre verfassungsrechtlich verbrieften Rechte ein, weil sie schon stark inkludiert waren. Dies trifft aber nur auf die Weißen zu und auch nur auf die weiße bildungsnahe UPM, Middleclass (wie gut dotierte Teile der blue color Arbeiterklasse). Aber bezüglich der farbigen Bürgerrechtsbewegung, wie den zu dieser Zeit sehr wenigen PoC Studierenden, wäre es viel angemessener von einer Exklusion der PoC respektive Indigenen zu sprechen. Die meisten von ihnen waren universitär, gesellschaftlich, kulturell und materiell ausgeschlossen. Deshalb verlangte die Bürgerrechtsbewegung sie gleichberechtigt partizipieren zu lassen. Dafür war 1968 aber erst der Anfang in Amerika. (Es gibt durchaus unterschiedliche Perspektiven ob dies überhaupt in dem Ausmaß gelang, wie es sich die Bürgerrechtsbewegung wünschte. Vor allem Trump schraubte alle Inklusionsbemühungen von Obama wieder zurück. Doch sehr wahrscheinlich wird er hauptsächlich von den PoC Votes im November 2020 abgewählt werden.)
Die Antwort auf die Frage, was begründet 1968, müsste eine materialistische historische Analyse, zudem vor allem auch foucaultsche, anders beantworten. Hier würde das Argument stechen, dass die Ungleichheit zwischen Weißen und PoC respektive die Exklusion der PoC, innerhalb der weißen UMC nicht mehr länger zu rechtfertigen war. Darüberhinaus engagierte sich eine gerade entstehende PoC UMC politisch einflussreich für die Verbesserung der Lebenswelten der PoC Communities.
1964 zu Beginn der free speach movement war die Stimmung in der hegemonialen weißen UMC / MC nicht vehement gegen den Vietnamkrieg gekippt. Es zeichnete sich noch nicht ab, welch großes Desaster der amerikanischen Armee und damit ihren Klassenmitgliedern in Vietnam bevorstehen würde. Aber 1968 während der ganzjährigen Tet Offensive war dies nun offensichtlicher als je zuvor. Der Vietcong operierte vor den Augen der Weltöffentlichkeit zwar verlustreich, jedoch militärisch erfolgreich, in Saigon/später/Ho Chi Minh City. Indem er der amerikanischen Armee in einem medial übertragenen live war, mit ziemlich vielen Leichen und schwerverletzten Kriegsversehrten, herbe Verluste zufügte. Schockierend war für den Westen wie kompromisslos der Vietcongs ihr Leben für den militärischen Erfolg opferten. Der amerikanischen UMC wurde dadurch vollkommen bewusst, dass kein Bombenteppich diesen Willen brechen konnte. Auch wie schwach dagegen die Moral ihrer eigenen Armee war, die zusätzlich an der Legitimität ihres Einsatzes zweifelte. Die meisten bürgerlichen Eltern der 68er waren nun aufgrund dieser Bilder zunehmend entsetzt und traumatisiert, dass ihr verehrtes Amerika so ein Desaster anrichtete. Die wahren militärischen Machtverhältnisse, dh. die operative Überlegenheit des Vietcong war von nun an nicht mehr zu leugnen.
Nassehi führt zur Stützung seiner Inklusionsthese die free speech movement von 1964 an, die ein ähnliches Anliegen wie die 68er gehabt hätte. Aber kaum verwunderlich bleibt, warum er überhaupt nicht die politischen Inhalte dieser Bewegung erwähnt. Denn sie würden seiner These widersprechen. Die farbige Bürgerrechtsbewegung fokussierte meist die rassistisch exkludierende Gesellschaft und Politik des amerikanischen weißen Establishments. Bezeichnend ist der Hauptanlass der free speech movement, bei dem Nassehi ein paar wesentliche Fakten unter den Tisch fallen lässt. Ein studentischer Aktivist wurde 1964 in einem Polizeiwagen festgehalten, nachdem er Büchertische aufstellte, obwohl es verboten war. Warum ? Entscheidend war, dass es sich meist um Büchertische handelte, die Bücher der PoC Bürgerrechtsbewegung verkauften oder diese zum Thema hatten. Der Verkauf dieser Bücher galt nicht nur der Verbreitung ihrer Anliegen sondern kam praktisch einer finanziellen Unterstützung gleich. Zudem konnte dort für sie gespendet werden. Das Verbot wollte genau diese Unterstützung verhindern. Zwar sprachen Universitätsverwaltungen öfters derartige Verbote aus, die aber niemand der Student/innen ernst nahm. 1964 in Berkeley wurde allerdings ein Büchertischaktivist von Verwaltungsangestellten ermahnt und angezeigt, wie nach Eintreffen der Polizei abgeführt. Die Student/innen, die den Vorgang beobachteten, versammelten sich um den Polizeiwagen, ein Teach-in veranstaltend. Mario Savio, ein Philosopiestudent, stieg auf das Dach des Polizeiwagens, eine endlos Rede (Filibuster) haltend. Worauf große Polizeikräfte einschritten und eine gewalttätige Auseinandersetzung mit vielen Verletzten auf beiden Seiten entstand. Eine große Polizeihundertschaft begann einen zweiten Kreis um den Wagen mit den umstehenden Teach in Student/innen zu bilden. Der Wagen blieb weiterhin blockiert. Nach 32 Stunden gegenseitiger Blockade-Umkreisung wurde ausgehandelt, dass niemand in Polizeigewahrsam genommen wird. Alle Festgenommenen und “Beschuldigten” kamen frei. Es war der erste große Erfolg der Free Speech Movement. Von nun an konnte jede/r in Berkeley ihre/seine freie Rede halten. Man sollte auch nicht verschweigen was Mario Savio in seiner Schlüsselrede zu den Versammelten sagte. Seine Rede widerspricht Nassehis Inklusionsthese und rekapitulierte die Motive der Free Speech Movement.
Es gab vor 1964 nicht nur in Berkeley sondern in einer Reihe von anderen Städten vor allem in den 50er und 60er Jahren heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei und rassistischen Milizen. Zum Teil auch um Büchertische, überwiegend aber um Kundgebungen der farbigen Bürgerrechtsbewegung, die sich nicht zu einer weltweiten Bewegung aufschwingen konnten. Sie verschwanden mehr oder weniger aus der Geschichtsschreibung.
In diesen Kämpfen verloren die Aktivisten, starke Polizeikräfte nahmen große Teile von meist PoC und vereinzelt weissen Demonstranten in Polizeihaft, in der sie heftiger Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt waren. Keine der damaligen Forderungen wurde erfüllt. Polizeigewalt wie gewaltsame Inhaftierungen gegen People of Color waren aber schon vor den 50 er Jahren des 20 Jhs. an der Tagesordnung.
Darüberhinaus wurden im Süden der USA, nicht nur vom Klu-Klux-Klan, nach dem amerikanischen Bürgerkrieg bis Anfang der 60 Jahre des 20 Jhs mehrere Pogrome gegen die afro-amerikanische Bevölkerung initiiert, bei denen ihre Wohnstätten gebrandschatzt, selbige ermordet, gelyncht und vertrieben wurde. Lynchmorde waren fast alltäglich. Die Jim Crow -Gesetze, die sukzessive um 1900 zunahmen, schrieben praktisch eine weitere Rassentrennung vor. Sie wurden erst in mehreren Prozessen in den 60er Jahren wieder zurückgenommen.
Noch in den 50er und 60er Jahren des 20. Jhs stand die Bürgerrechtsbewegung in den Südstaaten, teils auch in den Nordstaaten, einem toughen amerikanischen Apartheidsregime gegenüber. Die People of Color waren sowohl subjektiv als auch objektiv nicht an der Bildungsexpansion beteiligt. Sie wurden offensichtlich gesellschaftlich, beruflich und materiell ausgeschlossen. Es ist vielmehr das Argument stichhaltig, dass gerade die anhaltende rassistische, materielle Exklusion der People of Color zur Bürgerrechtsbewegung führte, neben dem Vietnamkrieg eine Hauptrolle für das amerikanische 1968 spielend. Black Power und Black Panther, die sich um 1968 forciert formierten, thematisierten und demonstrierten hauptsächlich für Empowerment, Repräsentation, Partizipation, Eintragung der People of Color auf Wahllisten, Präsenz plus Sichtbarkeit ihrer Communities in den USA.
Wenn man im Nassehisprech bleiben will, versuchten sie eine gleichberechtigte Inklusion überhaupt erst anzuregen. Aber es würde die konkreten Anliegen dieser Kämpfe nur partiell treffen als auch an einer viel interessanteren inhaltlichen Analyse, die sich um die starke rassistische Repression der damaligen Gesellschaft drehte, vorbeizielen. Tatsächlich ging es in den darauffolgenden Kämpfen der Free Speech Movement und 1968 in Amerika hauptsächlich um den kaum medial thematisierten exkludierenden Rassismus, Kolonialismus, um die Wahrnehmung, mehr noch Anerkennung der Versklavungsgeschichte. Als auch um die daraus sich aufdrängenden wie zu praktizierenden Bürger- und Menschenrechte der “Black People”, PoC wie anderer Minderheiten und freilich auch um Sozialismus. Dieser wurde aber mehr in Form eines diffizilen Community Empowerment thematisiert und verlor nach den 70ern die Aufmerksamkeit in Amerika.
1968 war sozusagen der Kipppunkt an dem die Diskurse der Linken und diversen Bürgerrechtsbewegung nach Gramsci vier Jahrzehnte die Hegemonie über die medialen und avancierten sozialpolitischen, kulturellen Diskurse erlangten. Jedes öffentliche wie mediale Sprechen musste sich nun an deren differenzierten humanistischen sozialpolitischen Vernunft messen lassen.
Ein anderer großer Topos, der mit den anderen verflochten war, drehte sich darum welche Art von Universität praktiziert werden sollte. Eine Ordinarienuniversität oder eine hierarchiefreie. Die inklusionistische Mär von der Gemeinschaft aus lehrenden Professoren und lernenden Studenten geriet vollends als harmonistische Quacksalberei in den Fokus der Kritik. Die Universität sollte ohne Hierarchie und vor allem Ordinarien auskommen.
Die revoltierenden Studenten legten einen starken Fokus auf kreative Lernformen, die nicht mehr dem Vorlesungsarangement entsprachen, es sogar ablehnten. Sit-ins und Teach-ins, spontane, lange, teils endlose Diskussionen waren angesagt. Die Struktur der Universität geriet in den Fokus der Kritik. Auf diesen wesentlichen Unterschied geht Nassehi überhaupt nicht ein. Hier könnte man vom Splitter im eigenen Auge sprechen. Genauso wie er fast nur den Fokus auf Deutschland legt, und kaum die internationale Verflechtung fokussiert. Er beruft sich nur darauf, dass Dutschke angeblich eine umfassende Universität forderte, was Nassehi kritisiert. Nassehi thematisiert auffällig nicht, respektive verschweigt vollends, dass vor allem die Veränderung der autoritären Strukturen der Universität gemeint waren.
Minderheiten und PoC sollten ihrem Anliegen Gehör verschaffen können. Es ging nicht nur um ideale symmetrische Sprechpositionen a la Habermas, wie Nassehi meint. In denen der ”Andere”, “unabhängig” von ihren Hautfarben, auf Augenhöhe mit dem Gegenüber kommuniziert, und sie sich gegenseitig ihre Positionen geigen. Ansonsten aber unberührt nach Hause gehen, um weiter ihren eigenen “Fetisch” zu frönen. Sondern die meisten PoC und black communities in Amerika wollten, dass die weißen Unterdrücker nicht nur zur Kenntnis nehmen sondern wirklich verstehen, welches Leid Unterdrückung, ein Apartheidsregime und Nichtgehörtwerden in den PoC communities anrichtet. Weiße sollen ihre Unterdrückerposition reflektieren und aufgeben. Dh. mit den PoC um Verbesserungen streiten, sozusagen ein Verbündeter in ihrem Emanzipationskampf werden. Das ist viel weitreichender als nur idealistische, vermeintlich inkludierende symmetrische Sprechpositionen herzutellen.
In der Folge von 1968 kam es 1969 in New York zum Stonewallaufstand in der Christopherstreet. Besagte Gaybar wehrte sich zum ersten Mal kollektiv gegen die ansonsten brutalen Razzien der New Yorker Polizei. Nur wenig später ging daraus der Christopher Street Day hervor. Es entstand die erste einflussreiche Schwulenbewegung der USA. In San Francisco der 70er war ein Hauptthema, inwiefern die Gay Community in der Stadt präsent sein kann und es toleriert wird, offen schwul zu leben. Die Bewegung beanspruchte ein Stadtteil rund um die Castrostreet, das Castro, für sich. Harvey Milk, eine, wenn nicht die Ikone der Gay Community, und einige andere Stadträte sollten sie politisch repräsentieren, um ihre Interessen angemessen zu vertreten und Gay Life zu empowern. Inklusion ist eine viel zu schwache, schlechte, wohl auch unzutreffende Begründung, für diese Art von Interessenvertretung. Jeder geschichtlich sozial/politisch und sozialpsychologisch Informierte weiss um die Diffamierungen und rauen Widerstände, die der Schwulenbewegung besonders von reaktionären, konservativen amerikanischen Medien entgegengebracht wurden. In Erinnergung zu rufen ist, dass Milk und der damalige Bürgermeister von SF Moscone in seinem Büro im Rathaus 1979 von einem reaktionären Homophobiker, Dan White, aus dem Stadtrat erschossen wurden. Das milde Urteil, das anschließend für White gefällt wurde, löste anhaltende schwere Riots in SF und der Gay Community aus. Die rassistischen, den damaligen bürgerlichen Mainstream vertretenden Homophobiker, hatten trotz aller angeblichen Inklusion wieder ihre Macht gezeigt brutal und mörderisch auszugrenzen.
Die parallel dazu verlaufende Frauenbewegung hatte das Anliegen des Empowerments und der Repräsentation der Frauen. Zu meinen die Frauenbewegung ist zustandegekommen weil die Frauen schon inkludiert waren, würde ihr Anliegen und auch die Gründe ihres entstehens nicht berücksichtigen, wie nicht anerkennen. Sie wollten weitreichende Reformen innerhalb des Geschlechterverhältnisses. Eine starke Fraktion innerhalb der amerikanischen Frauenbewegung thematisierte, dass die Frauen nicht mehr “muttern” sollten. Mothering galt ihnen als ein Grundübel, dass sie weitgehend gesellschaftlich und beruflich benachteiligt sogar exkludiere. Die amerikanische Frauenbewegung der 70er Jahre legte einen starken Fokus auf die ziemlich unterschiedlichen Wahrnehmungen und Interessen von Frau und Mann, woraus sich später die Gender Studies entwickelten. In den späten 70ern wurden deshalb die Anliegen und Wahrnehmungen um LGBTQ Perspektiven erweitert. Das mit Inklusion begründen zu wollen hieße letztlich die konkreten Anliegen der damaligen Frauenbewegung abermals nicht wahrzunehmen. Es ging darum eine von männlicher patriarchaler Heterodefinition, Wahrnehmung und Ästhetik emanzipiertes, eigenständiges, speziell lesbisches Leben führen zu können. Eine offene Differenz sichtbar zu machen und zu leben. Systemtheoretisch würde Nassehi den Distinktionsgewinn ins Spiel bringen. Aber dieser Begriff funktioniert innerhalb der Systemtheorie als eine narzisstische Attitüde, sich von anderen nur um der Differenz willen zu unterscheiden. Er schneidet, wie die meisten systemtheoretischen Begriffe, alles Historisch-Inhaltliche ganz bewusst ab. Um die Gesellschaft als abermaligen Herrschaftszusammenhang zu verstärken und nicht in Frage zustellen. Diese reine Formalisierung der systemtheoretischen Begriffe, wie z.B. Distinktionsgewinn verschleiert komplett die schweren, politischen, gesellschaftlichen Kämpfe, die mit vielen Verletzten und einigen Toten einhergingen vollends. Sie erkennt den harten Kampf der Emanzipation mit der Reaktion nicht an. Ebenfalls beachten die systemtheoretischen Begriffe nicht welche Sozialcharaktere diese Kämpfe führen. Also all die interessanten psychoanalytischen Perspektiven um die individuellen Leiden sind hier vollends ausgeklammert. Was seit Beginn der Systemtheorie ihr Anliegen war.
Obwohl, bezüglich der People of Color und der verschiedenen anderen sozialen Bewegungen, Inklusion als Grund ihrer Entstehung eindeutig falsch ist, vielmehr Exklusion zutrifft, stellt sich die Frage, warum Nassehi derart hartnäckig Inklusion als fast alles erklärendes Argument für die beliebigsten gesellschaftlichen Phänomene heranzieht. Sogar die aktuelle Postmoderne sieht er von Inklusionsschüben geprägt. Aber trifft durch die prekären Beschäftigungsverhältnisse nicht vielmehr das Gegenteil zu ? Die Inklusionssicht ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Nassehische Systemtheorie selbst Personen die von Hartz 4 leben noch als inkludiert betrachtet. Obwohl hier Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung diametral auseinanderfallen. Auch Haushalte, die von prekären Beschäftigungsverhältnissen leben oder im wachsenden Niedriglohnsektor arbeiten, sehen sich selbst gesellschaftlich als exkludiert an. Denn sie erleben aufgrund ihrer Einkommenssituation ständig, wie wenig für sie in den verschiedensten Bereichen der kulturellen Partizipation möglich ist.
Warum also permanent diese systemtheoretischen Fehlinterpretationen und Wahrnehmungsverzerrungen ?
Speziell die (heutigen) Sozialwissenschaften üben eine vehemente Ideologieproduktion auf die sie unmittelbar rezipierenden Studierenden aus. Denn die Student/innen haben oft ein kritisches Verhältnis zu der Gesellschaft in der sie Leben. Sie wollen ihr Verständnis von Individuum und Gesellschaft vertiefen, sonst würden sie nicht sozialwissenschaftliche Fächer studieren. Die überwiegende Mehrheit der Sozialwissenschaftler können aber gar nicht in den von ihnen avisierten Beruf arbeiten. Denn es gibt diesbezüglich sehr wenige bezahlte Stellen. Schon im bzw. kurz nach ihrem Studium bekommen sie diesen Sachvehalt am eigenen Leib zu spüren. Die meisten müssen nun eine berufliche Umorientierung in Kauf nehmen, die oft von einer größeren Lebenskrise begleitet ist. Ihre Existenz und damit ihre Weltsicht ist damit unmittelbar von der Exklusion ihrer Selbstverwirklichung geprägt. Dies könnten sie für kritische Verhaltensweisen und Demonstrationen nutzen. Hier würde sich ein großen kritisches Potenzial ergeben, das wie die frühen 68er ihre prekäre Situation hätte nutzen und gesellschaftlich agieren können. Gerade dieses unmittelbare kritische Verhältnis zur Gesellschaft versuchen nun die Mehrheit der Sozialwissenschaftler, z.B die reflexive Modernisierung der arrivierten 68er aber auch die Systemtheorie vehement abzuwiegeln respektive zu verblenden. Die Schriften Nassehis wie die von Beck, Keupp und vielen anderen haben einen Tenor: Affirmation. Obwohl sich die Mehrheit der Studierenden fragt, ob die Inklusionsthese überhaupt etwas mit der aktuellen Gesellschaft zu schaffen hat, respektive mit ihrer Situation als stellenlose und präkarisierte Sozialwissenschaftler.
Handelt es sich wirklich um eine kritische Dauerreflexion ?
Oder die Dialektik der Dauerreflexion
Die nächste systemtheoretische Formalisierung Nassehis besteht darin, dass das Hauptcharakteristikum der 68er ihre Dauerreflexion wäre.
Nach 1968 sei alles “Schichtung, Milieus, Geschmack, Geschlechterrollen, Familienformen, Ethnizität, Nationalität, Autoritäten” begründungsbedürftig geworden. Abgesehen davon gibt es seit der AfD, also ca 2014 wieder Bestrebungen, die die letzten vier Punkte als nicht begründungsbedürftig oder verhandelbar einstufen. Dies hängt u.a. mit der konformistischen Wende der 68er Mitte der 80er zusammen. Nassehi geht mit keinem Wort auf diesen Wechsel und ihre vorangegangene Reflexionsgeschichte ein. Deshalb kann er den zentralen Reflexionsbruch, den die 68er vollzogen, gar nicht erfassen. Die frühen kritischen expliziten Protest 68er hatten sehr dezidierte Vorstellungen von einer kritisches Kritik, dh. über welche Sujets, wie reflektiert werden sollte.
Deshalb wird im Folgenden die gesellschaftskritische Kritik der 68er bis Mitte der 80er dargestellt um anschließend die bedeutende antireflexive Wende, die ausgerechnet die reflexive Modernisierung vollzieht zu verdeutlichen. Dh es werden die komplett unterschiedlichen Reflexionsformen der frühen und späten “68er” herausgearbeitet.
Die frühen 68er beobachteten die Gesellschaft hauptsächlich mit zwei Theoriekomplexen. Der dialektisch historischen materialistischen Analyse von Marx und der Kritischen Theorie Adorno Horkheimers. Parallel dazu gerieten die Subjekte, die von der konservativ hierarchischen Gesellschaft autoritär geprägt waren, in den Fokus einer kritischen Kritik. Herrschaft- und Machtkritik in bestehenden autoritären 60er Jahre Gesellschaften rückte in den Brennpunkt der wenigen expliziten Linken, die in den 70ern auf die vielen impliziten Linken in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen überging. Ein investigativer journalistischer Blick des Entlarvens, Enthüllens und Spiegelns, der gründlichen Ideologiekritik und immanenten Kritik von reaktionären Äußerungen hielt Einzug. In dem Maße, dass sich gegen Ende der 70er Jahre nun auch die breite Mitte der Gesellschaft linksliberal verstand. Sie trug u.a. dazu bei, dass die SPD Brandt als Kanzler stellen konnte, wie auch die SPD in den Fokus der kritischen Kritik geriet. Bis Kohl reüssierte und wieder vieles ruinierte.
In den 60ern und 70ern war kritische Dauerreflexion angesagt über die Anpassungszwänge einer autoritären Gesellschaft. In der in Deutschland nach der gescheiterten Entnazifizierung ein Großteil von Hitlers Verwaltungselite wieder in den Ministerien und Verwaltungen nicht nur in Leitungsfunktionen auftauchte. Um bis zur Verrentung, mit wenigen Ausnahmen, die in den Fokus von Anklagen gerieten, ein unbehelligtes Leben zu führen. Der Auschwitzprozess 1963, den der Staatsanwalt Fritz Bauer initiierte und seine scheiternden Anklagen, war für die 68 er Anlass nach den Verstrickung ihrer Eltern in den Nationalsozialismus zu fragen. Die Recherche fand aber nicht in dem Ausmaß statt, wie es die expliziten 68er gerne für sich und ihre Generation beanspruchten. Einer der wenigen Punkte die Nassehi treffend erwähnt. Die Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich hat aber dennoch auf gesellschaftspolitischer Ebene stattgefunden und zwar viel mehr als Nassehi wahrhaben will. Denn die Ächtung von Rechtsradikalismus zog bis zum Reüssieren der AfD in die Mainstreammedien ein. Diese Entwicklung ist nicht ohne den entschiedenen Antifaschismus der frühen 68er denkbar, der diesbezüglich einen definitiven Bewusstseinsschub für die Gesellschaft stellte. Der 68 er Sponti Spruch: Trau keinem über 30, bezog sich u.a. auf die NS Vergangenheit all derjenigen, die über 30 waren und damit das Naziregime als Mitläufer oder aktiv unterstützt bzw. mitgetragen haben mussten. Sie und ihr reaktionäres Denken waren als Nazi-Generation unter einem generellen Ideologieverdacht gestellt, den sie nicht mehr abschütteln konnten.
Die mentale Entnazifizierung mittels Dauerreflexion kommt damit etwas später durch die Kritische Theorie ab den 70er Jahren als breit rezipierte in Gang. Nassehi erwähnt sie nur sehr marginal. Mit wenigen seltsamen Sätzen. Denn es markiert einen signifikanten Unterschied ob Adorno als Opfer des NS einen wohlwollenden Apercu über seine Studierenden schreibt, “in die der jüdische Geist der Toten gefahren wäre”. Oder ob Nassehi dieses Beispiel zitiert um die 68er pauschal zu verdammen. Es kommt neben der befremdlichen Konnotation einer Abwehr ihrer einst kritischen Protestgeschichte gleich.
Anderweitig hätte Nassehi ein komplett anderes Buch über die Geschichte der 68er schreiben müssen, besonders über die Rezeptionsgeschichte der KT. Ihrer gilt es sich im Folgendem zu erinnern. Gerade die explizit protestierende Linke um Dutschke und dem SDS waren nicht nur Marxisten sondern sie ließen die Dialektik der Aufklärung als Raubdruck zirkulieren, auch waren die wenigen in den 50er/ 60er Jahren veröffentlichte Schriften, wie die Minima Moralia oder die Negative Dialektik für sie bekannt. Sie hatten auch Zugang zu Horkheimers Zeitschrift für Sozialforschung, die damals nur in wenigen Universitäts-Bibliotheken, besonders aber in Frankfurt auslag. Die explizite Linke saß in Adornos Vorlesungen und war süchtig nach Theorie. Oder im Otto Suhr Institut für Politik an der FU Berlin, wie an einer Vielzahl von Universitäten. Die wichtigsten Schriften der Kritischen Theorie wie die Dialektik der Aufkärung, Horkheimers Traditionelle und kritische Theorie, Adornos Studien zum autoritären Charakter, mehrere wichtige Aufsätze (die freudsche Theorie und die Struktur der faschistischen Propaganda), oder die Schriften Walter Benjamins (Fromms, Reichs und Freuds) wurden erst Anfang oder im Laufe der 70er Jahre im Taschenbuch von Fischer, Suhrkamp oder psychoanalytischen Zeitschriften wie Psyche für ein großes Lesepublikum in höheren Auflagen ediert. Dh. erst in dieser Zeit wurden sie einem breiten intellektuell interessierten Publikum, was damals nicht nur gleichbedeutend mit der expliziten und impliziten Linken, sondern darüber hinaus für alle sozialwissenschaftlichen Student/innen und anderweitig Studierenden allgemein zugänglich. Vor allem die Student/innen und Schüler/innen von 68er Dozenten/Lehrer/innen in den Geistes- und Sozialwissenschaften, die in den 70ern in diesen Fachbereichen als Generation die geistige Hegemonie ausübten, (auch in den Kombinationen von Sozialkunde, Soziologie, Wirtschaft, Recht), wurden dazu angeregt Referate und Fach/Arbeiten über diese kritischen Theorien anzufertigen. Felsch sprach vom langen Sommer der Theorie. Ihr gemeinsamer Nenner ist, dass sie alle eine kritische Haltung zu dem Autoritarismus ihrer Eltern und des sich in Agonie befindenden Nazismus einnahmen, die sowohl durch diese Schriften geweckt, als auch forciert wurde. Ihre Kenntnis und Rezeption wirkte sich spürbar auf das kulturelle Klima der 70er Jahre BRD aus. Für die damals akademisch sozialisierten 68er Sozialwissenschaftler/innen, Pädagogen und ihre Schüler/innen stellte der aus der KT abgeleitete Antiautoritarismus für ihr eigenes Leben, Denken und letztlich auch für die Lehrkonzepte ihrer “Schüler/innen” ein zentrales Selbstverständnis. Er wirkte sich auch auf die unterschiedlichsten Fachrichtungen aus, die nun nach neuen innovativen und kritischen Lehr- und Pädagogikkonzepten Ausschau hielten oder selbst entwickelten.
In den wie Pilze aus dem Boden schießenden K-Gruppen und späteren Schwulen-Lesben Kinderladen und Antiautoritären-Bewegung der 70er Jahre spiegelten sich die zwei großen Theoriestränge wieder: Einerseits die Ausrichtung der orthodox marxistischen politischen Ökonomie und die des dialektischen Materialismus, andererseits die der freudomarxistischen Adorniten. Modifiziert gaben die unterschiedlichsten Gruppen ihre Auseinandersetzung als Resonanz wieder an die Universitäten zurück. Machtkritik stellte das Lehrparadigma der linken Sozialwissenschaften, zudem das unterirdische Rhizom nicht nur der BRD sondern der gesamten westeuropäischen und amerikanischen Linken.
Die Kämpfe in Frankreich
In den späten 70er Jahren rückten die politischen intellektuellen Kämpfe und Strömungen in Frankreich zunehmend in den Mittelpunkt der europäischen akademischen Aufmerksamkeit. Als Philosophie der Postmoderne begannen sie darauf ihren Siegeszug in den Sozial- und Geisteswissenschaften.
Sie zeugen davon, dass in Frankreich die Situation besonders diffizil respektive quirlig und dynamisch war. Neben einer die Kunstszene revolutionierende Nouvel Vague rangen vier große Intellektuelle Strömungen um Macht und die Deutungshoheit in der französischen Gesellschaft. Einerseits eine größere maoistische Linke, die sich in Untergruppen aufsplittete, aus denen wiederum mehrere trotzkistische Gruppierungen hervorgingen, andererseits später die Althusserlianer, zudem die neu aufkommenden Foucaultianer und die linken Spontis. Sie alle kämpften nicht nur um Einfluss auf die Gesellschaft sondern gleichermaßen um die Macht in der damals noch großen kommunistischen Partei und der sozialistischen mit ihren jeweils eigenen Politikstilen. Wobei sich die späten Foucaultianer von diesen Parteien nichts mehr versprachen, denn die Kulturindustrie mit ihrer subtilen Macht- und Mindmachine des globalen Kapitalismus würde diese Parteien zerlegen, wie es sich auch bewahrheitete. Frankreich war in den 60-80er Jahren wohl das spannendste linksorientierte Land, das eine einzigartige Kunst- und experimentelle Filmszene hervorbrachte. Interessant stellt sich dar, dass mit Foucault eine intellektuelle Figur enorm an Bedeutung gewann, die ua. fragte, warum sich die Revolutionären Konzepte im Westen nicht durchsetzen konnten. Dahlmann veröffentlichte zu dem Thema ein Buch, das Rätsel der Macht, das über den Erfolg von Foucaults Machttheorie reflektiert, die er mit einer Krise, letztlich den Misserfolg der marxistischen Revolutionstheorie innerhalb der damaligen Linken in Verbindung bringt. Mit Foucault kam eine avancierte machtkritische Diskurs- und später eine Gouvernementalitereflexion ins Spiel, die auf die westlichen Sozialwissenschaften bis heute großen Einfluss ausübt und auch die neue Governanceforschung und Theorie stark beeinflusste. Foucault modifiziert zu Beginn der 70er Jahre das Klassenkampfschema aufgrund der Straßenkämpfe der 68er Studentenbewegung. Es wich einem Privilegiertenkampfschema ohne dass er ihn damals vollends aufgab. Er beobachtete, dass die herrschenden Arrivierten und Privilegierten einen teils offenen teils camouflierten Bürgerkrieg gegen alle Nichtprivilegierten führten, wogegen sich die frühen 68er vehement strassenkämpferisch wehrten. Später mutierte er zu einem verallgemeinerten Konkurrenzkampf Aller gegen Alle.
Foucault extrapolierte jedoch seine Optik und deutete damals schon an, was aus der 68er Bewegung und ihren Protagonisten wird, wenn sie die Machtpositionen in der Gesellschaft einnehmen. Sie werden zu Privilegierten und zu Gouvernementalite- respektive Machtsubjekten des zuvor kritisierten Establishments und damit selbst zum Establishment. Dadurch mutiert ihr ursprünglicher ANTIFA/ Generationenkampf und wird pervertiert. Denn die 68er werden zu Leadersubjekten, die nun ihrerseits die nachfolgenden Generationen nicht nur zu beherrschen beginnen sondern auf mehr oder weniger subtile Art bekämpfen. Diesen nun Gouvernementalen-Krieg beschrieb er zuerst durch die Gefängnis- und Strafgesetzgebung hindurch als auch später vermittels den damit einhergehenden Normalisierungs- wie identitären Psy-Komplexen. Leider reichte seine Lebenszeit nicht für dieses Projekt.
Besonders interessant wäre und größere Forschungsarbeiten stünden hier noch aus, diese Kämpfe und Mutationen in Frankreich (aber auch Europa und weltweit) vor allem in den späten 70er Jahren genau zu analysieren, wie zu beschreiben, welche Auswirkungen sie auf die westlichen Gesellschaften zeitigten. Boltanski lieferte hier einen Anfang, indem er ein sehr spannendes, verständiges und aufklärendes Buch über diese 70er Jahre veröffentlichte, und ihren dialektischen Umschlag in den späten 80er und 90er in Frankreich, mit dem Titel der Neue Kapitalismus. Diese Dialektik führt den bourgeoisen Klassen- respektive Gouvernementalitekampf nun verschärft auf der ìntellektuellen Ebene. Boltanski/Chiapello zeigen
"wie sehr die kritischen Gegenentwürfe (in den 80ern) selbst vom Kapitalismus assimiliert und positiv bzw. im wahrsten Sinne des Wortes >produktiv< gewendet werden konnten. Die Lektüre von Der neue Geist des Kapitalismus führt Schritt für Schritt vor Augen, wie sehr die immer wieder überraschende Vitalität und Selbsterneuerungskraft des Kapitalismus nicht zuletzt auf der Fähigkeit beruht, die Kritik an ihm aufzunehmen und dadurch aufzuheben. Die Kapitalismuskritiker müssen sich bei dieser Lektüre immer aufs Neue Asche auf ihr Haupt streuen und eingestehen, dass sie ihren Gegner auf sträflicher Weise unterschätzt haben und er sie auf ihren ureigensten Gefilden allzu oft mit ihren eigenen Waffen schlägt. Der Kapitalismus erweist sich in dieser Sicht der Dinge nicht nur als überaus vital, sondern obendrein noch höchst lernfähig und lernbereit, absorbiert historisch Erfahrungen und wendet sie reflexiv. Er lässt Kritik und Widerstand nicht einfach an sich abprallen, wie man lange versucht war zu glauben, sondern öffnet sich ihr, assimiliert und akkommodiert, um es mit der Piagetschen Lerntheorie auszudrücken, die aufgesogenen Wissensbestände und Erfahrungswerte, nimmt deren Aufschlüsse in sein Programm auf, wird klüger und reflexiver, schreitet fort, steigert seine Effizienz, stärkt sich und wird dabei immer unausweichlicher.”
Wem ist Unterkomplexität/Trivialisierung zu attestieren ?
Bis Mitte der 80 er Jahre war eine ziemlich vielfältige, komplexe, kritische Kritik innerhalb der europäischen Linken vertreten. Diese verschob sich später in die Akademien und Universitäten, dh. in den Elfenbeinturm, ohne, zumindest bisher, je wieder solch eine Breitenwirkung zu entfalten.
Nassehis Systemtheorie postuliert hingegen schräg, dass die Linke angeblich nicht die komplexen Mechanismen der postmodernen Gesellschaft darstellen kann. Sie leide an einem Betroffenheits/tunnel/blick, der Vereinfachungen wie Unterkomplexität befördere. Das ist aber nur dann der Fall, wenn man, gleich Nassehi, nur Sven Reichardts, Authentizität und Gemeinschaft, Linksalternatives Leben in den siebzigern und achtziger Jahren, referiert. Bei Nassehi als Soziologieprofessor und angeblichen Erforscher der soziologischen Komplexität verwundert, dass er für dieses ziemlich komplexe Thema nur Reichardt zitiert. Denn inzwischen ist zu diesem Themenkomplex interessante und vielschichtige Literatur vorhanden, die weiter anwächst. Warum also diese Beschränkung auf Reichardt ? Hätte er Reichardt nicht vielmehr, ob seiner grandiosen Verkürzungen, als auch seiner doch sehr konventionellen Geschichtsschreibung kritisieren müssen ? Reichardt erwähnt Marx und die neueren marxistischen Perspektiven auf das Thema, als auch die der Kritischen Theorie, die einen enormen Einfluss, nicht nur auf diese Szene hatten, nur sehr marginal. Dabei eignen ihnen die besseren Analysemethoden. Besonders skurril wird mit Foucault und den Neofoucaultschen Perspektiven umgegangen. Zwar erwähnt Reichardts in seiner Einleitung wortreich, dass er eine foucaultsche praxeologische Analyse der linksalternativen Lebens der 70er avisiert. Sie wäre sehr spannend und angemessen, nur sucht man sie in seinem Buch vergebens.. Auf all diese maßgeblichen Autoren/ Perspektiven geht er überhaupt nicht angemessen ein. Einen genauso breiten Fokus hätte die Theorieentwicklung Foucaults und wie er das Denken von verschiedenen intellektuellen Milieus zu prägen begann verdient. All das vermisst man als informierter Leser. Man vermisst es auch in Nassehis Buch über 1968. Seine Diagnosen über die 68er beinhalten enorme Vereinfachungen, Verkürzung und Verzerrungen. Reichardt und Nassehi verdrängen oder erwähnen zudem mit keinem Wort, wie komplex und dialektisch die Schriften Horkheimer Adornos und Marx sind. Nassehis Vorwurf ist vor allem an ihn selbst zu richten. Unterkomplexität muss, nach Prüfung der Fakten, Nassehis systemtheoretischen Blick attestiert werden. In seiner Interpretation sind es hauptsächlich nur Inklusionsschübe und Distinktionsgewinne mit der er die Gesellschaft um 1968 bis heute analysiert. Aber diese Kategorien erklären schon für die Abstiegsgesellschaft (Nachtwey 2016) nach dem fast finalen Finanzkollaps 2008 nichts mehr. Nassehi verwendet seine systemtheoretischen Kategorien viel zu eindimensional respektive zu undialektisch. In seinen Texten fehlt die Sicht, dass die Funktion des “Systems” oder der Systeme darin besteht, dass es zwar durch Hartz 4 oder durch Niedriglöhne eine gewisse Minimalinklusion leistet, die aber von den Betroffenen als Exklusion erlebt wird respektive objektiv fungiert. In den Jobcentern tritt dem vereinzelten, verarmten Almosenempfänger die gesellschaftliche Kapital/Macht als Sanktionsmacht schlechthin gegenüber, als Über-Macht der Sanktion als auch der Exklusion. Die Finte des Systems besteht meist darin, dass es durch Minimalinklusion, dh. Pseudoinklusion, stark exkludiert. Dagegen wehrten sich zuletzt die gilet jaunes in Frankreich massiv.
Dass die Gesellschaft vor allem eine durch den stummen Zwang der Ökonomie ausgeübte Zwangsveranstaltung ist, die starke soziale Anpassung sowohl für die Inkludierten als auch Exkludierten erheischt, kann Nassehis Systemtheorie nicht erfassen. Denn ihrer Kategorie der funktionalen Differenzierung eignet kein Sensorium dafür, was sie an Anpassungsstress für den Einzelnen bedeutet. Dadurch kann sie nicht die mannigfaltigen kleinen wie großen sozialen Pathologien als auch Psychosomatiken (Burn out, Depression, Somatisierungen ) wahrnehmen, die viele Zeitgenossen der Postmoderne plagen. Sie sind ua. dem Umstand geschuldet, dass die postmodernen, hierarchischen Systeme, die Nassehi so liebt, zum einen für die meisten sich als komplett undurchlässig, opak und kafkaesk erweisen, die versuchen darin eine ihnen besser entsprechende und/ oder angemessen bezahlte Stelle zu erreichen. Wenn sich Organisationen “nur” von ihrer milderen kafkaesken Seite zeigen, hat manch eine/r schon Glück gehabt und ist mit einem fine frenzy “davongekommen.” Denn in der Mehrheit der Fälle ziehen sie ihre Stricke, wie es Kafka in seinem toughesten Werk, der Prozeß, portraitierte. Die Institution induziert durch schräge Fragen und bürokratische Verfahren eine Psychodynamik, in der vor allem der Kataklysmus der absoluten Paranoia sich perennierend verselbstständigt.
Die Wahrscheinlichkeit tatsächlich eine bessere Stelle in Institutionen zu erhalten, entspricht dem Verhältnis Anzahl der Vorgesetzten zu den einfachen Angestellten. Denn anscheinend halten die Systeme für wenig Privilegierte diese wenigen Stellen bereit. Was die anderen zu dem Irrtum verleitet, durch mehr Anstrengung und Geduld ebenfalls ein Privilegierter werden zu können. Zum anderen beißen diejenigen auf Granit, die versuchen das System zu verändern, (abzuschaffen) oder zu enthierarchisieren. Denn das würde bedeuten den Privilegierten ihre Privilegien (Bezahlung, Macht, Status, Ruf, “Identität”, Freizeit) zu nehmen, also das System dort zu reformieren, wo sich seinen neuralgischen Punkte befinden. Diese Privilegien werden gerade von Amtsträgern und Privilegierten mit Zähnen und Klauen verteidigt.
Gleich den meisten Systemtheoretikern stellt sich Nassehi zu entscheidenden systemtheoretischen Prämissen naiver als er vermutlich ist. Sie alle meinen, dass die Subjekte und die Gesellschaft, die sie “beobachten”, praktisch autopoietisch funktionale Systeme und damit Hierarchien produzieren oder sich Systeme von selbst funktional differenzieren. Aber nur die Obersten finden sich dort nach einem langen Anpassungsprozess relativ freiwillig ein. Hier sind öffentliche Institutionen und die der Wirtschaft zu unterscheiden. In ersteren finden sich Personen, die durch ihren Anpassungsaufstieg ihre Persönlichkeit komplett aufgaben als auch abschliffen. In der Wirtschaft finden sich dort oft Trump ähnliche Typen, mit entsprechender Psychopathologie. Die Mehrheit des Mittelbaus oder die Assistent/innen üben ihren Job oft nur aus, weil sie gezwungen sind Geld zu verdienen. Dieser Zwang geht mit einem geringen Verdienst, Status und Selbstverwiklichungsverlust einher. Er bewirkt einen rein funktionalen Job “mit Dienst nach Vorschrift” auszuführen, der ihnen kaum Spielräume lässt. Verglichen mit der Situation von Privilegierten, liegt ihre Wahlmöglichkeit zwischen “Pest und Cholera”. Die obersten Riegen profitieren, während die unteren leiden. So erhält sich der Kapitalismus als auch seine Systeme in toto. Die Alternativlosigkeit dieser, trotz aller neuen Humanrhetorik, nach wie vor “stahlharten Gehäuse” ist Anlass für neue Formen der Hörigkeit, die für nicht wenige oft große Verzweiflung und Depression bedeutet. Aktuelle Kritiken weisen darauf hin, dass sie zu stahlharten Gehäusen einer unglaublichen, ungeheuerlichen Schleimerei respektive psychischen Verbiegung, die zur eigenen Verleugnung führt, mutierten. Lehrer berichteten mir, dass sie länger psychosomatisch ob dessen erkrankten. Ein weiterer Faktor war, dass sie die Schleimerei von Kollegen in Gesprächen mit Schulleitern oder Vorgesetzten nicht mehr ertragen konnten, von denen sie sich eigentlich Unterstützung erhofften.
Nassehi produziert/e relativ viel Systemtheorie. Aber nirgends ist die Schere zwischen Theorie und Praxis größer als in diesem Fachbereich. Zwischen systemtheoretischen Spekulationen und der kritischen empirischen Untersuchungen von Institutionen öffnet sich meist eine eklatante Kluft. Nassehis Fachbereich würde es die Augen öffnen, die kritischen Untersuchungen zu den Institutionen, die inzwischen einen eigenen Kanon bilden, zur Kenntnis zu nehmen und auch zu lehren. Aber dieser taucht kaum bis gar nicht in ihren Literaturangaben auf.
Die frühen 68er hatten einen probaten Spruch für all diejenigen, die sich als große Apologeten des Systems profilieren und dadurch zu Privilegierten wurden. Sie nannten die Namen von Politikern oder Professoren und forderten sie auf zurück in die (Industrie-oder Dienstleistungs) Produktion zu kehren. Dadurch müssten sie die Perspektive der Mehrheit der Zwangsvergesellschafteten einnehmen, was sich positiv auf ihre Theorieproduktion auswirken könnte. Bestimmt wäre dies auch heute ein interessantes Mittel für all die Apologeten. Wenn sie bei Foxconn in China, Indien oder in der Textilproduktion in Asien ihren Lebensunterhalt verdienen müssten. In Europa wäre ein Job bei Lidl, Aldi, der Autoindustrie oder einem Callcenter auch schon erkenntnisfördernd.
Die “reflexivmoderne” Wende
Mit seinen systemtheoretischen Kategorien kann Nassehi auch nicht die krasse kognitive Wende, die ausgerechnet die Sozialwissenschaftler der 68er und die 68 er als Generation insgesamt vollzogen, in den Blick nehmen. Sie kommt just zu dem Zeitpunkt als sie selbst zum Establishment wurden. Hier lässt sich durchaus in Anlehnung an die Dialektik der Aufklärung von der Dialektik der 68er sprechen. Die Wende kam mit Fachbereichen, die sich seltsamerweise revflexivmodern nannten in Deutschland. Sie erklären sich aus arrivierten, nun affirmativ konvertierten (Ex-)68ern. Während man Nassehis Zuschreibung umfassende Dauerreflexion für die frühen 68er und ihre kritische Gesellschaftskritik in den 60er und 70er Jahren durchaus als treffend bezeichnen kann, verhält es sich mit der Reflexion der Reflexivmodernen seit Becks Risikotheorie ganz anders.
Zwar benutzen sie den Begriff reflexiv in allen möglichen Formen und wollen damit eine “reflexive Moderne” suggerieren. Nur ist dieser Begriff im konkreten Gebrauch meistens komplett inhaltsleer. Wenn man ihn redlich einsetzte, müssten detailliert verschiedene Stufen eines Reflexionsprozesses beschrieben werden, damit für den Leser konkret nachvollziehbar wird, was gemeint ist. Diese Konkretisierungen sucht man bei den Reflexivmoderen jedoch meist vergeblich. Deshalb ist nicht abwegig davon auszugehen, dass Sie nur behaupten, dass ihre Moderne reflexiv sei. Die Absicht ist vorzutäuschen, dass eine ähnlich intensive Reflexion am Werke wäre, wie sie die frühen 68er betrieben. Weit gefehlt ! Vielmehr lässt sich eine gezielte Zurichtung auf ihre hypostasierte angeblich individualisierte zweite Moderne beobachten. Denn gesellschaftlich sehen sie nur mehr Individualisierungsprozesse (Beck) am Werke. In denen man/frau es sich durchaus gemütlich einrichten könnte. Reflexion soll sich nur noch auf gewisse von ihnen nebulös vorgegebene Themen kaprizieren. Wahrheitsgemäßer wäre aufgrund des schwammigen Gebrauchs des Begriffs reflexiv also von einem Reflexionsverlust, einer Gegenreflexion, Gegenaufklärung oder gar Antireflexion (vermutlich sogar gesellschaftskritischen Zensur) zu sprechen.
An den “reflexivmodernen” Fachbereichen ab ca. 1986, die mit Becks Risikogesellschaft und Individualierungstheorie arbeiten, lässt sich der Reflexionsverlust und damit die Dialektik der 68er am besten demonstrieren. Denn nun sollte explizit nur noch über das verschwommen reflektiert werden, was die frühen 68er als bürgerliches Denken, als methodischen Individualismus, das/der einst mit einer scharfen Ideologiekritik bekämpft werden sollte, vehement kritisierten. Über Individualisierungsprozesse wurde geforscht und nebulös theoretisiert, die von Keupp durch seine “Forschungen” als auch Aufrufe zu einer verstärkten individuellen protestantischen Identitätsarbeit forciert wurden. Nicht nur, dass sie diese auf die Agenda hoben. Bürgerlich eingeschränktes Denken wurde derart wieder allen ihnen nachfolgenden Generationen eingeimpft. Gepredigt wurde widersprüchlich, dass die Individuen automatisch und systemisch individualisiert würden und zugleich wieder vollkommen für sich verantwortlich, auf sich gestellt sind. “There was no more such thing as society”, die es gemeinsam zu entlarven und zu analysieren galt, sondern nur noch anonyme Individualisierungsprozesse, gegen die man sich angeblich nicht wehren kann. In finanziell gut ausgestatteten reflexivmodernen Identitäts- Sonderforschungsbereichen, die wahrheitsgemäßer reflexiv antiquiert zu bezeichnen wären, führten sie das vormals kritisierte Identitätsdenken forciert wieder ein. Mit all den dramatischen, mythologischen Konsequenzen für die Subjekte. Diesen reaktionären Bruch im Denken der 68er sieht Nassehis Systemtheorie nicht. Sie kann deshalb die Dialektik der 68er und den bürgerlichen Wechsel der Inhalte, als auch ihren krassen Reflexionsverlust überhaupt nicht darstellen. Dazu hätte es eine persistierende avancierte Macht- und Herrschaftskritik der Postmoderne bedurft. Eine komplexe Kombination aus postmodernem Marx, Kritischer Theorie, Ideologiekritik und “postmodernem” Foucault.
Hinzu kam, dass praktisch kein Geld mehr für kritische Forschungen vorhanden war. Dafür umso mehr für affirmative positivistische “reflexive Modernisierung” und Mainstreamforschung. Die arrivierten 68er waren diesbezüglich weniger Opfer, als vor allem Täter. Um sich im Wissenschaftsbetrieb nicht zu marginalisieren, meinten sie reflexive Modernisierung und Mainstreamforschung betreiben zu müssen. Man kann sich schon fragen, wo denn ihr Protest gegen diese marktkonforme Forschung blieb, die sie in den 70ern noch vehement kritisierten, nun aber selbst betrieben. Denn sie hatten inzwischen doch etliche Lehrstühle inne, an denen sie kritische Theorie und Praxis hätten lehren können. Das Gegenteil war der Fall, sie selbst betrieben identitären Neoliberalismus mit Verve. Sie selbst mutierten dementsprechend zu angepassten neoliberalen Anpassungswissenschaftlern, die sich nun “reflexivmodern” nannten. Ein zusätzliches für viele Studenten verwirrendes Paradox lag darin, dass die 68er im Laufe der 80er und 90er Jahre des 20 Jhs an den Unis weiterhin lange von ihrem frühen kritischen Ruf zehrten, obwohl sie realiter und in ihrem frühen Selbstverständnis schon Identitätstheoreme und die Apologie des Systems betrieben. Sie selbst hinterließen mit der Identitätsforschung viel Verwirrung bei ihren teils noch ziemlich kritischen Studenten. Denn sie unterbanden jede Diskussion, die sie auf die krasse Differenz zur Kritischen Theorie hinwies, die sie noch in den 70er Jahren lehrten.
Das ganze reflexivmoderne Projekt kommt einer Konditionierung auf eine pseudoindividualisierte zweite Moderne gleich, in der es angebich keine Klassen mehr gibt. Die Reflexivmodernen mein(t)en tatsächlich naivst, dass jede/r seine/ihre von den Reflexivmodernen hypostasierte “Identität” nur finden muss, um sie anschließend ausleben zu können. Aber genau ihre Student/innen mach(t)en großteils andere Erfahrungen. Denn gerade in den beliebten Bereichen wie Kunst, Theater, Sozialwissenschaften, Wissenschaften, (Politik) können sie sich überhaupt nicht mehr etablieren, schon gar nicht was Lebenszeitstellen betrifft. Denn in diesen Bereichen geht kaum mehr etwas ohne Beziehungen, bzw. Vitamin B, dh. ohne netzwerkgesteuerter Reputation. Man kann auch kritisch von Racketsteuerung sprechen. Nirgends zeigt sich deutlicher als an diesen Sparten, dass die Arbeit an der Identität reiner Popanz respektive reine Ideologie ist. Für die meisten entpuppt sie sich als Augenwischerei. In diesen Bereichen reüssieren nur ganz wenige durch entsprechende Elternhäuser Privilegierte, die in Entscheidernetzwerken gepusht werden. Alle anderen, dh. die meisten mit entsprechenden Abschlüssen sind sehr wahrscheinlich nach dem Studium mit einem traumatisierenden Biografiebruch konfrontiert. Es wird vermutlich auch nicht ihr letzter bleiben. Sie summieren sich zu denen, die der Systemwechsel im Osten produzierte und weiter produziert.
Nassehi, Schelsky, Gehlen
Befremdlich in Nassehis Text zu 1968 ist auch die breite Bezugnahme auf Schelsky (1912-1984) und Gehlen, zwei der reaktionärsten Soziologen in Deutschland. Schelsky war schon 1932 ! Mitglied der SA, dh. vor Hitlers “Machtergreifung”. Er war also kein “Opportunist und Mitläufer” auf die sich viele herausreden wollten. Er wurde SA Mitglied zu einer Zeit in der stark in der Schwebe war, in welche Richtung sich die deutsche Gesellschaft verändern würde. Jede Stimme und Aktion für Hitler hatte dreifache Durchschlagskraft. In dieser Zeit hat er Hitler, ähnlich wie Heidegger, aktiv den Weg geebnet ! 1933 war er Mitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes und 1937 Mitglied der NSDAP. Er schrieb öfter Texte wie:
“ Wahrer Nationalsozialismus ist es ,Leute, die für das Volk ihre Leistung nicht erringen oder es gar schädigen, auszuschalten oder sie sogar zu vernichten. Eine sozialistische Tat ist so zum Beispiel Unfuchtbarmachung von unheilbar belasteten Menschen oder die Erziehung einer Presse, die ihre Aufgabe für die Volksgemeinschaft nicht erfüllt, durch Zensur.”(Wikipedia Eintrag über Schelsky)
Schelsky war im zweiten Weltkrieg Kompanieführer der Wehrmacht in Polen und Russland. Reaktionäre Einstellungen und regressives Denken durchziehen alle seine Publikationen. Für die 68er waren Schelsky und Gehlen die Art Professoren, die den Muff von 1000 Jahren unter den Talaren trugen, die es theoretisch und praktisch massiv zu bekämpfen und zu entlarven galt. Die kritischen Soziologiefachbereiche, die von frühen und ehemaligen 68ern geleitet wurden, zitierten Gehlen und Schelsky, wenn überhaupt, nur noch unter dem Vorbehalt der totalen reaktionären Ideologie. Dies wirkte sich weitgehend bis zu ihrer Emeretierung 2010 aus. Schelsky und Gehlen waren nicht mehr zitierfähig und sogar die systemtheoretischen Fachbereiche übernahmen diese Einschätzung. Aufgrund der schweren Auseinandersetzungen die Schelsky in den 60er und 70 er Jahre mit linken Studenten führen musste, und die einen Berufungswechsel verunmöglichten, veröffentlichte er 1975 eine brutale Abrechnung mit den frühen 68ern. Mit dem Titel “die Arbeit tun die Anderen, Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen.” . Das Buch strotzt nur so von reaktionären, faschistoiden, faschistischen und verbitterten Thesen.
Dass Nassehi nun wieder in so breitem Ausmaß Schelsky und Gehlen zitiert ohne die massive Kritik an ihnen zwischen 1966-2010 Jahren zu erwähnen, lässt tief in den systemtheoretischen Mainstream blicken, und wie reaktionär er wieder geworden ist. Aber es ist auch bedenklich gerade für eine Gesellschaft und ihre Soziologiefachbereiche, die diese Ächtung durch die reine Vernunft, die KT und kritische Psychoanalyse nicht mehr vornehmen (können?). Denn dieses Wissen wurden speziell auch von arrivierten 68ern, Reflexivmodernen und Systemtheoretikern aus den Unis verdrängt.
Nassehi führt Schelsky ua. als einen Vorhersager der Reflexionssteigerung an, die Schelsky ja kritisiert, weil er in einen religionssoziologischen Aufsatz den Protestanten selbst diese Steigerung attestierte. Da Nassehi nicht darin geschult ist Texte kritisch psychoanalytisch zu lesen und er diese Perspektive auch ablehnt, ist schwer erträglich wie ernsthaft er Schelskys Thesen diskutiert und in welchem Ausmaß er sich auf ihn bezieht ohne ihn zu hinterfragen. Ihn derart ernst zu nehmen geht an der deprimierenden und reaktionären Rolle, die er in mehreren Soziologiefachbereichen spielte, und an den Auseinandersetzungen, die die Linke mit ihm führte vollends vorbei und ist auch eine Form der Geschichtsklitterung. Ihn in einen derart großen Umfang ohne kritische Kommentierung als zitierfähig zu erachten wirft auch ein schräges Licht auf Nassehi.
Der Spiegel räumt Nassehi schon geraume Zeit einige Beiträge als auch Interviews zu den Komplexen Fremdenfeindlichkeit, Neue Rechte respektive Rechtsradikalismus ein. Auffällig ist seine verständnisvolle Haltung diesen Phänomen gegenüber. Es ist schon berichtet worden ob dadurch nicht der Autoritarismus salonfähig wird. Dabei ist es bei diesen Themen von enormer Bedeutung welche Analyse und Kritik an ihnen geübt wird. Diese Themen nur von Nassehi behandeln zu lassen führt zu überhaupt keinen Erkenntnisgewinn, schlimmer noch, dürften der AfD zuarbeiten. Diese Themen werden von Kritischen Theoretikern viel besser als auch treffender analysiert und behandelt. Selbst wenn man heute noch die Schriften Horkheimer Adornos, wie Dialektik der Aufklärung , Studien zum autoritären Charakter, Negative Dialektik, Enquete über Arbeiter am Vorabend des Faschismus, als Lektüre empfiehlt, gewinnt man mehr Einsicht und Analysefähigkeit über die psychischen als auch gesellschaftlichen Dynamiken des Rechtsradikalismus. Gleichermaßen über seine Gefährlichkeit sogar noch in der aktuellen Gesellschaft. Hier muss an die journalistische Verantwortung vor allem auch des Spiegels appelliert werden, niemanden noch ein zusätzliches Forum einzuräumen, der über keine qualifizierten Kritikkonzepte verfügt.
Ist gründliche Selbstreflexion möglich ?
Ein anderes Argument Nassehis gegen die 68er lautet, dass die 68er überhaupt nicht selbtreflektiert gewesen wären. Obwohl sie gründliche Rezipienten der Kritischen Theorie gewesen sind, hätten sie deren Verweise auf die Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis nicht beherzigt. Ein Kritikpunkt der KT war, dass die Stellung in der gesellschaftlichen Hierarchie die Möglichkeit von Erkenntnis durch Klasse- oder Rassebias stark beeinträchtige.
Allein jedoch, dass die frühen 68er die Schriften Horkheimer Adornos lasen, ermöglichte ihnen eine durchaus privilegierte Erkenntnisperspektive.
Dennoch hat es mit der Selbstreflexion etwas allzu Vertracktes auf sich. Die Systemtheorie hat ein einziges interessantes Theorem. Es besagt, dass Selbstreflexion praktisch nicht möglich ist. Dirk Baecker hat es in Neurosoziologie noch einmal breit ausgeführt. Auch von Luhman gibt es dazu mehrere eindeutige Textstellen.
"Bewusstsein bedeute die Wahrnehmung der Leistungen des eigenen Hirns zu blockieren, den Prozess der Entstehung dieser Wahrnehmung auszublenden und alle Resultate der Wahrnehmung der Außenwelt und nicht etwa der eigenen Wahrnehmungsleistung zuzurechnen; das Bewusstsein löscht Informationen über den Ort, an dem die Wahrnehmung stattfindet."
Also gerade auch für Luhman ist damit umfassende Selbstreflexion nicht möglich.
Dh. die Möglichkeit einer individuellen Selbstreflexion wie sie Nassehi den 68er anempfiehlt, wird gerade von den Systemtheoretikern radikal bezweifelt. Nassehi selbst vertritt in einigen seiner Bücher und Interviews die These, das Selbstreflexion ziemlich problematisch und nicht angemessen durchzuführen sei. Deshalb ist es schon enorm verwunderlich, dass gerade ein Repräsentant der postmodernen Systemtheorie von den 68ern Selbstreflexion einfordert, die er und seine Fachwissenschaft grundsätzlich nicht für möglich hält.
Zwar ist die Psychoanalyse angetreten unbewusste Prozesse bewusst zu machen. Dennoch rechnet sie mit einem Unbewussten das 90 % des “Eisbergs” stellt. Eine therapeutische und avancierte Selbstreflexion, mit einer tiefgreifenden Personenveränderung, die schwere individuelle Symptome erleichtert oder davon befreit, ist eigentlich nur in einem therapeutischen Setting möglich. In dem um eine angemessene, die unbewussten Vorgänge einigermaßen adäquat beschreibende Deutung gerungen wird, die durchaus auch auf spekulative Momente angewiesen ist. Dh. wenn man die geringe Anzahl von Klienten mit einer (gelingenden) psychoanalytischen Therapie betrachtet, wird Selbstreflexion letztlich immer begrenzter. Wahrscheinlicher ist, dass Selbstreflexion, obwohl sie gerade von den Reflexivmodernen stark propagiert wurde, insofern sie wirklich individuell durchgeführt wird, kaum einen persönlichen Gewinn bringt, sondern viel eher Irrtum und Reflexionsüberschätzung, dh. Selbstüberschätzung und Hybris. Wirkliche Selbstreflexion braucht fast immer ein spiegelndes Gegenüber das reflektiert, beobachtet, wahrnimmt, kommuniziert, argumentiert und empathisch ist . Wenn man die psychoanalytische Theorie ernst nimmt, für die das Unbewusste nicht selbst durchschaubar, die Ödipussage ein zentrales Konstrukt stellt, sogar einen zentralen Komplex nach ihr benannt hat, führt nur individuell durchgeführte Selbstreflexion viel eher in die Verblendung. In der antiken Sage blendet Ödipus sich ja auch gen Ende seines Selbstreflexionsprozesses vielsagend mit den Gewandnadeln seiner Mutter. Es braucht das einfühlsame, jahrelange, zuhörende, reflektierende (therapeutische) Gegenüber damit die Möglichkeit besteht, dass die Reflexion sich nicht komplett verfehlt. Aber dann kann nicht mehr von Selbstreflexion gesprochen werden sondern von einer deliberativen analytischen Kommunikation, die von mindestens zwei Personen betrieben wird.
Handelt es sich wirklich um Dauermoralisierung ?
Das nächste größere Argument, das Nassehi gegen die 68er anführt sei ihre Dauermoralisierung. Eine Strategie, die angeblich auf dem Technologiedefizit der Pädagogik beruhe und speziell angeblich der 68er Pädagogik. Er zitiert einen Schlüsseltext der Systemtheorie über Pädagogik von Schorr und Luhmann, in dem sie der Pädagogik ein Technologiedefizit attestieren.
Nassehi paraphrasiert, dass “pädagogischem Handeln aufgrund seiner Komplexität eine kalkulierbare Relationierung von Handeln und Wirkung fehle. Komplexität meint hier: Auf denselben Ausgangsimpuls kann es radikal unterschiedliche, schwer kontrollierbare, nicht einmal eindeutig typisierbare Wirkungen geben, sodass so etwas wie eine Kausalistik unmöglich wird, zumindest was die Relationierung von (zurechnungsfähigem) Handeln und (beabsichtigter) Wirkung angeht. Aufgrund dieses Defizits müsse pädagogisches Handeln, das die Gestaltung /Veränderung /Verbesserung von Personen zum Gegenstand hat, auf andere Kriterien ausweichen.»Daraus ergab sich die Frage, wie Organisationen, die mit dem Auftrag der Personenveränderung doch auch Verantwortung für richtiges, erfolgsorientiertes Verhalten übernehmen, sich auf ihr Technologiedefizit einstellen, sozusagen mit ihm leben können. Und weiter: wie Professionen, für die ein solches Technologiedefizit typisch ist, diesen Mangel kompensieren, überdecken, durch Idealisierungen oder Moralisierungen oder Mißerfolgszurechnungen ausgleichen.«”
Nach Nassehi versuchten die 68er durch Moralisierung ihr angebliches Technologiedefizit zu überwinden. Aber er übersieht vollends, dass die kritische Pädagogik als auch die 68er auf die Widerständigkeit des Subjekts gegenüber autoritärer Paukerei, Verschulung und Auswendiglernen setzten. Gerade die psychoanalytisch Informierten unter den 68ern, praktisch fast alle, favorisierten nicht das schwer kalkulierbare Genie, wie Nassehi unterstellt, sondern die unvorhersagbare Kreativität des Unbewussten. Sie waren froh auf Widerstand und andere Sichtweisen zu treffen, ausser reaktionäre, die sie bekämpften. Ich kann mich noch sehr gut als jemand der hauptsächlich in den 70ern und erste Hälfte der 80er Jahren auf einem Münchner städtischen Gymnasium sozialisiert wurde, dessen Lehrer/innen fast vollends aus expliziten und impliziten 68ern bestand, daran erinnern, wie kreativ 68er Pädagogen mit Widerstand umgingen. Nicht nur, dass sie in Klassenzimmern ihm freien Raum des Ausdrucks gaben, was oft mehr als die Hälfte einer Unterrichtsstunde beanspruchte. Sie gingen auch minutiös argumentativ darauf ein, indem sie immanent kritisch mit den vorgetragenen Argumenten und Verhalten verfuhren. Sie führten mit Widerständigen soetwas wie offene argumentative Schaukämpfe aus, in denen man sich als Schüler/in bewähren konnte oder eben nicht. Sie banden Schülerwiderstand sogar in eine die autoritäre Schulhierarchie bekämpfenden Widerstand gegen rechte Direktorats- Schulleiter ein. Auf diese Weise gewannen sie weiteres Widerstandspotential. Durch das daraus resultierende Nerven zehrende Hickhack bewarben sich die Schulleiter auf andere Posten und sie wurden sie dadurch los. Es war immer auch Widerstand gegen eine Schulhierarchie, die sie am Gängelband der konservativen Kultusbürokratien orientieren wollte.
68er Pädagogen waren sich meist der Widerständigkeit, der Unvorhersagbarkeit und der Unberechenbarkeit von pädagogischen Prozessen bewusst. Sie bezogen sie, so gut es ging, ein und setzten sogar auf sie. Summerhill war nur eines der vielen reformpädagogischen Experimente der antiautoritären Pädagogik in den 70er Jahren, das sich modifiziert bei 68er Pädagogen in staatlichen/städtischen Gymnasien wiederfand.
Die Sicht des pädagogischen Technologiedefizits ist doch vielmehr eine systemtheoretische. Denn spekuliert sie nicht implizit darauf, dass es nur ein mehr an pädagogischer Technologie bedürfe um pädagogische Prozesse reibungsloser zu gestalten? Das Technologiedefizit war kein Problem der 68er Pädagogen, sie wollten gerade weniger Technologie, als vielmehr der Systemtheorie, die es auf die linken 68er projizierte, siehe Nassehi.
Man muss noch einmal betonen, dass die Argumentation des Technologiedefizits der Blick einer systemtheoretischen reaktionären Perspektive ist. Denn vor allem der Systemtheorie liegt die Einschätzung zugrunde, “dass Organisationen mit dem Auftrag der Personenveränderung doch auch Verantwortung für richtiges, erfolgsorientiertes Verhalten übernehmen”(s.o). Kritisch beleuchtet heisst das nichts anderes, als dass man Personen massiv verändern bzw. anpassen könne, damit sie später erfolgreich wären. Die frühen 68er bestritten diese Prämisse grundsätzlich, sowohl dass man Personen endlos anpassen könne, wie dass man vorhersagen könne, dass sie ein “erfolgreiches Leben” führen könnten.
Umso wichtiger ist es die Nassehische Perspektive mit der frühen 68er zu durchkreuzen, denn in ihrer Perspektive geht es nicht die Bohne um Moralisierung. Dazu muss man etwas weiter ausholen.
Mit der Aufklärung sollte eine radikalisierte Vernunft in das öffentliche Leben und seine Institutionen Einzug halten. Für den Jakobiner Robespierre war die Vernunft sogar das absolute Kriterium für die Beurteilung aller geistigen und praktischen Phänomene. Sowohl Kants Kritiken der reinen wie praktischen Vernunft und der Urteilskraft, als auch Hegels Dialektik sind ohne das Erwachen der Vernunft sowohl was ihren Wissensanspruch als auch ihre konkrete Praxis betrifft nicht zu denken. Die Linkshegelianer begannen die Vernunftphilosophie radikalisiert auf die Gesellschaft zu wenden. Jetzt geriet die Klassenherrschaft, Verelendung und Ausbeutung der Arbeitenden verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit. Marx selbst verkörperte dann das radikalste Vernunftdenken seiner Zeit, Marxisten sind der Meinung bis heute. Die Gesellschaft sollte sich unbedingt den Kriterien der Gleichheit und globalen Gerechtigkeit, Kampf gegen Armut, Not und Klassenherrschaft beugen.
Die expliziten und impliziten 68er, die Leser von Marx und der Kritischen Theorie waren, sind in ihren Schriften auf die immer weiterreichendere Vernunftforderung der Aufklärung gestoßen. Die Kritische Theorie hatte sie durch ihre Kritiken und Untersuchungen noch einmal forciert auf die damalige Gesellschaft, den Faschismus und den autoritären Staat gewendet. Die theoretische, reine Vernunft hat genau deshalb sehr profunde Einsichten in autoritäre und faschistische Gesellschaften eröffnet. Indem sie aufklärte wie reaktionäre, autoritäre und faschistoide Charaktere entstehen und wie sie, wenn sie einmal an der Macht sind, faschistische Herrschaft stabilisieren. Diese Art des Vernunftdenken wurde mit einer negativ dialektischen Erkenntnistheorie flankiert und war deshalb bis heute unübertroffen weit- und tiefgreifend angelegt.
Eine vernünftig eingerichtete Gesellschaft hieß für die KT Klassenherrschaft, Kapitalismus und Faschismus zu überwinden, obwohl die Ergebnisse ihrer Studien sein zementariges und zombiehaftes existieren als auch fortwesen beschrieben. Zudem ließ sie erahnen, wie schwer die Veränderung von autoritären Charaktere und Einstellungen fällt. Trotzdem trieben Horkheimer Adorno dieses titanische Aufklärungsprojekt unermüdlich voran. Die 68er Bewegung war in nicht geringen Teilen auch ihr Verdienst. Dies funktionierte aber nur mit einer minutiösen Ideologiekritik, die in den periphersten Dingen des Alltags Machtphänomene zu wittern vermochte und die die frühen 68er kompromisslos adaptierten. In den Kommunikationen der 70er Jahre galt es das bessere Argument zu finden, indem man sich laut Habermas von seinem zwanglosen Zwang leiten ließ. Was Nassehi also Dauermoralisierung nennt, war im Selbstverständnis der 68er, der zwanglose Zwang des besseren Arguments und damit einer Vernunftlogik geschuldet. Sie trieb auch die implizite Linke voran und es gelang in den 70ern sie in breiten Teilen der Bevölkerung zu etablieren, wie sie seit Zeiten der französischen Revolution nicht mehr anzutreffen war. Sicher hat sie auch dramatische Verirrungen auf den Plan gerufen sowohl zur Zeiten der französischen Revolution, die ihre Kinder zu fressen begann, als auch in Form einiger Terrorphänomene. Aber gerade für die sozialwissenschaftliche universitäre als auch pädagogische Linke, wie ihre Schüler und die vielen K-Gruppen, die später das gesellschaftliche Klima der 70er Jahre bestimmten, war vernünftiges rationales argumentieren im Gespräch oder auch in der Gruppe ein non plus ultra. Dadurch war auch das brüske Auftreten denjenigen gegenüber erklärbar, die gewisse kommunikativen Routinen des vernünftigen Argumentierens nicht beherrschten oder sich aus den verschiedensten Gründen nicht aneignen konnten.
Es war also das Vernunftdenken eines absolut vernünftigen rationalen Argumentierens, das speziell in Deutschland bis 1968 im öffentlichen Raum gar nicht mehr anzutreffen war, weil die breite Bevölkerung noch autoritätsgläubig und oft noch faschistoid dachte. Insofern wären die frühen 68er gegen die späten zu verteidigen, die dieses radikale Vernunftdenken aufgaben und wieder reaktionäre bürgerliche Konzepte wie Identität und Individualisieung vertraten.
Nassehi klagt oft darüber, dass die 68er nicht die Bedingung der Möglichkeit ihres eigenen Standpunkt reflektierten, obwohl Horkheimer in Traditionelle und kritische Theorie dies anmahnte. Aber wenn eine Generation ihn reflektierte, dann die frühen 68er, gerade weil sie eifrige Leser und Theoretiker der Kritischen Theorie waren.
Vielmehr ist ja meist die Pointe, dass das was man anderen vehement vorwirft, oft das eigene Problem umreisst. Insofern wäre Nassehi zu fragen was die Bedingungen seiner Sprecherposition als Ordinarius sind. Ist ein Schelm wer vermutet, dass dazu ein intensives Lob von Becks Schriften, seinen Artikeln und Veröffentlichungen zählt ? Hat sich dadurch evtl. eine starke Männerfreundschaft entwickelt und “plötzlich” ist man Ordinarius an der LMU ? Hat Beck solchermaß nicht einen großen Anteil, dass wir heute reaktionäre Texte in München von Nassehi zu lesen bekommen? Ist die Schrift über die 68er von Nassehi nicht einerseits die fast logische Konsequenz der reflexivmodernen Wende der Ex 68er von Beck und Keupp ? Obwohl Nassehi diese Wende der 68er Mitte der 80er Jahre gar nicht systemtheoretisch sehen oder adäquat thematisieren kann. Ist Nassehis Text in seiner reaktionären Verschwiemeltheit nicht doch ihre bis dato letzte Konsequzenz ?
Die breite und ausführliche Referenz auf Schelsky und Gehlen ist befremdlich genug. Gehlen zitierend beschreibt er, dass die Institutionen für die Subjekte eine Komplexitätsreduktion leisten, die ihr Leben lebbar mache. Dementsprechend diagnostiziert er bei denjenigen 68er, die die Institutionen flohen eine überlastende Dauerreflexion.
Aber die Sicht der frühen 68er auf Institutionen ist eine andere. Sie flohen den Anpassungsdruck und die Last der sozialen Hierarchie, die in Institutionen herrschte. Es war besonders diese Last der Hierarchie, der Anpassungszwänge und der groben Speichelleckerei, besonders in konservativen Institutionen, die den Kampf gegen sie aufnehmen ließ oder in die Landkommune führte. In manchen europäischen Ländern wie den Niederlanden und Belgien hat dies in manchen Institutionen zu ziemlich flachen bis keine Hierarchien mehr geführt. Von denen interessante Ergebnisse vorliegen, was mehr Motivation und Selbstbestimmung am Arbeitsplatz betrifft.
Die von Nassehi diagnostizierte Dauerreflexion der frühen 68er ist in ihrem Sinne keine Überlastung oder Überschuss a la Gehlen, sondern ein befreites Denken oder Reflexion, das Institutionen offensichtlich generell stark einschränken. Die Reflexionsfähigkeit scheint dann zuzunehmen wenn man/frau nicht mehr darin arbeiten muss. Denn damit sie funktionieren, brauchen Institutionen Angestellte, die in bürokratischen Verwaltungsprozessen denken müssen und darauf geeicht sind.
Wer heute in Verwaltungs- oder anderen Institutionen arbeitet, bekommt von der Mehrheit der Mitarbeiter ungefragt zu hören, dass diese starken Hierarchien und die ungleiche Bezahlung und Arbeitsbedingungen am meisten stören. Je höher man in der Hierarchie/Nahrungskette steht umso weniger herrscht zudem Rechenschaftspflicht über seine Arbeitszeit und Anwesenheit. Nur die obersten Leitungsebene zeichnen deshalb freilich ein positives Bild ihrer Institution, weil sie am meisten von ihr profitieren. Sonst könnten sie gar nicht auf der Leitungsebene arbeiten. Aber schon die darunterliegenden Stellen bis zu den “Assistent/innen” beklagen sich meist über die Hierarchie ohne sie ändern zu können. Sie befinden sich sozusagen in einer Zwickmühle. In ihrem Leben brauchen sie einen unbefristeten Job, der ihr Überleben sichert, zugleich machen sie diesen aufgrund der Hierarchie nur ungern, und haben dass Gefühl irgendwo festzustecken, worauf sie überhaupt keinen Einfluss haben. Was aber ihr Denken, Fühlen und ihre Reflexionsvermögen ebenfalls blockiert und einschränkt.
Dies alles sieht Nassehi überhaupt nicht. Es erweckt den Anschein als ob er sich als ein Schelsky der Postmoderne inszenieren will. Die Aggression und man kann schon sagen der Hass mit denen er die 68er verfolgt und belegt ist erklärungsbedürftig. Sie scheinen ihm in verschiedenen Gremien erheblichen Widerspruch entgegenzubringen, den er nicht anders verarbeiten kann als sich darüber in reaktionären soziologischen Texten zu beschweren. Dabei liegt für jede/n einigermaßen Vernünftige/n auf der Hand, dass man diesem
reaktionären Denken sowohl heftig widersprechen als auch dagegen demonstrieren sollte. Er sieht die Lösung vieler gesellschaftlicher Probleme tatsächlich in einer forcierten Verschulung, Hierarchie- und Systembildung, die er vehement propagiert. Aber die Frage ist vielmehr ob diese nicht die Probleme schaffen, die sie zu lösen vorgeben. Der Sozialpsychologe Oliver Decker argumentiert in einem Spiegel Interview:
“Wo etwa Bürokratien überhandnehmen, wo im Bildungssystem oder bei der Arbeitsmarktpolitik extrem viel Leistungsdruck und Selektion herrschen, wo Wirtschaftsdynamiken ungeschützt Macht über Einzelne bekommen, da gedeiht die autoritäre Dynamik eher als eine demokratische Mündigkeit.”
Auch heute scheint Nassehi die deutsche Gesellschaft schlecht zu kennen oder zumindest falsch einzuschätzen. Seine Thesen und die reaktionäre systemtheoretische Sicht, die er an den Tag legt, sind letztlich sehr AfD affin. Speziell München hat sich in mehreren großen Demonstrationen mit hohem Bevölkerungsanteil gegen das Reüssieren der AfD im Bundestag, Landes- und Kommunalparlamenten gewendet. Diese Schrift von ihm passt überhaupt nicht zu dem heutigen (liberalen) grünen München, sondern zu dem von 1933-1945. Und es wäre zu hoffen, dass die Sozoiologiestudent/innen genauso gegen diese reaktionäre Thesen protestieren, wie die Bürger von München. Er ahnt dies sonst würde er die Überlegung über die AfD-Affinität seiner Thesen nicht extra betonen und von sich weisen. Soziologen und Politikwissenschaftler, die der AfD nahesten würden genau so einen Text über die 68er produzieren und er hat ihnen damit einen Bärendienst erwiesen.
Nur ist das so ein prekäre Sache mit den Geistern, die man selbst ruft, respektive die Nassehi rief. Sie könnten sich in nicht allzu ferner Zukunft gegen ihn selbst wenden. Und er könnte als williger Helfer der AfD sich nicht einmal darüber beklagen.
“Wo etwa Bürokratien überhandnehmen, wo im Bildungssystem oder bei der Arbeitsmarktpolitik extrem viel Leistungsdruck und Selektion herrschen, wo Wirtschaftsdynamiken ungeschützt Macht über Einzelne bekommen, da gedeiht die autoritäre Dynamik eher als eine demokratische Mündigkeit.”
Auch heute scheint Nassehi die deutsche Gesellschaft schlecht zu kennen oder zumindest falsch einzuschätzen. Seine Thesen und die reaktionäre systemtheoretische Sicht, die er an den Tag legt, sind letztlich sehr AfD affin. Speziell München hat sich in mehreren großen Demonstrationen mit hohem Bevölkerungsanteil gegen das Reüssieren der AfD im Bundestag, Landes- und Kommunalparlamenten gewendet. Diese Schrift von ihm passt überhaupt nicht zu dem heutigen (liberalen) grünen München, sondern zu dem von 1933-1945. Und es wäre zu hoffen, dass die Sozoiologiestudent/innen genauso gegen diese reaktionäre Thesen protestieren, wie die Bürger von München. Er ahnt dies sonst würde er die Überlegung über die AfD-Affinität seiner Thesen nicht extra betonen und von sich weisen. Soziologen und Politikwissenschaftler, die der AfD nahesten würden genau so einen Text über die 68er produzieren und er hat ihnen damit einen Bärendienst erwiesen.
Nur ist das so ein prekäre Sache mit den Geistern, die man selbst ruft, respektive die Nassehi rief. Sie könnten sich in nicht allzu ferner Zukunft gegen ihn selbst wenden. Und er könnte als williger Helfer der AfD sich nicht einmal darüber beklagen.