Samstag, 1. März 2025

Dialektik der 68er


Dialektik der 68er oder
Breaking the waves.... of normalisation

Bürgerschaftliches Engagement revised
Citoyen und Bourgeois
Die Gesellschaft der Citoyen und Bourgeoisie
Die Big Brother Institutionen und Disziplinarmächte der Moderne
Die "Normalisierungsdiskurse" und Überwachungstechniken der Postmoderne
Die Individualisierer respektive Atomisierer bzw. Individualatomisierer  der reflexiv-regressiven Post/Moderne
Verbürgerlichen, Normalisieren, Employablen, Leadershipen, People-managen, Erkalten, Toughe Dispositive: Identität und Leadership
Leadershipen, people-managen und sozial verungleichen, Psychopathologie der Leadership, Kiss the Ring and the Frog, People-raten
Abstiegs- und Stammesgesellschaft, Dialektik  der 68er
 Kann man/frau sich selbst erkennen ?
Individualisierung, Psychomachia, protestantische Identitätsexaminierung, Identitywars                                                                                                Identitätsbrechungen, Psycho, Prismen                                                                                                                                                                                   Kritik des Identitäts-denkens, NS, Houellebecq, Regressive Modernisierung
Dialektik der 68er, IdentitätsMythos, Protestantismus, Nationalsozialismus, Atomised 
Bedürfnis, Identität und Leadership  als Gouvernementalitätspotenzierung
Identitätsparanoia als Kern des reflexivmodernen Psy-Komplexes       
Veridiktion und Geständniszwang
Jouissance/terreur, le visage noire du jouissance, People Broken
Das SPK
NKT

Bürgerschaftliches Engagement revised

Akademische, kommunale und staatliche Medien fordern heute den Einzelnen, in ihrem Verständnis den Bürger, zum bürgerschaftlichen Engagement auf. In vielen städtischen Kommunen werden sogar Stellen geschaffen, die sich überwiegend Sozialpädagogen bezahlt teilen. Meistens geht der Apell an den ”Bürger”, er soll sich für seine Stadt oder im gemeindepsychologischen Jargon für seine ”community”engagieren, das allerdings meistens unbezahlt. Es können die vielfältigsten Aufgaben sein, von Alten- und Krankenpflege über Nachbarschaftshilfe, Stadteilmonitoring, bis zu den in angelsächsichen und lateinamerikanischen Raum eingeführten Bürgerwehren, „Gate-keepers”, oder gar den paramilitärischen Bordercontrol Units zwischen Mexiko und den USA, die hauptsächlich ”Polizeiaufgaben” übernehmen, auch schon mal auf Migranten schießen, wenn sie sich nicht festnehmen lassen.
Dennoch beschränken wir uns auf Europa, genauer, auf die ideologische Beschlagnahme von sozialem oder solidarischem Engagement als „bürgerschaftliches”. Dass es sich hier nicht nur um einen nominalistischen Streit handelt, führt das Folgende aus. Im Kern geht es um das Selbstverständnis einer Gesellschaft und letztlich eines Staates.

Der Aufruf zum bürgerschaftlichen Engagement generiert aus sich Fragen, die sich nicht nur in Widersprüche verstricken, sondern schon bei minimaler Reflexion zu regelrechten Brüchen/ Rupturen auswachsen, ihnen gilt die Aufmerksamkeit. Deshalb sei mit einer scheinbar banalen Frage begonnen, die sich autopoietisch entfaltet: Warum braucht eine bürgerliche Gesellschaft eigentlich bürgerschaftliches Engagement und den permanenten Aufruf dazu ? Wer soll sich angesprochen fühlen ? Wenn man/frau sich bürgerschaftlich engagieren soll, lebt sie dann nicht in einer atomisierenden bürgerlichen Gesellschaft, die aufgrund ihrer ökonomischen Konkurrenz permanent einen Solidarmangel produziert, der ständig weitere Aufrufe zum bürgerschaftlichen Engagement benötigt ? Ihn gar mit bürgerschaftlichen Engagement verdeckt, und ihn dadurch perpetuiert ? Und warum nennen sie es bürgerschaftliches anstatt soziales oder solidarisches Engagement, was sie ja vor allem meinen, zudem das Problem eindeutig signifizierte ? Kognitiv wiese eine Umbenennung von bürgerschaftlichen in soziales oder solidarisches Engagement darauf hin, dass es an einem solchem mangelt. Es läge den Finger in die offene Wunde dieser Gesellschaft, die hinter ihrer pseudokommunikativen, interessengeleiteten medialen Maske an ihrer sozialen Kälte zu erfrieren droht. U.a. für Schlingensief  besteht im offenen Zeigen, Demonstrieren und Benennen der Wunde die maximalste Chance zur ihrer Heilung. Dieser Umgang mit einer Wunde, einem Mangel, erfordert großen selbstkritischen Mut, dem viel verdrängende Widerstände entgegen stehen. Und bei den Bürgern überwiegt oft die Verdrängung. Genau deswegen greifen die Reflexivmodernen zu dem Begriff bürgerschaftlich, weil es vollends tautologisch, dh. anästhesierend wirkt. Zudem bei minimaler Reflexion sofort die Frage aufwerfen müsste, warum soll jetzt immer noch mehr für dasselbe, schlecht Bestehende geleistet werden? Das schlecht Bestehende braucht praktisch eine permanente Stabilisierung vermittels perennierender ideologischer Zirkelschlüssen. Das Soziale, das Solidarische, an dem es fehlt, wird durch die Titulierung bürgerschaftliches Engagement öffentlich (wie unbewusst) mit der Zementierung der Bürgerschaft, der Stabilisierung des Bürgertums inszeniert, das selbst den sozialen Mangel realiter produziert. Was bedeutet: Das kapitalistische System kann die für seinen Bestand nötigen sozialen Ressourcen nicht aus sich selbst produzieren, geschweige denn offen zeigen oder benennen, weil es sie permanent selbst untergräbt. Deshalb müssen die ”Bürger” ständig zum weitermachen, durchhalten aufgerufen werden. Denn das Bürgertum ist nicht ohne seine Existenzbedingung, den Kapitalismus zu denken, der mit seiner globalen Geschäfts- und Konkurrenzdenke das Soziale durch seine vermeintliche Professionalisierung hindurch weitgehend liquidierte.

Mit der Ausdifferenzierung in soziale Berufe und Geschäftsfelder hat er erreicht, dass sich kaum jemand für eine soziale Gesellschaft im Ganzen interessiert, weil dafür doch einzelne soziale Systeme und Professionen zuständig wären. Im Grunde aber unterminierte   die Professionalisierung in toto und gerade im Sozialbereich das Soziale eher, und niemand fühlt sich mehr für irgendwas verantwortlich, außer Professionelle deren professioneller Zugang eher Teil des Problems als der Lösung.  Hier könnte man von einer organisierten Unverantwortlichkeit sprechen. Und ist es auch Wahnsinn so hat es doch eine reflexiv instrumentelle Methode. Keiner hat diese Dynamis des Instrumentellen treffender beschrieben als Karl Marx. Manche seiner Kritiken griffen über seine Zeit hinaus und scheinen erst heute in der Postmoderne sich vollends zu bewahrheiten.
Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoiseepoche vor allen anderen aus. Alle festen, eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern können. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und... .”1
Dem anschließendem Satz gilt unsere gesteigerte Aufmerksamkeit. Es heißt hier explizit „die Menschen sind gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehung mit nüchternen Augen anzusehen.” Dh. nichts anderes, als dass die kapitalistischen Verkehrsformen ausnahmslos jeden infizieren und die Menschen zwingen, sich gegenseitig nach Nutzenkalkülen zu betrachten. Sie können praktisch kaum mehr anders als sich einander instrumentell zu scannen. (Außer sie haben eine hohe Sensibilität und kritische Reflexivität für postmoderne "Modernisierungsprozesse",  wofür es nur wenige Hinweise gibt.). In diesem scheinbar lapidaren und oft angeführten Zitat teilt sich die zentrale Ungeheuerlichkeit mit, die die westlichen und östlichen Wirtschaftssysteme prägen. Sie ist das Hauptkriterium nicht nur aller öffentlichen Beziehungen sondern verstärkt, sofern vorhanden, der Familien- und Intimbeziehungen. Der Kapitalismus, besonders der uns bekannte liquide, postmoderne Hedgefonds-, - Turbokapitalismus warf mit seinen von ihm finanzierten monströsen Ratingagenturen, die ganze Volkswirtschaften in den Abgrund reißen können,  abermals ein verschärftes, noch viel engmaschigeres Netz einer reflexivmodernen, instrumentellen, ökonomisierten Ratio über unser aller Köpfe. Das alle gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Territorien noch einmal nach ökonomisch instrumentalisierbaren Profitkriterien durchscannt und ihn selbst forciert am Rande des permanenten sozialen Zusammenbruchs operieren lässt.  Die permanente Kredit- respektive Schuldenkrise mehrere EU-Staaten und anderer Globalplayer sind Ausdruck dessen. Da kann es den Turbokapitalisten gerade recht sein, wenn es immer wieder "Koryphäen" gibt, die zum bürgerschaftlichen Engagement aufrufen, letztlich aber nur am Erhalt ihrer privilegierten Stellen interessiert sind. Man findet sie in der Regierung, an staatlichen Institutionen und an Universitäten. Die Kapitalisten lassen sie gerne gewähren, denn sie werden die letzten sein, die ihre Existenz und ausbeuterischen Wirtschaftsformen ernsthaft gefährden, im Gegenteil. Der Aufruf zum bürgerschaftlichen Engagement kommt besonders nach der Erfahrungen der perennierenden Finanz- und Wirtschaftsdesaster der berühmt berüchtigten Metapher Rosa Luxemburgs gleich, die den Kapitalismus mit einer Schlange verglich, die angefangen hat sich vom Schwanzende her aufzufressen. Kaum eine Metapher könnte ausführlicher die Widersprüche des bürgerschaftlichen Engagements aufzeigen, das von einem ähnlichen Dilemma zeugt, was die a/soziale Welt des Bürgertums betrifft.
 Bei genauerer Betrachtung stellen sich seine Argumentationen und Aufrufe vollends widersprüchlich dar. Einerseits sieht Keupp, einer seiner entschiedensten Propagandisten, sehr wohl, dass die Berufs- und Sozialwelt durch die forcierte Kapitalisierung zunehmend prekärer, unsicherer wird.  Meint daraufhin aber allen Ernstes, dass dies mit einer „Identitätsfindung im bürgerschaftlichen Engagement”2 kompensiert werden könnte. Anstatt hier den Hebel anzusetzen um eine wirklich solidarische Gesellschaft zu fordern.
De facto ist es ziemlich unwahr, dass ein gewisses Klientel im BE unbezahlt (oder minimal bezahlt) eine neue Identität finden könnte, denn hier versagen nicht nur die gesellschaftlich monetären Anerkennungsformen vollends. Zweitens widerspricht die partielle Identitätsfindung im bürgerschaftlichen Engagement dem Aufruf zur Identitätsarbeit und -konstruktion als universellem Apell, leider auch mit viel Geld ausgestattetem Forschungsparadigma der Reflexivmodernen. Seine persönliche und berufliche "Identität” voranzutreiben, ein unverwechselbares Identitätsprofil zu schweißen, das von der Konkurrenz unterscheidet, gilt ihnen als die probate zweitmoderne Allzweckwaffe gegen alle Ambivalenzen der Postmoderne oder der liquid modernity. 

Nur, wenn man ihre eigene Argumentation weiter treibt, bis zu dem Punkt an dem sie selbst verbittern, so werden die Karriere-“Monster“3 dadurch in solch einem Ausmaß individualisiert, dass für sie selbst immer unverständlicher wird, warum sie sich sozial engagieren sollten, wozu ihnen sowieso die Zeit fehlt. Die vollends individualisierten Berufs-und Identitätspanzer behindern exzessiv überhaupt noch sozial denken zu können. Sie verhindern per se,  Gregor Samsa gleich, sich in die Gefühlswelt anderer hineinzuversetzen, weil sie sich monströs von ihnen differenziert/abgeschnitten erleben. Die Einzigen, die die vereinzelten "Identitätszombies" noch minimal imaginieren können sind die, die eine ähnliche Stelle wie sie selbst besetzen. Aber auch nur als jemand den es auszuboten oder instrumentell zu manipulieren gilt. Im Grunde dient dieser Aufruf der Reflexivmodernen zur Identitätsfindung und -konstruktion einem partikularen Interesse, das auf die vermeintlichen Berufs- bzw. Karriereaussichten /-bedürfnisse der Upper Middleclass zielt. Sie an der Nase packt und an ihr herumführt. Um diese möglichst autopoietisch hervorzubringen ging das moderne Bürgertum schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts auf diverse Selbstverwirklichungstrips, von der Jugendbewegung über den Wandervogel bis zu den 68er Hippies. Nur haben die Reflexivmodernen, die selbst 68er waren, diese Suche extrem instrumentalisiert und ökonomisiert. Indem sie die Menschen extensiv aufrufen sich möglichst selbstzuverwirklichen. Dem nicht genug, sie überspannten den Bogen vollends als sie nach einer „Identität" zu fragen begannen.  Möglichst  in dem Job, der ihren Fähigkeiten und Interessen entspricht. Sobald aber die Rede auf die "Identität" kommt, wird fraglich ob sie ihrem Sujet noch gerecht werden kann oder es letztlich zerstört. Abgesehen davon, dass der Aufruf zur individuellen Identitätskonstruktion enorm egomanische, gesellschaftlich höchst bedenkliche Konsequenzen zeitigt, offenbart er vor allem innerhalb der bestehenden Gesellschaft sein ganzes Dilemma. Denn wer diesen Ratschlägen folgt, wird heute mehr denn je feststellen, dass auch innerhalb der Dienstklasse des Kapitals, der Upper Middleclass, diese Aufrufe Propaganda gleichen, weil sie sich nur für eine absolute Minderheit noch realiter auszahlen. Die Anderen werden bald erfahren, dass es für den gut ausgebildeten, womöglich nah an seinen Interessen Operierenden, falls er nicht schon vorher ein kritisches Verständnis der Gesellschaft an den Tag legte, schon längst keine Arbeitsplätze mehr gibt, wenn es sie denn jemals ausreichend gab. Er wird gut ausgebildet, gar seinen Neigungen entsprechend auf einen Arbeitsmarkt treffen, der seine selbstverwirklichende Ausbildung nicht braucht, ihm höchstens weitere anrät, die mit einer gehörigen Entfremdung- oder Frustrationstoleranz in Kauf genommen werden müssten. Bauman hat 2012 in On Education publiziert, dass es sich aktuell weniger um die Generation X, die Ende der 80er Jahre auf einen schon überfüllten Arbeitsmarkt drängte, handle, sondern um die Generation Y und aktuell um die Generation Z/Zero, die auf eine noch verschärftere Lage trifft. Alle, die nicht von finanziell potenten Elternhäusern stammen, dh. die überwiegende Mehrheit, können sich nur mehr mit Praktikas begnügen ohne wirkliche Hoffnung auf einen ihrer Qualifikation entsprechenden unbefristeten Job. Ihre Berufsperspektiven laufen auf befristete Security-, Pförtnerjobs, Empfangspersonal in Hotels oder im Niedriglohnsektor hinaus. Ihre Bachelor- und sogar Masterabschlüsse von z.T. renommierten Universitäten taugen nur noch für das Familienalbum, als Reminiszenz an eine gescheiterte Hoffnung. Das "Los" dieser Generationen besteht in einer völlig unterqualifizierten Beschäftigung, befristeter Arbeit oder Arbeitslosigkeit. Dadurch wandelt sich das ehemalige Atom in ein freies radikales Splitterteilchen, der "Bürger" wird in eine psychische Spannung versetzt, die ihn oft überfordert, gar zu zerreißen droht. Nun soll er sich zudem in seiner misslichen Zwangslage noch bürgaschaftlich engagieren, am besten in seiner Freizeit. Also für eine Gesellschaft die ihn emotional, psychophysisch aushöhlt, soll er auch noch unentgeltlich für ihren ”sozialen” Bestand sorgen. Schon hier kommen einem Zweifel ob das noch in irgendeiner vernünftigen Relation steht, womit wir wieder bei Luxemburgs Schlangenmetapher wären.
Die Propagandisten des bürgerschaftlichen Engagements fordern jede/n frank und frei, aus dem hohlen Bauch, scheinbar komplett voraussetzungslos, einfach auf, sich bürgerschaftlich zu engagieren. Einer Gesellschafts- resp. Ideologiekritik jedoch ging es immer um die Analyse der unterschiedlichen Arbeits-, Einkommens-, und Reproduktionsbedingungen innerhalb einer Gesellschaft wie transnational. D.h. um die komplett unterschiedlichen Positionen aus denen “Repräsentanten“ oder materiell gut Etablierte heraus bestimmte Sprechakte, Appelle ausführen, mit denen das ”Volk” konfrontiert wird. Zudem, ob den Aufrufen, denen es ausgesetzt, überhaupt ein ihm adäquates Interesse zu Grunde liegt. Denn der ”Bürger” lebt in einer Gesellschaft, die den einzelnen wieder vermehrt ausbeutet, entfremdet und sie als Konkurrenten unterschiedlicher (Leih-)Firmen oder als Entlassene bzw. Überflüssige um wenige Arbeitsplätze konkurrieren lässt. Dabei gibt es einen extremen Selektionsmechanismus für die wenigen privilegierte Arbeitsplätze, die nicht per Postenschieberei und Nebenabreden vergeben werden können. Um sie wird ein regelrechter Assessmentcenter Bewerbungskampf organisiert. Immerhin versucht das Assessmentcenter einen gewissen Objektivierungsgrad bei Bewerbungen zu erreichen. Das ist genau der Grund, warum es speziell im akademischen und öffentlichen Bereich  selten eingesetzt wird. Viele Bewerbungsgespräche laufen hier auf komplette Beliebtheits- und Subjektivitätsveranstaltungen der Entscheider hinaus, reinste Alibiveranstaltungen, meistens eine einzige Farce, die sich zur Lebenstragödie der Abgelehnten auswächst.
 Bei diesem Kampf bildet sich regelmäßig ein akademisches Ausschlussproletariat, das um die schlecht bezahlten, monotonen Arbeitsplätze mit dem "klassischen Proletariat" konkurriert. Davon bildet sich wiederum ein wohl der Verzweiflung und Resignation anheimgegebenes, chancenloses Exklusionsproletariat oder Hartz IV-proletariat. Also die, die entweder Hartz IV beantragen müssen, wozu inzwischen auch eine Reihe von Akademikern gehören und nochmal doppelt so viele, die sich aus unterschiedlichsten Gründen nicht mal zu Hartz IV anmelden können, weil Kleinigkeiten in den Unterlagen fehlen. Dazu kommen diejenigen, bei denen der Sachbearbeiter die Sanktionsschraube angezogen hat. Was auf die Hälfte zutrifft, die, wenn sie noch den Nerv haben, Klage einreichen. Derart wird ein enormer Kampf um die Anerkennung der eigenen Existenz, um die Abstufungen, die Schattierungen eines mehr oder weniger würdigen Lebens organisiert.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 ein Grundsatzurteil gefällt, dass die "Hartz lV Leistungen" nicht über 30% als Sanktion gekappt werden dürfen. Alles andere verstösst gegen das Grundgesetz, dh. die Menschenwürde, die ja bekanntlich unantastbar sei. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die staatliche Institution des Jobcenters  seit ihrem Bestehen dagegen verstoßen hat !!! Wie mit unterschiedlichem "Klientel" innerhalb einer Gesellschaft umgegangen wird, kann besonders an den Maßnahmen des Jobcenters studiert werden.  Obwohl das Jobcenter lange gegen das Grundgesetz verstieß, wird es keine Sanktionen für die Verantwortlichen geben. Wenn allerdings sogenannte "Kunden" nicht alle Auflagen und Forderungen des Jobcenters erfüllen, greifen Sanktionen, die sie sofort am ohnehin schon ziemlich knapp bemessenen Budget, dh. am eigenen Leib spüren. Ein für alle ausreichendes "Bürgergeld", würde hier die Menschenrechtsproblematik beenden.
Das nun nach langen Kämpfen 2023 neu eingeführte Bürgergeld war im Ansatz besser konzipiert. Nur wurde es von der CDU dermaßen zerstört, dass es sich aktuell kaum vom vorherigen Hartz unterscheidet.
 Die Menschen werden nach wie vor in einen Statuskampf gezwungen, in dem viele es schon als enormen Erfolg verbuchen, wenn sie nicht mehr ”Hartzer” sind. Wenn sie es ”schaffen” einen sozusagen schlecht bezahlten, kündbaren, entfremdenden Leiharbeitsplatz zu ergattern. Hauptsache sie sind nicht mehr mit dem Amt oder dem Jobcenter konfrontiert. Dann geht die Suche weiter, denn wer will schon in einen schlechten unterbezahlten, mit äußerst unbefriedigenden Arbeitsbedingungen belasteten Job länger arbeiten ? Die Unsicherheit respektive die Anstrengung, die damit einhergeht, einen irgendwie besseren, d.h. privilegierteren Job zu ergattern, nimmt sich als mindestens so enervierend aus, wie aus Hartz IV rauszukommen.   Wobei privilegiert sich durch die Höhe des Entgelts und dem Grad der möglichen Selbstverwirklichung resp. Nichtentfremdung bemisst. In den Durchschnittsjobs, die die meisten angeboten bekommen, geht es nur darum überhaupt einen solchen zu bekommen. Einen Job der möglichst unbefristete Rahmenbedingungen ausweist, Selbstverwirklichung kann man/frau hier knicken. Diese ist nur bei einer geringen Anzahl von akademischen Ausbildungen möglich, um deren Stellen ein erbitterter Anpassungs/Kampf geführt wird.
 Der Status- und Privilegienkampf ist nicht nur auf der Hartz IV-ebene relevant. Er zieht sich durch die ganze Gesellschaft, über die Unternehmen, bis hin zu den Universitäten. Zunehmend  Resignierte, Enttäuschte und "Wutbürger" bei den Abgelehnten produzierend, allein wegen den nicht gerechtfertigten Gehaltsunterschieden und allen daraus sich ergebenden Privilegien. Erklären die damit  annullierten Lebensperspektiven  nicht schon allein   die Wut der "Wutbürger" ? Auf der anderen Seite die Charaktermaske bei den "Erfolgreichen" produzierend, die im Berufsalltag immer nett, adrett, bis freundlich einnehmend versuchen rüberzukommen. Diese Maske kann ihre Deformation aber kaum verhehlen, dass sie zu Klonen mutierten. Nur diejenigen noch ernst nehmen können, die ähnliche Positionen besetzen, nur die hofieren, die sie in ihrem persönlichen Aufstiegskampf unterstützen und ihnen zum Vorteil gereichen. Der Überlebenskampf, der heute die Maske des Kampfs um Anerkennung trägt, dealt in allen Schichten als Drohmittel mit einer universalen Vereinsamung. Diesen Kampf zu verlieren, (er wird von der Mehrheit verloren), bedeutet nicht nur der sozialen Disqualifikation ausgesetzt zu sein, sondern in deren Folge, der sozialen Isolation, die bis zum sozialen Tod reichen kann, der als Drohkulisse der heutigen Gesellschaft jede/n heimzusuchen vermag. Souverän ist, wer erfolgreich zu drohen vermag. Die totale Vergesellschaftung der heutigen Gesellschaft liegt zum einen in ihrer Sanktionsschraubenmacht, zum anderen in der permanenten Drohung des Systems, den Kampf um Anerkennung zu verlieren. Er tendiert dazu dem Einzelnen alle Energien zu entziehen, aller Ressourcen zu berauben um sich irgendwie sozial zu engagieren. Er dürfte ihn den letzten Nerv für ein ”bürgaschaftliches” Engagement geraubt haben, wenn es ihn nicht schon vorher krank gemacht hat. Der Begriff “bürgerschaftlich” ist dabei kein harmloser, denn die zuvor demonstrierte negative Dialektik haftet ihm genauso an wie er sie verschleiert. Auch würde ein wirklich solidarisches Engagement - im Gegensatz zum bürgaschaftlichen- den Statuskampf behindern. Dies ist auch einer der Gründe warum die Bildung von Betriebsräten in vielen Betrieben hintertrieben oder bekämpft wird. Ein solidarisches Engagement würde das Hamsterrennen hinterfragen, aus ihm die Energie herausziehen, die viele bräuchten um aus sich wieder Menschen zu machen.
Die meisten Aufrufe zum bürgerschaftlichen Engagement funktionieren nur, weil sie ganz bewusst den Aufbau und die Schichtung der Gesellschaft als organisierten Ausbeutungs-, Macht-, Privilegien- und Hierarchiezusammenhang verschleiern. Damit stabilisieren sie durch Verzerrung und Ignoranz die großen Lücken im Solidarischen, die durch die kapitalistische Organisation der Gesellschaft gerissen werden. Es wäre überhaupt einmal von Interesse, gar einer wissenschaftlichen Untersuchung wert, aus welchen finanziellen Ressourcen diejenigen schöpfen, die sich realiter bürgerschaftlich engagieren. Vermutlich handelt es sich um Ehe- bzw. Beziehungspartner, die nicht auf ein eigenes Einkommen angewiesen sind oder um Charitykapitalisten zur eigenen narzißtischen Beweihräucherung. Es ist kaum vorstellbar, dass jemand der in einem Produktions- oder Zwangsarbeitsprozess eingebunden, wie ja die meisten und evtl. Kinder hat, noch in ihrer spärlichen Freizeit oder am WE irgendwie einen Nerv hätte sich bürgaschaftlich oder solidarisch zu engagieren. Praktisch und theoretisch hieße es ihren/seinen Arbeitstag unentgeltlich zu verlängern. Vorausgesetzt man macht nicht nur eine Alibirepräsentationsnummer aus seinem Engagement, was faktisch auf viele Männer zutrifft, die einen Nachmittag am Weekend irgendeinem dämlichen Schützenverein vorsitzen, in dem sie sich mit ihren Kumpanen volllaufen lassen, wenn nicht noch Schlimmeres. Aber dort wo bürgerschaftliches Engagement die offene unsolidarische Wunde dieser Gesellschaft stopfen soll, zeigt sich wie ungenügend, wie eigentlich fahrlässig der Aufruf daherkommt. Denn vernimmt man die Angestellten, PflegerInnen und Krankenschwestern nicht nur öffentlicher oder staatlicher Krankenhäuser, Alters- oder Pflegeheime dieser Republik und wohl in der ganzen (westlichen) Welt, so dürfte überdeutlich sein, dass das so genannte "Gesundheitssystem" chronisch unterfinanziert ist. Gegen diese Zustände in Krankenhäusern, Alters-und Pflegeheimen eigentlich eine mediale Öffentlichkeit vonnöten wäre, die sonst nur die von und zu Irgendwo oder der Boulevard der Gagagesellschaft erfährt, als Ablenkung dessen. Wer sich anschickt diese Zustände mit bürgerschaftlichen Engagement zu kitten, versucht ein Notstromaggregat anzuwerfen, das den mangelhaften Zustand stabilisiert. Das als Ersatz dient, die Politik aus der Verantwortung zu entlassen. Zudem hieße es diejenigen, die sich sozial engagieren wollen, sie über ihre normale Arbeitstagkraft bzw. Arbeitsfähigkeit hinaus für diesen Bereich zusätzlich einzuspannen. Dies nicht wie in Schützen- oder Fußballvereinen zwecks der eigenen Gaudi, sondern wo es wirklich darauf ankommt, es einer gewissen Anstrengung bedarf.
 Deshalb wären einmal mehr die Aufrufe der Reflexivmodernen zum BE auf die konkreten gesellschaftlichen Reproduktionsbedingungen hin abzuklopfen. Was einer Arbeit bedürfte, die den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengte, die aber sehr interessante Aufschlüsse über das Funktionieren der aktuellen Gesellschaft zu Tage förderte. Noch in den kritischen Theorien der politischen Ökonomie und besonders der feministischen Theorie in den 60 er / 70er Jahren avancierten die unterschiedlichen Reproduktionsbedingungen zwischen Arm und Reich, Konzernchef/in, Stockholders, Vorgesetztem/r versus Niedriglöhner, oder Arbeiter/in, Mann und Frau nicht nur zu einem ganz zentralen Thema, sondern vielmehr zu dem Analyseinstrument schlechthin um das Funktionieren der kapitalistischen Gesellschaft, von Gesellschaft ganz allgemein zu erklären, zu verstehen. Schon Sokrates ließ in seiner Apologie verlauten: Ich bringe ja einen hinlänglichen Zeugen dafür bei, dass ich die Wahrheit sage: meine Armut.“4 Nicht nur für Sokrates war das Einkommen ein zentrales Kriterium ob jemand überhaupt wahrheitsfähig. Marcel Henaff schloß daran seine große Analyse über den Preis der Wahrheit5 in der Philosophie und den Geisteswissenschaften an: Gabe, Geld und Philosophie, ihr ineinander Verschlungensein, und dass es den meisten die Karriere kostet die Mainstream Mind Control zu kritisieren . Henaffs und letzlich Sokrates Denken vermittelt, dass es unmöglich erscheint millionenschwere Sonderforschungsbereiche aufzulegen und zu glauben, dass sie auch nur einen Funken Wahrheit hervorbringen könnten. Viel mehr werden sie aufgelegt um die Unwahrheit, dh. Ideologie wissenschaftlich verbrämt hervorzubringen. Das ideologiekritische Denken wird marginal in den postmodernen politischen Theorien und verschwindet vollends bei den Reflexivmodernen. Auch wenn ein oder maximal zwei Vorschläge der Reflexivmodernen nicht unbedingt falsch sein mögen, deutet dies an wie enorm der Aufruf zum bürgerschaftlichen Engagement im wahrsten Sinne des Wortes in der Luft hängt. Keupp und Beck zielen auf die Errichtung einer „aktiven Bürgergesellschaft”. Der Bürger ist schon seit den 80er Jahren wieder zu ihrem Mantra geworden. Das verwundert doch stark, dass bei Ex- 68ern die aktive Bürgergesellschaft plötzlich des Rätsels Lösung. Schon von Lucke beobachtete in "68 oder neues Biedermeier"6, den Kampf um die Deutungsmacht nicht nur um die 68er. Sondern vor allem, dass der Begriff des Bürgers seit Anfang der 80er ausgerechnet bei Ex 68ern eine seltsame Renaissance erfuhr. Ganz aktuell werde wieder um den Begriff des Bürgers gestritten, um seine Deutung und ob er überhaupt angebracht. Deshalb lohnt eine detaillierte Analyse wie  Beck und Keupp Bürgergesellschaft definieren  respektive einführen. In dem Vortrag vor dem paritätischen Wohlfahrtverband in Bremen 20047 nimmt Keupp Bezug auf seine persönliche Entwicklung in Zusammenhang mit der 68er Studentenbewegung. Genau auf die argumentativen Brüche, Verzerrungen und Amnesien, soll nun das besondere Augenmerk gelegt werden. Spitzfindig und dialektisch wie sie selbst früher Ideologiekritik betrieben, wollen wir heute ihre Aufrufe und Pamphlete zum BE analysieren. Schon zu beginn des Vortrags: „Bürger lasst das glotzen sein, kommt runter reiht euch ein”, stellt er vor versammelten Publikum klar, dass es ihn schon von dem 68 er „Kinderreim” Titel , wie er ihn heute nennt, seines Vortrags den 68ern zurechnen darf. Der Bürger war damals Feindbild und wurde zum Mitdemonstrieren aufgefordert. Zugleich lässt Keupp unter den Tisch fallen, dass der 68er Kinderreim noch eine zweite Strophe beinhaltete, die dem Bürger sein Demonstrationsziel  vor Augen führen sollte. Diese zweiter Strophe lautete: 
Lasst den Kuchen, lasst die Sahne, folgt  der roten Fahne. 
Warum diese doch sehr auffällige Auslassung ?
Warum mochte er nicht mehr daran erinnern, dass das Gros der damals politsch aktiven 68er eine Form von  kommunitärer oder kommunistischen Räterepublik anstrebte ? 
Stattdessen fügt er an, dass sie als frühe 68er eher autoritär  gewesen seien, jetzt aber zur demokratischen Reife gefunden haben. "Erwachsen seien sie geworden", darauf geht er zu den Inhalten der aktiven Bürgergesellschaft über und beginnt damit wieder das Bürgertum zu zementieren.  Hier verzerren sich jedoch schon die Perspektiven. In einem vorherigen Aufsatz zur Dialektik der 68er8 habe ich dargelegt, dass die Forderungen der frühen politisch aktiven 68er nach einer sozialistischen respektive kommunistischen Räterepublik aus einem bis dahin nie dagewesenen gemeinschaftlichen demokratischen Diskussions- und vehementen Protestzusammenhang hervorgingen. Eine gelebtere demokratischere und bestimmt auch anstrengendere Politzeit hat es im Nachhinein in der BRD nicht mehr gegeben. Wenn also etwas mit aktiver gelebter und demokratischer Kultur assoziiert werden kann, dann diese Zeit. Man braucht gar nicht so zu tun als ob dort in der Studentenbewegung Demokratiedefizite vorhanden waren, die erst heute gelebt werden könnten. Vielmehr stimmt das Gegenteil. Die 68er  sind durch diverse Anpassungsmetamorphosen gegangen, die aufzuschlüsseln sicher Spannung verspricht. Interessanterweise ist die BRD seit den 80 ern, als gerade 68er die Verwaltungshoheit übernahmen, in einen demokratischen Dornröschenschlaf gefallen, mit zunehmender Politikverdrossenheit, die sich evtl. erst vor Kurzem wieder aufzulösen scheint.  In dem Moment als die arrivierten 68er in Rente gingen und ihre Stellen räumten. (Aber noch ist nicht entschieden, ob in der aktuellen liquid modernity nicht doch die Politikverdrossenheit und damit die Neue Rechte gewinnt.) Der Sachverhalt des demokratischen Dornröschenschlafs bedarf einer breiten Diskussion und deutet auf die Willfährigkeit der 68er hin, dem ,,Anpassungsdruck des Systems" Folge geleistet zu haben, ihren eigenen Karrieren zuliebe. Ursprünglich aber sind sie angetreten diesen Anpassungsdruck kritisch zu entlarven, anzuprangern und möglichst abzuschaffen.
Im zweiten Teil des Blogs wird der Fokus auf diesen Anpassungsdruck des Systems gelegt und wie er die  arrivierten 68er umdrehte und dazu veranlasste neue stramme postmoderne Dispositive zu kreieren, die nicht nur von der Dialektik der 68er zeugen, sondern wie sie die nachfolgenden Generationen, um in ihrer frühen Sprache zu bleiben, selbst in den Systemzwang einführten, den sie zuvor vehement kritisierten.



Citoyen und Bourgeois


Neben seiner eigenen Identifikation mit den 68ern führt Keupp noch an, dass er Bürgergesellschaft eher vom Citoyen herleitet und nicht von dem Bourgeois-Begriff. Bourgeois stehe ganz klar für Profitstreben nach dem eigenen Vorteil. Diesen Teil des Bürgertums kritisiert er, wie fast jeder in den Ex-68er Milieus. Der interessante, vorbildliche Bürger sei der Citoyen. Ein Begriff den vor allem Rousseau definierte, einer der theoretischen Protagonisten der Französischen Revolution. Aber man sollte sich über die Geschichte und ihren Prozess keine Illusionen machen. Das Beglückendste der Französischen Revolution könnte sich in ihrer Parole erschöpfen. Schon das Glamouröse gibt bei längerer Reflexion ernsthaft zu bedenken ob Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit wirklich so harmonisch zu verbinden. Freiheit und Gleichheit sind Forderungen die sich eigentlich widersprechen. Es ist eine Parole die ihrer enormen Aura schon rein logisch kaum gerecht werden kann, weil sie letztlich als eine riesen Projektionsfolie diente, aus der jeder herauslesen kann, was er will. Das andere Symbol, zugleich bitterste Realität in einem, das besonders einige philosophische Traktate ausführlich thematisierten, das ähnlich stark und wirksam für die Französische Revolution einstand, verkörperte die Guillotine. Mit ihr setzten die rivalisierenden Gruppen innerhalb der Citoyens ihre Macht durch. Es kämpften Jakobiner und Sansculotten gegen Girondisten bzw. vice versa und alle gegen Adel und Monarchisten. Allein im Jahr des Terrors 1793/94 mit dem Attentat auf Marat, das mit der Hinrichtung Robespierres und Dantons endete, senkte sich ca. 16500 Mal das Fallbeil. Jahre davor und danach rollten noch vor dem Pariser Rathaus unzählige Köpfe. Insgesamt kann man diese Zahl vervierfachen. Viele Opfer wurden unter Ausrufung einer Parole Rousseaus guillotiniert: „Wer den allgemeinen Willen nicht folgen will, den zwingen wir zur Freiheit.”9 Wobei es en detail in den späteren Revolutionsjahren kaum mehr um den allgemeinen Willen ging, sondern bereits um einzelne rivalisierende Interessen, die mörderisch durchgesetzt wurden. Wie volatil und zum Teil willkürlich die Entscheidungen von Bürger-Komitees getroffen wurden, kann man an einer kleinen Fußnote der Geschichte ermessen. Marat stellte in vorrevolutionärer Zeit einem Gremium der Akademie de Science sein Forschungsprojekt vor. Neben der Royal Society in London war die Akademie de Science in Paris die zentrale Institution für die universale Wissenschaftsevolution. Marats Projekt wurde als nicht förderungswürdig beschieden. Diesem Gremium gehörte einer der renommiertesten Chemiker seiner Zeit an, Lavoisier. Marat hätte seine Forschungen ohne finanzielle Unterstützung betreiben müssen, was nicht möglich, zudem für ihn einen schmerzhaften Lebensperspektivwechsel bedingte. Als sich in revolutionärer Zeit die Machtverhältnisse änderten, er politisch großen Einfluss gewann, ließ er mit ein paar anderen Eiferern die Akademie de Science schließen, weil sie angeblich nicht den allgemeinen Willen diente. Lavoisier wurde hingerichtet, da er angeblich Repräsentant des Ancien Regime sei.10
Eine genaue Analyse der Jahre bis zu Napoleon und darüberhinaus zeigt im Brennglas den Terror den die bürgerliche Gesellschaft der Citoyens zu entfalten fähig. Den sie in Friedenszeiten in die Gewalt ihrer gesellschaftilchen Hierarchien transformiert, sozusagen statisch bindet. Napoleon avisierte die Parole Freiheit Gleichheit Brüderlicheit für Europa. Nicht nur weil der Kampf innerhalb der französischen Gesellschaft Frankreich in einen unberechenbaren, letztlich die Wirtschaft lähmenden Bürgerkrieg, mit zunehmenden Verfall trieb. Seine Vision sollte Europa befreien, sie wuchs sich allerdings zu einem ersten globalen Krieg   des Bürger-/Citoyenheeres mit bisher unbekannten Verheerungen, zivilen Opfern und Gefallenen aus, der für die Zukunft nur Entsetzen ahnen ließ. Zudem verlangte Napoleon horrende Reparationszahlungen von den Besiegten mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.
 Freilich wirft die französiche Revolution auch ein Licht auf den Prozess der greift als die alt hergebrachte, ständische Feudalherrschaft fiel, d.h. wie gewaltsam sie alte Ordnungen brach. Es ist schwer vorstellbar, dass alleine der Citoyen eine solche Dynamik entfaltete. Die Unzufriedenheit reüssierte in fast allen Schichten. Die französische Revolution bezog ihre Dynamik verstärkt durch die aufstrebende Bourgeoisie, deren manufakturiellen und industriellen Produktivkräfte/-instrumente drängten schon längst über die vorhandenen Produktionsverhältnisse hinaus, in der Maske des Citoyen witterte sie nun ihre Chance.
Citoyen und Bourgois können gar nicht so eindeutig a la Keupp getrennt werden. Sie bedingten sich nicht nur gegenseitig, vielmehr griff die neue bourgoise ”Machtelite” des Großbürgertums durch die Revolution der Citoyen und seine neu geschaffen Institutionen, der Nationalversammlung zur Macht um der alten, des Adels, der Marquise und Feudalherren, die sie an der Profitmaximierung hinderten, den entscheidenden Schlag zu versetzen. Die Gewalt und Vehemenz mit der es geschah, lässt einen heute schaudern. Nur zu welchen Zweck ? Negri und Hardt haben im Common Wealth darauf verwiesen, dass in allen Versionen der republikanischen Verfassung das Recht auf Eigentum in fast identischen Formulierungen bekräftigt wird. Doch während 1789 und 1793 das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung und das unveräußerliche Eigentumsrecht immer miteinader verquickt sind, “lautet der Bezugspunkt in der Verfassung von 1795 nur noch Sicherheit”. Die Gleichheit wird zwar noch immer, wie das Eigentum als Grundrecht aller Bürger geführt. Aber “im Artikel 6 der Verfassung von 1795 der Herrschaft einer Mehrheit der Bürger oder ihrer Repräsentanten untergeordnet.”11 Damit aber nicht genug, die französische Revolution mündete nach einer gewissen Übergangszeit in die napoleonische Herrschaft, Europa wurde über 15 Jahre mit seinen Kriegen überzogen. Deren Anliegen neben Macht und Herrschaftsausdehnung die Einführung des Code Napoleon, des bürgerlichen Gesetzbuches europaweit vorsah. Er hieß abwechselnd Code Civil, oder Code Napoleon, die Begriffe waren austauschbar. Zwar war der CN vorerst gegen die Feudalherrschaft gerichtet, aber am CN und seiner Geschichte konnte man erkennen, dass das Eigentumsrecht nicht mehr lediglich für ein Recht an Sachen steht, sondern zum Paradigma aller Grundrechte avanciert. Zudem war es die treibende Kraft, dass die (aktive) zivile Bürgergesellschaft, mit Verve und militärischer Gewalt installiert wurde. Sie brachte eine nicht am Citoyen sondern an den Interessen der Bourgeoisie orientierte Gesellschaftsordnung hervor, die mit der Maske eines vordergründig Freien, mit vermeintlich unveräußerbaren Bürgerrechten ausgestatteten Citoyen operierte. Bis heute funktioniert sie, weil sie es ideologisch verstand die bourgoisen Interessen mit denen des Citoyen zu amalgamieren. De facto a la longue aber konnte der Citoyen nur mehr, wenn überhaupt, darüber entscheiden zu welchen Kapitalisten er seine Haut zu Markte trägt. Ihm stand nun mehr oder weniger frei zu entscheiden von wem er sich ausbeuten lassen will. Dabei konnte seinesgleichen noch mehr als andere Schichten hoffen in der Verwaltung von Betrieben oder als deren Aufseher, bzw. in der öffentlichen Verwaltung eine Stelle zu finden , d.h. die privilegierten Positionen zu besetzen. Bis heute haben sich die Strukturen nicht wesentlich verändert. In der heutigen “ausdifferenzierten“ Gesellschaft scheinen nur die Wahlmöglichkeiten bei welchen Firmen man sich besolden lassen kann größer, ohne je selbstbestimmt oder gar autonom zu sein, wie die frühen Entwürfe der bürgerlichen Philosophie das bürgerliche Subjekt gerne imaginierten.
Hannah Arendt verglich in ihrer Studie Über die Revolution 12 die amerikanische mit der französichen. Während die amerikanische, die sie zu verklärend zeichnet, “nur” auf die  Etablierung eines formaldemokratischen Systems abzielte, das sich auf den politischen Bereich und seine Architektur beschränkte, verfolgte die französische ein viel weitgehenderes Anliegen. Schon zu Beginn waren die materiellen Nöte der Bevölkerung ausschlaggebend, die schon seit Beginn des 18.Jahrh. zunehmend bedrückender wurden. Im Verlaufe der Revolution, die sich über ein Jahrzehnt ereignisreicher Jahre hinzog, rückte nach Arendts und dem inzwischen allgemeinen Historikerkonsens, die Frage der adäquaten Versorgung immer deutlicher in den Vordergrund. Wie konnte es bewerkstelligt werden, dass die Bevölkerung keine materielle oder gar Hungersnot mehr leiden musste. Diese Frage und die Versuche sie zu lösen bestimmte auch die nachfolgenden zwei Jahrhunderte. Die russische Revolution prägte dieses Anliegen am meisten.
Anders als die amerikanische, die dem Bürger eine nur ihm vorbehaltene Privatsphäre zubilligte in der der Staat nichts zu suchen hatte, inhärierte der französischen die Dynamik auch vollends in die sozialen und persönlichen Belange der Bevölkerung einzugreifen, wenn es sein musste. Eine Notwendigkeit die ganz Europa zu bestimmen begann. Arendt sympathisiert zwar mit der Republik der Citoyens als einen Raum der Freiheit zur Politik unter Gleichen, doch hat sie vollends die reale Entwicklung vor Augen, die den Staaten unter dem Souverän des Kapitals widerfuhr. Nämlich Politikmanagement oder Staatmachen als
Management, Verwaltung und Kontrolle/ managerial control der Bevölkerung durch die Experten des nach innen und außen aggressiven imperialen Staates im Dienst des expandierenden Kapitals.
Diese Entwicklung ist nach Arendt in der Gestalt des moralisierenden "Gerechtigkeitsfanatikers" Robespierres schon angelegt, der die Armut vermittels der Expansion des verwaltenden Staates in die bürgerliche Gesellschaft durch Umverteilungen, Überwachungen, Kontrollen und Liebesdienste, die vermeintlich für "Gerechtigkeit" und Humanität (voluntee general) sorgen, auf der Grundlage des Kapitalismus tilgen wollte. Statt dass der Konflikt dort ausgetragen, wo er hingehörte, nämlich in der bürgerlichen Gesellschaft als politisch im Sinne von Arendt auszutragender Klassenkonflikt, wurde er gewissermaßen "verstaatlicht", d.h. verkehrt und umdefiniert zu einem durch Staatseingriffe wie Kontrollen regulierbaren bloßen "Verteilungskonflikt". 
Als sei die Verteilung der Armut und des Reichtums nicht das innerhalb gewisser Spielräume notwendige Resultat der Produktionsverhältnisse, die die Menschen nur als politische verändern können. Sie hält die Form in der diese Spaltung durch den bürokratischen Staat teils bearbeitet, teils in einem ideologisch zugedeckt wird-.nämlich, dass das Klassenbewusstsein, die Politik und der Wille zur Emanzipation, die Intention auf kollektive Freiheit, verschüttet und die Voraussetzungen für die die klassenkämpferische, politische Revolution die zur Räterepublik hätte führen können, verloren gegangen sind - für eine verkehrte tragische Entwicklung.
Deshalb kritisiert sie die Rolle der Sozialstaatspartei SPD und der Gewerkschaften, auch des Stalinismus in der UdSSR. Demgegenüber verteidigt sie Rosa Luxemburgs theoretische praktische Interventionen, die für Arendt das richtige politische Handeln verkörperten.  Arendt ist dem Citoyen zwar gewogen, der im emphatischen Sinn Politik macht, für die er sich als angeblich Freier selbstverständlich nicht bezahlen lässt, weil er sie nicht als in Dienst gestellte Arbeitsleistung versteht. Nie werden soll, weil das ihrem republikanischen Sinn diametral widerspräche. Aber ebenso sieht sie den entpolitisierten (deutschen) Citoyen, der im Dienste des heimlichen Souveräns Kapital staatlich verwaltet, überwacht, straft, Wohltaten verteilt, manchmal auch Gewalt ausübt, d.h. "gestaltet", um  die Ausgeschlossenen bei der Stange zu halten. Die Geschichte offenbarte, dass zwischen  dem Bourgeoise und dem Citoyen meistens ein Interessenvertretungs-, Dienstleistungs- respektive Angestelltenverhältnis herrschte und nur minimale Nichtidentiät. Insofern im "Citoyen" auch der Vorschein des Besseren steckt, das mit der bürgerlichen Demokratie zwar versprochen (s. GG) aber in ihr nicht eingelöst werden kann, so dass der Citoyen unter den gegebenen Bedingung zur Ideologie verkommt. Deshalb die Forderung  von Marx an die Bewegungen der Emanzipation, den Citoyen aus der Abstraktion im Staat  zurückzunehmen und Verhältnisse zu schaffen, in denen die Menschen im wirklichen Leben als gesellschaftliche (politische) Individuen miteinander verkehren können. Das hieße für Arendt: Räterevolution und Errichtung einer Rätedemokratie.

Die Geschichte nahm bekanntermaßen einen anderen Verlauf. Im Westen reüssierte die Bourgeoisie verstärkt wieder seit den 80 er Jahren des 20.Jh. und schuf nie geahnte Reichtumsdisparitäten. Weniger als 0,1 % der Weltbevölkerung, genau 0,000000001% gehören 50 % des gesamten Reichtums (Oxfamstudie 2017), d.h. 8 Superreichen.
Das hängt u.a. damit zusammen, dass in der Postmoderne  die Bourgeoisie mit ihren Polit- und Wirtschaftsrackets die a/sozialen Überwachungsinstrumenten noch einmal radikalisierte, die sich bis in den gläsernen Klienten des Hartz IV- Staats transformierten. Für seine Verwaltungsmanager, oder besser Verwaltungscitoyens, hält er neben der Kulturindustrie eine forcierte inzwischen komplett in eine gouvernementale Selbstmanagementtechnologie verwandelte Identitätsarbeit zuzüglich extensivem Leadershipcoaching bereit. Die "Leader" haben an sich einen selbstreflexiven,  protestantischen Selbsterforschungsprozess zu vollziehen, verschränkt mit Identitätsmarken. Unterstützt von einer maximalen Leadershipforschung mit angeschlossener Evaluation. Die postmodernen Evaluationskits testen und beurteilen oft in Trainingslagern positivistisch das "Leadership Mindset", dh. die Führungsstärke, ausdifferenziert in Leistung und verschiedene Potenziale der "Führungskraft", zum Teil werden sogar verborgene Potenziale diagnostiziert und Empfehlungen zur Förderung gegeben. Ein großer Bereich wird der individuellen, intrinsischen Motivation gewidmet. Diese Evaluationen haben starke Auswirkungen auf die weitere Karriere.  Damit eine optimale Reichtumsproduktion von einer stark selektierten und zugerichteten Managerkaste gewährleistet wird. 
Die Entwicklung einer toughen bourgeoisen Managerkaste zwecks Profitmaximierung im 19. Jh. bewirkte zeitgleich  heftige Veränderungen in der Gouvernementalität der Bevölkerung. Im Folgenden werden die Hauptentwicklungslinien dieser Veränderungen  skizziert, die mit neuen Disziplinar- und Lagerpraxen einhergingen.



Die ”Gesellschaft” der Citoyen und der Bourgeoisie

Schon aus dem bisher Verhandelten ist zu folgern, dass die Existenz des Citoyen auf einer spezifischen Gesellschaftsstruktur beruht, auf die ausführlicher einzugehen wäre um die aktuelle besser zu verstehen. 
Für das katholische Christentum des Mittelalters galt das Anhäufen von Reichtümern, damals noch viel dezidierter als heute, als eine Art Todsünde. Der Katholizismus bildete ein Hindernis für das ungezügelte Anhäufen von Reichtümern. Mit ihm war kaum eine, schon gar keine radikalisierte, Verwertung des Werts möglich. Dies dürfte einmal mehr erklären, warum der Protestantismus mit seiner Ethik im Westen so üppig reüssierten, und nach Max Weber sich als Geist des Kapitalismus  etablierten. Der Protestantismus mit seiner individuellen Pietäts- und Leistungsethik stellte den geistigen Überbau, damit die kapitalistische Vergesellschaftung ein zunehmend engmaschigeres Netz um die ökonomische Bemessungsgrundlage der Tauglichkeit der menschlichen Existenz zur Arbeit legen konnte. Für die aufstrebende, machtbewusste Manufaktur/Bourgeoisie stellten sich folgende Herausforderungen. Sie benötigte eine große industrielle Reservearmee, um die Löhne niedrig halten zu können, zwecks Profitmaximierung. Die Elendsmassen sahen sich nun einer, ihren Lebensbedingungen widersprechenden, gesteigerten Arbeits- , Leistungs- als auch technischen Fortbildungsdynamik ausgesetzt. Mehrere Theoretiker ua. Robert Kurz betonten, dass seit der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert hinein in diesem Umfang kaum gekannte vagabundierende Armutsheere Stadt und Landschaft der nördlichen Hemisphäre prägten. Das erste große Anwachsen der Massenarbeitslosigkeit, der Armut und Vagabunden verursachte  die forcierte Konkurrenz der Sklavenhalter auf dem Weltmarkt und brutale Vertreibungsaktionen der Feudalherren besonders in England, die Platz für ihre profitorientierte Großschafzucht benötigten. Bauern, Knechte und Landbewohner waren von den Adeligen weit weniger gefragt.  Sie bedingten einen großen Bevölkerungszuwachs in den Städten, vor allem in London. Sie bildeten  die Millionenarmee von Arbeitslosen, ”Lumpenproletariern”/sammlern und Bettlern, die in ausufernden Slums (Schlammvierteln) die ersten Megacities formten. Mit der ersten industriellen Revolution (ca. 1780-1840) der Dampfmaschine und der mechanischen Webstühle kam die zweite große Welle der Massenarbeitslosigkeit, die das gesamte Textilhandwerk umkrempelte. Zu dem Heer der ehemaligen Bauern kamen die Elendsmassen der arbeitslosen ehemaligen Schneider und Textilhandwerker; und durch die Konkurrenz auf den Märkten breitete dieser Prozess sich in großem Maßstab auch in ganz Europa aus. "Aber nur ein Teil der Arbeitslosen fand im entstehenden Fabriksystem eine neue Existenz" unter Konditionen, "die jeder Beschreibung spotten". Die vertriebenen Menschen mussten sich um jeden Preis verkaufen, wurden mit indiskutablen Arbeitsformen und -normen konfrontiert. "Neben den halbsklavischen Landarbeitern, Bettlern, Vagabunden, Insassen der Arbeits- und Armenhäusern entstand eine neue Kategorie von arbeitenden Armen: das Fabrikproletariat", oft mit einem über 16-Stunden Arbeitstag. Marx sprach noch von der „buntscheckigen Welt des Mittelalters”, die sich komplett auflöste.
Die Bourgeoisie und ihre Ökonomen erkannten, dass Arbeit auf unabsehbare Zeit den zentralen Produktions- und Wertschöpfungsfaktor stellte, aus dem sich am meisten Profit schlagen lässt. Deshalb wurde die Arbeitsfähigkeit seit dem 18.Jh. zunehmend wissenschaftlich positivistisch als alles bestimmende Uniformitätsnorm wie allgemeingültige Norm/ierung etabliert. Wer sie nicht erfüllte, geriet jetzt unter den Verdacht, asozial oder wahnsinnig zu sein. Der Wahnsinn galt nicht mehr als eine mögliche Existenzform unter allen anderen, wie etwa im Mittelalter, das ihn als gleichberechtigten Lebensentwurf unter den von Gott geschaffenen Kreaturen bestimmte. Blaise Pascale schöpfte zu Beginn der Neuzeit einerseits aus diesem Verständnis als er postulierte: “Die Menschen sind so notwendig verrückt, daß nicht verrückt sein nur hieße, verrückt sein nach einer anderen Art von Verrücktheit."13  Andererseits lässt es sich schon als das entschiedenste Monitum gegen den antizipierten Rationalisierungs- als auch den ihn begleitenden Normalisierungsdruck, der von nun auf den Subjekten lastete, interpretieren.
Foucault wählte dieses Zitat als enigmatischen Beginn seiner großen Studie über das Schicksal des Wahnsinns in der Aufklärungsepoche. Ausdruck dessen war, dass der Wahnsinn zu Beginn der Neuzeit zunehmend instrumentalisiert wurde, indem er jetzt als Schreckgespenst am Horizont der bürgerlichen Gesellschaft auftaucht, mit dem all diejenigen identifiziert wurden, welche nicht der Arbeitstauglichkeitsnorm entsprachen.
Der Untertitel von Foucaults Werk nimmt sich verharmlosend aus: “Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft." Sein Hauptaugenmerk lag jedoch auf der Produktion einer Vernunft, die ganz neuartige politische Ökonomie-, Nutzen- und Wissen(schaft)sdiskurse hervorbrachte, die konkrete institutionelle Internierungspraxen flankierten. Schon der Beginn des modernen Zivilisationsraums veränderte alte Stände, löste Zunftordnungen auf und redefinierte die in ihm Vergesellschafteten massiv, die sich nun oft in Arbeitslosen, Working poor und Armuts/Elendsheeren wiederfanden. Die Massen der Elendsheere waren jedoch letztlich eine stille Anklage als auch eine permanente Bedrohung für die Herrschenden und ihre "Ordnung". Foucault fokussierte nun die Entwicklung der Internierungs- wie Lagerpraxen seit der Neuzeit und setzte ihre fortschreitende Differenzierung mit diesen neuen gleichermaßen hochgradig signifikant differenzierenden und selektierenden Diskursen in Verbindung.
Zwar gab es schon im Mittelalter Narrentürme und jene berühmt berüchtigten Narrenschiffe (Stultifera Navis), die einen Ausschluss von “Wahnsinnigen" nahe legen. Doch symbolisierte dies weniger eine gezielte allgemein-gesellschaftliche Selektionspraxis, vielmehr war es Ausdruck eines poetisch mystischen Umgangs mit sozial auffälligen "Anormalen". Die Mystik des Mittelalters begriff “Wahnsinn" als eine Liminarsituation. Der Irre steht an der Schwelle zwischen zwei Welten. "Er ist der Passagier par excellence, das heißt der Gefangene der Überfahrt, und, wie man nicht weiß, wo er landen wird, so weiß man auch nicht, wenn er landet, aus welcher Welt er kommt.”14
Während der Renaissance beginnen sich nun die Motive des Wahns in Literatur und Kunst inflationär zu häufen. Kurzfristig treten sie in einen kreativen Widerspruch zur aufkommenden Vernunftthematik. Bis jäh und plötzlich „durch einen eigenartigen Gewaltakt (...) das Zeitalter der Klassik den Wahnsinn, dessen Stimmen die Renaissance befreit, dessen Heftigkeit sie aber bereits gezähmt hat, zum Schweigen bringt."
Denn gegen Mitte des 17. Jahrhunderts, 1656 - ein Datum so realitätsmächtig wie symbolträchtig- findet die Errichtung des Hopital General in Paris statt. Die produktive Dialektik zwischen Wahnsinn und Venunft der Renaissance von der noch die monumentalen Werkzyklen von Breughel und Bosch Zeugnis ablegen, ist durchbrochen. Die Salpetriere, jenes Bollwerk der Psychiatrie und Unterabteilung des Hopital General, zählte 1690 3059 “Patienten". “Hundert Jahre später gibt es doppelt so viele: 6074-".15 Dies ist nicht nur mit dem Bevölkerungswachstum zu erklären, meint Foucault. Wahnsinn gerät schon damals zu einem durch psychiatrische Diagnostik institutionell hergestellten Phänomen (Demenz, Melancholie, Manie), das zur Zeiten der späten Aufklärung eine ungeheuere Differenzierung erfuhr (Schizophrenie, Hebephrenie, Zwang, Angst, Paranoia, Perversion, Depression, manisch-depressives, bipolares, zyklothymes Irresein usw.) an dem erst die Psychoanalyse seine sozialpsychologischen Dimensionen erkennt.  Die Psychoanalyse wies, keiner anderen Psychologie gleich, auf die Macht und die Penetranz des Unbewussten bei dem Zustandekommen dieser "Störungen" hin, dem auch die aktuellen Neurosciences weiterhin kaum beikommen.  Zu aller Ironie der Geschichte scheint die Psychoanalyse, gerade weil sie so hartnäckig auf das Unbewusste und der damit verbundenen Langzeittherapeutik verweist, einer fortschreitenden medizinischen Rationalisierung zu erliegen, die droht sie aus der turbokapitalistischen Healthindustrie auszuschließen.
Foucault zeichnete diesen gewalttätigen Selektionsprozess, den die bürgerliche Gesellschaft an sich und den ihr Unterstellten vollzog, u.a. in den Kapiteln welches er die große Gefangenschaft und Erfahrung mit dem Wahnsinn nennt, nach, indem er darauf aufmerksam macht, dass “die Internierung eine dem 17. Jahrhundert eigene institutionelle Errungenschaft ist".16 Der Wahnsinnige findet sich jetzt in der Nachbarschaft der Arbeitslosen, Armen, Nichtintegrierbaren, die in Correction- oder Workhouses zum Objekt staatlicher Besserungsmaßnahmen mutieren. Aber auch zahlreiche Gefängnisse entstehen, denen die "Anormalen“ unterschiedslos zugeordnet werden. Er betont, dass „die Internierung keine erste Anstrengung auf dem Weg zur Hospitalisierung des Wahnsinns in seinen verschiedenen Krankheitsaspekten, sondern vielmehr eine Gleichsetzung der Geisteskranken mit allen anderen Sträflingen darstellt(...)"17.Dennoch war es die erste Stufe der Grobeinteilung derer, die überhaupt als zur zur Arbeit -nicht fähig galten und dementsprechend eine Selektion erfuhren.
Jemand der selbst Fabrikbesitzer und Manager  war. D.h. ganz spezifisch die Sitten und Bräuche seiner Kaste wie seine eigene Westentasche kannte, nebenbei noch ein sozioökonomisches Werk über ihre Machenschaften und Epoche anfertigte, beschrieb 1845 in seiner Studie „Die Lage der arbeitenden Klasse in England, nach eigener Anschauung und authentischen Quellen” die Verhältnisse in verschiedenen Arbeitshäusern  in der ersten Hälfte des 19. Jhs. . Interessant erweist sich, dass zu dieser Zeit die  Armen, die Delinquenten und ”Verrückten” schon eine Selektion erfuhren, die sich in seiner Schrift spiegelte. Sie bestimmte zum Teil nicht unerheblich das Bewusstsein der Insassen der verschiedenen Institutionen, insofern welches "Heim" die bessere "Versorgung" bot.
„Selbst die Diät der Gefängnisse ist durchgehend besser, so daß die Bewohner des Arbeitshauses häufig irgendein Vergehen absichtlich sich zuschulden kommen lassen, um nur ins Gefängnis zu kommen. Denn auch das Arbeitshaus ist ein Gefängnis, wer sein Quantum Arbeit nicht bot, bekommt nichts zu essen, wer herausgehen will, muß erst um Erlaubnis bitten, die ihm je nach seinem Betragen oder der Meinung, die der Inspektor davon hat verweigert werden kann .(…)
Die Paupers tragen eine Arbeitshausuniform und sind der Willkür des Inspektors ohne Schutz ausgeliefert. Im Arbeitshause zu Greenwich wurde im Sommer 1803 ein fünfjähriger Knabe drei Nächte zur Strafe in die Totenkammer gesperrt, wo er auf den Deckeln der Särge schlafen musste. Im Arbeitshaus zu Herne geschah dasselbe mit einem kleinen Mädchen (...). Das Armenhaus in Kent, das in einer der schönsten Gegenden liegt, zeichnet sich dadurch aus, daß alle Fenster nach innen, nach dem Hofe zu gehen.”18
Foucault entlarvte in seinen ersten Werken das System der Arbeitshäuser, Gefängnisse, Psychiatrien und Besserungsanstalten als umfassendes Kerkersystem und globalen Disziplinarapparat der anbrechenden Neuzeit, der nach dem Überwachen und Strafen- Prinzip funktionierte. Sie waren der Ausgangspunkt einer später viel raffinierter arbeitenden Biopolitik, die den Körper als energetisches Vitalsubjekt konstruierte um ihn in der Postmoderne besser in die Workfareregimes integrieren zu können. Viele Leiter resp. Aufseher der damaligen Arbeitshäuser waren angesehene Citoyens ihrer Stadt, bestimmt über die Hälfte in ihrem Stadtrat tätig. Heute würde man sagen, dass sie sich über ihren Beruf hinaus bürgerschaftlich engagierten.
Die Selektion mittels Correctionhouses und Besserungsanstalten stellte sich bald als nicht rationell genug heraus. Und doch gab sie in Hinblick auf die Gesellschaftsgeschichte der Moderne schon ein verfeinertes, jedoch für den späteren funktional sich ausdifferenzierenden Kapitalismus längst nicht ausreichendes Differenzierungsinstrument ab. Sie diente als sich institutionalisierende Praxis einem neuen raffinierteren Divide et Impera-code, der die mikrosoziologischen zwischenmenschlichen Beziehungen zu redefinieren begann, ganz neue "Kategorien" schuf und alte rekombinierte.
So zynisch es klingen mag, manchmal nahm sich der Arrest in einem Workhouse als ein Schutz aus, wenn man die Makrosoziologie jener Zeit betrachtet.
Denn im 16. Jahrhundert zu Beginn der ursprünglichen Akkumulation, als das Kapital langsam begann sich zu formieren, um später in den Nationalstaaten vollends zu reüssieren, bekam Geld als Zahlungsmittel viel größere Bedeutung. Davon nicht abzuziehen sind in dieser Formationsphase die Massenhinrichtungen von Landstreichern wie die blutige Niederschlagung von Bauernaufständen, die die lange Geschichte des späteren lohnabhängigen Arbeiters einleitete.
Mord und Hinrichtungen an Landstreichern wie freigesetzten Bauern im Zeitalter der Klassik,19a die fürstlich wie staatlich organisiert und sanktioniert waren, stellten für die klassische Bourgeoisie zwar ein notwendiges jedoch längerfristig kein hinreichend probates Mittel um zukünftigen Gehorsam für die kapitalistische Ordnung perfektioniert in die Psychen einzubrennen. Mit fortgesetzter Grausamkeit wäre eher das Gegenteil heraufbeschworen worden.
Für die herrschenden Mächte blieb allerdings die Frage, wie die aus ihren feudalen Schollen vertriebene Bevölkerung der neuen Ordnung angepasst werden konnte, virulent.
Einen großen Teil der Bevölkerung blieb deshalb in der anbrechenden kapitalistisch organisierten Gesellschaft gar nichts anderes übrig als zum fahrenden, nicht seßhaften Volk gestempelt zu werden. In seiner unkontrollierbaren, unorganisierten Größe, und teils in Form von organisiert raubenden Banden, verkörperte es jetzt eine Gefährdung für die herrschende Ordnung. Religion nahm als moralischer Kitt nicht mehr die Funktion ein, die sie im Mittelalter besaß. Mit der zunehmenden Säkularisierung mussten andere, zeitgemäßere, wirksamere Mächte erfunden werden, die das Anpassen und Drillen übernahmen.
Für viele der damals von ihrer Scholle Freigesetzten war es unter diesen Umständen nahezu zwangsläufig früher oder später am bestehenden Gesetz anzuecken, wenn sie überleben wollten. Vor der Französischen Revolution und lange Zeit danach herrschte periodisch nicht nur in Frankreich, sondern fast überall in der westlichen Welt auf dem Land unsägliche Armut und Hungersnot. Zustände die in Frankreich zum Sturz der feudalen Aristokratie beitrugen, als auch in England und Deutschland Phänomene wie Robin Hood, Michael Kohlhaas oder Thomas Münzer auf die Tagesordnung setzten. Da war es für einen Großteil der Bevölkerung fast selbstverständlich, dass man/frau sich als Mitglied einer ”Räuberbande” oder mit kleineren Gaunereien seinen Lebensunterhalt erstritt. Oft blieb es jedoch nicht bei kleineren Delikten, auf die häufig schon die Todesstrafe stand.


Die Big-Brother-Institutionen und Disziplinarmächte der Moderne


Die Aufklärung, die weit rigorosere Rationalisierungsmechanismen hervorbrachte, sah auch viel extensivere Anpassungsmechanismen für das Heer der Freigesetzten, Arbeitslosen und Vagabunden vor.
Neben dem entstehenden Lagersystem der Work- und Correctionhouses analysiert Foucault nun an der Transformation der Strafrituale das kontinuierlich rationellere fortschreiten der bürgerlichen Vernunft. An jenen bis ins 19. Jh. verbreiteten Straf- und Henkerspektakeln versammelten sich ganze Städte auf dem Marktplatz  um ihnen mehr oder weniger festlich beizuwohnen. Die Eingangsszene von Überwachen und Strafen schildert drastisch die Vierteilung von Damiens 1757, für  dessen Zerreißung vier Pferde nicht ausreichten  und  zwei weitere angespannt wurden. Am Anfang des forcierten Übergangs zur Disziplinarmacht steht noch einmal plastisch die monströse Machtdemonstration des Souveräns. Foucault meinte:  "Der Herrscher (Louis XV) erlitt durch einen aus der Menge kommenden Phantasten einen Kratzer." Aber die Monarchie reagiert auf die sie bedrohende Geste. Vor allem weil Damiens  wissen musste, dass Henri Quatre 1610 ebenfalls erdolcht wurde. Die  Monarchie war komplett hysterisch auf derartige Attentatsversuche geeicht. Damiens war gar nicht so ein Phantast, als Privatlehrer von Adelshäusern  nahm er die enormen Reichtumsdisparitäten zwischen Adel und Volk schmerzhaft wahr. Er gab sogar in seiner Verteidigungsrede an, "er habe den Herrscher nicht töten, sondern nur dazubringen wollen über das Elend seines Volkes nachzudenken." Vielleicht ist es gar nicht so überinterpretiert Damiens als ersten Vorboten der französischen Revolution auszurufen, vor deren jahrzehntelangen Dämmerung die Monarchie beharrlich ihre Sinne verschloß, bis sie plötzlich als roter Feuerball im Zenit stand und viele verbrannte.
 In der Strafgesellschaft fasst Foucault die drastische Antwort der Monarchie auf Damiens zusammen:
 "Auf diese Geste hat die politische Macht mit der Zurschaustellung ihres gesamten Strafarsenals geantwortert. Man kann sich eine der ungeheuerlichsten Szenen des Todes in Erinnerung rufen: die  Damiens, der zunächst zu einer ansehnlichen Geldbuße verurteilt, dann gerädert wurde, dem man die Gliedmaßen  mit Eisenstangen zertrümmert, dem man die Brust aufgeschnitten, auf dessen Wunden man glühend heißes Wachs gegossen hat, der dann gevıerteilt wurde und dem man die Gelenke durchtrennte, der verbrannt und dessen Asche schließlich in alle Winde verstreut wurde."19b
Vor allem anderen hat "der Souverän gezeigt, was er mit dem Körper eines Menschen machen konnte, als er auf ihm Zeichen seiner Anwesenheit hinterließ." Die Vierteilung Damiens verkörperte "die letzte große persönliche Konfrontation zwischen dem König und dem Volk auf der Bühne des Schafotts- vor dem 21. Januar (1793), an dem die Konfrontation andersherum verlief: an diesem Tag wurde der seiner ganzen Souveränität beraubte König dem Markenzeichen einer egalitären Strafe unterworfen: der Enthauptung, der einstigen Strafe für den Adel, die zu einer Strafe für alle geworden war."19c
Gegen Mitte des 19 Jhs. wird die Todesstrafe jedoch im öffentlichen Raum unsichtbar.

Zwar wird die Todesstrafe in Europa noch bis Mitte des 20 Jhs. hinter Gefängnismauern von der Öffentlichkeit streng abgeschirmt stark reduziert beibehalten.
Aber was von der Antike an, über das Mittelalter, bis über die französische Revolution hinaus gängige, öffentliche, spektakuläre, souveräne Strafpraxis, ist auf einmal gleichsam von Geisterhand verschwunden. In  nur 100 Jahren fand der dynamisierte Übergang zur Disziplinarmacht statt. Denn gegen Mitte des 19. Jh. kommt diese Form der öffentlichen Henkerei plötzlich nicht mehr vor.
 Auch mit Vagabunden und Armen wird anders verfahren. Sie liefen nicht mehr so schnell Gefahr  auf leichtere Vergehen  die Todesstrafe zu erhalten. Zudem wird zu Beginn des 19. Jahrhunderts  nicht mehr wahllos eingekerkert oder in Lager eingewiesen. Es kristallisierten sich Gefängniskomplexe heraus, die eindeutig für Straftaten und "Kriminelle" zuständig waren. Andererseits die Freigesetzten und Vagabunden in die Workhouses einwiesen und forciert differenzierten. Auch hier lässt sich ein Datum mit Symbolkraft herausfiltern, das als Ausgangspunkt jenes verfeinerten modernen Überwachungsapparates gilt. Par excellence realisiert in Benthams Panopticum Architektur des Gefängnisses, dessen Plan 1787 fast zeitgleich mit der Französischen Revolution zusammenfiel. Jener “Idealtyp einer Strafanstalt", schreibt Wolfgang Welsch, der für viele andere Gefängnisse, Überwachungs- und "Besserungsanstalten" Vorbild wurde:
Ein einziger Beobachtungsposten in einem Zentralturm genügt, um alle Gefängnisinsassen zu überwachen, denn ihre Zellen sind radial angeordnet und im Unterschied zum früheren Kerker, mit viel Licht von außen versehen, so daß man vom Zentralpunkt aus jede Einzelheit im Schattenriss verfolgen kann. Das Licht - das hellere Symbol der Aufklärung- fungiert als Falle. Es bewirkt vollkommenen Überwachbarkeit. Je mehr Licht, Aufklärung und Transparenz - um so mehr Überwachung, Kontrolle und Disziplinierung. Das ist Foucaults Botschaft und seine Version von “Dialektik der Aufklärung. ...Sie hat den Vorteil nicht generalistisch, sondern konkret und material-analytisch belegt zu sein ”,20meint Welsch.
 Zunehmend unerheblich wird, ob tatsächlich ein Wächter im Beobachtungsposten anwesend ist. Die Architektur der von außen undurchsichtigen Glasscheiben wirkt als ein graues unerbittliches Röntgenauge, das erheblichen Psychoterreur ausübt. Denn sobald der Häftling nun aus seiner Zelle blickt, blickt er auf eine blickdichte graue Glasscheibe, die ihn selbst roboteralienhaft anzuschauen scheint.  Der Blick des großen Anderen wird System. Derart beobachtete Inhaftierte verinnerlichen ihre permanente Überwachung, sie verfolgt sie seitdem nicht nur bis in ihre (Alp-)Träume. Die Disziplinarmacht wird ihr Denken, Fühlen, ihren Habitus, ihre Hexis, nicht nur die Art ihrer Bewegung, sondern ihren ganzen Bewegungsapparat neu definieren.  Man glaubte sich auf dem neuesten Stand der Anpassung und surveillance. Sie repräsentierte aber noch lange nicht die Virulenz einer   engmaschiger webenden Vernetztheit postmoderner, digitaler Big Data Multidimensionalität. Einer ausgefeilten algorithmisierten, liquiden Sozialinquisitorik, die dazu überging das Verhalten im realen Leben statistisch zu erfassen wie marketing orientiert zu verwerten.
An Benthams Panopticum, der  englischer Jurist war, ist einsichtig, dass die Disziplinarmächte zwar die Henkerspektakel der Souveränitätsmacht  ablösten. Dennoch bildeten beide bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts sich ergänzende Dispositive, die eine bis dahin nie gekannte Verschränkung signifizierte. Die wiederum eine enorme Potenzierung der überwachenden Machtinstrumente bewirkte.  Trotz oder wegen ? aller panoptischen "Progressivität"  schreckte Bentham nicht davor zurück den wissenschaftlichen Überwachungsgestus auf körperliche Folterschäden auszudehnen, derart jedoch demonstrierend, dass auch er  das  Souveränitätsdenken nicht gänzlich verließ. Ganz unverblümt weist seine Rhetorik zudem auf das Interesse dem seine Foltertechnik dient und auf die Maßlosigkeit in der  die Machtpotenzierung überspannte. Die folgende Formulierung würde heute Amnesty International auf den Plan rufen und England in die Phalanx der Länder mit staatlichen Folter einreihen:
Der bei den Züchtigungen produzierte Schmerz ist wie ein Kapital, das seinen Profit erwartet (..). Der Gesellschaft könnte ein großer Dienst durch den erwachsen, (...) der die Wirkungen der verschiedenen Formen der Züchtigung untersuchen und die verschiedenen Abstufungen des Schmerzes angehen würde, etwa die unterschiedlichen Folgen von Quetschungen und Sehnenrissen, die man mit Schnüren- oder Peitschenhieben erzielt."21
Ein Beispiel wie leicht und skrupellos das Bürgertum die Grenze zu Faschopraktiken bei der Überwachung überschreiten kann.
 Die Theoretiker des Nationalsozialismus haben seine extremen Lagersysteme und Selektionsmechanismen, sicherlich berechtigt, für ihn spezifisch und historisch beispiellos beschrieben. Aber gerade Foucault zeigte in seinen Werken22a ( die Macht der Psychiatrie, die Anormalen, Überwachen und Strafen, die Strafgesellschaft, Theorien und Institutionen der Strafe) für die europäische Neuzeit auf, u.a. in dem Kapitel aus Wahnsinn und Gesellschaft, die goße Gefangenschaft, wie heute nur Agamben: Die Dialektik der Moderne reüssierte nicht nur in diesem spezifischen Verbrecherregime sondern beruhte für die gesamte Neuzeit auf einer Big Brother- Lagerpraxis, hinter  der sich eine  verdichtende Strafgesellschaft formierte.
In seinen Vorlesungen zur Strafgesellschaft zitiert Foucault einen französischen Abgeordneten zu einer Debatte, die 1831 zur Ausgestaltung des Strafgesetzes stattfand. Der Redebeitrag ist nicht nur selbstredend, sondern auch interessant weil er anschließend auf seine Gesellschaftskonzeption zu sprechen kommt:
"Die Strafgesetze, die zum Großteil für die eine Klasse der Gesellschaft gedacht sind, sind von der anderen gemacht. Sie gelten für die gesamte Gesellschaft, das gebe ich zu; keinem Menschen wird zugesichert, immer ihrer Unerbittlichkeit zu entgehen; aber trotzdem ist wahr, dass fast alle Straftaten, vor allem bestimmte Delikte, von dem Teil der Gesellschaft begangen werden, dem der Gesetzgeber nicht angehört. Dieser Teil unterscheidet sich in seinem Bewusstsein, seinen Sitten uns seiner ganzen Lebensweise jedoch nahezu vollkommen von dem anderen. Um also Gesetze zu machen, die auf ihn zugeschnitten sind, müsste der Gesetzgeber, wie mir scheint, vor allem vergessen, was er selbst ist,(...), und sich darum bemühen herauszufinden, welche Wirkung das Gesetz nicht auf ihn selbst hat, sonder auf das ganz anders gelagerte Bewusstsein des Volkes, für das er arbeitet." 22b
Foucault konstruierte eine dynamische, realistische Gesellschaftskonzeption. Interessant stellt sich dar, dass er in den Vorlesungen zur Strafgesellschaft  antagonistische Klassen als Bedingung für gesellschaftliche Machtkämpfe angibt. Aber für ihn kämpfen nicht nur Klassen gegeneinander, sondern er sieht einen verallgemeinerten Bürgerkrieg Aller gegen Alle die Konflikte durch/ziehen. Er schärfte  die Sinne für die oft durch Regularien verstellten Kämpfe um Macht und Einfluss. Für ihn spielten sich die entscheidenden Machtkämpfe zwischen gesellschaftlich arrivierten Privilegierten ab, die um Macht- und Entscheidungspositionen kämpf(t)en und versuch(t)en sie zu behalten und all den anderen Nichtprivilegierten, die von diesen Entscheidungen betroffen sind. Dabei den Kürzeren ziehen und evtl. versuchen für sie ungünstige Entscheidungen zu revidieren oder den Entscheidungsträger zu bekämpfen.  Zwar stellt sich nicht einfach dar ohne entsprechende familiäre Protektion/Ressourcen eine einflussreiche Machtposition zu erringen, aber noch viel schwieriger ist es sie zu behalten:
 "Die tagtägliche Machtausübung muss man als einen Bürgerkrieg betrachten können: Macht auszuüben ist eine bestimmte Art, Bürgerkrieg zu führen, und all die Instrumente, die Taktiken, die man hier ausmachen kann, müssen in den Begriffen des Bürgerkriegs zu analysieren sein. Auch in Form von Allianzen zwischen Gruppen, die an der Macht sind, oder zwischen Günstlingen der Macht."22c
 Das Disziplinarsystem wurde hauptsächlich für die Unterprivilegierten entworfen, damit sie nicht gegen ihre schlechten bis unwürdigen Lebensbedingungen aufbegehren. Denn die Armutsheere stellten eine reales Bedrohungspotenzial für alle Privilegierten dar. Sie hatten kaum etwas zu verlieren, Delinquenten wurden deshalb schon bei kleineren Delikten übermäßig hart bestraft. Indem die Strafgesetzgebung die Armutsheere ins Visier nahm, schuf sie versträrkt den Kriminellen als Rechtsfigur, der "gegen die Gesellschaft Krieg führt." 
In der famosen Zusammenfassung der Herausgeber von Theorien und Institutionen der Strafe (Suhrkamp 2017) wird erwähnt, dass Foucault kein Anti-Marxist war, wie oft unterstellt. Dieses Urteil kam einerseits durch die von seinen Interpreten wahrgenommene strukturalistische Theorieform zustande, die er stets bestritt. Andererseits trug die scharfe Auseinandersetzung mit Sartre dazu bei. Nur ein Vorwurf Sartres in den 68er Studentenunruhen, die gerade in Paris ziemlich heftig gerieten, hieß, dass Foucault das letzte Bollwerk der Bourgeoisie wäre. Foucaults gleichermaßen lakonische wie aberwitzige Antwort lautete: "Wenn ich das letzte Bollwerk der Bourgeoisie bin, dann gnade ihr Gott !" Die Klassenanalyse hatte für Foucault durchaus  eine Berechtigung. Sie war jedoch zu verfeinern und zu ergänzen. In der orthodoxen Form konnte sie nicht liefern, was Foucault mehr interessierte. Nämlich wie Macht und Machtverteilung aufrechterhalten respektive modifiziert wird, dh. wie sie über Klassenkampf und Lohnsklaverei hinaus, ganz realiter funktioniert. Die Analyse des Justizsystems, seiner Rechtsprechung, Strafverfolgung und seiner Repressionsmechanismen schienen ihm hier vielversprechender. (Siehe auch Katharina Pistor, Der Code des Kapitals, Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft, Suhrkamp, 2020)
Die Entwicklungslinie der multiplen Konsequenzen der Ausdifferenzierung des Strafsystems, wie die Anstrengungen der Zähmung des Kriminellen zeichnete Foucault deshalb in den Vorlesungen zur Strafgesellschaft  (Suhrkamp,1972-73) nach:

 "Es gibt eine Art Element -Verbrechen- Gesellschaftsfeindlichkeit, Verbrecher-Gesellschaftsfeind, das weder ein theoretisches Element noch ein institutionelles oder praktisches Element ist, sondern das Wechselelement, das Verbindungselement zwischen diesen  beiden' Serien, der einen, die zu der Vorstellung führt, dass der Kriminelle gegen die Gesellschaft Krieg führt, und der anderen der Beschlagnahme der Strafjustiz durch die monarchische Macht. Dieses Element übernimmt die Funktion eines Wechslers zwischen diesen beiden Serien, und es wird während des gesamten I9. Jahrhunderts der Schlüssel zu einer ganzen Reihe von Folgen sein, von denen die einen theoretisch, andere praktisch und wieder andere epistemologisch sind. Ab dem 18. Jahrhundert hat man in der Tat den Aufbau einer ganzen Reihe von Institutionen, die genau die Person des Kriminellen als Feind der Gesellschaft einführen und ihn in der Praxis als solchen definieren werden? Die Institutionen der Staatsanwaltschaft, der Beweisaufnahme, der Strafverfolgung, des Aufbaus einer Kriminalpolizei, die die rechtmäßige Einleitung der öffentlichen Klage erlauben werden; das Geschworenengericht, das es zum Beispiel in England schon gab, das aber ursprünglich für das Recht stand, von seinesgleichen beurteilt zu werden, während das Geschworenengericht, das man im 19. Jahrhundert arbeiten sieht, eine Einrichtung ist, die das Recht der Gesellschaft markiert, über jemanden, der mit ihr in Konflikt geraten ist, selbst (oder durch ihre Repräsentanten) ein Urteil zu fällen. Von einem Geschworenengericht beurteilt zu werden, heißt nicht mehr, von seinesgleichen beurteilt zu werden, sondern im Namen der Gesellschaft von ihren Repräsentanten beurteilt zu werden.
Man hat auch eine ganze Reihe von Wissenseffekten, die um das Auftauchen des Kriminellen als ein lndividuum, "das mit der Gesellschaft auf Kriegsfuß steht" und mit den Gesetzen und allgemeinen Normen unvereinbar ist, gebündelt werden. So sieht man, wie sich ausgehend von dieser Bündelung die Möglichkeit eines psychopathologischen oder psychiatrischen Zugriffs auf den Kriminellen herausbildet. Ist er doch jemand, der mit der Gesellschaft unvereinbar, zu gesellschaftlicher  Anpassung unfähig ist, dessen Verhältnis zur Gesellschaft von konstanter Aggressivität geprägt ist, dem ihre Normen, ihre Werte fremd sind. So können mit Blick auf das Phänomen der Kriminalität Diskurse und Institutionen entstehen wie die, die sich im Namen der Psychopathologie normabweichenden Verhaltens herausbilden.
Innerhalb dieser epistemischen Effekte hat man auch die Möglichkeit zu untersuchen, wie die Gesellschaft selbst ihre Feinde produziert: Wie kommt es, dass eine Gesellschaft ein solches Ausmaß des Verbrechens, des Zerfalls erreichen kann, dass sie in großer Menge Leute erzeugt, die ihre Feinde sind? Man sieht, wie sich hieran die Möglichkeit der Kriminalsoziologie als Pathologie der Gesellschaft anschließt oder festmacht.
Diese Art Verbindungsstück, das der Kriminelle als Feind der Gesellschaft darstellt, ist in Wahrheit ein Instrument, mit dem die Klasse die an der Macht ist, die Aufgabe, den Kriminellen auszustoßen, in Form des Geschworenengerichts auf die Gesellschaft: oder mittels all dieser epistemischen Relais auf das soziale Gewissen überträgt. Die sich an der Macht befindende Klasse möchte erreichen, dass diejenigen, denen sie augenscheinlich die Aufgabe übertragen hat, ein Urteil zu fällen oder zu bestrafen, in ihren Handlungen oder ihrem Denken den Ausschluss vornehmen, über den ich sagte, dass ich ihn nicht als eine Grundfunktion ansehe. Ich möchte eine kritische Analyse dieser Soziologisierung des Kriminellen als Gesellschaftsfeind unternehmen, einer Soziologisierung, deren Folgen gegenwärtig die Strafrechtspraxis, die Psychopathologie der Delinquenz und die Kriminalsoziologie bestimmen.“ 22d

 Mit der Aufklärung setzte ein vermeintlich zunehmend vernunftgesteuerter Prozess ein, der einen enormen Differenzierungs- mehr noch Selektionsprozess Vorschub leistete. Alle die gegen die Ordnung der Privilegierten verstießen, wurden plötzlich  nach den Ursachen von Delikten/Straftaten, zudem nach ihren Sozialisationsbedingungen  befragt. Besonders "Kriminelle" mussten sich nun  ausführlichen Verhörprocedere unterziehen über Umstände und Motiv der Straftat. Um sie durch eine anschließende extensive Psychodiagnostik mit Sozialprognose, kombiniert mit Verlaufsprognose, plus späterer Evaluation zu ergänzen. Ein nie gekanntes Novum im Strafprozess, der bis dahin nur auf Rache und Vergeltung sann. "Kriminologie", vor allem Resozialisierung, bekam einen höheren Stellenwert als die Machtdemonstration des Souveräns und die öffentliche voyeuristische Lust an der Bestrafung. Genau diese Reform des Strafvollzugsmechanismus stellt nach Foucault weniger ein universelles Humanisierungsmotiv dar,  sondern das Fanal der zeitgemäßeren, subtileren, dafür umso effektiver webenden modernen Machtdimension. Sie funktioniert vermittels neuen kapitalistischen Disziplinarmechanismen, die an die Einhaltung einer peniblen Zeitplanung gekoppelt.  Die Zeitplanung  ersetzte nicht nur  die “Leibmarter" der Souveränitätsmacht sondern forderte Anpassungsfähigkeit, indem sie die Subjekte regelrecht in Beschlag nahm. Die Wärter und die “Zeitplanung" der Besserungsanstalten, Heime, Gefängnisse legte/n nun einen engen, permanenten Fokus auf die soziale Compliance, die durch diese zeitorientierte Beschlagnahme erst gefordert wurde. Denn die Anpassung an die Zeitplanung erheischt eine starke Frustrationstoleranz, psychophysische Belastbarkeit und Soziabilität der Insassen. Gleichfalls marginalisiert/e sie diejenigen, denen es nicht möglich sich ihr anzupassen oder sich ihr widersetzten. Foucault spricht im Spiegel der Betroffenen von einer refeudalistischen Beschlagnahme, die im Gegensatz zur feudalistischen weniger territorial wirkte, als vielmehr vampiristisch zeitsaugend. Sie geht nun von der "Über-Macht" der verschiedenen Institutionen des 19.Jhs und ihren Trägern, den Lehrern, Direktoren, Aufsehern, Managern, Vorarbeitern aus. Sie fungieren als "Relais", die zum einen eine unheimliche Machtkonzentration in den Repräsentanten der Institution bündeln, zum anderen insgesamt   ein ausgeklügelteres Netz der zeitorientierten Surveillance und Disziplinierung sponn.
Aber nicht nur Vagabunden, Insassen von Workhouses oder Gefängnissen bekamen den neuen Drill zu spüren. Bezeichnend für das neue Phänomen war, dass  die Strafgesellschaft   neuartige Fabrikklöster portraitiert, in enger Referenz  die neu entstehenden Fabriken tatsächlich Farbik-Gefängnisse nennt. Er schreibt von "Apparaten, deren Form die Beschlagnahme" von Personen und deren Zeit ist. Es handelt sich nicht selten um 16h-20h Arbeitstage. Phänomene der Totalerschöpfung, Burn out, Unansprechbarkeit,  Schlaflosigkeit, chronisçhe Müdigkeit, Trance, psychophysische Resignation, extreme Niedergeschlagenheit, Depression waren an der Tagesordnung. (Charlie Chaplin Modern Times). Diese Arbeiter/innen wurden entlassen, d.h. als "Lumpenproletariat" der noch krasseren Verelendung ausgesetzt als der "Normarbeiter". Die Lebenserwartung der Arbeitenden überstieg meistens nicht ihre Überlebensspanne der Arbeitsfähigkeit. Diese "eigentlich" kontraproduktive vampiristische Beschlagnahme der Zeit
galt dem "Ziel der Konstituierung einer disziplinierten Arbeitskraft,"  das von der Profitmaximierung nicht zu trennen war. Sie  führt noch zu ganz anderen Effekten. Anfang des 19. Jhs. verpflichteten die Manager jener neu entstehenden Manufaktur/Fabriken jede Arbeiter/in  ein Arbeitsbuch zu führen, darin wurden peu a peu Beurteilungen des Arbeitgebers oder des Kapos eingetragen. Foucault verknüpft  das mit dem Beginn einer "permanenten und generell ununterbrochenen Beurteilung" von Personen in Institutionen, wie der "Produktion eines neuen Diskursivitätstyps der täglichen moralischen Buchführung über das gesamte Leben, geordnet nach normal und anormal."22e Gleichzeitig wird diese  unter einem sehr großen Zwang stehende Lebensform als Norm, mehr noch als Normalisierungsfall eingeführt. Im ganzen 19. Jh., speziell in der ersten Hälfte, handelt es sich um das  Konfigurieren  einer engmaschigen Anpassung und Disziplinierung des Arbeiters in den verschiedenen gesellschaftlichen Institutionsapparaten. Des Weiteren  beobachtet Foucault in der zweiten Hälfte ein dichtes Repressionssystem, das  im Gewand der Habitualisierung, Pädagogisierung wie der Ausbildung des Arbeiters daherkommt.( Es liegt auf der Hand, dass die Industrie des 19. und 20 Jhs. seit jeher davon träumte, die Arbeiter/innen zu Robotern zu machen, respektive sie  als solche verstand und einsetzte. Schon heute gibt es menschenleere Fabriken. Bis ihr anti-/transhumanistischer Traum, womöglich in nicht all zu ferner Zukunft, wahr wird und die Arbeiter/innen tatsächlich komplett durch digitale Robotik ersetzt werden. Dh. dass sie sich als Klasse wieder in Armut und Prekarität finden werden.)
Neben der schleichenden Etablierung des humanen Strafvollzugs verkörperte die noch größere theoretische wie praktische Bedeutung für die Ausdifferenzierung der Überwachung,  nach Foucault,   der Aufschwung der mit ihr einhergehenden Sozial - und  Humanwissenschaften. Ein Heer von professionellen Berufen entsteht vor allem ab Ende des 19. Jahrhunderts. Zu den schon bestehenden Richtern, Anstaltsärzten, Psychiatern gesellen sich Sozialarbeiter, Pädagogen, Soziologen, Psychologen die scheinbar humanistisch gepolt eine ganze Strafvollzugsindustrie herausbilden. Neue Theorien über Umwelt-, Milieu-, oder Gesellschaftseinflüsse entstehen, zunächst in Form von pseudowississenschaftlichen biologischen Degenerations- als auch kulturellen  Dekadenzstudien. Als eine Art Reaktion darauf nehmen in der ersten Hälfte des 20. Jhs. der sich abzeichnende Taylorismus, der Behaviorismus und das operante Konditionieren scharfe, einflussreiche Konturen an. Die neuen VT- Professionen, noch von einer ungebrochenen Fortschrittsgläubigkeit geprägt, entwickeln einen starken Ehrgeiz ihr  brandneues Wissen praktisch anzuwenden. Die orwellsche "Vision" des Social-Engeneering der Gesellschaft durch den Behaviorismus war unter ihnen (sektenhaft ?) weit verbreitet. Die Strafvollzugsindustrie wurde ihr Experimentierfeld. Sie kontrolliert jetzt jeden Schritt und Tritt des Delinquenten/Häftling, u.a. indem sie sein Verhalten in den Akten kodifiziert/e. Eine Überwachungsform, die heute in mächtige Datafiles überging. Vermittels der digitalen Fußfessel und dem Smartphone-tracking potenzierte sie sich in der Postmoderne  vollends qualitativ wie quantitativ.
 Das Panoptikum der Strafanstalt konnte nun aufs "Freiland" ausgedehnt werden. Bewegungsprofile und Aufenthalte von (vermeintlichen) Gefährdern werden zusätzlich mit Big Data Wahrscheinlichkeitsprofiling auf das Rückfallrisiko berechnet. Die zuerst in der 1956 veröffentlichten "Science Fiction"-Kurzgeschichte Minority Report von Philipp K. Dick avisierten Precrime Units, (2002 von Spielberg verfilmt), mutierten seit 2010 tatsächlich zu digitalen Algorithmenprograms, die viele Policeunits nutzen. Bestimmte Milieus rücken durch die Precrimemethodik besonders in den Fokus der Beobachtung. Kritiker sprechen allerdings aufgrund des gesellschaftich diskriminierenden Bias dieser Methoden von Schicksalsmaschinen, die ethnische Gruppen ganzer Stadtviertel stigmatisieren.
Seit 2018 setzt die amerikanische Polizei auf eine digitale Software der Firma Clearview AI. Die Firma besitzt im Jahre 2024 eine Datenbank mit 50 Milliarden Bildern. Sie peilt allerdings in den nächsten Jahren ca 150 Milliarden Bildern an. Die Software gleicht selbst schlechte, verzerrte Aufnahmen von Gesichtern mit dem gesamten Bilderspeicher des Internets, Social Medias als auch ihrer Datenbank ab, anschließend liefert sie die aktuellen Adressen von strafrechtlich respektive steckbrieflich Gesuchten. Derart wuchs der Fahndungserfolg signifikant an. Die Bilder und Daten sind aber oft illegal erhoben respektive von Social Medias "gescrapt" worden. Selbst Google machte unlängst den Vorschlag, den Einsatz derartiger Face-ID Software zu unterbinden, bis gesetzliche Regelungen in Kraft treten.
Die Möglichkeiten von kognitiven, behavioristischen, postmodernen, digitalisierten Diagnosemethoden potenzieren sich weiter fast unendlich. Sie generieren Urteile, Diagnosen, Prognosen über die Wahrscheinlichkeit der Resozialisierbarkeit, wie dem Verhalten vor, während und nach einer Straftat. Als Konsequenz bestimmen Berge von Gutachten die Behandlung des Delinquenten in Strafanstalt und Therapie. Neue Digitalisierungstechniken ermöglichen die grenzenlose Speicherung und Versendung dieser Daten an verschiedenste Institutionen mittels E-Akte.
 Die neuen Belohnungs-, Konditionierungs- und Privilegiensysteme die Haftanstalten/ Besserungsheime schon zu Beginn des 20. Jhs. einführen, zielen nun auf die intrinsische Motivation der Häftlinge. Der augenscheinlich besser Angepasste bekommt Macht über andere Häftlinge usw. . Zudem wurden fast überall Überwachungskameras installiert. In der Postmoderne gingen einige Länder, bzw. ein nicht geringe Zahl von Haftanstalten, dazu  über teils zwecks Kostenreduktion,  das Securitypersonal 
die Überwachungsfunktion nur  im heftigem Konfliktfall ausüben zu lassen. Die Häftlinge sollen ihre eigene Überwachung überwachen, internalisieren, organisieren, die sie vor allem in den informellen Strukturen der Gangs/Rackets reproduzieren.



 Die "Normalisierungsdiskurse" und Überwachungstechniken der Postmoderne


 Ein Prozess, der sich heute im therapeutischen Überbau bzw. der Counselling Services der westlichen Gesellschaften  hybridisierte, der jedes Subjekt, sollte es öffentlich auffällig werden, in sein Fadenkreuz nimmt. Sie versuchen die Subjekte ähnlich zu raten wie die monströsen Ratingagenturen Volkswirtschaften oder Firmen und sie gerade wegen dieses Ratings womöglich in den Abgrund reißen. Überall gefeierter postmoderner Freiheit steht ein Heer von Therapeuten, Diagnostikern, Sozialwissenschaftler, Trainern und Coaches gegenüber, nur ein scheinbarer Widerspruch, der zu denken gibt, wenn nicht gar schaudern lässt. Er bringt neue Diskurse über Determination und Freiheit in den  Neurowissenschaften und über Individualisierung respektive die angeblich frei wählbare Identität des Subjekts in den Sozialwissenschaften hervor. Normalisierung bedeutet in der reflexiven Postmoderne ein individualisiertes Subjekt zu sein, das als solches erstmal mit erheblichem ideologischen Aufwand  geschaffen werden muss. Indem ihm einzutrichtern, dass es an seiner Subjektivität durch neoprotestantische, reflexive Identitäts-, Selbstbefragungs-, Selbstprüfungs-, wie Selbstoptimierungstechniken zu arbeiten hat. Gleichzeitig, widersprüchlich, soll es sich für die bestehende Gesellschaft, soweit möglich, neu  erfinden, als auch massiv proteisch anpassen.
Nach der 68 er Studentenbewegung explodierten die Diskurse und wurden in der anbrechenden Informations – Wissensgesellschaft noch einmal potenziert bzw. diversifiziert um heute in ein postpostmodernes, kaum nachvollziehbares, multiphrenes Stimmengewirr zu münden. Dennoch lassen sich in ihrem Gefolge mehrere zentrale Bündel von Diskursen herausfiltern, die der universalen Monetarisierung und Ökonomisierung passgenau korrespondieren, entgegenarbeiten. Seit Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde ein verstärkt aufs Individuum zugreifender reflexiver Individualisierungsdiskurs organisiert, der ihm vermittelte, dass es keine Chance hätte sich anders als individualisiert zu verstehen und zu entwerfen. In den 90ern suggerierte er zudem, dass sich das Individuum jetzt als Ich-AG oder Arbeitskraftunternehmer begreifen sollte. Seine "Identität" wurde verstärkt thematisiert, problematisiert, befragt, nicht nur sozialwissenschaftlich. Die  Reklameindustrie der Konsummärkte evozierte, installierte gar forciert eine  Wunschdynamik im Subjekt, die seine ganze Motivations- und Antriebsdynamis affizierte.  Kritiker sprechen von ihrer radikalen konsumistischen Kolonisierung, die  nicht nur auf Produkte gestellt, sondern  u.a. von den Reflexivmodernen auf die "Identität" des Subjekts gewendet wurde. Kontrafaktisch  behauptend, dass für die Meisten eine Wahl  bestünde zwischen dem was sie sind und was sie "sein wollen". Die individuelle "Identität" könnte  per Kauf der “richtigen Produkte” geformt, ihre Originalität gepimpt, getunt, gar selbst konstruiert werden. Der/die Einzelne sah sich nicht nur von den Medien infliltriert,  sondern, was das  Perfide, besonders von staatlichen Universitäten und Institutionen befragt, was seine/ihre ganz spezifische "Identität" sei. Ein Meganovum, sowohl ob der unglaublich dreisten Übergriffigkeit auf die individuelle Subjektivität, als auch der Suggestion, dass sie entsprechend, wenn nicht beliebig formbar. Damit bezweckend, dass die kritisch theoretisch Uninformierten, also die Mehrheit, sich tatsächlich nach ihrer "Identität" zu fragen begann.  D.h. auf eine Odyssee geriet, die zwischen der Scylla der Trendscouts und der Charybdis des Burnouts oszilliert.
 Die englische Primeminister Thatcher schob die Entwicklung des Individualisierungsatoms stellvertretend für alle konservativen Policies mittels Regierungspolitiken an. Als sie einen performativen Widerspruch zu ihrem Markenzeichen erchor, den ihre Spindocs ihr einflüsterten. In unzähligen Reden formte und  wiederholte sie das dazugehörige Politdispositv:
"I think we've been through a period where too many people have been given to understand that if they have a problem, it's the government's job to cope with it. 'I have a problem, I'll get a grant.' 'I'm homeless, the government must house me.' They're casting their problem on society. And, you know, there is no such thing as society. There are individual men and women, and there are families. And no government can do anything except through people, and people must look to themselves first. It's our duty to look after ourselves and then, also to look after our neighbour. ."23 

 Der geschwärzte Satz avancierte zu der konservativen Regierungspolitik schlechthin. Der letzte gibt mindestens ebenso ungeschminkt die konservative Weltsicht wieder. Es ist unsere Pflicht wohlgemerkt, to look after ourselves und erst unter ferner liefen, die Sprachbetonung der Rede   runtermodulierend, so dass der letzte Satz schon unterging.  Im Duktus an letzter Stelle kommt to look after our neighbour.
Den Menschen sollte vollends das Bewusstsein ihrer Gesellschaftlichkeit geraubt werden,  und dass sie über ihre Gesellschaftlichkeit Bewusstsein herstellen können.
Vor allem die nicht nur in Deutschland vorherrschenden, bis Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts von der Kritischen Theorie und der Studentenbewegung geprägten, wirkmächtigen, breiten linksintellektuellen Diskurse, als auch spätere Ökopaxbewegungen mit ihren  theoretischen Diskursen, schliffen ab Mitte der 80er  ausgerechnet ehemalige, nun arrivierte 68er. Noch in den 60ern und 70ern sogen sie von Althusser auf, dass der Kapitalismus nicht ohne Ideologische Staatsapparate24 (ISA) existieren kann, die das Bewusstsein das der herrschenden Klasse am meisten nützt, in das der/s mehr oder weniger kleinen Frau/Manns auf der Straße transformieren. Dies wird meist in Form eines persönlichen Anrufungsverhältnisses praktiziert. Die Anrufungen werden heute von ausgefeilten sozialwissenschaftlichen, digitalen Befragungsverhältnissen (Mindmachines/Bots) flankiert, so dass man/frau sich ihnen kaum entziehen kann.
(Exkurs: Louis Althusser genoß nicht nur innerhalb der französichen Linken lange das Image eines smarten Halbgotts. 
Sein Schicksal 24b zeigte wie stark und anhaltend der zweite Weltkrieg das Leben vieler Staaten und besonders der Franzosen bestimmte. Louis gab zu Protokoll, dass seine langjährige deutsche Kriegsgefangenschaft der Auslöser für seine wiederkehrende schwere klinische Depression und Bipolarität war. Louis erwürgte 1980 in einem zyklischen, manischen  Schub bekanntlich seine Frau Helene Rytmann, mit der er bis dato viele Veranstaltungen bestritt. In einem Kampf respektive Gewaltakt, der sich laut Gutachten ca. eine halbe Stunde hinzog. Ein französisches Gericht befand ihn ohne Gerichtsverhandlung für unzurechnungsfähig und internierte ihn 3 Jahre psychiatrisch. Anschließend versuchte er in mehreren Schriften, bis zu seinem Tod 1990, diesen ihm nicht bewussten "Mord" während eines kompletten mentalen Blackouts analytisch, exzessiv selbstquälerisch "aufzuarbeiten" und für sich verstehbar zu machen. Dennoch kann sein Schicksal  als Beispiel gelten, dass selbst extrem reflektierte Personen, sich selbst und ihr Unbewusstes (in dem Moment, wenn es drauf ankommt) nicht reflexiv  reflektieren können.) 
Althusser war der Auffassung, nicht nur die Subjektivierung sondern auch die ideologische Subjektwerdung der Menschen funktioniere nach dem Schema der alltäglichen Anrufung durch einen Polizisten: „He, Sie da!“ Die digitalen Medien wie die Reklameindustrie verfeinerten es auf ein "Hallo, du, wer möchtest du sein?" Derart, so Althusser, rufe die Ideologie die Individuen als Subjekte an. Die Ideologie stelle ideologische Behauptungen mehr oder weniger diskret als „Evidenzen“ dar, um die an- und wiedererkennende Reaktion der Subjekte zu evozieren: „‘Das ist evident! Genauso ist es! Das ist wahr!‘“ Althusser publizierte 1969 während der Sturm und Drangperiode der Studentenrevolte diesen damals in der Linken weit beachteten, einflussreichen, Forschungen anregenden Aufsatz.
 Aber Mitte der 80er Jahre, nachdem die Etablierung der 68er felsenfest vollzogen war,  changierten sie peinlichst zu den Ideologieagenten, die die persönlichen Anrufungs- und jetzt vor allem Befragungspraxen “sozialwissenschaftlich” verbrämt in Umlauf brachten.
 Dies hatte einen ziemlich materiellen Hintergrund. Denn die privilegierten akademischen Stellen, als auch die privilegierten in Wirtschaft und Gesellschaft wurden immer knapper. Was die Situation noch bis heute verschärft/e ist, dass diese privilegierten Stellen für das Gros der 
Upper Middle Class/UMC praktisch nicht mehr vorhanden waren/sind. Dennoch gab/gibt es vereinzelt Stellen, die nur über das berüchtigte Vitamin B völlig intransparent, in irgendwelchen Hinterzimmern ausgedealt, zur Vergabe gelangen. Die Mehrheit der UMC kam aber systemisch bedingt nicht mehr in den für sie üblichen Lebensgenuss einer privilegierten Stelle mit Vollpension. (Für Bourdieu wären das die Voraussetzungen für eine Revolution). Um aber den Widerstand gegen diese Verhältnisse nicht zu erregen respektive eskalieren zu lassen, rotierten die etablierten 68er, die ihre Stellen behalten wollten, zu Mainstream-Ideologieagenten die jetzt ihren Student/innen vermittelten, dass das Problem angeblich an ihrer nicht ausgereiften, nicht ausgefeilten bzw. nicht vorhandenen Individualität oder gar Identität läge. Sie organisierten ein gigantisches subjektives als auch objektives Abwehrunternehmen, eine ideologische Firewall, die das systemische Problem auf die angeblich defizitäre "Individualität" und "Identität" ablenkte. Gleichsam aus dem Off dröhnten nun ohrenbetäubende Stimmen in den Medien und in akademischen Seminaren:
 Wer bist du eigentlich, (little dreamer in meinem Seminar) ? Bist du überhaupt ein Individuum ? Was erst einmal zu prüfen. Und wenn ja, was für eins ? Was zeichnet deine spezifische "Individualität" aus ?
 Dies war aber nur das Vorspiel, darauf kam der ideologische Turbo:
 " Du  !"(in meinem Seminar...) .Denn es gab praktisch keinen 68er Prof. /Dozent/in, die es nicht liebten ihre Student/innen zu duzen. Es war ein besinnungsloses, (fast) rauschhaftes, seltsames Duzen. (Eine Unbeteiligte wäre leicht auf die Idee gekommen, dass es sich um einen latenten Wettbewerb handelt, wie oft  das Du in einem Satz verwendbar, ohne dass die Grammatik zu leiden beginnt.) Jenseits allen Witzes war dieses typische grenzenlose 68er Duzen ein Phänomen, welches für eine fokussierte Analyse Stoff für ein ganzes Buch ergäbe. Denn es sagte viel über ihr eigenes hybrides Selbstverständnis. Die späten 68er hatten auch nicht mehr auf dem Schirm, wie unangemessen aus der Zeit gefallen es viele  in den Y/Z Generationen empfanden.
Durchaus hypothetisierbar ist, dass die Identitätsforschung wohl kaum funktioniert (respektive wesentlich schlechter), falls der Forschende die Sie-Ansprache wählte, was angemessen wäre, weil er seinen Probanden ja nicht kennt.  Sensible Menschen würden  bei der Frage stutzen: Wie ist ihre Identität strukturiert? Oder: Können Sie Auskunft über ihre Identität geben ? Und sofort den Impuls zur Gegenfrage verspüren: Warum ? Da sie jedoch für eine angeblich sozialwissenschaftliche Studie Auskunft geben sollen, fühlen sie sich ähnlich dem Milgram-Experiment in einem  Dilemma, ob sie diese Fragen wirklich schlucken sollten.                         
Relativ sensible Menschen, dh. die große Mehrheit, spüren  sofort den Übergriff, der in der Identitätsfragerei liegt, noch viel mehr, wenn er in der Sie-Form vorgetragen wird. Die Identitätsforschung ist praktisch auf das Duzen angewiesen, denn sie muss eine  respektlose, instrumentelle, distanzlose Nähe zum Interviewten herstellen, sonst würde ihre ganze Chose nicht funktionieren. Es ist weiter leicht vorstellbar, dass die späten Ex-68er vermutlich schnell das Interesse am Lehren und Forschen und sogar am Umgang mit ihren Student/innen verloren hätten, falls sie verpflichtet worden wären zu siezen, dh. Grenzen einzuhalten. Ihr ganzer Umgang mit ihren Student/innen war auf dem lustorientierten Du aufgebaut, auf dem rauschhaften Genießen der (zu) weitreichenden/weitgehenden Du-Jouissance. Die  Ex/68er ließen vollkommen den Rahmen verschwinden, dass sie als sehr privilegierte Beamte einer staatlichen Universität eigentlich ein akademisches Fach vertreten sollten. Stattdessen erweckten sie den Eindruck, dass man  sich  auf einer großen privaten, distanzlosen Gaudiveranstaltung befindet, bei der ein latenter Wettbewerb um die beste Gaudi- und mehr oder weniger intellektuelle Blödelperformance im Gang ist. Deshalb war man auch leicht verführt, sich und das Studium nicht mehr ernst zu nehmen. Obwohl man zu Beginn des Studiums dem Fach eigentlich großes Interesse entgegenbrachte als auch es sehr bewusst wählte. (Fraglich ist ob der sehr hohe NC mit dem das Fach vor allem in München belegt ist, diese Entwicklung eher beförderte oder verhindern sollte ? Nach all dem Notenstress und der Paukerei schien die Möglichkeit der übertriebenen Blödelei zu verlockend. )
 Das Duzen der Student/innen mochte in den 70er bis Anfang der 80er noch auf Generationennähe beruhen. Danach diente es mehr  dem Verwischen/Verschleiern von Statusunterschieden, als spielten sie keine Rolle, obwohl sie offensichtlicher denn je wurden. In der konkreten Situation fühlte es sich des Öfteren an, als wollten die späten 68er sich im Du verlieren.  Als wüssten sie vorbewusst, dass ihre Zeit vorüber ist, und nur von den nachfolgenden Generationen noch Esprit zu erwarten wäre. Andererseits, aus einer fortgeschrittenen zeitlichen Distanz betrachtet, traten  sie den Student/innen als chimärisches Freundes-Du gegenüber, das seine spezifischen Idiosynkrasien spätestens bei Bewertungen offenbarte und sich nach dem Studium gänzlich als sorgsam verbreiteter Fake erwies. Hier gilt es noch einige Explorationsessays anzufertigen, wozu die Pseudonähe diente, mit dem Arbeitstitel: Die Nähe, die keine war. Mir ging diese Duzerei zunehmend auf die Nerven, denn es war offensichtlich, dass sie nur dem Narzissmus der 68er Profs/Dozent/innen diente, die sich ein gleichberechtigtes, entspanntes Lehrer/Schüler/Student/innen Verhältnis vorgaukelten. Gleichermaßen machte  sie den Student/innen vor, ein persönlicheres Verhältnis zu den Profs/Dozent/innen zu haben, dessen Grenzen oft unklar waren. Das obsessive Duzen war  auch Ausdruck des (vorbewussten) Wunsches der arrivierten 68er, dass es keinen Zeitstrom mehr gäbe. Es deutete auf ein krampfhaftes Festhalten und Stillstellen dieser künstlichen Dozent/in-Studisituation hin, die nie mehr enden sollte, um daraus Kraft durch Jouissance aus dem Lebensstrom zu ziehen. Das zwanghafte Fragen nach (dem Leben respektive) der "Identität" der Anderen (Generationen) wäre  als ihre tief sitzende Angst zu interpretieren, aus dem Lebensstrom gefallen zu sein oder fallen zu können. 
Wenn die arrivierten, reflexivmodernen 68er meinten, die nachfolgenden Generationen extensiv asymmetrisch nach ihren "Identitäten" befragen wie bespiegeln zu können, ist es dann nicht reziprok logisch, dass einige Wenige aus den bespiegelten Generationen mit entsprechenden Ressourcen symmetrisch zurück-spiegeln, -blenden ? Perseus gleich, der von Pallas Athene den Spiegelschild erhielt, damit das Haupt der Medusa versteinerte, um ihre Versteinerungs-Macht zu brechen.
  Im Nachhinein wäre definitiv mit Althusser zu fragen, ob  über die vermeintliche Vertrautheit des grenzenlosen Duzens, die die persönliche Distanz noch viel mehr einzog, die ideologischen Anrufungs- und Befragungspraxen noch viel intensiver an uns, "ihre Student/innen", herangetragen wurden:
 "(He), Du (da) !"(Don't dream, wake up! It's over, geträumt wird nicht mehr). Was hast du für eine "Identität" ? Wie ist sie geartet, strukturiert, wie schaut sie aus ? Hast du überhaupt eine ? Zeig sie uns, du musst eine haben ! Du darfst auf keinen Fall keine haben ! Du darfst sie jedenfalls nicht vor uns verstecken ! Wenn du keine hast, musst du dir unbedingt eine kreieren oder konstruieren ! Du musst sie dir selbst zusammenbasteln ! OMG! Achtung: Baustelle!
Was ist das denn für ein/e Gefrickel/Bricolage/Freakolage? Willst du wirklich mit diesem marginalen, ungepimpten Gebastel/Gefummel rumlaufen  ! No u can't !!! Du hast auf jeden Fall an deiner marginalen, unbedeutenden Identität zu arbeiten ! Capito ! Du musst sie unbedingt pimpen, tunen, empowern, transformen, performen ! Du musst uns über deine Kreation, Freakolage,  Konstruktion, dein Design, deinen Style, deinen Tag informieren ! Wenn dir nichts einfällt, fange an  deinen Namen zu tagen. Wenn dir immer noch nichts einfällt, beginne deinen Namen zu tanzen, wilder und wilder, bis zur Erschöpfung. Bleibe liegen, nehme wahr was entsteht. Wenn nichts entsteht, wiederhole es, bis etwas entsteht.  Dann beginne langsam   deine  Identität zu tanzen, wilder und wilder, (I want u to dance, dance dance, break, break, breakdance it !). Break mit ihr in den Himmel hinein, in den siebenten Himmel der Liebe ! (Oder in den siebenten Kreis der Hölle, OM) Was ist dein SOC-Wert ? OMG !!! Was ist das denn ?  Glaubst du wirklich mit so einem/was Schlappen agieren zu können ?  Ohne gepimptes Identitätsgebastel geht gar nichts ! Du musst  deine Identität auf jeden Fall empowern und uns öffentlich zeigen ! Du darfst dich nicht, u can't, gemeint war jedoch vor allem uns nicht, (den großen orwellschen Anderen, zu dem die 68er ab der Hälfte ihres Lebens im akademischen Betrieb mutierten), im Ungewissen darüber lassen ! 

 Es handelt sich zwar letztlich auch um eine Beschlagnahme von Zeit der Personen, doch sie wird nun über eine radikale neoprotestantische Beschlagnahme der Subjektivität veranlasst, die als zu konstruierende "Identität" diese vampiristische Beschlagnahme als angeblich eigenes Projekt vortäuscht. Heute müssen nach Foucault alle Alarmglocken schrillen, wenn gesellschaftliche, mediale, marketing oder universitäre Institutionen einen heftigst  zum Subjekt machen oder empowern wollen. (Meist ist dann das Gegenteil der Fall, wie die eigentliche Wortbedeutung von Subjekt schon andeutet.)
Mit ihrer Individualisierungstheorie bewirkten die Reflexivmodernen neue systemstabilisierende, postmoderne "Normalisierungsdynamiken", die über die Fremd- und Selbstapplikation von  pseudowissenschaftlichen "reflexivmodernen" Identitätsverhören installiert wurden. D.h. dem Subjekt mehr oder weniger subtil ins Bewusstsein hämmer(te)n, was neue, zweitmoderne Bürgerlichkeit bedeutet, wie sie funktioniert. Ungeachtet dessen, dass die Mittelschicht/UMC ohne adäquate, gut (was damals und heute fair meinte) bezahlte Stellen gar keine nötigen  Ressourcen mehr aufweist, um die anempfohlene prätentiöse unwahrscheinliche identitäre Individualität hervorzubringen, solchermaßen die zugrundeliegende gesellschaftliche Problematik  verschleiernd.
Letztlich haben die arrivierten Reflexivmodernen/Ex-68er den folgenden (Boomer &) XYZ-Generationen mit ihrer unsäglichen Identitätsforschung ordentlich den Allerwertesten eingeseift wie anschließend krass gepudert und wir stehen jetzt vor  diesem irreparablen Trümmerhaufen.

 Was für Foucault ein Charakteristikum der Moderne signifizierte, systematische Arbeitslager, Correctionhouses und eine Anpassungsmaschinerie, die mit Vorliebe die subalternen, anormalen Existenzen heimsucht um gerade ihnen die Last der bürgerlichen Norm zuzumuten, ist heute an der (klinischen Psychologie), Neuro and Behavioral Science, Kognitionspsychologie,  vor allem aber der Individualisierungstheorie und Identitätspsychologie der Reflxivmodernen zu beobachten. Individualisierung und angeblich selbstgewählte Identität werden einem im Mantel der bürgerlichen Freiheit verkauft, sind aber die entscheidenden Tools einer markt- und konsumorientierten, postpanoptischen zweiten Moderne. Die zudem ihren Warenfetisch über Identitätsfragen komplett der Subjektivität ihrer Mitglieder aufprägte und aktuell von der liquid Modernity konterkariert wird. Sie birgt neue Subjektivierungsstrategien, die noch nicht auslotbar.
Das bürgerliche Subjekt war in Foucaults Sicht Opfer und Täter zugleich, entweder man verinnerlicht(e) den Zwang zur bürgerlichen "Vernunft" d.h. zur Arbeit von alleine oder man/frau wurde in den totalen Institutionen (Schule, Heime, Gefängnis, Psychiatrie) massiv nachsozialisiert. Der Bürger beobachtete und unterwarf sich ständig reflexiv aufs neue, vermittels einer peniblen Trennung durch Status, Beruf, Einkommen auf Seiten der etablierten reflexiven Täter und der angeblich unreflektierten “Taugenichtse, Arbeitslosen”, Unterworfenen auf der anderen. Psychologen, Psychiater und Sozialarbeiter geraten unter seinem Blick zu Agenten des Alltags, die auf ihre Art das Social Security-Überwachungs-System des Westens bilden. Hinter jener Individualisierung, die Postmodernetheoretiker als neue Freiheit feiern, entlarvte Foucault die implementierten Machtdiskurse von mehr oder weniger verkleideten Identitätsstrategien, gegen die zu kämpfen sei, um dadurch erst zu einer befreiteren Subjektivität zu gelangen.
 Dem späten gouvernementalen Foucault wäre aus Sicht einer Neuen Kritischen Theorie vorzuwerfen, dass er nur an der Dynamik, Anatomie und Kapilarik von Machtkämpfen respektive Diskursen interessiert und kaum an der politischen Ökonomie, die diese Kämpfe erst rahmen oder kreieren. Kritik sah er reduziert eingebunden in ein postmodernes Machtspiel, aus These und Gegenthese, Kritik und Gegenkritik, das nichts desto Trotz den vollendeten Machtmechanismus der Postmoderne stellt ohne sie transzendieren zu können. Er verstand Kritik nur mehr als eine Lebensstrategie als „die Kunst nicht dermaßen regiert zu werden (...)"25Die verhaltene Formulierung „nicht dermaßen regiert zu werden" impliziert, dass er es für nahezu unmöglich hält, den äußeren wie inneren Normalisierungsagenten zu entkommen. Sein Fokus konnte deshalb minutiöser und genauer geraten. Was es konkret umgesetzt in den Alltag bedeutet, überließ er jedem Einzelnen. Es dürfte sich um ganz persönliche und vielleicht kollektive Verweigerungskunstformen in Beruf und Alltag handeln. Sie wären in dem seit der letzten Jahrtausendwende eingeführten gesamteuropäischen Workfareregimes26 auch wieder vonnöten. Grundsätzlich formulierte Foucault schon 1974 sein späteres Forschungsprogramm, welches gerade über seinen Tod hinaus äußerst spannungsreiche Erkenntnisse verspricht:
Ich versuche, die impliziten Systeme zu erfassen, die ohne unser Wissen unser alltägliches Verhalten bestimmen. Ich möchte ihren Ursprung finden, ihre Formierung aufzeigen sowie den Zwang, den sie auf uns ausüben. Und darum versuche ich mich von ihnen abzusetzen und zu zeigen, wie man ihnen entrinnen kann."27 Wobei es zum letzteren aus Zeitgründen kaum mehr kam, denn darin deutete sich ein großes Forschungsprogramm an, das er nur für die Epoche der Aufklärung einigermaßen ausführlich behandeln konnte. Fast möchte man meinen, dass er sein Todesjahr mit bedacht wählte: 1984. Nach dem berüchtigten Roman von George Orwell, in dem Telemedien als die vorrangigsten Überwachungsinstrumente schon eine enorme Rolle spielten. Ab 2013 haben es juristisch zur Fahndung ausgeschriebene, gesuchte Personen in Europa seit in Kraft treten des Schengener Informationssystem, SIS II,  nicht  mehr leicht.
Es handelt sich um die größte Fahndungsdatenbank der EU. Die Personen, die mit europäischen Haftbefehl gesucht werden, belaufen sich zur Zeit auf ca. 50000. Die Gesamtzahl der registrierten Personen beträgt ca 90 Millionen. Die Datenbank wird von den meisten Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedsländern intensiv genutzt. Zudem existiert das europäische Strafregister Ecris. Damit können Sicherheitsbehörden Informationen über Straftäter aus allen anderen Mitgliedsländern teils sekundenschnell auflisten. Der Prümer Vertrag ist auf den Massen/Austausch von Fingerabdrücken, Fahrzeugdaten und Erbgut- respektive  Genprofilen spezialisiert.
Aber das Internet steht dem kaum nach.  Heute ist an den Social Medias studierbar, dass  ihre User sich   zu atomisierten Minipanoptikums transformierten.   In der Summe jedoch ein globales Synoptikum ausbildend, in dem jede/r jede/n beobachtet, oder einige wenige obskure Figuren der Kulturindustrie, die oft nichts auszeichnet, "außer dass sie als solche bekannt sind".  Durch Shitstorms wechselt das Synoptikum gelegentlich in ein Banoptikum mit erheblichen psychosozialen und psychosomatischen Schäden respektive Symptomatiken für die Gebranntmarkten oder Gebannten. Es handelt sich um neue Formen einer digital liquid surveillance, die Social Media  und Telekommunikationskonzerne nie dagewesene Datenbasen, Big Datas verschafft.  Deren Handel  ein zusätzliches Geschäftsfeld eröffnet und sie zu sehr profitablen Konzernen florieren.
 In Gegenwart wie Zukunft wird es keinen Lebensbereich mehr geben, der nicht durch Big Data ausgewertet oder manipuliert ist. Big Data Firmen entwickeln kontinuierlich auf dem jeweiligen state of the art der digitalen Methoden basierende  Coachings und Ratgebermodule um sie professionell zu vermarkten. Vor allem der Beratungsbereich als auch die Politik  kann sich dem nicht mehr entziehen. Sowohl der Brexit wie auch Trumps Wahlerfolg 2016 beruhten maßgeblich auf neu entwickelter Big Data Psychometrie und der daraus resultierenden Psychografie der inzwischen insolventen Firma Cambridge Analytica.
 Die Psychografie wurde von dem Harvard Sozial/Persönlichkeits/Differentiellenpsychologen Gordon Allport (1897-1967) entscheidend geprägt. Sein OCEAN- Modell der Persönlichkeit wie das Know-how seiner wissenschaftlichen, statistischen Messbarkeit per differenzierter Skalierung waren neben der Vorurteilsforschung einer seiner Forschungsfelder. OCEAN steht für die Konzepte der positivistischen Erforschung der Openness, Conscientiousness, Extraversion, Agreeableness, Neuroticism. Die Big Five gelten heute noch als eines der Standardmodelle in der Persönlichkeits- und Differentiellenpsychologie. Sein Konzept  wiederum wurde in abermals hoch differenzierter, elaborierter Form  von CA digitalisiert, ausgefeilt angewendet als auch krass vermarktet. (Ähnliche Dienstleistungen werden nun nach der Auflösung von CA von anderen Firmen, teils mit dem gleichen Personal, angeboten.)
Heute werden aus nur 50 Like Buttons, die ein User auf verschiedenen Internetplattformen hinterlässt, umfängliche Psychografien erstellt. Sie werden in größeren Datafiles verschiedenen Interessenten zum Kauf angeboten.
Ein anderer amerikanischer Supernerd, der durch KI-Intelligenz zum Milliardär aufstieg, Robert Mercer, spielte eine weitere unheimliche Rolle. Denn er entwickelte die für den totalitären Digitalismus entscheidende  Forschungsrichtung des gezielten Dataminings, Data-Raffinierens und Data-Verwertens auf  Social Media Plattformen. Sie wurde unabdingbar für die politische Manipulation auf Social Media Plattformen.
Die beiden og. Forschungsrichtungen werden heute als Grundkomponenten der digitalen Massenüberwachung eingesetzt.
 Die öffentliche Empörung über ihre Dienstleistungen ließ CAs (Alexander Nix) Geschäftsmodell  zwar scheitern. Davor hatte sie aber ihr destruktives Manipulationspotenzial schon entfaltet. Eine andere Firma aus Israel, die mit CA kooperierte, mit dem Namen Team Jorge führte mit Tal Hanan in mehreren Ländern Wahlmanipulationen durch, je nach Finanzkraft und Wünschen der Auftraggeber. Es handelt sich bei diesen Cyberdatafirmen um eine  auf social medias und facebook spezialisierte, applizierte und vollends digitalisierte Profil-, Meinungs- und Einstellungsanalyse.   Sie jubelt durch gezieltes Targeting von Dark Posts ua. Facebookusern auf ihre Persönlichkeit und sogar auf ihre individuelle wie tagesaktuelle Befindlichkeit zugeschnittene Wahlwerbung unter. 27a.
2016 verließ sich Trump schon auf die KI von Cambridge Analytica. Während Hillary die Möglichkeiten der neuen Social Medias fahrlässigst verkannte. Unentschlossene Wähler bekamen Posts zu lesen, von denen Cambridge Analytica ob ihrer Facebookprofil-Analytik wusste, dass sie die Adressaten für Trump und gegen Hillary stimmen ließen. Diese Posts waren nur wenige Stunden am Tag in den Wochen vor der Wahl 2016 für ganz spezielle Zielgruppen zu lesen, die, gemessen an der gesamten Wählerschaft nur wenige Prozent ausmachen. Nämlich genau dann, wenn facebook wusste, dass ein bestimmter User  facebook nutzt, der den Wahlausschlag in Swingstates geben würden. Nach dem wochenlangen Pop up verschwanden die Posts wieder in Darkness. Sie könnten nur, wenn überhaupt, durch spezielle Research-Programme auf den Servern rekonstruiert werden. Je länger die Wahlen zurückliegen umso wahrscheinlicher werden sie für immer verschwinden. "Democracy dies in darkness."
Dark Posts auf facebook war die Geheimwaffe von Trump, Mercer respektive Cambridge Analytica für die Wahl 2016. Facebook unterstützte Trumps CA-Projekt mit umfänglicher Logistik plus anderweitigen Dienstleistungen, die nur Kunden erhalten, die Millionenbeträge bei facebook ausgeben.  Trump und seine Fans halten die Welt weiter in Atem nachdem er die Wahl 2024 gewann.

Trump möchte America great again machen. Er glaubt, wenn er die Zölle anhebt, würde dieser Effekt von alleine eintreten. Aber das Gegenteil wird der Fall sein. Um Amerika great again zu machen, müsste er sich und seine Wähler viel besser einschätzen können, als ihm das überhaupt möglich ist.  Denn es gibt einen Grund, warum Amerika von Importen lebt.  Abgesehen davon, dass Amerika großteils ein Hochlohnland ist, haben die amerikanischen Arbeiter/innen  dort keine oder eine schlechte Ausbildung. Höhere Bildung ist so teuer, dass sie sich nur 10% der Erwerbsfähigen überhaupt leisten kann. Die Mehrheit der Arbeiter/innen empfindet ihre Jobs als schwere Bürde, die sie lieber noch heute als morgen kündigen würden, falls sie eine Wahl hätten. Ihr Mindset, ihre Intelligenz, Flexibilität, Innovationsfähigkeit, Leistungsbereitschaft bewegt sich um einiges unter dem Niveau der Arbeiter/innen von China, Indien, Europa, Südamerika. All die Migrant/innen, die Amerika am laufen hielten, werden nun von Trump aber abgeschoben, eingesperrt oder verjagt. Er unterminiert praktisch die Bedingungen, die Amerika great again machen könnten. Spätestens 2026 werden die für Amerika schlimmen Folgen so stark zu Tage  treten, dass es für Trump selbst eng wird. Besonders falls Trumps 15 jährige Kumpelei mit Jeffrey Epstein in den 90ern durch die Epsteinfiles, die beim FBI liegen, veröffentlicht werden.

Die Social Media befeuerten seinen Wahlkampf, da sie nur in dem Fall die meiste Aufmerksamkeit (Tweets/Retweets) generieren, wenn möglichst polarisierte Meinungen aufeinander clashen. Putins Hacker trugen mit gezielter Desinformation zu einer Eskalation bei. Dabei verbindet Trump und Putin nicht nur ihr autoritärer Charakter wie ihre autoritäre Wählerschaft. Trump hat starke materielle Interessen, dass ihm Putin gewogen bleibt. Denn ca. 80 % seiner Immobilien sind mit den günstigen Krediten russischer Oligarchen  finanziert. Kredite, die auf dem Kreditmarkt zu derartigen Bedingungen nicht möglich wären.
 Trump erhielt auch Schützenhilfe vom Megakapital, dem reichsten Menschen der Welt, Elon Musk. Er kaufte  Twitter  um seine Standpunkte noch öffentlichkeitswirksamer posaunen zu können.  Doch die liberalen Twitteruser mit ihrer vehementen Kritik und die Börse ließen den Kurs der Aktie abstürzen. Musk sah sich gezwungen einen  finanziell wie öffentlich sich desaströs entwickelnden Deal abzublasen, trotz Regressforderung in Höhe von einer Milliarde USD. Zudem wäre Musk sehr wahrscheinlich gerichtlich dazu verdonnert worden Twitter für 44Mrd USD zu kaufen. Um dieser  Niederlage zu entgehen, entschloss sich Musk  Twitter  doch zu kaufen.  Vor dem Deal hielten Bürgerrechtler  Twitter neben Tik Tok  für die mächtigste Social Media Plattform der Massenkommunikation realiter aber Massenmanipulation. Nachdem Apple sein Antitracking implementierte und Facebooks Börsenwert daraufhin abstürzte. (Der Marktanteil von Iphones beträgt in den USA über 50%, in der angelsächsischen Sprachwelt ca 40%, in Europa ca 25% und in China ca 22%, dh. in drei zentralen Weltmärkten ist Apple trotz horrender Preise Marktführer.)  Die autonome Sperrung des Datatracking durch Apple ließ die meisten Social Media Plattformen stark an Wert und Einfluss verlieren auch Twitter/X, obwohl die Firma ein anderes Geschäftsmodell verfolgt. Musks Erratic und Rechtsextremismus hat  nicht nur die  Twitterbrand  beschädigt sondern auch Tesla.  Sein Managementchaos verursachte Entlassungen von über 80% der Mitarbeiter/innen, was fast zu einem digitalen Totalabsturz geführt hätte.  Jedoch hinterlässt so ein brutaler Umgang mit hoch qualifizieren Kolleg/innen seine Narben, was Motivation und Loyalität betrifft. Ein Schaden der nur schwer kompensiert werden kann. Außer Musk zieht sich als Twitterleader vollends zurück. Bisher hat er nur mit dem Gedanken gespielt und beiläufig behauptet sein Hund wäre CEO. Schön wärs, vermutlich hätte er es besser gemacht. Musk beklagt sich das X ein Verlustgeschäft ist. Er versteht nicht, dass die Social Medias sich großteils über Werbeeinnahmen finanzieren und keine Firma durch rechtsextreme Medienpropaganda ihr Geschäft ruinieren will.
 Da sich Musk  geraume Zeit hauptsächlich mit Twitter/X beschäftigte als auch mit rechtsextremer Propaganda, war Tesla nicht mehr Up to date, dh. andere Elektroauto-Hersteller haben Tesla  in Sachen HiTek überholt. Zudem wendeten sich viele progressive Käuferschichten international von Tesla ab, was sich massiv auf die Verkaufszahlen auswirkt. 
Musk metastasierte  vom gefeierten Wunderkind zum Biggest BadAss und rechtsradikalen Frankenstein unserer Zeit, der um diesen Status mit Trump konkurriert.
Unklar bleibt allerdings ob die Rückkehr Trumps ein Nebenprodukt oder das eigentliche Ziel von Musks Twitterdeal war. Nach einer nicht repräsentativen Twitterumfrage, die Trump knapp gewann, ist sein Profil wieder von Musk freigeschaltet worden. Obwohl sich beide  einmal beschimpften und Trump Musk einen Bullshit-Artist (Dummschwätzer) nannte, sind sie sich wieder einig was ihre Kapitalinteressen betrifft. Musk übernimmt  eine bedeutende Rolle in der Regierung von Trump. Noch behauptet Trump seine eigene Plattform Truth Social nutzen zu wollen. Da sie allerdings weiter stagniert, war darauf zu wetten, dass Trump  für den Wahlkampf 2024 auf Twitter wechselt, was er mit seinem Mugshot äußerst werbewirksam vollzog. Trump machte für seine Plattform Werbung, indem er ankündigte niemanden auszuschließen, der "unpopuläre Meinungen", gleich ihm, vertrete. Inzwischen hat Trump aber viele seiner User ausgeschlossen, die auf Truth Social über seine Wahlklaulüge posteten, soviel zu seinem Verständnis von Meinungsfreiheit. Letztlich konnte Harris dem twisted Clown-, Joker-  Austeritäts- und Antimigrations-Wahlkampf von Trump nichts ähnlich Unterhaltsames entgegensetzten. Die vollen imperialen Konsequenzen für Amerika und die Welt einer zweiten Trump-Amtszeit sind noch gar nicht richtig einzuschätzen.
Twitter ist unter der Mitgliedschaft von Trump schon einmal zu einem Medium für rechte Verschwörungstheorien, Hatespeech, Rassismus und  massiver Desinformation verkommen. Seit Musk Twitter übernahm, hat er nicht nur das diverse Führungsteam entlassen, das diese Tendenzen eindämmte, sondern die Zunahme der Verschwörungstheorien, Meinungsmanipulationen, Bullshit (Harry G. Frankfurt) und Hatespeech ist wieder bedenklich angeschwollen. Das Rebranden von Twitter in X (X oder XXL war meist das Branding von Porno/Web/Seiten) wird diesen Trend noch verstärken. #Metoo und #BlackLivesMatter hätten  sich ohne Twitter nicht so rasant verbreiten können. Musk führt aber inzwischen einen reaktionären Kulturkampf gegen Wokeness.  Das Rebranding von  Twitter in X war ein schwarzes Omen und kippte das Meinungsklima der USA weiter extremistisch. Spätestens als Musk jedoch offen den Hitlergruß zeigte und für die AfD warb, ist gewiss, dass er auch Europa ins Visier nimmt. Dabei ist ihm egal, dass  Tesla und X starke Verluste einfahren. Er versteht nicht das Rechtsextremismus immer auch ein enorm selbstdestruktives Suchtverhalten ist.  Da ihn nicht stört, dass die Hälfte seiner Firmen wegen Kundenschwunds vermutlich mit hohem Verlust verkauft werden müssen, oder evtl. gänzlich vom Markt verschwinden. Es kristallisierte sich  in letzter Zeit heraus, dass je reaktionärer X wurde, umso mehr liberale, einflussreiche Influencer/Performer/Actors/User  kehrten der Plattform den Rücken. In letzter Zeit wird jedoch deutlich, dass Trump und vor allem Musk via X einen grenzenlosen Einfluss auf alle nationalen Wahlen der westlichen Welt ausüben wollen, um sie rechtsradikal zu drehen. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Social Media Plattformen nicht privatrechtlich organisiert sein dürfen. Sie müssten als öffentlich rechtliche Institutionen in Gemeineigentum überführt werden, die entsprechend reguliert werden
Es ist offensichtlich, dass Musks Gehirn wie ein Computer denkt. Es kann deshalb nicht die Dialektik der Digitalisierung erfassen. Genausowenig kann es die Ergebnisse kritischer Geschichts- als auch Gesellschaftswissenschaften verarbeiten. Da sie ihn in den Abgrund blicken lassen, den er unermüdlich weiter aufreisst.
Man sollte sich jedoch keine Illusionen über das Manipulationspotenzial von Social Media Plattformen machen. Schon Huxley schrieb: „Die Menschen werden ihre Unterdrückung lieben und die Technologien verehren, die ihre Fähigkeit zu denken rückgängig machen".
 Die permanente Nutzung von social Media erzeugt die Illusion der persönlichen Einflussnahme, während die User schon vollends beeinflusst wurden.  Das höchst Manipulative von Social Mediaplattformen kann Demokratie in Diktatur verwandeln. Nicht zuletzt aufgrund der Demokratiebedrohung durch die Digitalgiganten, Meta/facebook/Threads, Amazon, Google, Microsoft, Tik Tok, Musk X, Apple haben sich speziell in den USA aber auch in Europa verschiedene politische Initiativen formiert, die eine Zerschlagung der Tekkhybride und ihrer Monopole unter dem Label  Break Up Big Tech fordern. Äusserst spannend wird zu verfolgen sein, welche Interessen sich durchsetzen werden. (Siehe auch die enormen Vertragsstrafen der EU gegen die Tekkmonster, die ihre Tekkmonopole wie ihre auf ihnen basierende Finanzmacht bisher nicht brechen konnten. )
 Die rasante KI-Methodik arbeitet  an Verfahren, die sie mit Kunstprozessen kombiniert, um nur anhand von Fotos oder Selfies die Wahlpräferenz des Fotografierten zu errechnen. Der hohe Treffermatch verblüffte selbst die Probanden, angeblich bis zu 80%. Im Internet ist sie unter smiletovote.com abrufbar. Dabei ist unbedingt die Meinung der Softwarenerds zu beachten, dass sie nicht mehr wissen, was die Algorithmen nach dem Scan mit den Bildern veranstalten. Die Kombinationsmöglichkeiten der KI-Algorithmen sind selbst von Computern nicht mehr detailliert entschlüßelbar bzw. nachvollziehbar. Hinter dieser sich offenbar seltsam gerierenden Algorithmik der "Mustererkennung", die,  man höre und staune, nicht mehr wissenschaftlich nachvollziehbar ist, deutet sich ein ernsthaftes Problem an, das an dem traditionellen positivistischen Wissenschaftsverständnis rüttelt. Eine Frage wird unweigerlich die Wissenschaftstheorie beschäftigen, nämlich wie der hybride Digitalismus verändert, was bisher auf den Standards der Aufklärung als auch der Nachvollziehbarkeit basierte? Denn das Wissenschaftsmodell der Aufklärung wird vermutlich  einer multimodalen, intransparenten Hyperkomplexität weichen. Einer Hyperkomplexität die sich vollends verselbstständigt hat und die niemand mehr kontrollieren kann.  Die Frage, die sich daraus ergibt, lautet, ob man den KI-Digitalismus folglich überhaupt noch wissenschaftlich nennen kann ? Auch die Erkenntnistheorie wird von dieser Problematik vor neue Herausforderungen gestellt.  Hier generieren sich Fragen über Fragen...
 Aktuelle medizinisch, forensische KI-Software diagnostiziert allein vom Gesichtsausdruck, Emotion, Sprachduktus und Sprachmodulation, ob die Aufgenommenen an den verschiedenen Formen einer klinischen Depression, PTSD, (PTBS), oder Schizophrenie leiden. Wenn man bedenkt, dass   in Europa, Nordamerika und Asien inzwischen  fast alle öffentlichen Plätze mittels Kameras überwacht werden, und die meisten Smartphones, Tablets, Laptops und mobile Devices mit Face-ID funktionieren,  wird  die Überwachungsdimension der Zusatzinformationen, die mit den verschiedensten KI- Programmen auswertbar sind, erahnbar.
Einige Theoretiker sprechen bereits von einem totalitären Digitalismus, den die rasante KI-Entwicklung hervorbringt. Die krasseste Alpversion des totalitären Digitalismus, dürfte inzwischen China repräsentieren. Dort gibt es dieses berüchtigte Social Credit System, das  massive Auswirkungen auf den Einzelnen zeitigt. Auf dem Arte Sender wurde  sehenswerte Dokumentationen über dieses Phänomen von Tonje Hessen, I-Human und von Jialing Zhang, Total Trust (2024) ausgestrahlt. Bei einem zu negativen Social Score stehen folgende Konsequenzen an:

Karrieren bei staatlichen und staatsnahen Organisationen werden verhindert.  Reisebeschränkungen treten in Kraft. Wer einen gerade noch ausreichenden Score aufweist, kann zwar Zug fahren, er wird aber per Lautsprecher aufgefordert, auch während stundenlanger Fahrten, keinen Sitzplatz zu beanspruchen. Bei ziemlich schlechten Scores, die inzwischen mehrere Millionen Chinesen betreffen, werden Zug- oder Flugzeugtickets verweigert. Anfang 2019 berichteten Medien, dass die chinesische Regierung im Jahr 2018 auf Basis von Daten aus dem Projekt Goldener Schild, den Kauf von 17,5 Millionen Flugtickets und 5,5 Millionen Zugtickets Personen verwehrten, weil man den Reisenden verschiedene kleinere Delikte ankreidete und sie deshalb einen zu geringen Score aufwiesen.
Nur wer einen ausreichend guten Score erreicht, erhält die Berechtigung für ein Auslandsvisa. Ebenso ist die Vergabe von Krediten davon abhängig.
In Shopping Malls werden die Gesichter von Personen auf Großbildschirmen proijeziert, die äußerst niedrige Scores aufweisen oder eine Vorstrafe. Die Diskriminierten müssen immer damit rechnen, dass beim Betreten einer Mall nicht nur während der Nutzung ihres Handys, sondern allein dadurch, dass sie von Überwachungskameras per Face-ID erfasst werden, ihre Bilder auf Großbildschirmen erscheinen, die ansonsten für Werbezwecke fungieren.
Die anderen Shopper und Geschäftsbetreiber sollen angeblich derart vor der  "Unkorrektheit" der Low-Scorer gewarnt werden. Die meisten Betroffenen sagen, dass sie solchermaßen abgehalten werden Shopping Malls und kommerzielle Zentren zu frequentieren.
Eine weitere Schikane betrifft die Drosselung der Internetgeschwindigkeit, wie die  Berechnung höhere Steuern und den 
Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen. In I-Human wurde sogar kolportiert, dass Personen mit zu niedrigem Score vom Staat aufgefordert werden Großstädte zu verlassen und in die Provinz oder Vorstadt zu ziehen. Bekannte oder Verwandte, die Personen mit niedrigem Score auf ihrem Handy anrufen, bekommen zuerst eine behördliche Ansage, dass sie den Angerufenen doch möglichst positiv unterstützen sollten, wieder auf die "richtige Bahn" zu kommen, um einen höheren Score zu erreichen.
Folgende Aktivitäten ziehen einen relativ hohen negativen Score nach sich. Rot über die Ampel gehen. "Gerüchte" oder Kritik online oder an Staatsinstitutionen verbreiten. Kritik an der KP bedeutet meist ein langes Verschwinden in Straflagern ohne dass Angehörige wissen, wo sich die verschwundene Person aufhält. Eine Petition an den Staat einreichen oder  unterschreiben. Teilnahme an Demonstrationen. Extravagante Hochzeiten oder Beerdigungen organisieren respektive daran teilnehmen.
Es ist ganz offensichtlich, dass in China die soziale Isolation und sogar der soziale Tod als wirkmächtige Drohkulisse des digitalen Totalitarismus als auch der Regierung fungieren.
China praktizierte zudem die strengste Covid-Überwachung, die ganze Stadtviertel und Städte Wochen oder Monate in Isolations-Lockdowns ohne ausreichende Nahrung, dafür mit zum Teil täglichen Tests sendete. Kinder wurden von ihren Eltern getrennt und die Digitalüberwachung war und ist lückenlos. Mittels Big Data wird berechnet, wie zuverlässig jeder einzelne chinesische Bürger für den Staat ist.
 Chinas KP stellt/e die digitale Total-Überwachung über die Entwicklung der Weltwirtschaft als auch über die des eigenen Landes. Heute kann man beobachten, dass der Kontrollwahn der KP großen Anteil daran hat, dass Chinas Wachstumsdynamik ins Stocken gerät als auch viele innovative Startups verhindert. Sie wird vermutlich über die Stagnation hinaus zu einer Regression führen, mit erheblichen Konsequenzen für die Bevölkerung.

Der Westen setzt seine Überwachung weniger öffentlichkeitswirksam um, dh. jedoch nicht, dass sie weniger effektiv ist. Seit 9/11 wurde in den Section 215 Richtlinien des amerikanischen Kongresses festgelegt, dass das massenhafte Sammeln von Telefonie-Metadaten erlaubt wird. Harcourt listet in seinem Buch "Gegenrevolution, der Kampf der Regierungen gegen die eigenen Bürger" (2019), die vielfältigen Methoden der NSA auf, die eine Massenüberwachung gewährleisten. Es ist davon auszugehen, dass alle (westlichen und östlichen) Geheimdienste folgende Techniken nutzen. Die Orwellsche Massensammlung als auch- analyse besteht aus  Software, die so schillernde Namen wie BOUNDLESS, BULLRUN, INFORMANT, MYSTIC, PEGASUS, PREDATOR, PRISM, UPSTREAM ziert. Die PRISM Software erlaubte der NSA Zugriff auf alle Server von Google, Facebook, Microsoft, Yahoo, Paltalk,YouTube, Skype, AOL, Apple und einigen anderen Digitalfirmen.
In Kombination mit anderen Programmen wie XKeyscore kann die  NSA die Nutzeraktivitäten, Webmails, E-Mail-Kontakte, nicht nur jeder beliebigen Person fokussieren wie analysieren, sondern gezielt Gruppen und Vereinigungen, die sie nach Belieben bestimmt. Meistens sind sie mit einem ethnischen, religiösen oder identitären Bias ausgewählt.
Neue Produkte der KI Software haben Stimmungs- und Emotionsscanner entwickelt. So wird Microsoft Zoom bald ein Feature vorstellen und verkaufen, das Bürgerrechtler sämtliche Haare zu Berge stehen lässt. Emotions-Scanner können per Videotelefonie-Tools Gesichtsausdruck, Körpersprache und Stimmung beobachten wie auswerten. Sie greift dabei auf Schemata aus der psychologischen Emotionsforschung zurück. Schon seit den 90er Jahren haben verschiedene Forschungsinstitute ca 44 Gesichtsausdrücke identifiziert, die sich relativ eindeutigen Emotionen zuordnen ließen. Darauf haben sie verschiedene Mischemotionen extrahiert, so dass die KI meint, dass mit diesen Tools alle menschlichen Emotionen ablesbar respektive gescannt werden können.
 Das setzt für alle Meetings jeglicher Art enorme ungeahnte entfesselte Orwellsche Überwachungsdimensionen frei. Die Emotionsscans sollen nicht nur messen wie interessiert und vigilant Mitarbeiter/innen in Meetings sind, sondern auch ihr emotionales Engagement und ihre Stimmung bei allen möglichen Jobs. Und hier setzt die Kritik ein. Denn es ist fraglich ob die KI die gezeigte Emotion auch richtig interpretiert. Abgesehen von Auswertungsbias ist das ganze Projekt enorm unethisch. Auch lassen sich nicht alle Gesichtsausdrücke einheitlich respektive nach Schema deuten. Verschiedene Ethnien können nicht nach einem universellen Emotionsscan beurteilt werden. Die KI wird ähnliche Bias aufweisen, wie sie schon bei anderen Face-ID Scans vorliegen. Drittens hat die Emotions-KI kein Verständnis für monotone, durchschnittliche, langweilige Routinejobs. David Graeber nannte sie  Bullshitjobs (Klett-Cotta 2022), die ca. 80% aller Jobs ausmachen. Darin ist die Leitungsfunktion von Bullshitjobs schon inkludiert. Graeber hat ein wirklich treffendes Cover für die deutsche Ausgabe gewählt. Nämlich ein Kreuz aus Bleistiften, welches diese Jobs sofort mit der ungeheuerlichen Foltertechnik der Antike assoziiert. Das Kreuz vermittelt genau das Gefühl, das die Menschen empfinden, denen die Gesellschaft nur Bullshitjobs zum Überleben anbietet und die keinen Ausweg aus dieser Ausweglosigkeit finden. Sie können diese Jobs nur mit einer großen emotionalen Rollendistanz  in Form eines Defaultmodus des Gehirns verrichten, gerade deshalb strengen sie jedoch an. Denn die Arbeiter/innen werden gezwungen diesen mechanischen Abschaltmodus bis auf wenige Ausnahmen 8 Stunden oder länger pro Tag durchzuhalten. Emotions-Scans würden hier dazu führen, dass die Angestellten ein emotionales Commitment vortäuschen, das  noch schneller ins Burn-out und/oder zu einer große Kündigungswelle führen wird. Denn von niemanden kann verlangt werden, dass sie ihre Gefühle während der Arbeit permanent  verleugnen. Ganz abgesehen von den gesundheitlichen, psychosomatischen Schäden, die solche Scans und Jobs bewirken.
 Dennoch wird der Emotionsscan demnächst verschärft eingesetzt und verkauft werden Schon jetzt findet man  IQ Tools bei Microsoft, die berechnen ob man bei Gesprächen zu wenig Geduld aufbrachte, zu viele unnötige Füllwörter oder zu viele Folien verwendete. Sie gibt Verkäufer/innen Ratschläge wie sie ihre Verkaufsgespräche optimieren können. Es wird nicht lange dauern, dann könnten die Resultate von Emotionsscans bei Gehaltsverhandlungen und Beförderungen eine große Rolle spielen. Es wird Arbeitsverträge geben bei denen darum gestritten/gekämpft wird ob Emotionsscans überhaupt verwendet werden dürfen. Die EU hat inzwischen ein Gesetz verabschiedet, das den Einsatz solcher Emotionsscanner verbietet.
Foucault war schon in den 70er Jahren auf der richtigen Spur, als er formulierte, dass  die impliziten Systeme des Westens für ihn von höchstem Interesse  seien. Noch interessanter stellt sich dar, und allein der Prozess ihrer Verallgemeinerung bedarf einer eigenen Forschungsarbeit, dass sie sich gar nicht mehr so implizit formieren. Inzwischen wurden sie, tatsächlich nur wenige Jahre nach seinem Tod (1984), in der Postmoderne massiv, offensiv "wissenschaftlich" entwickelt. Deshalb wenden wir uns den reflexivmodernen Forschungsverbund zu, der vorgab nach "Identität" zu forschen, um seine Formierung, d.h. den gar nicht so zwanglosen Zwang, den er auf uns, seine Student/innen ausübt/e, aufzuzeigen, zu fokussieren und zu erforschen.


Intro
Die Reflexivmodernen befürchteten ihre "Körper würden sich im Wind in Asche auflösen, wenn sie den Fuß auf Gebiete jenseits ihrer baufälligen Luftschlösser zu setzen wagen. Wie Gefangene welk(t)en sie im verblassenden reflexiven Licht ihrer theoretischen Kandelaber. Manchmal wenn ich eiligen Schritts an diesen verrosteten Gittertoren vorüberging, meinte ich, durch die verschlossenen Fensterläden misstrauische Blicke zu spüren," die freilich auf Gegenseitigkeit beruhten. (Carlos Ruiz Zafon, Marina)
Walter Benjamin faszinierte ein Text des Historikers Andre Monglond derart, dass er ihn in sein Passagenwerk aufnahm: "Will man die Geschichte als einen Text betrachten, dann gilt von ihr, was ein neuerer Autor vom literarischen sagt: die Vergangenheit habe in ihnen Bilder niedergelegt, die man mit denen vergleichen könne, die von einer lichtempfindlichen Platte festgehalten werden. Nur die Zukunft hat Entwickler zur Verfügung, die stark genug sind, um das Bild mit allen Details zum Vorschein kommen zu lassen."



Die Individualisierer respektive Atomisierer bzw. Individualatomisierer der reflexiv-regressiven Post/Moderne



Die Reflexivmodernen intendierten die neuesten Modernisierungsprozesse und die Nebenwirkungen ihrer Nebenwirkungen nicht nur zu beobachten. Nein, sie gaben vor eine gewisse reflexive Selbstverständigung über diese Prozesse und Folgen herzustellen. Was unausgesprochen das inzwischen veraltete Modernisierungsversprechen beinhaltete, sie evtl. sogar steuern zu können. Es sei nun mehr kritisch als reflexiv nach den “Nebenwirkungen“ ihrer eigenen Theoriekonstruktion gefragt, die zu deren Hauptwirkung avancierte.
Für viele Rezipienten und Beck selbst, möchte man meinen, stand die Risikotheorie der Hightekkgesellschaft im Mittelpunkt, wie später in der Weltrisikogesellschaft28, worin er tatsächlich wähnte zu einer Neuen Kritischen Theorie übergehen zu können. Wer jedoch die Risikogesellschaft aufmerksam liest, kann nachvollziehen, dass er nicht nur das Forschungsprogramm einer angeblich voranschreitenden reflexiven Modernisierung ausbreitete. Um dies auszuführen war die Individualisierungstheorie vorgeschaltet, die de facto den größten Raum einnahm. Unter dem vermeintlich kritischen Titel, zur Individualisierung sozialer Ungleichheit, führte er hauptsächlich aus, dass die Modernisierungsprozesse die Individuen quasi wie von selbst individualisieren, auch wenn sie an den Institutionen scheitern. Weil er scheinbar neutral beobachtete, führte er den affirmativen Beweis, dass die Institutionalisierung und Standardisierung von Lebenslagen/ Biografiemustern durch individuelle schulische, akademische, generell evaluative Leistungsbemessung uns alle individualisiert und wir keinen Einfluss, geschweige denn Ausweg, aus dieser systemisch hermetisch geschlossenen gesellschaftlichen Dynamik finden. Zum anderen aber weil er uns im selben Kapitel auffordert, innerhalb dieser systemischen Hermetik zu unserem „eignen Planungsbüro“29 (sic!) zu werden. Wie soll man/frau aber innerhalb einer Hermetik, die systemisch individualisiert, ohne individuellen Handlungsspielräume, trotzdem individuell steuernd eingreifen ? Ein Widerspruch der letztlich wieder nur das Individuum als Handlungsinstanz auszumachen vermag. Da sie diesen und andere gravierende Widersprüche eben nicht, ihrem Forschungsverbund gemäß, reflexiv fokussierten, geriet er unfreiwillig noch größer. Heute nach einem größeren Abstand ist festzustellen, dass er mehr durch die Individualisierungstheorie und ihre Widersprüche hindurch, als durch die  Risikotheorie30 der Hightechsociety, das bis dahin kritische Denken seiner und von nachfolgenden Generationen heftig manipulierte, dh. affirmativ umbog. Gerade seine frühe 68er Generation praktizierte neben der Künstlerkritik vor allem ein sozialkritisches Denken, welches einen allgemeinen Egalitarismus- in breiten Teilen gar die kommunistische Hypothese31 favorisierte. Durch steigende Realeinkommen ermutigt, vermittels ihres eigenen Etablierungsgrades, kam nun Mitte der 80er Jahre Beck und führte mehrere Jahrzehnte den soziologischen Individualisierungsnachweis, der alles kommunitäre Denken unter sich begrub. Gleichzeitig outeten er und die seinen, Reflexivmodernen, sich damit für das Sujet als zu naiv, weil sie weiterhin von einer relativ schönen neuen Individualisierung ausgingen. Wegen ihres sozialisationsbedingten gläubigen, jedoch realitätsfernen Optimismus können sowohl Beck als auch Keupp eine ganz simple Schlussfolgerung, die sich extrapoliert aus der paradoxalen Individualisierungstheorie ergibt, nicht nachvollziehen. Nämlich, dass der Mensch... in der Postmoderne mit ihrer scheinhaften Pluralität, letztlich von oligarchischen Rackets beherrscht, die ihn vermittels des individualisierenden Systems nicht nur gesellschaftlich auf ein Atom reduzieren, sondern wie Genazino unlängst formulierte:„.. auf innerliche Weise allein ist...”.32 Da sie diese doch schlichte Tatsache gerne verdrängen, verstärkt die Indivdualisierungstheorie, die, ob ihrer naiven Positivität  schon gefährlich genug, die Einsamkeit (unbewusst). Übrigens nicht der einzige Grund warum die Reflexivmodernen am treffendsten als die Naivmodernen zu bezeichnen wären. Zudem mauserte sie sich durch den anderen protestantischen (Zauber?)Lehrling, der jede/n fröhlich unbedarft innerhalb des gemeindepsychologischen Forschungskomplexes nach ihrer/seiner Identität fragt/e, zu der sozialpsychologischen Hochrisikotechnologie des Westens schlechthin. Diese Naivität, gepaart mit der Identitätsfragerei, fügt/e der schon bestehenden Individualisierungsmechanik die Atomisierungspotenz hinzu. Denn sobald die Identitätsfrage gestellt wird, ruft sie nicht nur die gouvernementalen Geister, die ebenso subtil wie brutal den postmodernen atomisierenden Herrschafts- und Machtkomplex konstituieren, indem sie eine extrem forcierte identitäre “Individualität“ im schon real existierenden Individuum zu konstruieren vorgibt. Negativ dialektisch betrachtet aber figuriert sie als das Epitome der Entfremdung, das mittels Fragedruck produziert wird. Besonders weil er zwanghaft eine Differenz (in der Differenz, in der Differenz....) in der ohnehin schon ontischen konstruiert, ist er darauf programmiert durch die scharfe Trennung der Individuen eine Versingelung zu forcieren, die auch eine gesellschaftliche Solidarität, eine City community oder Kommune atomistisch zerstört.
 Die Partner- und Singlebörsen sind Ausdruck dessen. Interessanterweise macht sich die Mehrheit der User über die Autofillfunktion der Identityresarch der jeweiligen Börse ziemlich lustig. Sie werden aufgefordert ganz individuelle unverwechselbare "Identitätsprofile" anzugeben. Viele Frauen und Männer geben jedoch an, dass sie von ihren Freund/inn/en oft ganz anders erlebt und gesehen werden und solch eine Funktion ziemlich dämlich finden. Auf etlichen Börsen findet sich ein vielsagender Witz aus dem englischen Humorarsenal. Er erhellt schlaglichtartig die Funktionsweise der Identity research respektive der Identitätsfragerei aufs Indviduum bezogen:
Nobody can be exactly like me. Even I have troubel doing it.
 Der Witz, ohne seine Beziehung zum Unbewussten zu stark zu strapazieren, kann nicht verhehlen, dass die Identitätsfragerei das Individuum zu etwas macht, auf etwas festlegt, was es selbst nicht ist, evtl. nie sein wollte und es seiner Geschmeidigkeit beraubt.
 Jenseits allen Witzes handelt es sich bei der Identitätsforscherei nicht nur um eine sehr ernste, den Westen definierende Angelegenheit. Nein, die reflexive Identitätsforschung entpuppt sich tatsächlich als die sozialpsychologische Hochrisikotechnologie des Westens, die für eine solidarische menschliche Gesellschaft wohl ähnlich verheerend wirkt, als das was Beck als die ökologische Bedrohung schlechthin zeichnet, den realen atomaren Super-Gau. Sie bereiteten als protestantische (Zauber)Lehrlinge, (als unbeabsichtigte Nebenfolge ?), einer nie bekannten Form des Individualismus', respektive seiner nie geahnten Radikalisierung den Weg, „der sich am Ende sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen das Individuum wendet “. 33  (Ehrenberg) 
Wobei der Individualismus gemessen an seinem Begriff eher in der Upper Class anzutreffen ist, ansonsten dürfte die Art, wie er sich gegen das Individuum wendet, in einer Beobachtung Zizeks aufscheinen: 
"It is the ultimative irony of history that radical indivdualism serves as the ideological justification of the unconstrained power of what the large majority of individuals experience  as a vast anonymous power, which, without any democratic public control, regulates their lives." (Zizek, Demanding the Impossible, 2013)
Auch handelt es sich bei der reflexiven Identitätsforschung um einen marktvermittelten Zugriff auf das Individuum, wie es selbst dazu aufgerufen auf oberflächlich bzw. qualitativ differenzierte Produkte zuzugreifen, der es eben nicht zu sich selbst bringt, im Gegenteil. Vielmehr sollte man fragen, was die so Befragten, Zugerichteten, noch miteinander teilen, außer einer enormen Distanz, der gesellschaftlichen universellen bürgerlichen Kälte. Innerhalb einer wirklichen Neuen Kritischen Theorie, also nicht der, die Beck unter diesem Label verkauft, kann man beobachten, dass die beiden Zauberlehrlinge mit ihren willigen Identitätsforschungshelfern uns alle in "Isolationshaft" nahmen, die sich zum Zwangsjackett der Atomisierung auswuchs, aus der wir heute verzweifelt versuchen (müssten) wieder herauszukommen.

Eine Nebenfolge die zur Hauptfolge der Indivdualisierungstheorie und der Identitätsforschung der Reflexivmodernen mutierte, lief darauf hinaus, dass niemand sonst das Bewusstsein nicht nur der späten 68er und grünen Generation so nachhaltig Richtung Individualisierung lenkte als diese größten Demiurgen der zeitgenössischen neoliberalen Anpassungssoziologie/-sozialpsychologie. Besonders als Beck nur wenig später  die Soziologie der Klassen und der Arbeit als Zombie-Kategorien denunzierte, die nichts mehr erklärten. Inzwischen sind, weil nicht zuletzt die vermeintlich individualisierte Mittelschicht von Finanzkrise und Absturz bedroht, ce la vie, la meme chose, sämtliche Kategorien der reflexiven Modernisierung ihrerseits ins Zombiestadium getrudelt. Zum einen weil die “individualisierte“ Mittelschicht keinerlei Vorteil mehr darin erblickt sich als individualisiert zu begreifen. Zum anderen weil die Nebenfolgen der Individualisierungszurichtung, Einsamkeit, Atomisierung, Zersplitterung, sie Zombies ähnlich empfinden lässt. Zudem übertrifft der Schmerz und Horror, den ein an Kritischer Theorie geschulter Leser, aufgrund der Schrägheit der theoretischen Konstruktionen des “Soziologen“ Ulrich Beck erfährt, jeden Zombiemovie. Denn systemische Individualisierung ist für Beck ein höchstens ambivalenter aber nicht grundsätzlich zu kritisierender Prozess, den er durch Keupps reflexive Identitätsforschung noch einmal affirmierend betonieren ließ. Beck analysiert ziemlich nebulös hauptsächlich auf der Institutionenebene, die mit ihren standardisierten Lebenslagen differente Lebensläufe,  per se also Individualisierung hervorbringe. Wer aber von sich behauptet eine Neue Kritische Theorie zu avisieren, kann gar nicht umhin das komplexe dialektische Vermittlungsverhältnis zwischen  Gesellschaft und Individuum, das Adorno Horkheimer  in der Kritischen Theorie permanent thematisieren, genauest zu studieren. Bisher hat noch keine Sozialwissenschaft, weder davor noch danach, dieses Verhältnis auch nur annähernd so prägnant, anspruchsvoll dialektisch beschrieben. Wenn die Naivreflexiven meinen es durch Individualisierung und Identität ziemlich eindimensional fassen zu können, befinden sie sich  auf dem Holzweg der bürgerlichen Ideologie.
Adornos Analysen setzten an der ökonomischen Produktionsbasis an. Ihr inhäriere ein Zwangsarbeitsprozess, der den einzelnen Arbeiter vermittels der Arbeitsteilung schon negativ individualisiere, im Sinne von einer entfremdenden, nicht wenige Interpreten meinen schon gnostischen, Atomisierung. Die Arbeitsteilung wurde ob eines effektiveren Produktionsprozesses zwecks Profitmaximierung installiert um für einen anonymen globalen Markt möglichst günstig produzieren zu können. Schon jedes Individuum in einer antagonistischen Klassengesellschaft versucht im arbeitsteiligen Prozess, soweit möglich, für sich die günstigsten Bedingungen herauszuschlagen, was einer weiteren Individualatomisierung Vorschub leistet. Auf dem Markt treten sich spezialisierte Käufer und Verkäufer von Produkten gegenüber. Auf dem Arbeitsmarkt Arbeitskräfte, die von Kapitaleignern respektive deren Firmenmanagern mit Kapitalausstattungen von komplett anderen Sternen, d.h. Klassen zeugen. Sie sind in der Postmoderne einer verstärkten autopoietischen Anpassung an eine corporate Identity unterworfen, die ihnen eine eindringliche Anpassungsleistung an Firmenphilosophien abverlangt. Sie bewirkt eine Kastration des eigenen Empfindens, oder das Ausbilden eines “falschen Selbst“ (Winnicot), der Charaktermaske oder schlimmsten Falls des Charakterpanzers, was eine weitere verkehrte, abjektive Individualisierung bedingt. Diese sind Wirkung eines Marktes, der von möglichst reibungslosen Tauschprozessen zehrt, die von Logos and Identityproducts beherrscht werden, die ihre jeweiligen Anpassungsimperative fordern. „Und dieses System ist Adorno zufolge in sich bestimmt als das Ineinandergreifen einer strukturell notwendigen und insofern objektiv gesetzmäßig verlaufenden Expansion des Tauschverhältnisses und einer damit korrespondierenden politischen- institutionellen Zwangsindividualisierung der Individuen in der verwalteten Welt."34 Sie bringe Entfremdung, Ausbeutung und anonymisierendes wie atomisierendes Leid mit sich und kann nicht einfach neutral oder gar affirmativ gleich Beck beschrieben werden. Adorno/Horkheimer sprachen  sogar noch skeptischer, kritischer von einer Art genormten, standardisierten "Pseudoindividualität". „Das mit dem fordistischen Interventionstaat erreichte Niveau der sozialen und institutionellen Differenzierung der kapitalistischen Gesellschaft und die damit einhergehenden Gestalten der Individualisierung begreift Adorno als Totalität. In deren Begriff liegt die beständig fortdauernde Dynamik der Expansion gesellschaftlicher Verkehrungslogik, oder: totale Vergesellschaftung”35. Die heute im Gewand einer hybriden, zombiegen Pseudo-Individualisierung daherkommt. Diese sitzt aktuell enormen ökonomischen Deregulierungen auf, wodurch vermittels einer sich selbst rückkoppelnden Schleife verstärkt Atomisierungsprozesse greifen, die die Reflexivmodernen mitbeförderten und zugleich positiv zu verkaufen versuchen.
Hier gilt es die Rezeptionsgeschichte von Robert Castel (1933-2013) differenzierter zu betrachten. Castel ist in den Sozialwissenschaften in Deutschland Anfang der 80er Jahre bekannt geworden, weil er zwei wichtige Bücher veröffentlichte. Nämlich die Psychiatrische Ordnung und die Psychiatrisierung des Alltags (Produktion und Vermarktung von Psychowaren in den USA). Sie prolongieren eine an Foucault angelehnte Perspektive der Überwachung. Als Student, Absolvent und jahrzehnter langer Beobachter der Münchner Sozialwissenschaften sind diese Bücher von einer Vielzahl nicht nur kritischer Student/innen breit rezipiert worden und man kann davon ausgehen, dass dies auch in anderen Städten der Fall war. Mit dem Spätwerk von Robert Castel verhält es sich allerdings anders. Es gibt von Castel, der Direktor einer französischen Elite Bildungsinstitution war, nur ein auf Französisch erschienenes Buch, das ein Gespräch mit Claudine Haroche einer Forschungsdirektorin wiedergibt. Mit dem Titel Propriete privee, propriete social, propriete de soi und dem Untertitel Entretiens sur la construction de l’individu moderne. Darin differenzieren sie die im Titel genannten Eigentumsbegriffe aus und was diese mit der Entstehung des Individuums der Moderne zu tun haben. Von Castel sind in Deutschland ua. vom Hamburger Institut für Sozialforschung im Zuge der Hartz 4 Gesetzgebungen noch einige Bücher erschienen in denen er sich mit der Krise und Deregulierung der Arbeit, der Metamorphosen der sozialen Frage und der Lohnarbeit, den Umbau der Sozialsysteme, dem Abbau des Wohlfahrtsstaates, dem hypermodernen Individuum und last but not least den Zusammenhang von Individualisierung und Entkollektivierung der Gesellschaft auseinandersetzt. Es sind gerade diese Bücher die sozialpolitischen Sprengstoff bargen. Sie wurden auf deutschen Universitäten und Akademien kaum rezipiert sondern verschwiegen. Auch wurden sie zB. nicht in den Münchner und reflexivmodernen Sozialwissenschaften verhandelt. Denn sie werfen einen ziemlich kritischen Blick auf die Becksche Individualisierung und die daraus sich ergebende Entkollektivierung als auch Entsolidarisierung der Gesellschaft, den Um- und Abbau der Sozialsysteme, den großen Niedrig-Lohnsektor und der daraus sich ergebenden allgemeinen Prekarisierung. Der späte Castel ist in Deutschland deshalb umschifft worden, denn er hätte den sozialpartnerschaftlich verkleisterten Konsens in den deutschen Sozialwissenschaften der Reflexiven Modernisierung aufgebrochen. Vor allem in Frankreich erhielten Castels Bücher seit jeher eine große Rezeption und Diskussion. Auch in den Sozialwissenschaften in Amerika und GB wurde Castel breit rezipiert, zwar nicht so stark wie Foucault und Derrida, aber zumindest gleich dahinter.
Die Atomisierungsprozesse, die die Reflexivmodernen vermittels ihrer theoretischen Konstruktionen selbst fördern, versuchen sie im selben Ausmaß durch ihre Aufrufe zum bürgerschaftlichen Engagement wieder zu verkleistern. In den Veröffentlichungen der letzten Jahrzehnte, kommt diesbezüblich ein authentischer Beck zu Wort. In der typisch pseudokritischen „Schönen neuen Arbeitswelt“36 spricht er, wie in anderen Publikationen von der „postnationalen Bürgergesellschaft“ und der Vision einer “Weltbürgergesellschaft.“ Man soll den Vollbeschäftigungsillusionen nicht mehr nachhängen, der moderne Kapitalismus gebiert flexibilisierte Arbeitsverhältnisse, eine Art Brasilianisierung, die Viele freisetzten und sich nun in ihrer Freizeit einer aktiven Bürgergesellschaft widmen könnten, die er in Amerika verwirklicht sieht.
Eine letze Luftnummer lief auf ein Manifest für Europa von unten hinaus, das zuerst die üblichen verdächtigen von Helmut Schmidt, Joschka Fischer bis Cohn-Bendit unterschrieben. Nur der (Nerd) Gerd, der „lupenreine Demokrat“ war  nicht zu finden, vermutlich ist er ihnen zu unglaubwürdig geraten. „Ein „Europa“ der tätigen Bürger wollten sie schaffen und sowohl die finanziellen wie auch rechtlichen Voraussetzungen für ein Freiwilliges Europäisches Jahr für Alle bereitzustellen – als Gegenmodell zum Europa von oben, dem bisher vorherrschenden Europa der Eliten und Technokraten.“37 Die Frage war "nur" wer es finanziert ? Was sie abermals nicht bedachten war, ob das in Frage kommende Klientel überhaupt das Geld und die Motivation hat, sich die Reise in das jeweilige europäische Land zu leisten, um den angepriesenen befristeten Arbeitsplatz anzutreten, den sie nach einem Jahr für eine ungewisse Zukunft wieder aufgeben müssen. Hört es sich nicht nach einem typischen (realitätsfernen ?) Manifest an, das wiedermal die da oben angeblich für die da unten ausgeheckt, die letztlich nicht von ihrer privilegierten, arrivierten Situtation abstrahieren können ?
Ähnliche Konsequenzen kann man/frau gerade auch an den sozialwissenschaflichen Bachelor/Master Studiengänge beobachten Es war gerade der oberste Technokratenorg Beck, der mit seinen reflexivmodernen Sonderforschungsbereichen der Technokratisierung wie Modularisierung des Studiums, dem Bolognaprozess heftigst zuarbeitete. Mit den Beschäftigungschancen dieses Klientels dürfte es schlechter denn je bestellt sein.
 Man weiß nicht ob man von Zynismus oder Harmoniesauce pur sprechen soll. Im Europa-Manifest wie in seinen anderen Schriften gibt es keinen Kampf zwischen Arbeit und Kapital, der sich nicht zuletzt wegen allen Verschweigens in den letzten Jahrzehnten eindeutig zu Gunsten des Kapitals wendete, das bestimmt wenig Interesse an  nicht verwertbaren Studiengängen hat.


Verbürgerlichen, Normalisieren, Employablen, Leadershipen, People-managen,  Erkalten


Zwar ist es relativ wahrscheinlich, dass ab ca. 2030  vermittels der avancierten digitalen Robotik viele menschenleere Fabriken entstehen, als auch die Mobilität sich verändert, die vermutlich ein Ende der uns bekannten Arbeitsgesellschaft nahelegen. Aber für den Zeitraum den Beck überblicken konnte bis ca 2020, lag er mit seiner These vom Ende der Arbeitsgesellschaft  komplett falsch. Die Einführung der Workfareregimes vollzog sich in Deutschland mit der Hartz IV Gesetzgebung. Dadurch wurde makroökonomisch und letztlich betriebswirtschaftlich der Faktor Arbeit nocheinmal verbilligt. Indem u.a. der Druck auf Entlassene und Freigesetzte erhöht wird Arbeit unterhalb eines Mindeslohnes anzunehmen, den es bisher nicht einnmal flächendeckend gibt. Die Hartz-Gesetzgebung lässt nicht mehr allzu viel Spielraum für Freigesetzte, natürlich nur bis zur nächsten Krise. Die Freigesetzten und Arbeitslosen aufzufordern aktive Bürger und im Anschluß gleich Europa- oder Weltbürger zu werden, heißt einmal mehr den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Die flexibilisierten Minijobber, das Prekariat, das zunehmend die Mittelschicht bestimmt und die entlassenen Arbeitskräfte sollen sich als Europa-Bürger oder Weltbürger verstehen, obwohl es ihnen überhaupt nichts bringt, evtl. gar ihren Interessen zuwider läuft. Vermutlich deshalb wollten Beck und Keupp das Weltbürgertum und in dessen Gefolge die aktive Bürgergesellschaft durch Partizipation zu einem Rolemodel avancieren. Angesichts Le Pens Front National oder der AfD Wahlerfolge sei ihnen allen  Marcus Miessens Nightmare Participation, Albtraum Partizipation38 empfohlen, jedoch nicht nur, sondern Reflexion über seine/ihre eigene Generationsgeschichte.
 Wohl keine entlarvte  Begriff wie Geschichte des Bürgertums in den 60ern so gründlich theoretisch und praktisch, kritisierte es  massivst, desavouierte, bekämpfte die Bürger so plakativ kollektiv, (wer einmal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment), wie die frühen 68er. Der Haß auf das bürgerliche Kapitalsystem in all seinen Facetten steigerte sich in den 70ern zu der großen Triebkraft das Bügertum mitsamt seinen Repräsentanten als „Schweinesystem“ nicht nur demonstrativ, flankiert von Agitprop, sondern realiter terroristisch mit voller Wucht teils bis zur Selbstauslöschung zu zertrümmern. So verspricht es forschungstechnisch viel nachzuspüren, wann Beck, Keupp und all die anderen Ex-"Freaks" in ihren Schriften dazu übergingen den Bürgerbegriff wieder positiv aufzuladen. Es dürfte nicht nur einiges über ihren Etablierungsgrad aussagen, vielmehr noch, inwiefern sie Kohls verlogene “geistig moralische Wende”39, die auf einem millionenschweren schwarzen Kassensystem basierte, in den 80 ern nicht nur mitvollzogen sondern ausbuchstabierten. Aktiv die Theoreme der einst leidenschaftlich bekämpften maroden Bürgerlichkeit  neu entwarfen und "modernisierten". Keupp hat sie mittels Identity research und in den 90ern mit seiner Identitätsarbeitsethik neu beschrieben, “modernisiert” sogar eingefordert. Dank ihm wissen wir heute klar und definitiv was das Bürgertum seit jeher neben der Kapitalakkumulation bestimmte: protestantische Identitätsarbeit.
Da Beck und Keupp Bürgergesellschaft oder die Weltbürgergesellschaft als ihre Vision ausgeben, deutet sie hauptsächlich auf ihre schon sehr verspießerte gesellschaftliche “Phantasie”, die über das Bestehende nicht hinausweist, gar jetzt vom Biedermeier träumt. Freilich wären sie maßlos überfordert nur an Goethe zu erinnern, der in seinen Gesprächen mit Eckermann gegen die aufkommende Restauration bekundete: „Nur die perverse Phantasie kann uns noch retten.”40 Bei der „postnationalen Bürgergesellschaft” die Beck ausrief, würde ich mich als kritisch denkender freigesetzter, postnationaler „Bürger der Weltbürgergesellschaft“ nach dem mir mein Nationalbewusstsein abhanden kam, (falls dies wirklich der Fall sein sollte), danach befragen, warum ich mich überhaupt noch als Bürger verstehen soll? Denn dies wäre die logische Konsequenz, diese Frage stellt Beck jedoch nicht. Der Bürgerbegriff, wie in den vorhergehenden Kapiteln ausgeführt, ist kein harmloser.  Beck meinte seinerzeit tatsächlich, dass er  alle nationalen Insignien der Macht abstreifte, was sich von heute aus betrachtet ebenfalls als Fehleinschätzung erwies. Vielmehr ist anzunehmen, dass er durch den neuen Nationalismus viel krassere, jedoch effektivere Normalisierungs- ,Selbsmanagement- respektive Selbstanpassungsstrategien im Köcher führt, die Beck  zu Lebzeiten schon seinen Lesern wie Honig aufs Brot schmierte. Aus welchen Versatzstücken diese zusammengesetzt, konnte man aus seinen reflexivmodernen Sonderforschungsbereichen erfahren. Sie redeten von der selbst zu leistenden „Employability“ um auf dem Arbeitsmarkt reüssieren zu können. Es sind Stichworte die ihnen globalisierte Unternehmensberatungsfirmen aufs Auge drückten, bzw.  sie sich aufdrücken ließen, dazu noch ihre “soziologische Kompetenz” in die Waagschale warfen um diese zu “beforschen”, d.h. auszuarbeiten. Mit Humboldt hat das alles nichts mehr zu schaffen, sondern mit einem avancierten „Akademischen Kapitalismus”.41 Münchs Band über die politische Ökonomie der Hochschulreform sei jedermann/frau nahegelegt.
 Angesichts der wenigen privilegierten, knappen und worauf es definitiv ankommt, beliebten Jobs, nimmt sich das Geschwafel von der Employability als reiner Schein aus, man könnte auch von einer glatten Lüge sprechen. Die „Maßnahmenphantasie“ von der Beck träumte, die man/frau ergreifen soll um einen Job zu bekommen, ist an gewisse Voraussetzungen gebunden. So können mit ganz wenigen Ausnahmen, die die Regel bestätigen, nur diejenigen überhaupt phantastisch, stark überdurchschnittlich kreativ produktiv sein, die einen von den ganz wenigen ihnen optimal entsprechenden Arbeitsplätze ergattert haben.42    Für all die anderen in denen eine gewisse Kreativität schlummert oder gar entdeckten, dass sie eigentlich ganz kreative Zeitgenossen, wenn nicht sogar Künstler, wirkt sich  der real existierende Arbeitsmarkt mit seinen recht mittelmäßigen, langweiligen Jobs destruktiv aus. Verhält es sich nicht vielmehr so, dass, obwohl er Kreativität allenthalben sogar zu aller Ironie einfordert, gar beschwört, sie jedoch letztlich durch seine nervige Monotonie gründlich schleift, einebnet, plättet, destroyed ?
Schon Kafka, der auch Versicherungsangestellter, vertraute seinem Tagebuch an, "es sei die unmittelbare Nähe des Erwerbslebens, die seine literarische Produktivität zuverlässig zum Stillstand bringe." ( zit. nach Reiner Stach, Kafka, Die Jahre der Entscheidung, S.11)
Kafka war überwiegend mit Formularen, Anspruchsprüfungen, Paragrafenreiterei, als auch deren Auslegung, Anwendung und einer Vielzahl von Bürokratismen beschäftigt....
Einerseits sind diese Erfahrungen in seine Literatur eingeflossen, andererseits könnte einem nicht ganz unwohl werden, wenn man bedenkt, welche Weltliteratur dadurch verhindert wurde... ? Auch nicht zu vernachlässigen wäre, dass Kafka hauptsächlich nachts schrieb, weil am Tag dafür keine Zeit blieb...., um darauf übermüdet in die Arbeit zu hecheln..., seine Anfälligkeit für Krankheit und frühen Tod wurde dadurch bestimmt nicht reduziert....
Kafkas Kampf mit den ökonomischen Zwängen seiner Zeit wurde zum Menetekel der meisten Kreativen und Künstler in der Spätmoderne und jetzt auch der Postmoderne. Sie alle halten sich mit teils mehreren ungeliebten, enervierenden bis stressigen Jobs über Wasser um sich und ihre Kunst zu finanzieren. In der Coronapandemie hat sich ihre Situation noch verschärft. Sie alle können ein Lied davon singen, wie schlecht es ihnen als auch ihrer Kunst bekommt unter kapitalistischen Bedingungen eine fast unmögliche "Künstlerexistenz" zu führen.
 Beck sah diese Realitäten des Kapitalismus gar nicht, sondern fragte mit dem Begriff Employability letztlich auch das Klientel der Kreativen nach einem Zustand, den sie perhorreszieren. Obwohl er den Begriff Employability nur sparsam verwendet, gab er einen Aufriss über den neu zu schaffenden Forschungskomplex "kreative Maßnahmenphantasie" der Arbeitsfindung in seiner Individualisierungstheorie.43 Dabei hätte er nur sein Arbeitsumfeld mit den zahlreichen fachfremd arbeitenden, wenn nicht schon arbeitslosen Soziologen betrachten müssen, die er selbst ausbildete, um zu wissen, dass es auf die Employability am wenigsten ankommt. Vielmehr auf die Beziehungsarbeit, auf viel Glück und „das grüne Band der Sympathie“, unverblümter formuliert, auf die enorme Schleimerei, Kriecherei und Spezlwirtschaft besonders in den Sozialwissenschaften. Aber er musste es  nicht erst beobachten, er erfuhr es täglich, wusste es ja selbst, schrieb aber wider besseres Wissen. Es gibt zahlreiche Elogen auf Becks Theorie, die kaum anders als eine unglaubliche Anbiederung, zudem als großer Kniefall zu lesen sind. Unter diesen vielen Lobgesängen stoßen wiederum diejenigen äusserst bitter auf, die sich völlig ungeniert als  Prostratio/ Niederwerfung während einer Priesterweihe identifizieren lassen. Dort liegen die Kandidaten/ Autoren mit ausgestreckten Körper und Armen, das Kreuz symbolisierend, Gesicht auf dem Boden, vor dem Altar bzw. ihrem Bischof und erwarten ihre Weihe, ihren Segen als Priester (der Soziologie), der meistens für Soziologen trotz aller Anbiederung im realen Leben, dh. auf dem realen Arbeitsmarkt ausbleibt.
Durch ein neofoucaultsches Prisma betrachtet konfigurieren die Employability, die Individualisierungstheorie, die Identitätsarbeitsethik, das Leadershipen, das Peoplemanagement respektive deren Forschung machtvolle, postmoderne, gouvernementale Dispositive und  auch nationalistische. Jedes einzelne bedarf einer breiten, tiefenscharfen Macht- wie Gehirnwäscheanalyse um ihre Wirkungsweise und Reichweite detailliert zu erforschen. Vor allem das Leadershipen und das Peoplemanagement44 sind neben der Identitätsarbeitsethik die aktuellsten, monströsen, gouvernementalen Psychotools, die gerade weiterentwickelt werden. Wie der Name schon verrät, gehen sie von der Prämisse aus, dass die Menschen, die Leute, die People etwas, das auf jeden Fall als conditio sine qua non gemanagt, unverblümter ausgedrückt, manipuliert oder beherrscht gehört. Das was die Menschen, die "People" am allerwenigsten wollen, gar perhorreszieren, weil es sie tief in ihrer Würde verletzt, nämlich gemanagt zu werden, glauben nicht nur gewisse Professoren ihnen aufschwatzen/antun/aufdrücken zu müssen. Diese Tools dienen der  Verstärkung der gesellschaftlichen Herrschaft, dem Stachel der Gesellschaft (Adorno), indem sie gleichzeitig  der Machtstabilisierung/-erhaltung der aktuellen Rackets/"Eliten" dienen. Zugleich setzen sie gesellschaftlich eine kapitalgesteuerte Individualisierung, dh. Individualatomisierung in Szene, die eine breite gesellschaftliche Entsolidarisierung bewirkt.



Toughe Dispositive: Identität, Leadership...und ihre Dialektik

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 All diese Tools stellen im Grunde erweiterte, toughe Dispositive dar. Agamben hat in, Was ist ein Dispositiv, noch einmal verdeutlicht wie umfangreich und komplex Foucault den Dispositiv-Begriff konstruierte. In den Studien zur theologischen Genealogie der Ökonomie untersuchte Agamben den Gebrauch des lateinischen Begriffs  dispositio. Die Kirchenväter verwendeten ihn ähnlich wie oikonomia: "als ein Ensemble von Praxen, Kenntnissen, Maßen und Institutionen, deren Ziel die Verwaltung, Leitung, Kontrolle und Ausrichtung der Gesten und Gedanken des Menschen ist."
Foucault hob in seinen Vorlesungen zur Regierung der Lebenden hervor wie stark die postmoderne Gouvernementalität von Praxen des mittelalterlichen Christentums und des Protestantismus der Neuzeit determiniert ist. Heute tauchen sie technizistisch verändert auf, sind aber deshalb nicht weniger wirksam,
"Die Welt, in der wir leben, präsentiert sich als ungeheure Wucherung von Dispositiven. Im Leben des Einzelnen gibt es keinen einzigen Moment mehr, der nicht von irgendeinem Dispositiv modelliert, kontrolliert oder kontaminiert wäre. Am Ursprung eines jeden Dispositivs – vom Mobiltelefon bis zum Fernsehen, vom Computer bis zum Autoverkehr – steht in Wirklichkeit ein (vermeintliches OM) Glücksverlangen, dessen Erfassung die spezifische Potenz des  Dispositivs konstituiert."44a
 Die Postmoderne stellt sich zwar als komplex und widersprüchlich dar, nichtsdestotrotz leitet sie die Subjekte in all dem Chaos fast ausschließlich über Dispositive, die sich nicht selten widersprechen. Sie suggerieren den Menschen, dass eine spezifische, sehr partikulare Art des Denkens ihr eigenstes Bedürfnis wäre. Angesichts dessen fragt Agamben: " Wenn Dispositive dem Menschen nicht als neutrale Konsumgegenstände gegenüber stehen, sondern im Gegenteil selbst (vorgeben OM) die Persönlichkeit dessen zu schaffen, der sie verwendet – wie vermögen wir dann dieser Situation zu begegnen?"

Identität und Leadership sind zwei der forcierten verallgemeinerten postmodernen Dispositive, die suggerieren "die Persönlichkeit dessen zu schaffen, der sie verwendet." Aber selbst innerhalb der Upper Middle Class offenbaren sie gerade in der allgemeinen postmodernen Abstiegsgesellschaft   ihr grundlegendes Dilemma. Sie reagieren verzerrt auf die Nötigung einer gesellschaftlichen Zwangslage, die nur wenige privilegierte, nicht entfremdende Arbeitsplätze vorhält. Indem sie die anderen von dem Protest resp. Widerstand gegen diese Zustände abhalten, durch die Suggestion, wenn ihr euer “wahres Selbst”, eure “wahre Identität“ euren “inneren Führer / Leader“ entdeckt, findet, euch eine funktionale Persönlichkeit schafft, würde sich alles in Wohlgefallen auflösen. Ohne zu bedenken, dass wer diesen Holzweg geht, vermutlich noch gründlicher scheitert als der, der ihn nicht wählt.  Ein Dispositiv bestätigt eher diejenigen, die privilegierte Stellen einnehmen, wendet sich aber gegen die, denen sie nicht "vergönnt", d.h. der großen Mehrheit. Denn in der postmodernen, kapitalistischen, liquid modernity, ist, ob der rasanten Veränderungsdynamik das Anerkennungsspiel zwischen einer von den Reflexivmodernen sogenannten "erarbeiteten Identität" und der gnadenlosen monetären gesellschaftlichen Anerkennungsstruktur nicht nur (fast) vollends zerbrochen. Eine von ihnen empfohlene hybride Identitätsarbeit dürfte mangels Verwirklichungschancen, ob  der unerbittlichen monetaristischen Anerkennungsformen mit höherer Wahrscheinlichkeit in den Selbsthass führen, wenn nicht zu den tragischeren Fällen der Selbst- oder  Fremddestruktion.
Denn der Begriff  und das Dispositiv der "Identität", den/das die Reflexivmodernen blauäugig empowerten, aber an dem sie keinerlei absolut notwendige Kritik leisten, impliziert nicht nur sondern definiert, dass die Identität  Kognition und Emotion, d.h. das "Wesen des Menschen" komplett bis in das letzte Faserzittern bestimmt.  Ist es in dieser reflexivmodernen Logik verwunderlich, dass eine verstärkt "erarbeitete Identität", wenn sie zum einen kaum erreichbar, zum anderen kaum verwirklichbar, doch starke negative Auswirkungen auf das Leben, die Gesundheit, die "Wellness" des Subjekts zeitigen muss? Selbst  diejenigen, die ihre Nerdiness ohne Rücksicht auf (soziale) Verluste versuchen zu leben, werden früher oder später auf die Verwirklichungsschranke der (sozialen) monetären Anerkennung stoßen. Wenden sich nicht der Druck, der Stress, die gescheiterten Hoffnungen, die im Aufbau einer reflexivmodernen "Identitätskonstruktion" stecken, durch nicht vorhandene Stellen oder fehlende monetäre Anerkennung,  auf perfide Weise gegen das Subjekt ?
Eine reflexivmodern hypostasierte Identitätsarbeit suggeriert nämlich normativ, dass eine zufriedenstellende "Identität" und eine damit verbundene bezahlte, sozial anerkannte Stelle erreichbar sei. Die große Mehrheit der Bevölkerung erfährt jedoch genau das Gegenteil, gerade auch die reflexivmodern ausgebildeten Sozialwissenschaftler. Zudem erleben sie, dass es ganz wenigen Subjekten gelingt dieses Ziel doch irgendwie zu erreichen, nur bei einem selbst scheint es nicht zu klappen. Nun greift ob dieser oft in die Verzweiflung stürzenden kognitiven Dissonanz ein kafkaesker (meist unbewusster) Selbstbestrafungsprozess, der die Selbstdestruktionsneigung und den Selbsthass nur mehr steigert. Damit aber auch den Frust auf die Privilegierten
Ein anderer großer Komplex, der dieses Dispositiv der Abstiegsgesellschaft verstärkt, besteht in der heftigen Ausweitung des Niedriglohnsektors respektive der Vielzahl der daraus resultierenden  unterqualifizierenden Jobs, die viele Mitglieder der Genration XYZ und folgende betreffen.
Die amerikanische Tragikkomödie (1994) von Ben Stiller mit dem allessagenden, vorzüglich gewählten Titel, Reality Bites, portraitiert die Stimmung der Generation X, die   strukturell auch die Y und Z Generation bestimmt. Für das Leben scheinbar mit Studienabschlüssen gut gerüstet, trifft sie auf eine Arbeitsmarktrealität, die  ihr nur unter -respektive niederqualifizierte  Jobs anbietet, oder befristete Praktika, die gar keine Qualifikation brauchen. Ihre schon zynische Stimmung verstärkt sich derart zu purem Zynismus und reinem Sarkasmus. Ein Lebensgefühl, das sich  auf der Leinwand zwar einigermaßen ironisch darstellt, jedoch durch alle Ironie hindurch die brutalen gesellschaftlichen monetären Anerkennungsformen als die eigentliche "Lebenskatastrophe" aufscheinen lässt. Die idiosynkratischen Träume, die die Protagonisten von ihrem Leben hegten, zerschellen an den faden Jobs, die ihnen angeboten werden.  Dieser bitteren Realität, die schmerzhaft böse beisst, nicht entkommen zu können, drückt enorm auf die Psyche dieser Generationen.  Zugleich verdeutlicht der Film  wie wenig andere, dass in der postmodernen liquid Modernity vermittels der  Alternativlosigkeit der unterqualifizierten, prekären Jobs,  die soziale Degradierung als Hauptvergesellschaftungsmodus vorherrscht. Die eigentlich witzig, kommunikativ, ironisch gestimmten, oft gut ausgebildeten Slacker kapitulieren letztlich vor der Übermacht der Niedrigqualifizierung. Sie affiziert ungewollt schleichend ihr Denken, Fühlen und Handeln.  Gesellschaftliche Aussichtslosigkeit lässt eine passagere Melancholie nun viel häufiger in die Depression kippen als enorm ansteigende zeitgenössische Leidensform.
Die  Leadership scheint ebenso unentrinnbar siamesisch mit dem Geldsystem verschmolzen. Vermeintliches anthropologisches Schicksal der Arbeiterklasse, wie  der Upper Middle Class, für die sie immer weniger funktioniert. Denn sie erfährt gerade, dass ihre Mitglieder  noch so viele akademische Leadershipmodule besuchen, ihre "Identität" vollends auf eine imaginierte Leadership ausrichten und ihr Selbstbild als gut ausgebildete/r Leader/in vor sich hertragen können. Die gesellschaftliche Realität mit nur wenigen Leaderstellen wird  dieses Selbstbild gehörig erschüttern. Die zuerst Hoffnungsvollen   werden derart ebenfalls der Degradierung preisgegeben. Wie die Leadersphip als Institution an und für sich, strukturell, mit sozialer Degradierung arbeitet. Möglich, dass ein/e Aspirant/in gegen alle Wahrscheinlichkeit, "somewhere over the rainbow", eine Leaderposition angeboten bekommt.  Darauf zu wetten wäre in der liquid modernity, dass diese zum einen nichts mehr mit seiner vormals von den Reflexivmodernen sogenannten "erarbeiteten Identität" gemein haben wird. Zum anderen, dass seine einst "erarbeitete Identität" ihm bei der Ausübung seiner Leadership nun eher behindert.
 Außerdem besteht ein Unterschied darin von individuellen Neigungen, Vorlieben zu sprechen45, die sich durchaus ändern können oder  von einer Identität, Peoplemanagement oder gar   „Leadership“, die den Systemzwang ins Individuum prolongiert. Ihm geht es an erster Stelle darum Beziehungen zu hierarchisieren, indem er sie schon vor einer Interaktion weitgehend zu definieren versucht. Jenseits aller neueren Humanrhetorik der Leadershipexperten täten sie gut daran einen Blick auf Max Weber zuwerfen. Ungeschminkt konstatierte er: "Macht bedeutet jede Chance innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht..." Meistens beruht diese Chance in Firmen und Organisationen auf Status und Vorgesetztenhierarchien,  "Herrschaft  heißt hier die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden."  Weber formuliert unheimlich klug, indem er von der Chance spricht, "für einen Befehl.... Gehorsam zu finden." Derart legt er letztlich den Schlüssel für willfähriges respektive opponierendes Verhalten in das Bewusstsein der Angestellten. Kommen sie jedem Befehl gehorsam nach oder prüfen sie ihn erst kritisch ob er vernüftig ist oder verworfen werden muss.  Was der rationalen Prüfung von Vorgesetztenanweisugen jedoch entgegensteht, läuft meistens auf die Angst der Angestellten hinaus, Anweisungen nicht nachzukommen. Obwohl Angst immer ein schlechter Ratgeber, ist Leadership meistens mit dieser Angst von Unterstellten amalgamiert und basiert darauf. Psychoanalytiker vertreten  die Meinung, dass Leadersphip hauptsächlich neben der Vorbildfunktion auf der internalisierten Angst vor dem Über-Ich beruht. Auch hier ist Trump ein trauriges Beispiel. Woodward porträtiert in seinem Bestseller Fear, dass die "Führung" des amerikanischen Präsidenten im Weißen Haus hauptsächlich durch Angst  funktioniert. In seiner Leadersphip bildet sich brennpunktartig ab, was auch in anderen  eine große Rolle zu spielen scheint. Nur hat Trumps Treiben inzwischen jedes Maß überschritten und Woodward geht davon aus, dass Trump ein Stadium erreichte, in dem  die Angst vor Impeachment, Machtverlust  und Strafverfahren  ihn selbst heimsuchte. Trumps Leadership führte dazu, dass sein Staff unmögliche Beschlüsse vom Schreibtisch klaute, damit sie nicht ratifiziert wurden. Einerseits um Schlimmeres zu verhindern, andererseits jedoch um selbst nicht in die Schusslinie von Trumps unberechenbarer Impulsivität zu gelangen und seinen Job zu verlieren.
 Dem ersten Blick fällt nicht leicht die Reflexivmodernen, (ihre Nachfolger schon kaum mehr), als ideologische Kapitalmächte zu erkennen, weil sie doch angeblich ganz nah am “eigenen Selbst“ operieren, es gar als Identität definierten und sich gar ein wissenschaftliches Exzellenzmäntlein46 umhängen. Die Identitätsrhetorik zeugt jedoch schon von der Angst getriebenen Zurichtung des Selbst.

 
Leadershipen, people-managen und sozial verungleichen

 Gleichermaßen tragisch verhält es sich mit den "klassischen Sozialpsychologen". Auf den ersten Blick stellt sich sofort die Frage, warum hat es ein Wissenschaftszweig nötig sich klassisch zu nennen ? Möchte er nicht zu allererst suggerieren, dass seine Thesen und Methoden einerseits dem Mainstream/Wissenschaftsverständnis entsprechen, andererseits eine lange Tradition haben, die womöglich  bis ins Zeitalter der Klassik reicht ?  Aber der Schein trügt, die sogenannte klassische Sozialpsychologie, speziell die an der LMU gelehrte,  mit der  wirtschaftspsychologischen Orientierung beginnt erst Anfang der 80er Jahre des 20. Jh. Allein deshalb ist es schon sehr verwegen solch einen Zweig klassisch zu nennen. Bei ihnen stellt sich die große Frage, was das auf eine reibungslose Ökonomisierung zielende, (die es  gar nicht gibt), Leadershipen und Peoplemanagement überhaupt an einer öffentlichen Universität zu suchen haben ? Universität in ihrer enigmatischen Bedeutung muss allein von der Etymologie her das Universale in den Blick nehmen und nicht einem Detailaspekt enorme Bedeutung einräumen. Leadership und Peoplemanagement sollten, wenn überhaupt, auf privaten Nachwuchs- "Kaderschmieden"  der Wirtschaft und ausschließlich von ihr finanziert werden. Es kann nicht angehen, dass sie öffentliche, staatliche Universitäten belagern und eine Unmenge von ihren Ressourcen  vereinnahmen. Die Teilnahme an Leadership-, Peoplemanagementmodulen sichert den Teilnehmern Konkurrenzvorteile und in der Wirtschaft hohe Gehalts und Bonizahlungen. Das Problem ist aber u.a., dass wie üblich nur wenige privilegierte, gut bezahlte Stellen bereitgestellt werden, besonders in den Akademien, Universitäten und in der Gesellschaft. Viele Teilnehmer an diesen Workshops werden sozusagen leer ausgehen. Für diese Situation dürfte nach wie vor gelten was Rousseau in seiner Antwort auf die Frage der Akademie in Dijon rubrizierte. Die Frage lautete: "Hat die Wiederherstellung der Wissenschaften und Künste dazu beigetragen die Sitten zu reinigen ?" Seine Antwort war ernüchternd, "...der Mensch ist zwar von Natur aus gut, ich glaube, es nachgewiesen zu haben. Man bewundere die menschliche Gesellschaft so viel man will. Es wird deshalb nicht weniger wahr sein, dass sie die Menschen notwendigerweise dazu bringt, sich in dem Maße zu hassen, in dem ihre Interessen sich kreuzen."
Vermutlich haben die akademischen Leadershiper/Peoplemanager durchaus eine Ahnung, dass es  im neoliberalen Business nicht gerade human zur Sache geht. Sonst würden sie die Leader nicht ganz allgemein dazu aufrufen menschlich zu sein oder zu werden. Statt dieser Vorahnung ernst nachzuforschen, ist sie ihnen im akademischen Elfenbeinturm nur etwas bitter aufgestoßen. Denn anderweitig hätten sie die krassen Konkurrenzbedingungen, die  ihnen vorbewusst ihre Erkenntnis aussprechen ließ, fokussieren müssen.  Mit ihrem bloßem allgemeinen Aufruf liegt nahe, dass sie abermals  den inneren Kern einer neoliberalen, digital forcierten, kapitalistischen Wirtschaftsdynamik verkennen.
 Die neueren Leadership-/ Peoplemanagementkonzepte  fordern die "Leader/in/Vorgesetzten" jetzt sogar auf sich um die Bedürfnisse, Sorgen und Nöte der Angestellten zu kümmern, "Menschlichkeit" soll den Leader auszeichnen. Doch  höchste Vorsicht sei  vor solch einer fürsorglichen Belagerung geboten, wenn die Macht  in der Maske der Menschlichkeit und des Bedürfnisses  agiert. Ist "Menschlichkeit" hier nicht vollends für effizientere Kontrolle der Arbeitsökonomie instrumentalisiert ? Wird damit nicht der letzte unantastbare Wert korrumpiert, der sich bisher aller Instrumentalisierung entzog ? Menschlichkeit hört sich ersteinmal vernünftig an, in einer dynamisierten Wirtschaft wird nun auf dem zweiten Blick  der Druck auf die Leader/in erhöht. Ihre Aggressivität, die sie  nach oben kommen ließ, wenn sie nicht durch Elternhaus oder Kaste ihre Stelle erhielten, sollen sie nun durch eine aufgesetzte Soziabilität, durch  Humanismus ersetzen. Diese Forderung lässt sie schon rein systemimmanent schnell an die Frustrationstoleranzgrenze ihres Nervenkostüms stoßen, noch viel mehr wenn sie diesen Wert auch noch leben und umsetzen müssen.
 Man braucht  jedoch keinen Illusionen frönen, Menschlichkeit dient als Maske für eine perfektionierte Selbstoptimierung, etwas das dem Wesen der Menschlichkeit widerspricht. Die Begriffe Leadership/ Peoplemanagement sprechen jenseits aller neueren, implementierten Humanrhetorik  ihre eigene Sprache, die ihnen trotz allem  noch nicht ausgetrieben. Nämlich, dass ihnen weiterhin ziemlich reaktionäre Menschen- und Führerbilder zugrunde liegen. Beide eigentlich gegenteiligen Bedeutungen konvergieren nun in der radikalisierten Verwertung des Werts.
  Den selbsternannten "Topmanagern" und ihren Rackets dienen Leadership/Piplm. dazu surreal hohe Gehalts- und Bonizahlungen zu legitimieren.  Krysmanski führt in seinen 0,1%, das Imperium der Milliardäre, eine Reihe von Untersuchungen an, die die Gehalts- und Bonizahlungen des "Topmanagments" mit der Konkurrenzfähigkeit, Performanz, Gewinn(erwartung) und Zukunftsfähikgeit von Unternehmen in Beziehung setzten. In  jenen Konzernen die ein hohes Leadership- bzw. "Topmanagerethos" propagierten, wurde auch vom Management am gnadenlosesten abgezockt. Zudem korreliert Riesenabzocke negativ mit dem Gesamtergebnis, d.h. der Zukunftsfähigkeit  eines Konzerns/ Firma.
In den Reden zu den Reformuniversitäten Ende der  60er Jahre wurde oft kritisiert, dass auch ein anderer Habitus unter den Professoren vonnöten. Die Anrede von Magnifizenz und Exzellenzen sei nicht mehr zeitgemäß. Sie wiese auf eine ganze Reihe von privilegierten Arrangements "unter den Talaren, die den Muff von 1000 Jahren" verbreiten. Heute werden seit geraumer Zeit wieder forciert Exzellenzinitiativen an gewissen "Elite-Universitäten" eingerichtet. Diesen Titel dürfen nun wieder wenige "Auserwählte" tragen. Aber ist daran nicht vielmehr ablesbar wie sehr sich das Rad der Geschichte zurückdrehte ?
Auch die "Elite-Universität" ist weniger eine Veranstaltung der vorzüglichen Bildung nach offizieller Verlautbarung, als eine der massiven Konstruktion von Exklusivität respektive sozialer Ungleichheit. Noch minutiöser differenziert, handelt es sich  nur bedingt um Exklusivität als vielmehr um harsche, krasse Exklusion derjenigen, die, sowohl inneruniversitär wegen eines nicht erreichten Notenschnitts, als auch schichtspezifisch bedingt außeruniversitär, nicht zugelassen werden. Münch führt im Akademischen Kapitalismus u.a. aus, wie die symbolische Konstruktion von Exklusivität/ Exklusion hergestellt wird. Bei der Übernahme oder der Vergabe von Lehrstühlen wie im Laufe der Professur wird materielles Kapital  in symbolisches (Macht, Prestige) transformiert. Wirksam wird der von Merton 1968 beschriebene „Matthäuseffekt“: Demnach steigen die Reputationsgewinne (Veröffentlichungen in renommierten Fachzeitschriften, Forschungsgelder, Preise, Mitgliedschaften in hochrangigen Rackets etc.) in Form einer S-förmigen Kurve an, bis zu einem Break Even Point der Sättigung, an dem weitere Zuwächse einen sinkenden Grenznutzen verzeichnen, die Kurve geht nun in eine Gerade über. Diesen Effekt erklärte Merton mit dem „Thomas-Theorem“, wonach sich  gegenwärtige (evtl. schwächere) Leistungen  mit den vergangenen verrechnen und durch deren Reputation aufgewertet werden.
Die bitterste Erkenntnis lieferte Münch mit der Beobachtung, dass die Elite-/Universitäten  vor allem den Potlatch-Effekt hervorrufen, den Marcel Mauss am Beispiel amerikanischer Indianerstämme, den Sioux, beschrieb: Einmal im Jahr laden die reichsten Familien die anderen Stammesmitglieder ein, um ein Fest zu feiern und Geschenke zu verteilen.   Von den weniger Begüterten, die die Geschenke nicht erwidern können, erheischt man Dankbarkeit, indem Ehrerbietung erwartet oder Konsens/Affirmation/Applaus evoziert wird. Dem analog verteilen Professor/inn/en   Geschenke an den Nachwuchs und an Mitarbeiter/innen durch Forschungsprojekte, Vertragsverlängerungen,  Berufungen, un/befristete Einstellungen, Bonizahlungen, sich derart  deren lebenslanger Loyalität versichernd. Zugleich treffen sie damit eine schichtspezifische Auswahl. Viele Untersuchungen weisen nach, dass fast nur die bildungsnahe UMC und die Bourgeoisie das akademische Feld bestellt. Kein Wunder also, dass die Lehr- und Forschungsparadigmen (speziell in den Sozialwissenschaften) die Ideale dieser Gesellschaftsschicht widerspiegeln. Das Buch von Münch ist definitiv ein kritischer Leuchtturm, (diesmal trifft diese ausgelutschte Metapher), der die Universität aus einer Perspektive ausleuchtet, die ihre Privilegien-Architektur schmerzhaft peinlich sichtbar macht.
De facto besteht eine enorme soziale Ungleichheit zwischen dem frei ausgehandeltem Gehalt eines C4 Professors oder Drittmittelmillionaros und  angegliederten Assistenzstellen/ Postdocs. Diese Ungleichheit wird nocheinmal überboten von der, die zwar in den Sozialwissenschaften früher  diplomierten oder promovieren, heute einen Bachelor oder Master ausweisen. Anschließend jedoch auf einen Arbeitsmarkt treffen, der diese Abschlüsse eigentlich nicht braucht. Es dürfte sich um die überwiegende Mehrheit handeln, die einen Abschluss in Sozialwissenschaften ausweisen, d.h. um die 80 % ! Diese  Abschlüsse laufen Gefahr auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt nagativ honoriert, als überflüssig, nicht verwertbar eingestuft zu werden. Diese Absolventen werden für ihre Abschlüsse, gemessen an den happy few, die in ihrem angestrebten Berufsfeld arbeiten, komplett unterbezahlt.  Ihnen wird zu Umschulungen geraten, oder diese Zertifikate außerhalb der Universität sogar als Beförderungshindernis angesehen.
Leadership und Peoplemanagement sind nicht nur forcierte innerbetriebliche, mikroökonomische  Ideologiebausteine sondern auch makroökonomische. Ob der auf ihnen basierenden Gehalts- und Bonizahlungen im Vergleich zu Blue- and White Color Arbeitern/ Angestellten befördern sie eine massive gesellschaftliche, soziale und materielle Ungleichheit. Einer zeitgemäßen, hierarchiefreien, kollektiven, solidarischen Zusammenarbeit/ Kooperation stehen Leadership und Peoplemanagement jedenfalls komplett im Weg,  was nicht das einzige Problem.
 Der Grat zwischen Topmanager/in, Leader/in und Master of Desaster ist sehr schmal. Erfolgreiche/r Firmenmanager/in zu sein bedeutet heutzutage in einem Umfeld von stark kompetetiven Marktteilnehmern/ Firmen  die richtigen strategischen Entscheidungen zu treffen. D.h. um größeren Gewinn zu machen damit das Überleben der Firma  gesichert,  ist man/frau gezwungen hoch riskante Entscheidungen zu treffen und das wesentlich schneller als die Konkurrenten. Wer länger die falschen Entscheidungen trifft wird schnell Verluste, rote Zahlen schreiben, die in die Insolvenz oder Pleite führen mit entsprechenden Konsequenzen für die Mitarbeiter. Das  Perfide des Konzernsystems  besteht darin, dass ihre "Topmanager", wenn sie sich als "Nieten in Nadelstreifen"  entpuppen, oft nicht die Konsequenzen ihres Handelns ausbaden. Die Konsequenzen tragen die Angestellten, deren Abteilungen geschlossen, outgesourct oder entlassen werden. Während die "Leader"  mit einem "goldenen Handschlag" sich verabschieden. Es besteht oft große Unklarheit ob es nicht eine stille Übereinkunft für solche betriebsbedingte Kündigungen gibt.


Psychopathologie  der Leadership, Kiss the Ring and the Frog

Martin Mittelmeier schreibt in Freiheit und Finsternis über das Proletariat:
 "Es gab noch eine weitere theoretische Konsequenz aus dem diagnostizierten Verlust des Proletariats als Träger der Revolution. Was war aus der unterdrückten Klasse in der postliberalen Ära geworden? Horkheimer nutzte für die Antwort auf diese Frage einen Begriff aus der neuen amerikanischen Heimat, aus dem Kampfgetümmel von Gewerkschaften, Mafia und den Steuerungsversuchen des New Deal: das Racket, ein ungeschminktes Bandenwesen, das seine Herrschaft ganz explizit ausübt durch Erpressung, Schutzgewährung oder offenen Terror, das Loyalität mit anderen Rackets nur als Zweckbündnis pflegt, intern Vetternwirtschaft praktiziert und sich den unteren Schichten gegenüber abdichtet. Martin Jay, der die erste umfassende Geschichte der Frankfurter Schule schrieb, hat kürzlich darauf hingewiesen, dass es schwerfällt, nicht an Donald Trump als perfekte Inkarnation eines Racket Chefs zu denken. Aber so sah Horkheimer 1942 die gesellschaftlichen Institutionen insgesamt. Der Racket-Begriff wurde für ihn zu einer Art Generalschlüssel der postliberalen Gesellschaft; jegliche Gruppierung, die in irgendeiner Form innerhalb der bestehenden Gesellschaft einen Machtanspruch artikulierte, musste sich aus seiner Sicht so nennen lassen. Auch die Arbeiterschaft war zu einem Racket geworden: »Der geschichtliche Gang des Proletariats führte an einen Scheideweg: es konnte zur Klasse werden oder zum Racket. Das Racket bedeutete Privilegien innerhalb der nationalen Grenzen, die Klasse die Weltrevolution. Die Führer haben dem Proletariat die Entscheidung abgenommen.
Horkheimer betrachtete den Racket-Begriff als derart zentral für die Beschreibung der nachliberalen Ära, dass er ihm ein ganzes Jahrbuch widmen wollte, gleichsam als Parallelaktion zu Dialektik der Aufklärung."46 a

Spätestens seit Trump dürfte auch den Ungläubigsten klar sein, dass etwas faul ist im Staate Leadership. Fast jeder Angestellte/Arbeiter verknüpft diese Form der traumatisierenden Horror/ Leadership mit eigenen Erfahrungen in Bezug auf frühere oder aktuelle Vorgesetzte. Nicht wenige teilen die Meinung, dass sie druchaus repräsentativ ist, mehr die Regel als die Ausnahme bildet.
 Sogar bei bestem Willen verursacht das obere Management  oft die Probleme, die es ohne ihn gar nicht gäbe. Hier trifft man/frau oft auf eine Ansammlung von unheimlich komplizierten "Persönlichkeiten/ Charaktere", die ihrerseits eher Teil des Problems als dessen Lösung. Weil Führung und Leadership respektive die mit ihnen Betrauten sozial/psychologisch wie strukturell sehr problemanfällig als auch problemgenerierend, kreieren die Leader/ship- Firmenstrukturen eine unstillbare Nachfrage nach Beratung/Counselling. Aber der Clou ist: Untersuchungen der Beraterszene von größeren bis großen Firmen weisen nach, dass höchstens 50 % der eingekauften bzw. nachgefragten Dienstleistungen auf einem psychologisch "wissenschaftlich" fundiertem Counselling/ Coaching basieren, was allerdings keine Erfolgsgarantie bedeutet. Aufgrund der zentralen Schwierigkeit der sicheren Erfolgsgarantie/ Evaluation teilen sich mehr als die Hälfte des Marktes  Gurus, Esoteriker, Channeler, Rebirther, Schamanen, Licht-/Quantenheiler, Geistaustreiber/-beschwörer, Facereader, Spirithacker. Das wirft  die Frage auf, was  es eigentlich über eine Arbeitsgesellschaft aussagt, wenn  die Leitungsebenen von Abteilungen ihre Teams mehrheitlich Esoterik als Gruppenkitt und Coachingelixier für Weiterbildungen anbieten oder gar vorschreiben. Also das Eintauchen in eine ganz andere Welt respektive Sinngebung, die die postmoderne Arbeitswelt offensichtlich nicht mehr bieten kann oder verschlissen hat. Diese esoterischen Sinngebungen/Werte kollidieren oft vollends mit der realen Arbeitswelt und sind auf Dauer definitiv nicht integrierbar. Man kann  niemandem wirkliches Verständnis vermitteln, der sich noch einen Fetzen Restvernunft bewahrte und es nicht selbst als ein Teammitglied erlebte, welche Dienstleistungen Firmen oder ihre Leader tatsächlich einkaufen.  Nicht verwunderlich wäre, wenn man/frau nach diesen esoterischen "Teamentwicklungen" tatsächlich psychologische Nachbetreuung bedürfen. Definitiv leider kein esoterisches Alleinstellungsmerkmal, manchmal benötigen Mitarbeiter/innen nach herkömmlichen Teamentwicklungen ebenfalls psychologische Hilfe, weil sich Vorgesetzten- respektive Teamkonflikte negativ entwickelten oder eskalierten, die ohne Workshops derart nicht entflämmten. Die Wahrscheinlichkeit solcher Dynamiken steigt dadurch, falls Teamentwicklung von Chefetagen angeordnet, ohne dass die Teams  demokratisch mitbestimmen, geschweige denn selbst bestimmen können, ob  sie überhaupt eine wollen und mit welchem Coach. Sie mehr oder weniger  dazu gezwungen  sind. Überhaupt sind viele gravierende Konflikte in Betrieben durch eine mangelnde bzw. keine demokratische Mitbestimmung verursacht, oder sind durch sie respektive durch Basisdemokratie am besten lösbar. Ein Klassiker des Teamkonflikts besteht darin, dass das Team für die meisten Probleme schon gute Lösungsvorschläge anbietet. Der/die narzisstische Leader/in muss diese jedoch ablehnen, weil sie nicht von ihm/ihr stammen. Eine Annahme sieht ihr Ego als ein Eingeständnis ihrer Inkompetenz. Oder der gute Vorschlag wird aus dubiosen Gründen abgelehnt, nur um den Team/mitgliedern zusätzliche Ärgernisse/Hemmnisse zu bescheren. Machtkämpfe und Intrigen werden derart weiter geschürt.
Eine Reihe von Untersuchungen weist darauf hin, dass mindestens jede zweite Führungsposition  Subjekte mit erhöhten Psychopathologiewerten besetzen. (Es sei an dieser Stelle gar nicht gegen eine positive Verrücktheit polemisiert, die oft hilft festgefahrene, blockierte Situationen zu lösen. Sie ist auch vielen Kreativen eigen, jedoch bei Vorgesetzten kaum differenzierbar mit einer negativen amalgamiert.)   Nicht übertrieben ist jedoch, dass  30 % der Leitungsstellen Personen besetzen, die als ziemlich sicke, sadomasochistische Psycho/s/pathen zu bezeichnen wären, d.h. überwiegend von einer  machtbesessenen, malignen narzisstischen, trumpschen, destruktiven,  negativen Verrücktheit getrieben sind. 46b Es ist die Schattenseite ihrer Anpassungsleistung im Hierarchieaufstieg. Der psychopathische Narzissmus ist meist kaum differenzierbar in einen autoritären, sadomasochistischen Charakter verschlungen, der einerseits einer trumpschen autoritären Rebellion affin, andererseits eine krasse Unterwerfungsbereitschaft aufweist, die vor allem von den unterstellten Angestellten verlangt wird. Trump perfektionierte die Unterwerfungsgesten. Er setzt dafür verschiedene Rituale ein, die sich nicht von denen der italienischen Mafias unterscheiden. Neben der Omerta, ist eines der offensichtlichsten  das Kiss the Ring Ritual, welches er bei verschiedenen Anlässen zelebriert. Er genießt es, wenn sich Untergebene/ Bittsteller vor oder nach ihrem Anliegen, respektive während eines Supports, vor ihm verbeugen und er sie mit ausgestrecktem Arm seinen Siegelring an der geballten Faust küssen lässt. Heinz Kohut, der viel über Narzissmus forschte, schrieb, der narzisstisch Gestörte ist unfähig seine Selbstachtung zu regulieren, dh. nach Kränkungen wieder ein Normalmaß herzustellen. Entweder kippt er  ab in Größenfantasien oder in Gefühle der Wertlosigkeit. Seine  Störung ist der Triebgrund für die dunkle Triade der toxische Führungskultur, die  oft auch in traditionellen Arbeitsverhältnissen zu finden ist: Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie. Wer jedoch um die psychischen Nöte der Narzissten weiß, wie Anerkennungs- , Affirmations- Bestätigungssucht, der kann sie auch stark lenken und manipulieren.
Meist geht der Narzissmus mit der widerlichen übergriffigen Kiss the Frog Erwartung einher, die Mitarbeiterinnen als Freiwild betrachtet. Die Klagen von Frauen über Trumps sexuellen Übergriffe samt anschließenden Schweigevereinbarungen, zu denen sie genötigt wurden, sind Legion und füllen noch heute die Schlagzeilen. Wobei nur eine geringe Zahl gerichtlich verhandelt wird. Inzwischen mussten deshalb schon mehrere amerikanische Gouverneure und Politiker ihr Amt räumen. Nur Trump schien sich bisher immer wieder herauszuwinden. Obwohl er zu Strafen von insgesamt bis zu 1.Mrd Dollar verurteilt wurde, beschäftigt zur Zeit ein bizarres Schauspiel die Medien. Es dreht sich darum, ob ein sonst relativ unabhängiges Justizsystem  eine derart kriminelle Figur überhaupt in die Schranken weisen kann. Oder selbst daran scheitern wird, weil  zu viele Racket-Milliardäre Trump durch  Schuldenstundung oder weitgehende Liquidierung unterstützen.
 Dass die dysfunktionale Druckkompensation der dunklen Triade enorme Auswirkungen auf das Arbeitsklima und die Gesundheit der Angestellten zeitigt, versteht sich von selbst. Die meisten Untersuchungen seit den 70er Jahren bestätigen, dass je neurotischer, psychopathischer, schräg narzisstischer der Chef, umso neurotischer wird das Team bzw. die Angestellten.
 (Exkurs: Schon in der Antike tauchten zwei berüchtigte Sprüche auf. Aber im Kaiserreich über die Weimarer Republik und vor allem im  Dritten Reich waren sie in Deutschland an der Tagesordnung, die diese Erkenntnis schon als eine Form des Allgemeinwissens transportierten: Der Hund übernimmt den Charakter des Herren oder Wie der Herr so das Gescherr. Seltsamerweise sind sie in der Nachkriegszeit verblasst, bis sie in den 70er Jahren vermittels der elaborierten Sprache wissenschaftlicher Organisationsuntersuchungen wieder auftauchten.)
(Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es auch unter Arbeiter/innen und Angestellten eine ähnlich hohe Quote von Personen gibt, die zu ziemlich aggressiven, psychopathischen, gewalttätigen  Verhalten neigen, welches die Möglichkeit mit ihnen zusammenzuarbeiten praktisch unterminiert. Das extreme Ausrasten und Austicken in Arbeitszusammenhängen hat in den letzten zwei Jahrzehnten stark zugenommen und ist als arbeitsorganisatorisches Phänomen noch kaum erforscht.)
Der maligne Narzissmus a la Trump ist meist  eine psychische Reaktionsbildung/Abwehr von eigenen erlittenen schweren unbearbeiteten Traumata. Sie führen meist zu  einem tiefen Selbsthass, der nach Nietzsche schwere Ressentiments gegen andere gebiert und ausagiert. Wer permanent unzufrieden mit sich selbst ist, dürstet ständig nach Rache und alle anderen werden seine Opfer sein...
 Den narzisstischen Psycho-Machos ist meist ein ähnliches Erlebnis- respektive Traumamuster eingraviert, das  wie "die Faust aufs Auge" ihren späteren Habitus als Leader determiniert. Sie erlitten durch Vernachlässigung/Carelessness und autoritäre, gewalttätige Erziehungspraxen starke Traumatisierungen und psychische Verletzungen ohne sie vermittels entsprechender therapeutischer Behandlung kompensieren zu können. Da sie Therapien selbst als Schwäche auslegen und ihr heroisch verblendetes Selbstbild stark erschüttern würden. Die Traumatisierungen werden verdrängt, arbeiten dafür umso vehementer im Unbewussten.  Durch den Wiederholungszwang werden die Traumatisierten oft selbst zu Traumatisierern, die Verletzten zu sadistischen Verletzern.  Das krasse Hire und Fire "Game", das Trump schon in seiner Apprenticeshow als mediales Geschäftsmodell vorführte und als Präsident munter fortsetzte, ist Ausdruck von Traumatisierung und Retraumatisierung, die er an "seinen" Angestellten vollzieht. Freilich inszeniert er damit auch seine Machtpolitik und offenbart, dass sie durchaus funktional zu sein scheint für  die kaputtesten Formen der kapitalistischen Racketherrschaft und der Leadership. Dennoch darf der strukturelle Aspekt des Vorgesetztentums, des Chefismus im Kapitalismus nicht unterschätzt werden. Die Leitungsebene der alleinigen Chefs/ Chefinnen und Abteilungsleiter/innen fördert Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie. Diese strukturelle Macht über andere Menschen verleitet zu dem toxischen Machtrausch der dunklen Triade.
 Trumps Nichte, Mary L. Trump, eine promovierte Psychologin, veröffentlichte 2020 ihr Buch mit dem selbstredenden Titel "Too Much and Never Enough: How my family created the world's most dangerous man./ (Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt (neben Putin OM) erschuf)." Sie berichtet Unsägliches von ihrer "toxischen Familie", den brutalen, destruktiven Beziehungen,  krassen Verletzungen, Machtverhältnissen, Vernachlässigungen, Mobbing, Missbrauch und der Kälte, die dort herrschen.
Sie schreckt nicht davor zurück Vergleiche mit Frankenstein zu ziehen und bringt folgende Zitate aus W. Shelleys Roman, von Frankenstein: "Ich weiß, dass ich um des Mitgefühls eines einzigen Lebewesens willen, Frieden mit allen anderen schließen würde. Ich habe Liebe in mir, von der du keine Vorstellung hast, und Furcht, wie sie deinesgleichen nicht fassen würde. Wenn mir das eine nicht erfüllt werden kann, dann werde ich mich dem anderen hingeben..."
Anschließend verweist sie auf Charles Pierce, der im Esquire folgendes Zitat verwendete und weiter ausführte,  "Donald quält sich nicht mit Zweifeln über das, was er um sich herum erschafft. Er ist stolz auf sein Monster. Er kostet dessen Zorn und Zerstörungswut aus, wohingegen er sich dessen Liebe nicht vorstellen kann, er glaubt von ganzem Herzen an dessen Wut. Er ist ein Frankenstein ohne Bewusstsein." 46c
 In schweren Fällen können sozialisationsbedingte  Traumatisierungen in der Adoleszenz nicht mehr (dysfunktional) kompensiert werden, d.h. sie wenden sich je nach Vulnerabilität gegen den Traumatisierten. Dieses Schicksal wird an Trumps Bruder, dem Vater von Mary L. Trump einsichtig. Der Bruder entsprach nicht dem Männlichkeits/Macho/image des Vaters und dem von Donald, der es vom Vater übernahm. Der Bruder wurde deshalb vernachlässigt, gebullyed und gemobbt.  Er wurde früh zum Alkoholiker, der sich vermittels  eines Alkoholexzesses/Besäufnisses suizidierte.
(Alkoholismus ist besonders unter Führungskräften ein nicht zu unterschätzendes Problem.)
 
Das sozialisatorische Macht- und Erziehungsinstrument der MC und UMC bleibt weiterhin der dosierte Aufmerksamkeitsentzug und in elaborierter Form der Liebesentzug respektive Liebesverstärkungstechniken gekoppelt an ein feingetuntes Konflikt-, Konsens-, Harmonie- und Wellnessmanagement. In den prekarisierten Schichten ist diese Form der Sozialisation in diesem Ausmaß kaum anzutreffen, weil sie eine emotional berechnende, komplizierte Intelligenz voraussetzt, die dort sozialisatorisch bedingt kaum anzutreffen ist.
 All die Sozialisationstechniken  der UMC führen dazu, dass sie sehr berechnende Charaktere beiderlei Geschlechts hervorbringen. Während  Männern ihre instrumentelle berechnende Vernunft als Männlichkeit ausgelegt wird, kann sie für Frauen auf Leitungsebene ein ernsthaftes Problem ergeben. Denn der Fokus liegt bei ihnen viel stärker als bei Männern darauf wie warm, integrierend, aufmerksam und "mütterlich" sie trotz ihrer Führungsposition sein können. Die Rollenanforderungen sind bei Frauen deshalb viel komplizierter und widersprüchlicher. Wenn sie  in der Führungsebene als kalt wahrgenommen werden, wird es zu schweren Verwerfungen, Kündigungen und Psychosomatiken in den Teams kommen.
Die meisten Führungskräfte werden nach ihren fachlichen Skills ausgesucht. Der Volksmund nennt sie Fachidioten. Das heißt, sie weisen meist über ihre fachliche Qualifikation hinaus keine weiteren Fähigkeiten auf, die sie als Leiter/in eines Teams bräuchten. Wie zB. Kommunikationsbegabung, Anerkennungsrhetorik, eingehen auf Wünsche, Bedürfnisse, Skills und Eigenheiten von Teams und Teammitgliedern. Was oft zu großem Frust innerhalb von Teams führt.
Über den Daumen lassen sich drei Typen von Leadern unterscheiden. (Es müsste jedoch nocheinmal zwischen Männern und Frauen (und Diverse) unterschieden werden. Denn es greifen unterschiedliche, genderspezifische Dynamiken. Sie im einzelnen zu differenzieren bedürfte aber eines eigenen Blogs.)
 Es gibt die Macher, Strategen und Techniker, die allerdings kaum Zugang zu Kolleg/innen finden, die aber jede Firma benötigt. Andererseits die Charismatiker, Kommunikatoren und Motivatoren, die Mitarbeiter/innen gut überzeugen, emotional binden, manipulieren (unter Druck setzen) können, jedoch wenig technisches Know How haben. Ihre Stärken liegen mehr im Blenden als im Wissen oder seiner Anwendung. Der dritte Typus, der zu ca. 40 % anzutreffen ist, verkörpert der Lurch, bzw. das Chamäleon, auch als der/die gemeine Radelfahrer/in bekannt. Sein/ihr typischter Habitus ist nach oben buckeln und nach unten treten.  Seine/ihre ständige Anpassung und Schleimerei gegenüber den Vorgesetzten verwandelte ihn/sie zu seinem Sprachrohr. Falls er/sie, was nicht selten, dadurch eine Leaderposition bekommt, wird das Fehlen jeglicher Leadership- oder Teambuilderqualitäten schmerzhaft offenbar. Jetzt versuchen möglichst viele Angestellte, insofern  möglich, das Team respektive das sinkende Schiff zu verlassen, da das Betriebsklima ziemlich unerträglich wird.
 Gesetzt den Fall, dass sie alle vor ihrer "Führungsposition" gar nicht mal so kompliziert  waren, so sind sie es definitiv in ihrer "Leadership" aufgrund der stark widersprüchlichen Anforderungen, -Gewinnmaximierung versus Menschlichkeit-, geworden. Denn Menschlichkeit ist ihnen während ihres Aufstiegskampfs vollends abhanden gekommen.  Gewinne einzufahren bzw. eine Firma zu sanieren heißt zu verschlanken. Lean management zu betreiben bedeutet jeden zweiten Arbeitsplatz wegzurationalisieren und die Arbeitsbelastung den verbleibenden Mitarbeiter aufzudrücken. Menschlichkeit würde dieses Vorgehen massiv behindern respektive unmöglich machen. Sie widerspräche all diesen Praktiken.  Sie wirkt umso unglaubwürdiger, kontraproduktiver, wenn sie plötzlich von Vorgesetzten als Peoplemanagementmaske aufgesetzt wird. Darauf ist meist nur noch eine große Verunsicherung gepaart mit innerer Empörung, anschließendem Zynismus, Defaitismus und innerer Kündigung bei den Angestellten anzutreffen. Oft ist zu beobachten, dass ganze Abteilungen ziemlich erleichtert sind, respektive erst richtig produktiv, witzig werden sobald ihre "Leiter/In"/Vorgesetzte/r im Urlaub oder bei einem Stellenwechsel manchmal monate- bis jahrelange Vakanzen sich ergeben. Interessanterweise entstehen derart selbstorganisatorische Dynamiken, die oft besser funktionieren als auf dem Reißbrett geplante Hierarchien.
Es ist auch kein Geheimnis, dass im Falle von basisdemokratischen Wahlen Angestellte bzw. Arbeiter/innen ihre Chef/innen in ca. 80- 90% der Fälle abwählen würden. Es wäre zudem fraglich, ob sich solchermaßen überhaupt eine Leitungsfunktion hielte. 
Michael Crozier untersuchte in den 60ern mehrere französische Betriebe und Organisationen. Seine Studie, the Bureaucratic Phenomenon,  hinterfragte, ob die von Weber beschriebene Bürokratie tatsächlich die rationalste, universelle westliche Form von Herrschaft Macht und Kontrolle bildet. Seine Ergebnisse sprachen für sich. Er fand heraus, dass zur damaligen Zeit, was vermutlich bis heute eine Konstante, die verschiedenen Abteilungen innerhalb großer Betriebe vor allem jedoch ihre Führungskräfte starke, massive Rivalitäten und Kämpfte gegeneinander austrugen. Sie dienten dazu, die Funktionsfähigkeit  anderer Abteilungen zu lähmen respektive zu einem dysfunktionalen Verhalten zu bringen.  Viele Tätigkeiten die er untersuchte, gaben definitiv keinen rationalen Sinn mehr. Es kristallisierte sich heraus, dass es Powergroups/ Machtgruppen in Organisationen gab,  Leaderrackets, die ein verallgemeinerbares Verhaltensmuster kennzeichnet. Sie versuchen  möglichst viel Macht/Einfluss auf sich zu vereinen, um den Spielraum ihrer Verhaltensfreiheit möglichst maximal zu gestalten, indem sie   ihre nächsten Schritte nicht oder "unbeabsichtigt" falsch kommunizieren und generell größt mögliche Unsicherheit/ Intransparenz/Verwirrung bei konkurrierenden Abteilungen über ihr Verhalten hervorrufen. Während sie zugleich die anderen Abteilungen auf ganz bestimmte starre bis unsinnige Verhaltensmuster festzulegen versuchten. Sein Befund förderte auch zu Tage: Je höher in der Hierarchie umso mehr Variabilität / Verhaltensfreiheit war vorhanden. Während die Oberen versuchten die Hände,  die Verhaltensmöglichkeiten der Unteren starr zu fixieren.  Webers Einschätzung, dass bürokratische Verwaltung eine rationale Form von Herrschaft sei, ward zumindest in dieser historischen Phase widerlegt.

 Ähnlich kann für heutiges Leadership/ Piplmanagement  und Identitätscoaching festgestellt werden, dass sie  Hierarchien und Verhaltenseinschränkung auf untergeordneten Ebenen zementieren und  bei den Angestellten /Mitarbeiter/innen  zu einer strukturellen Ohnmacht führen, die ein kreatives, problemlösendes Denken behindert, gar lähmt. Die Mitarbeiter/innen als Teil einer Gesellschaft tragen die Blockierung des Gemangt- bzw. Verwaltetwerdens weiterhin als einen "stahlharten Käfig der Hörigkeit" mit sich herum, der sich heute im vorauseilendem Gehorsam vieler Belegschaften oder im Gedankenlesen von Vorgesetzten dokumentiert. Er absorbiert ihre Psychen, die strukturelle Ohnmacht in die Gesellschaft hineintragend.
Das gravierendste gesellschaftliche Problem welches Leadership und Piplmanagement durch die Einführung der sozialen Ungleichheit verursachen, ist, dass sich niemand mehr mit der Gesellschaft und ihrer (Pseudo/)Demokratie identifiziert. Sie beschleunigen und zementieren damit eine enorme Spaltung der Gesellschaft. Die Nicht/Privilegierten, also die Mehrheit, ergeht sich in deren Folge in Verachtung, Desidentifikation und Autoritarismus.
Baumans  Mangagement in a liquid modern world (2015) trägt folgende bemerkenswerte Beschreibung:
"Management has been one of the driving forces of the last century, indeed an idea and a language that colonized most other institutions, areas of human activity and walks of life, even those that had until recently been regarded as completely unmanageable, such as art, academia and creativity. Some it supported and others it destroyed, but there are few areas in modern societies that have been untouched by it. What is the meaning of management now almost omnipresent and all-powerful in our current bleak times, in our current state of interregnum that is characterized by an increasing sense of insecurity and hopelessness, a time when, paradoxically, the seemingly omnipotent force of management does not seem to work? Does it have a role to play today and in the future? What can it become and whom should it serve when the interregnum is over and a new, hopefully more humane, system begins to dawn."

Dirk Baecker geht von einer systemtheoretischen Perspektive in Organisation und Störung sogar davon aus, dass Mangement  per se auf eine Störung von Organisationen zielt. Die Frage drängt sich auf wann eine Störung in Organisationen von unteren Hierarchieebenen oder der Organisation als Ganze noch balanciert/ kompensiert werden kann ? Respektive ab welchen Grad sie die Organisation zum kippen bringt  ?
Leadership / Leitung basiert/e großteils  auf der Illusion, die sie im Angestellten erzeugt/e, dass sie durch Charisma, das nicht vorhanden, oder vermeintlichen Sachverstand legitimiert sei. Aber da untergeordnete Hierarchieebene am schnellsten ein Gespür/Bewusstsein dafür haben, welche "Anordnungen" sinnvoll sind und welche nicht, sie jedoch trotzdem gezwungen sind sie auszuführen, kann folgendes beobachtet werden. Gruppen- respektive psychodynamisch sind diejenigen "Teams" am interessantesten, die sich  innerlich schon von ihren Vorgesetzten verabschiedeten, weil sie schon länger nicht mehr erfahrungsbedingt an unsinnige Anweisungen oder die Leitungsfunktion glauben. Diese oft scheiternde Kommunikation wie Folgen und Wirkungen der  gegenseitigen Antihaltungen/Blockaden zu untersuchen wäre ein spannendes Forschungsfeld.   Schon die neuesten Managementratgeber  beschreiben die Leitung strukturell und produktiv  als eine der unwichtigsten Personen im Betrieb. Von einem ehemaligen Abteilungsleiter war zu vernehmen, wer glaubt, dass eine Abteilungsleiter eine Abteilung leite, der glaube auch, dass eine Zitronenfalter Zitronen faltet.
Ideologiekritisch gewendet firmieren all diese Dispositive, besonders die  eingeforderte Leadership, das PIPLM., die Employability und Identität als die neuen gesellschaftlichen Fremd- und Selbstanpassungsstrategien, die versuchen die fehlenden interessanten Arbeitsplätze und die Unmöglichkeit sie zu erreichen, in ein persönliches Versagen des Einzelnen umzumünzen. Gerade weil diese Techniken ihn/sie, psychoanalytisch beobachtet, an seinem/ihrem Ich-Ideal packen,  verkörpern sie die aktuellen Psychotools des falschen Ich-Ideals, das in den Subjekten bei massenweiser Nichterfüllung aufgrund fehlender adäquater Stellen das Gefühl des Unvermögens und Ungenügens auslöst. Die Gesellschaft konstruiert derart ein hoch neurotisierendes wie deprimierendes double-bind.  Ehrenberg spricht von dem aktuellen, postmodernen, wirkmächtigsten Herrschaftszusammenhang. Bei den Menschen löst er das universale individuelle wie gesellschaftliche Unbehagen aus, das er zuerst in seiner superben Studie mit dem ziemlich genieverdächtigen Titel La Fatigue d'etre soi, Depression et Societe und in "das Unbehagen in der Gesellschaft" porträtierte.47



People-raten                                                           Richte nicht...

 Reflexivmoderne und  "klassische" Sozialpsychologen forcieren nicht nur die  wer bist du- Frage. Gekoppelt wird sie  an die was kannst du-Frage. All diese Fragen versuchen die Menschen, was noch tragischer, ihre Subjektivität, als einen positivistisch zu erfassenden Versandhaus/Katalog von Wissens- und Identitätsbeständen, gleich einem emsigen Buchhalter, zu inventarisieren.  Am krassesten treibt es mit dem raten, verdinglichen und monetarisieren  die  was bist du wert-Frage auf die Spitze, gestellt vor allem von klassischen Sozialpsychologen. Weil ihnen bei dieser/n Frage/n wohl selbst etwas mulmig aufgrund ihres Berufsethos wurde,  behaupten sie nun tatsächlich frech, "dass man sie sich vermutlich selbst schon gestellt hätte". Aber diese Vermutung verstösst nun wirklich gegen ihr eigenes Wissenschaftsverständnis. Wenn sie dies schon  vermuten, müssten sie es nach ihrem eigenem Wissenschaftsverständnis empirisch positivistisch untersuchen. Sonst drängt sich der Verdacht auf, dass mal wieder als common sense ausgegeben, was keiner ist, sondern ein höchst partikulares ideologisches Interesse von Mainstreamwissenschaftler/inne/n. Ich vermute, dass diese Fragen nur innerhalb einer bestimmten Wissenschaftskultur gestellt werden. Und auch nicht, wie sie angeben, von Allen, d.h. N= Alle, sondern nur von nicht einmal ca.0,0001 % der Weltbevölkerung. Diese kommen auch nicht freiwillig auf die Idee, sondern sie wird ihnen von einschlägigen Sozialpsychologen in akademischen Seminaren und Lehrbüchern gestellt.
Als ich die was bin ich/ du wert Frage lesen musste, fiel ich in eine Art Absence und konnte erst eine Stunde später weiter lesen, denken, ob des darin enthaltenen monetären Totalübergriffs. Ich fragte mich was diese Benommenheit noch auslöste. Es war die Suggestion, dass man sich diese Frage "vermutlich selbst schon gestellt hätte". Ich legte mich auf meine Wohnzimmercouch darüber sinnierend, ob sie mir jemals im Leben tatsächlich  gestellt wurde. Aber so sehr ich mich auch zu erinnern versuchte, um so sicherer kam mir vor, dass weder ich, noch meine Eltern (absolut undenkbar), noch Verwandte oder Bekannte mir sie jemals stellten. Auch nicht meine Arbeitgeber, obwohl die Lohnarbeitsverhältnisse diese Frage stumm suggerieren. Alle besaßen sie anscheinend den Anstand und die Menschenwürde mir sie nicht zu stellen. Rein aus verwundertem Interesse habe ich inzwischen die Wert-Frage Bekannten und Arbeitskollegen gestellt. Und zwar nicht suggestiv, gleich den Sozialpsychologen, was auch nicht funktioniert hätte, sondern direkt. Was bist du Wert ? Als ich diese Frage stellte, sahen mich die meisten nur ungläubig an, als ob ich ein Alien wäre oder eine gänzlich obszöne Frage lancierte, schüttelten den Kopf und gingen weiter. Manche stellten pikiert die Gegenfrage was ich den Wert sei und wie ich auf so eine beknackte Frage käme. Ich gab zu, dass ich sie in dem Sozialpsychologie Lehrbuch (Individuum und Soziale Welt, 2011, Hogrefe) las. Jetzt schlugen sich die Kollegen mit der flachen Hand gegen die Stirn und suchten das Weite. Ich machte die Erfahrung, dass dieser Frage, in einem viel stärkerem Maße als ich vermutete, das Potenzial inhäriert, meine privaten und kollegialen Arbeitsbeziehungen nachhaltig zu beschädigen, wenn nicht gar zu zerstören. Wahrscheinlich muss man erst Psychologieprofessor sein um auf solche Geniestreiche zu kommen. Die Menschen nur mit Wert- und Identitätsfragen zu konfrontieren, heisst sie zu verdinglichen. Es lässt darauf schließen, dass diese Sozialpsychologen ihnen nicht angstfrei und offen gegenübertreten können. Sondern nur vermittels ihrer diagnostizierenden, voreingenommenen Brillen, d.h. als Opfer und Täter ihrer eigenen kommodifizierten Institutionalisierung, ihrer Deformation professionelle.
 Diese  Fragen werden von der, „wer möchtest du sein“-Frage der Reklameimperative, „be what u wanna be“, gerahmt. Sie suggerieren den Menschen vor einer Myriade von Optionen zu stehen, die sie nur wählen müssten. Ein Problem das die Reflexivmodernen mit der Patchworkidentität zu lösen können glaubte. De facto mutierte die Problemlage dadurch noch widersprüchlicher, schräger, chaotischer, weil niemand mit vorgegaukelten Möglichkeiten und der daraus resultierenden Totalzersplitterung der Welt sich identifizieren kann.



Abstiegs- und Stammesgesellschaft, Dialektik der 68er

 Ehrenberg erforschte, dass die extrem auf die Subjektivität zielenden Individualisierungs- und Identitätsforderungen der reflexiven Post/Moderne die Mehrheit heillos überfordert, gar sich zu einer weit verbreiteten Depressionsepedemie auswuchs.„Die Depression offenbare”, schreibt er in dem Band Kreation und Depression, wie schwierig es für den Einzelnen sei, "sich in einer Gesellschaft, die alles auf Eigeninitiative und Selbstverwirklichung setzt, selbst eine Struktur zu geben".48 Der Autonomiedruck und die Aufgabe zur exzeptionellen Selbstwerdung stellen für die größere Mehrheit eine ziemliche Überforderung dar, die nun an jede/n in den westlichen Gesellschaften adressiert. Für die überwiegende Mehrheit, die sich an der exzeptionellen Selbstwerdung abarbeitet, ihr aber aufgrund der gesellschaftlichen Realität (Reality bites)/Anerkennung nicht genügen kann, entpuppt sie sich als Fata Morgana, an deren  Ende die  Zermürbung der  deprimierten Person steht.
Der Individualisierungs- und Identitätsdruck der Reflexivmodernen ist, wie sich nun herausstellt, das Antezedenz eines noch viel tougheren Dispositivs.  Besonders im Silicon Valley scheint es unerlässlich  für die Herausbildung eines transhumanen, posthumanen Kapitalismus. Google und andere Konzerne suchen an der Singularity University  nach humanen bzw humanoiden Singularitäten und Potenzialen, die ihren transhumanen Neuentwicklungen den entscheidenden produktiven Anstoß oder Spin geben. Der Weg in diese Singularity hat jedoch ungeheure Bedingungen als auch Auswirkungen auf all diejenigen, die sie niemals erreichen können, dh. auf die Meisten. Reckwitz bescheibt die Problematik in der Gesellschaft der Singularitäten (Suhrkamp 2017). Bevor sie greifen konnte, wurde sie durch die Dialektik der 68er vorbereitet.
 Axel Honneth, der mit seiner Anerkennungstheorie das seine zum identitären gesellschaftlichen Anerkennungs-/ Anpassungsdruck der exzeptionellen Selbstwerdung beitrug, lässt unerwartet in Kreation und Depression verlauten:
 „Die Ansprüche auf individuelle Selbstverwirklichung" seien in den westlichen Gesellschaften „so stark zu einem institutionalisierten Erwartungsmuster geworden, daß sie ihre innere Zweckbestimmung verloren haben und zur Legitimationsgrundlage des Systems" mutierten, zur „eigentümlich mißbrauchten Produktivkraft der kapitalistischen Modernisierung"49. Als „Resultat dieses paradoxalen Umschlags, in dem jene Prozesse, die einmal eine Steigerung qualitativer Freiheit versprachen, nunmehr zu Ideologie der Deinstitutionalisierung geworden sind, reüssiere die Entstehung einer Vielzahl von individuellen Symptomen innerer Leere, Sich-überflüssig-Fühlens und von Bestimmungslosigkeit".5
 Diese  individualisierten Symptome kommen in einer Gesellschaft zum Ausdruck, in der selbst die Mittelschicht und die Upper Middle Class in Zeiten permanenter wirtschaftlicher Stagnation und starker Konkurrenz, die Erfahrung macht, dass ca 80 % ihrer Mitglieder, erstens nicht den Beruf ausüben können, den sie sich wünschen und zweitens auch in anderen ungeliebten (Bullshit)Jobs (Graeber/2020) weniger verdienen als ihre Eltern. Nachtwey verfasste ein lesenswertes Buch über die Gefühlslagen, die die sozioökonomischen Mechanismen dieser allgemeinen Abstiegsgesellschaft (2016) produzieren. Die Abstiegsgesellschaft ist gleichermaßen eine Deklassierungsgesellschaft. Denn breite Bevölkerungsschichten verlieren wiederholt einigermaßen gesicherte Beschäftigungsverhältnisse mit akzeptablen Stati und finden sich über Nacht in einer statuslosen, stigmatisierten Prekarität, gepaart mit einer schockierenden, existentiellen, traumatisierenden Deklassierung, wieder. Diese Erfahrung war vor allem, aber nicht nur, im Osten präsent, was 30% der Bevölkerung (mehrheitlich Frauen) veranlasste bis heute in den Westen zu wandern.  Alle ökonomischen Strukturprobleme beförderten den Frust und die Regressionssymptome einer typischen Schrumpfgesellschaft. (Ungleich vereint, Mau/2024) Krasse Statusverluste und breite Perspektivlosigkeit haben ihrerseits gesellschaftlich gravierende Konsequenzen. 
 Amlinger/Nachtwey haben diese Konsequenzen in ihrem 2022 veröffentlichten Buch Gekränkte Freiheit unter Aspekte des Libertären Autoritarismus beschrieben. Interessant sind die Aussagen der Interviewten nicht nur  deshalb, weil sie ein enormes Frustrations- und Aggressionspotenzial offenbaren, sondern auch weil sie in ihrer unbewussten Grundstruktur eine hohe Affinität zu dem von Adorno beschriebenen Autoritären Charakter aufweisen. Also eine heftige Ambiguität von autoritärer Rebellion und krasser Lust an der Unterwerfung aufweisen.
In der Zusammenschau mit Honneths Diagnose wird die Gesellschaft nun großen Teils von negativen Emotionen bestimmt, in Form einer desperaten Zukunftslosigkeit gepaart mit einer Perspektivlosigkeit, die  ein hilfloser autoritärer Protest bekämpfen soll. Das durchaus nachvollziehbare Aufbegehren der Unterprivilegierten/Armen, wie der ausgelaugten, entfremdeten, nahe am Burn-out operierenden U/MC  in der regressiven Postmoderne ist vollends berechtigt, wenn es sich forciert auf die bestehende soziale und arbeitstechnische Ungleichheit richten würde. Interessanterweise hörte man 2014 von  vielen AfD/AgD Politikern, dass ihre Wähler/innen  die Gesellschaft und  die Politiker als ein reines,  unverantwortliches Privilegiensystem/ Stellensystem wahrnehmen, das keinerlei Bezug zu ihrer Lebensrealität hat. Sondern durch üppige Gehälter darauf angelegt ist, genau diese auszuschließen. Ein Topos übrigens den lange die frühen 68er, solange bis sie  selbst zum Establishment wurden, und die Linke vertraten, der aber  der Linken keinen Stimmenzuwachs mehr brachte.  Die AfD/AgD konnte diese wesentliche Protestreaktion anfänglich kurios auf sich buchen. Als die AgD allerdings zu dritt stärksten Fraktion im Bundestag und zur stärksten "Oppositionspartei" in mehreren Landesparlamenten anwuchs, verschwand dieser Punkt wieder im Hintergrund ihrer Agenda. Denn nun genießen sie selbst die Privilegien, die sie anfänglich noch kritisierten. Der Etablierungsprozess scheint innerparteilich, sowohl links als auch rechts, die gleichen Verdrängungen zu zeitigen. Aber der AgD schienen sie nach aktuellen Umfragewerten lange nicht zu schaden. Die Zustimmungswerte im Osten erklimmen immer neue Höhen und das Politestablishment hat keine Antwort auf diese größte Herausforderung der Demokratie seit dem zweiten Weltkrieg. Aber je höher die Zustimmungswerte, umso deutlicher stellte sich heraus, dass die AgD ganz offen Parolen der SS/SA, Hitlers, Goebbels und Görings verwendet und sie eigentlich AgD, Alternative gegen Deutschland heißen müsste. Die Zustimmung im Osten wird vermutlich von dem neuen Player Bündnis Sahra Wagenknecht/BSW (demnächst womöglich BKW) entscheidend gestutzt werden, so daß die Demokratie wieder einigermaßen ins Lot kommt. (Die Verhältnisse im Osten sind jedoch so dynamisch, dass das BSW inzwischen wieder von der Linken überholt wurde.)
 Die Zustimmungswerte zur AgD hängen ua. damit zusammen, dass es  im deutschen Bildungssystem schon seit den 80ern letzten Jhs. keinen Platz mehr für kritische Kritik und kritische Theorien der Gesellschaft gibt. Mit dem erscheinen von dem Roman Der Schlaf in den Uhren,  ein großes Imago des autoritären Ostens, sind von Uwe Tellkamp, der zu einem Befürworter der AgD mutierte, noch weitere bemerkenswerte Punkte moniert worden.
Der Schlaf in den Uhren ist ein poetisches Bild, dass das deutsche kafkaeske Verwaltungsreich nicht nur darauf abzielt sämtliches Leben (Dornröschenschlaf), sondern gleichermaßen  die Zeit stillzustellen versucht und sich dermaßen seinen Bürgern aufdrängt. Der interessanteste Kniff des Buches besteht darin, dass das deutsche  Verwaltungsreich über bestimmte Geheimtüren weiterhin mit zwei undurchschaubaren, opaken Überwachungsreichen aus scheinbar vergangenen Zeiten verbunden ist, das die Gemüter und die Stimmung aller negativ verschwörerisch affiziert. Damit ist ihm ein ziemlich interessantes zeitdiagnostisches Werk gelungen, das selbst durch seine Opazität besticht.
Der Osten besonders, aber es ist ein Phänomen das auch ein Problem für den Westen signifiziert, leidet ziemlich darunter, dass Leitungsstellen fast ausschließlich mit Westpersonal besetzt sind. Niemand im Osten fühlt sich  in Leitungsstellen repräsentiert. Das andere große Problem besteht darin, dass die Entscheidungen wer in gut bezahlte, privilegierte Leitungsfunktionen aufrückt, völlig intransparent in Hinterzimmern getroffen werden. Die meisten Arbeiter/innen und Angestellten haben solchermaßen weder  Einfluss auf für sie lebenswichtige Vorgesetztenverhältnisse haben noch auf die damit verbundene sich weiter spreizende Ungleichheitsschere. Diese wichtigen Leitungsfunktionen einem basisdemokratischen Prozess zu entziehen, trägt viel zum Frust, zur Wut, zur Aggression und zu Ressentiments in Ost und West bei. Tellkamp hält es sogar für den aktuell größten Fehler der  westlichen "Demokratien". Sie weisen ein großes Defizit  an gesellschaftlicher Teilhabe und beruflicher Mitbestimmung auf, in einem solchen Ausmaß, dass der Begriff Demokratie hier eine reine Farce markiert.
 Die größte zukünftige zivilisatorische Bedrohung besteht weiter darin, dass die AgD das o.g. Unbehagen in der Postmoderne  hauptsächlich auf Migrant/innen lenkt.  Indem  die AgD das Aufbegehren ihres Klientels zu einer autoritären Rebellion verstärkt. Sie bestätigt einmal mehr die These von Benjamin, nach der die Ultrarechten   den ausgeschlossenen Unterprivilegierten zwar zu ihrem Ausdruck verhelfen, aber nie und nimmer zu ihrem Recht. Der Wirtschaftwissenschaftler vom DIW Berlin, Marcel Fratscher, spricht vom AfD-Paradox, (gleichermaßen kann man von einem Trump-Paradox sprechen): Menschen, die die AfD unterstützen, würden am stärksten unter der AfD-Politik leiden, und zwar in Bezug auf fast jeden Politikbereich: Wirtschaft und Steuern ebenso wie Klimaschutz, soziale Absicherung, Demokratie und Globalisierung."  
Die AgD instrumentalisiert die unbewussten Tendenzen ihres Klientels  als autoritäre Rebellion, indem sie diese, dem NS affin, als brutale Repression nicht nur auf Migrant/innen sondern auf ihr "eigenes" Klientel/"Volk" richten wird. Was sich dafür empfänglich erweist, weil es selbst zu nicht geringen Teilen aus obsessiven Sadomasochisten besteht, die ihre beidseitige, toxische, braune Suppe kochen. Das lässt verständlicherweise die Stimmung der anderen, pluralen Bevölkerung, aber auch europa- und weltweit auf einen Tiefststand sinken.
 Aufkommender Nationalismus, Stammes- und Identitätsdenken sind nicht nur Regressions- und Abschottungsphänomene. Sie haben innerhalb einer Gesellschaft die Funktion die gesellschaftliche Herrschaft respektive den gesellschaftlichen Druck auf Andersdenkende, Oppositionelle und Liberale zu verstärken.  Alle, die nicht auf den forcierten Nationalismus und das Identitätsdenken einschwenken, sollen unter Delinquenzverdacht geraten. Sie bedürfen aus Sicht der Nationalisten entweder gewisser "Normalisierungsmechanismen" oder des gesellschaftlichen Ausschluss'. 
Zu einem nicht geringen Anteil kam dieser Problemkomplex zustande, weil den im indivduellen Leistungs- und Gesellschaftsgefängnis Inhaftierten, ausgerechnet die arrivierten (Ex-)68er, nun emeritiert, außer individualisierenden, identitären Anerkennungs- und Anpassungstheoremen keine realen, schon gar nicht theoretische gesellschaftliche Alternativen mehr boten, obwohl diese in ihrer Frühzeit groß auf ihren Fahnen prankten. Sie mutierten zu ihrem früher bekämpften Gegenteil, zu Leadership-, Employability- “Indivdualisierungs- oder Identitätsexperten“ einer Upper Middle Class für die ihre Theoreme  nun immer weniger bis gar nicht mehr funktionieren. Dafür aber der nationalistischen Identitätspolitik der Ultrarechten in die Karten spielen. Ein ideologischer Bruch, der Geist und Körper gleichermaßen affizierte. Keine Theorie könnte ihren Verveverlust an Elan Vitale besser veranschaulichen, der sich bis in die geistige und sexuelle Potenz erstreckt, als die mit Begriffen schon nicht mehr beschreib-, geschweige denn überbietbare Poesie der Poesie Hölderlins51. Visionär schien er nicht nur das Leben per se im Blick, als vielmehr die göttliche Morgenröte, die Aurora des Lebenshungers, den Jubel des Bios, des Eros und nach der Hälfte ihres Lebens den theoretischen moralischen Bankrott, den bürgerlichen Absturz, die Dialektik der 68er:

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt 
Ins heilignüchterne Wasser

Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde ?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen

Sprachlos und kalt stehen/standen wir vor den Leadershipzentren, dem Beckschen Employability Planungsbüro, wie vor der Fahne der Keuppschen Identitätsarbeit, die selbst nach ihrer Emeritierung noch in den Sonderforschungsbereichen der Reflexiven Modernisierung klirr(t)en. Sie wären die Einzigen, die keine Skrupel hätten Hölderlin nach seiner Employability zu befragen. Wo er doch nur für kurze Zeit aus dem Elysium in sein seit jeher  ambivalentes Sehnsuchtsland zurückkehrte, um nach der toitschen Katastrophe zu sehen, was  aus ihm geworden. Unversehens findet er sich nach seiner Employability befragt, von Leuten die sich allesamt „Excellenceclustern” zurechnen und nicht mal den minimalsten seiner Ansprüche, sei es persönlich, geschweige denn bildungsbezogen, gerecht würden. Den Kopf in die Hände gestützt nimmt sein Daimon den Kairos wahr ihnen eine “reflexive” Erkenntnismöglichkeit zu erschließen. Er antwortet mit Hälfte des Lebens bei der ersten Strophe langsam den Kopf hebend, während er sie in der zweiten scharf mit seinen unheimlichen Mondaugen fixiert. Verse die sie gleich Ödipus das Rätsel der Sphinx lösen müssten, vermutlich aber nicht verstünden. Falls doch, könnten sie wirklich die “reflexiven“ erkenntnistheoretischen Konsequenzen begreifen ?



Kann man/frau sich selbst erkennen ?

Die Moderne konfrontierte die Menschen mit der Frage des gesellschaftlichen Überichs "was sie tun dürfen". Die unter dem Bann einer forcierten Ökonomisierung stehende Postmoderne ging zu der "was sie tun können" Frage über. Dem aber nicht genug, um dies zu bewerkstelligen sollten sie jetzt mehr als jemals zuvor wissen, wer sie sind. Wer bist du ?52 -ist nicht nur zum Mantra der reflexiven sondern auch der klassischen Mainstream-Sozialpsychologie (und der klinischen Psychologie) avanciert. Inzwischen  verkörpert sie die postmoderne Gretchenfrage par excellence.
Zu raten wäre, dass sowohl die klassischen als auch die reflexivmodernen Sozialpsychologen sich wieder intensiv mit der psychoanalytischen Theorie auseinandersetzten. Denn bis Ende der 70er Jahre waren sie noch von Freud geprägt. Ihr Verdrängen Freuds und des Unbewussten aus den Universitäten kommt sie nun teuer zu stehen.  Wenn sie  schon die wer-bin-Ich Frage nun obsessiv stellen, sollten sie auch die erkenntnistheoretischen Probleme wälzen, die mit ihr unauflöslich verbunden. So wie sie es als frühe 68er taten. Aber diese Form der Erkenntnistheorie beschreiten die  klassische und reflexivmoderne Sozialpsychologie schon seit Becks Risikogesellschaft (1986) nicht mehr. Deshalb erinnern wir sie gerne an ihre eigene frühe Theorie/Geschichte der 60/70er Jahre.
 Freud verglich, zum einen, durch die  Analyse der Hysterie und die Supervision seiner Fälle, zum anderen, aufgrund seiner Beschäftigung mit dem Ödipuskomplex, die menschliche respektive bürgerliche Psyche mit einem Eisberg. Eine der wohl treffendsten, gelungensten Metaphern der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte.  Ohne dass er es explizit ausführte, kulminiert darin das Bürgertum nicht nur seiner Zeit. Auf die Zwanghaftigkeit, Eisigkeit  und Alternativlosigkeit  der  wirtschaftlichen Zwänge verweisend  in denen es verstrickt,  wie sich selbst gerne verstrickt, als auch zu was es zu erstarren droht. Zudem ist die Eisbergmetapher gerade  eine von hohem wissenschaftlichen, psychoanalytischen Nutzen. Nur ein kleiner bewusster Teil  (10%) ragt aus dem Wasser, der weitaus größere fluide, dynamisch unbewusste  ist intelligibel kaum zugänglich. (Ein Befund den  die postmoderne Bewusstseins-/Neuronennetz-/Hirnforschung bestätigt und sogar von 95 % Unbewusstem ausgeht. Ein Verhältnis, das evolutionär bedingt, seit den ersten Menschen bestehen dürfte. Dieses Verhältnis zu erweitern, bzw. zu verschieben birgt entsprechende "Nebenwirkungen", beobachtbar an den sogenannten Savants (Wissende). Die Erweiterung ihrer Kognition oder ihres Bewusstseins (auf ca 20-30%) verschränkt sich mit schweren sozioemotionalen Problematiken, die eine selbständige Alltagspraxis weitgehend unterminieren. Wer die "doors of perception" and of consciousness künstlich, sei es pharmazeutisch, sei es mit LSD  erweitert, geht ein hohes Risiko seine Alltagstauglichkeit zu verlieren.)
Wenn das Unbewusste, sofern möglich, konsequent weitergedacht/extrapoliert, wird es erkenntnistheoretisch ziemlich un/fruchtbar. Es erklärt warum diese unheimlich ätherische, unfassbare Psyche,  wenn überhaupt, nur minimal positivistisch erforschbar sein wird. Alle Versuche Prognosen über "Triebtäter" oder generell über  statistische Vorhersagbarkeit von (kriminellem)  Verhalten zu treffen werden wegen dem Unbewussten risikobehaftet bleiben.
Im freudschen Modell, das dem Subjekt 10 % Bewusstsein zugesteht, sind selbst diese  einer erstaunlichen Dynamik ausgesetzt. Es synthetisiert  Wahrnehmungen von denen nicht eindeutig  ob sie  Selbst/erkenntnisse oder sich als Illusionen entpuppen. Sie bleiben eine Zeit im Bewusstsein,  tauchen  wieder ab, werden verdrängt, sind mehr oder weniger lange unbewusst, kreuzen Primärprozesse, können wieder aufsteigen, durchlaufen Sekundärprozesse,  werden verzerrt vorbewusst. Bevor sie  verändert zu Bewusstsein kommen, das es nun erst wieder zu entschlüsseln gilt. Der Prozess der Wiederkehr des Verdrängten bezieht eine Reihe von  Metamorphosen ein, von denen die Psychoanalyse meint , dass sie nur partiell entschlüsselbar sind.
10% dynamisches Bewusstsein lässt allein schon jeglichen reflexiven und klassisch positivistischen Ansatz der vermeintlichen Selbsterforschung schnell an die Grenzen der Aufklärung stoßen. Dennoch  meinen alle post/modernen Psychologien/ Therapien, Coachings, besonders die reflexive Identitäts/Forschung/Psychologie auf diese ephemeren 10% entscheidenden Einfluss nehmen zu können. Die Vehemenz mit der sie zur Identitätskonstruktion oder gar Identitätsarbeit aufruft gleicht einem Heilsversprechen, das ihre heimlichen Allmachtsphantasien spiegelt, die die Macht des Unbewussten schon länger überwunden glauben. Nach ihrem Coachingverständnis dürfte es immer weniger psychisches Leid geben. Nur zeigen die neueren wissenschaftlichen Untersuchungen, dass  die "psychischen Störungen" nicht ab sondern zunehmen. Ein Widerspruch der  zu denken gibt. Ist gar ein Schelm wer vermutet, dass die Zunahme der "diagnostizierten Störungen" u.a. mit dem Normalisierungsdruck zusammenhängt, den die Instrumentalisierung aller Lebensbereiche durch die Public/Mental Health Agenten wie die reflexive Identitäts-/ Verhaltens /Psychologisierung/ Coachisierung/ Therapeutisierung ausübt, auf den gerade das Unbewusste allergisch zu reagieren scheint ?
Nur die Theorie der Psychoanalyse, die auf den meisten Fällen aus Freuds Praxis beruhte, bestand wie keine andere moderne und inzwischen postmoderne Psychologie darauf, dass das Ich nicht Herr im eigenen Haus ist.  Das Ich zwar zwischen Über-Ich und triebhaftem Unbewussten vermitteln sollte, aber realiter oft nur als eine äußerst  störanfällige Illusion firmiert. Denn das Unbewusste, das  von opaken Begierden, Leidenschaften, Zwängen, Obsessionen, ungelösten, nun unbewussten Konflikten oder Traumata der Sozialisations- und Familiengeschichte getrieben, erweist sich meistens stärker als das vermeintlich rationale Ich.  Deshalb war  die Psychoanalyse gefeit nicht auf die therapeutische Allmachtsphantasie  einzusteigen. Das unbewusste, "gestörte" Ich ist, falls überhaupt, nur durch die Traum/Deutung von Neurosen, Versprechern, Tics, Verhaltensauffälligkeiten und deren psychoanalytische Interpretation in einem gemeinsamen, intensiven kommunikativen, emotionalen, psychodynamischen Prozess mehr schlecht als recht zu rekonstruieren. Eine Rekonstruktion die oft aus vorbewussten Erinnerungspartikel, Traumresten oder Reverie entsteht und notwendigerweise auch spekulativ bleibt.  Dieser Prozess setzt  weniger auf Selbstoptimierung, sondern häufig darauf sein eigenes Symptom/ Tic evtl. akzeptieren bzw. annehmen zu können und es nicht un/bewusst permanent abzulehnen oder zu bekämpfen. Es ist  gerade der intensive eigene Kampf gegen das Symptom, u.a. vermittels einer massiven Verdrängung, der den Selbst/Hass nur steigert und das Symptom, die Problematik verschlimmert.
 Zizek fand für einen gelingenden therapeutischen Prozess die Formel: "Liebe dein Symptom wie dich selbst." Was viel leichter gesagt als verwirklicht. Denn hinter dem eigenen Kampf gegen das Symptom verbergen sich  tief verinnerlichte, gesellschaftliche Normalisierungsagenturen und Sozialisationsagenten, deren diffizile Verwobenheit mit dem eigenen Kampf erst einmal ins Bewusstsein gehoben sein will. Es ist zudem ein harter Struggle um die Erinnerung jedoch auch um die adäquate Deutung von verzerrten, verschobenen, verstellten Erinnerungen, die erinnert, wiederholt und angemessen durchzuarbeiten wären. Immer eingedenk dessen, dass es eine "reine objektive" Erinnerung an eine Traumatisierung, die evtl. Jahrzehnte zurückliegt, nicht geben kann. Das Ringen um eine eingermaßen adäquate Erinnerung in einem intensiven kommunikativen analytischen Interaktionsprozess kann gelingen und zu einer starken Veränderung der Person führen.  Es kann jedoch auch scheitern, ob der Schwere der Traumata oder problematischen Introjekte, die eine schwere Abwehr begünstigen, die ein monatelanges  Schweigen bewirkt. Von den Krankenkassen wird Psychoanalyse deshalb öfters als unproduktiv, nicht bezahlbar evaluiert. Das Ziel von Psychoanalysen  besteht zwar in der Auflösung von Symptomen. Meistens läuft es jedoch auf eine gewisse Aussöhnung mit seinen Symptomen hinaus, eine Art Waffenstillstand oder Feuerpause, die sich als fragil erweisen kann.
 Wie die Reflexivmodernen von einer reflexiven Identitätsarbeit zu sprechen, führt mehrfach in die Irre. Denn sie begehen mehrere Irrtümer. Der erste besteht darin, dass der Einzelne vermittels Selbstreflexion einen ähnlichen Erkenntnisprozess vollziehen könnte, der in langjährigen Psychoanalysen möglich ist. Der andere besteht darin zu glauben, dass es eine Identität gäbe, die durch eine (protestantische) "Identitätsarbeit" erreichbar ist.  Die Reflexivmodernen setzen auf ein positivistisches, behavioristisches Lernkonzept und Funktionieren der Psyche, das  nicht mit dem unheimlichen, dynamisch Unbewussten rechnet. Es gerade ob seiner Unheimlichkeit, seiner Unberechenbarkeit zu verdrängen, abzuwehren und abzuspalten versucht. Deshalb  arbeitet die reflexivmoderne Identitätspsychologie als auch "Forschung" mit einer unzureichenden Vereinfachung und Unterkomplexität einer unrealistischen behavioristischen Modul-Psyche, die nach der Methode von Plastik-Lego-Bausätzen funktioniert. Die Reflexivmodernen haben es zudem  vermieden sich als Neo-Behavioristen zu outen. In den linken Sozialwissenschaften war und ist dies ein No-Go. Aber falls die Untersuchungen betrachtet werden, auf die sich die Reflexivmodernen und die späten Gemeindepsychologen berufen, so kann festgestellt werden, dass ihnen meist ein behavioristisches Forschungsdesign zugrunde liegt. Etwa Antonovskys Forschungen, die sie breit rezipieren, mit seinem positivistischen Soc,  Behaviorismus, seiner Ressourcen- und Stressorenorientierung, aber auch etlichen anderen. Es sind wirklich krasse alptraumhafte, orwellsche Dimensionen, falls wirklich die enorme auf ausgefeilter Statistik beruhende Präventionsorientierung angewendet würde, die Antonovsky der Gesellschaft realiter empfiehlt.
 Wenn Therapien gelingen spielen oft  Persönlichkeitsvariablen eine große Rolle, allerdings auch wenn sie scheitern. D.h., dass letztlich eine kaum zu Beginn abzuschätzende "Inkompatibilität" zwischen der Person und dem Unbewußten der Analytiker/in und der/ dem des Klienten bestand, die/das problematische, pathogene Prozesse evtl. mehr anstößt als heilt. (Das trifft auch auf  alle anderen Therapien zu. Besonders jene bei denen der Klient sich den Therapeuten nicht selbst aussuchen kann.)
Unter den postmodernen gesellschaftlichen Bedingungen der Zwangs/Individual/Atomisierung dürfte verstärkt zutreffen was Christian Morgenstern schon Anfang des 20.Jhs. erkannte:  "Einander kennenlernen, heißt lernen, wie fremd man einander ist."
In Freuds Studien über Hysterie und in der Traumdeutung stand das Erforschen, das Verstehen des Unbewussten im Vordergrund, das ihn  bis zu seinem Tod und die Psychoanalyse weiter begleitete. Störungen waren nur zu lindern, falls man seiner irrationalen Dynamik, seiner Psycho-logik, genügend Raum des Ausdrucks, der Beobachtung, Reflexion und Kommunikation einräumte. Immer unter dem Vorbehalt, dass es zu mächtig, zu komplex, zu opak, um es vollends zu verstehen.
 Obwohl  Freud den aufklärerischen Wunsch äußerte, „wo Es war soll Ich werden,“ erstaunt letztlich die labyrinthische, kafkaeske Intransparenz noch seines "Aufriss der Psyche".  Unterbewusstsein und Bewusstsein  verhalten sich nahezu abgeriegelt zueinander, bilden Fremdkörper. Außerdem arbeitet in den meisten Fällen das Unbewusste nichtidentisch. D.h. es opponiert, konterkariert oder unterläuft angeblich bewusste Entscheidungen, Meinungen, Haltungen und "Identitäten", wie ES  auf den verschlungensten, nicht reflexiv einholbaren Pfaden komplex dialektisch  auf vermeintlich "bewusste" Entscheidungen Einfluss nimmt.
In den 50 er Jahren des letzten Jahrhunderts begann sich die Psychoanalyse nach den Forschungen von Anna Freud auf das Ich und seine Abwehrmechanismen zu konzentrieren, auf die gesunden bzw. "kranken", selbst/destruktiven Anteile des Ichs. Die Forcierung der Ich-Psychologie sollte, gleich der späteren behavioristischen Identitätspsychologie, der Stärkung des Ichs dienen, eine Konstante bis heute. Die Frage bleibt, ob ohne gebührende gleichschwebende Aufmerksamkeit für das Unbewusste, sie wirklich der Ich-Stärkung dienen oder nur dessen frommen Wunsch.
Es ist schon bezeichnend, dass die sozialwissenschaftlichen 68er als Intellektuelle und Protestierende bis Anfang der 80er Jahre des 20 Jh. aus og. Gründen in Diskussionen, Medien und Konferenzen meist vehemente Kritiker des Behaviorismus/VT-Verfahren waren. Gerade sie warnten gegen Ende der 70er Jahre, die die Kritik vor ihrem Verebben noch einmal anschwellen ließ, vor einer absehbaren neobehavioristischen Wende an den Universitäten und den kassenärztlichen Psychotherapieverfahren. Vor einem anschwellenden fakultären und kollegialen Kapitaldruck, der zu bekämpfen wäre. 
(Gleichermaßen warnten sie vor der Krake der Systemtheorie, die alle Kritik beginnt affirmativ zu unterminieren. Vor reflexiver Modernisierung, vor radikalem Konstruktivismus, vor einer überbordenden KI-Forschung, vor einer Neuroscience, die eine invasive Computer/Brain/Interface/ Schnittstelle erforsche und hervorbringe, deren unendliches Manipulationsvermögen niemand mehr außer wenige Experten kontrolliere. (Siehe Musks Neuralink)). Praktisch trafen die frühen 68er Kassandrarufe alle aktuellen dominanten liquid sciences.   Aber gleichermaßen ernüchternd wie deprimierend ist, dass die meisten frühen 68er- Kassandras den Kapitaldruck Mitte der 80er durch die reflexivmoderne Wende und ausufernde Systemtheorie selbst vollzogen. Sie sahen für sich anscheinend keine Möglichkeit mehr anderweitig Forschungsgelder zu requirieren. Also verschrieben sie sich dem Mainstream, um ein weiterhin finanziell lukratives und angenehmes Leben führen zu können. Sie sind praktisch von Mahnern zu Vollstreckern ihrer eigenen einst ziemlich schwarzen, dystopischen Prophezeiungen geworden.
(Ein weiteres Argument für Krankenkassen und Gesundheitspolitiker war, dass die VT-Verfahren aufgrund kürzerer Laufzeiten  Kostensenkungen bedeuten. Sie wurden allerdings im Gegensatz zu Psychoanalysen mit einer kürzeren Wirksamkeit bezahlt. In UK bietet der NHS einen Chatbot für medizinische als auch psychologische Therapien an, gleichfalls die amerikanische FDA (Wysa). In Europa werden demnächst ähnliche Chatbots angeboten. Für die Krankenkassen ein lohnendes Projekt, denn sie verursachen in Gegensatz zu Verfahren mit menschlichen Therapeuten kaum Kosten. Aus den Forschungen der Neurobiologin Ruth Feldman geht jedoch hervor, dass bei digitaler respektive technologisch implementierter Kommunikation nur ein Bruchteil der Informationen fließt, der bei einer direkten Kommunikation zwischen zwei Personen ausgetauscht wird. Diese Forschung ist definitiv auf ein therapeutisches Setting mit echten Menschen übertragbar. Es belegt, dass unbewusste Kommunikation ein wesentliches Wirkmedium ist. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass ohne Berücksichtigung des Unbewussten in Therapien auch wesentlich weniger Wirksamkeit  erzielt wird.)

 Foucault gab in dem Vorlesungszyklus die Regierung der Lebenden (1980) eine der aufregendsten, verstörendsten Ödipus' Interpretationen. Damit er der Wahrheit auf die Schliche  kommt, produziert Ödipus eine Alethurgie. Um die Aussagen von Orakeln, Sehern und Schicksalsmächten, die seine Macht in Frage stellen, zu überprüfen, inszeniert er ein "Wahrheitsfindungsverfahren", das Aussagen  auf ihre Realität hin befragt. Sogar die  Verpflichtung aussprechend sich dem Ergebnis des Verfahrens zu unterwerfen. Er  wird zum "Operator seiner eigenen Wahrheit." Zum ersten Mal eine höchst rationale Wahrheitsmanifestation organisierend, die schon die Rationalität von modernen juristischen Indizien/Prozessen birgt. Das Ergebnis allerdings  nicht aushaltend, begeht er die berüchtigte Selbstblendung. Was ihn noch stärker als Individuum konstituieren sollte, bricht ihn gleichermaßen. Wird der ganze positivistische Aufwand der Wahrheits- und "Identitätssuche" nicht in der finalen Blendung verworfen ? Denn sie führte ihn zu einer Erkenntnis mit der er nicht leben konnte. 
Die Analyse von Ödipus Sprechakten ist nicht weniger aufschlussreich. Er  bemüht sich zwar um  Eindeutigkeit, realiter schleicht sich jedoch immer eine andere Bedeutung ein. Er zeichnet sich stets durch seine Doppeldeutigkeit aus, wie er permanent Bruder und Vater, Ehegatte und Sohn zugleich. "Er ist eine doppelte Persönlichkeit, dessen zwei Hälften, wenn sie zur Deckung kommen, seine Einheit zeigen und gleichzeitig seine monströse Dualität offenbaren."  Dies ist umso bemerkenswerter weil die Sage  u.a. auf das historische Stadium ihrer Entstehung reflektiert, in dem die Herrschaft des Patriarchats sich zementierte, in dem  das Wissen vom biologischen Vater, von der Abstammung, immer bedeutender wurde. Aber, worauf es ankommt, kein anderer Gründungsmythos des Westens erzählt so dezidiert davon, dass das Gattungssubjekt als Mensch, gerade wenn es glaubt am rationalsten zu handeln, (unbewusst) andere täuscht, sich aber  auch über sich selbst täuscht. Zu aller Tragik den Irrtum, wenn überhaupt, erst aufklären kann, wenn es zu spät ist. Und die Folgen der Erkenntnis der Schuld, denen es nicht gewachsen, nicht verarbeiten kann.
 Vermittels der Ödipussaga gingen einige renommierte Erkenntnistheoretiker noch einen Schritt weiter und erklärten die positivistische Erkenntnissuche, vor allem die wer-bin-ich Frage, generell als Verblendung.  Durch die man/frau womöglich am Ende Ödipus ähnlich verloren, was unter gegebener kapitalistischer Vergesellschaftung ziemlich wahrscheinlich ist.
Am Anfang des philosophischen Wissenschaftsdiskurses in der Antike steht,  durch Ödipus Rex hindurch, die  große Skepsis der antiken Dialektik der Aufklärung, was positives Wissen überhaupt bewirken kann. Zugleich symbolisiert die Tragödie eine herbe Warnung, dass das erforschte  Wissen auf den Menschen unbeabsichtigte, unvorhersehbare, verheerende "Nebenfolgen" zeitigen kann, die sich zu deren tödlichen Hauptfolgen entwickeln. Die Sage taugt zur Flaschenpost, die nie wirklich verloren ging, sich erst heute vor allem in ihrer grandiosen Verblendungsdimension vollends zu bewahrheiten scheint. Besonders in der fortgeschrittenen liquid modernity, die durch rasant sich selbst beschleunigende, potenzierte, computerisierte, digitalisierte  Wissenschaften  unübersichtliche, diversifizierte Methoden und  Erkenntnisse produziert. Es ist eine Wissenschaftsindustrie entstanden die mächtige, konkurrierende, sich oft widersprechende Erklärungsansätze hervorbringt (z.B. Allgemeine Relativitätstheorie vs Quantenphysik, Multiversen vs Stringtheorie, Dark Matter vs Dark Energy. Oder Kritische Theorie/NKT vs Reflexive Modernisierung, vs Klassische Sozialpsychologie, vs Neo/Behaviorismus, vs Systemtheorie). Wissenschaftler/innen  mögen sie zu lösende Rätsel aufgeben, die allerdings ständig weitere produzieren. Als Nicht-Akademiker/in, Vereinzelte/r  steht man/frau diesen Wissensdiskursen oft verloren und desorientiert gegenüber. Auch Akademiker/innen verschiedener Fachrichtungen können über einen Gegenstand kaum angemessen kommunizieren, aufgrund der verschiedenen Zugänge, Methoden, Wissensgebiete. Als Vertreter meist positivistisch konkurrierender Wissenschaftsansätze/ science approaches stehen sie sich feindlich gegenüber, indem sie    sich oft wie "falschgläubige" religiöse Sektenmitglieder bekämpfen/ batteln. Was wiederum mit einer gesteigerten paradoxalen Wissenproduktion einhergeht.
Die amerikanische BRAIN Initiative und das europäische Human Brain Project stellen den aktuellsten Versuch dar, das menschliche Gehirn vollends zu entschlüsseln. Manche Forscher versuchen die neurochemische, synaptische Informationsverarbeitung, die Reizleitungsübertragung mittels Big Data und Neuronalenklongeweben zu simulieren. Man darf auf die Ergebnisse des Connectome Project gespannt sein. Aber es ist anzunehmen, dass sie  ein ähnliches Schicksal gleich der KI-Forschung ereilt. Sie produzieren zwar nach wie vor Big Datas und spannende Ergebnisse. Nur inwiefern sie auch tatsächlich die Informationsverarbeitung eines menschlichen Gehirns simulieren und nicht nur die ihres Modells bleibt fraglich. Ein menschliches Gehirn ist unteilbar mit einem menschlichen Körper verbunden auf dessen umfangreiche Körpersensorik und Sozialgeschichte es angewiesen ist. Ganz zu schweigen vom freudschen Unbewussten, das jedes lebende Gehirn auf seine ganz spezielle vermutlich nie zu erforschende Art und Weise ticken/ funktionieren lässt. Überhaupt wäre spannend ob die vollständige Simulation eines Human Brains überhaupt noch eine Theorie des Unbewussten nahe legt oder per se komplett verwirft.
Die Evolution brachte mit dem menschlichen Gehirn einen hochkomplexen Wahrnehmungs-, Kommunikations-, Kognitions-, und Körperregulationsapparat hervor. Er war im Überlebenskampf des Steinzeitmenschen ziemlich funktional. Seit dem Neolithikum erwies er sich durch seine Neuroplastizität als Meister der Naturausnutzung/-beherrschung. Die letzten Jahrtausende zeichnete er sich zudem als Baumeister, Kulturkonstrukteur und letztens als hybrider Wissenschaftsproduzent aus. Nur scheint diese Hyperkomplexität gepaart mit enormer Plastizität mit einer gravierenden Nebenwirkung einherzugehen, einem eklatanten Mangel, einer scheinbar bis heute vorherrschenden Unmöglichkeit von Selbsterkenntnis, von der das Freudsche Unbewusste spät zeugte. Selbsterkenntnis war offensichtlich  seit Beginn an kein Selektions- oder Survivalvorteil. Eher drürfte das Gegenteil zutreffen. Erst in der Postmoderne wird von einigen reflexiven Psychologien/ Psychotherapien eine forcierte (Selbsterkenntnis ?) vor allem jedoch Identitätskonstruktion als Heilsversprechen propagiert. Aber selbst in dieser Epoche bleibt fraglich ob dies wirklich zielführend, wie sie meinen, oder weiterhin  das Gegenteil bewirkt: Verblendung. Schon einmal musste der berüchtigste Denker der Antike nach endlosen dialektischen Reflexionen, für die das Prozeßhafte des dialogischen Denkens den  wichtigsten Erkenntnisfortschritt bildete, sich eingestehen: Ich weiß, dass ich nicht weiß. Dies war trotzallem noch eine reflexive Erkenntnis.

Luhmann reflektierte jedoch zudem auf die Bedingungen von Wahrnehmung und Erkenntnis im Bewusstsein, was letztlich die Möglichkeiten von Selbsterkenntnis weiter beschnitt. "Bewusstsein bedeute die Wahrnehmung der Leistungen des eigenen Hirns zu blockieren, den Prozess der Entstehung dieser Wahrnehmung auszublenden und alle Resultate der Wahrnehmung der Außenwelt und nicht etwa der eigenen Wahrnehmungsleistung zuzurechnen; das Bewusstsein löscht Informationen über den Ort, an dem die Wahrnehmung stattfindet." 53a 
Nietzsche war der berüchtigste Genealoge der Moral und Analytiker des Abendlandes. Es gibt nur sehr wenige, die seiner dynamischen Seelenerforschung auf Augenhöhe begegnen können. Wir erfahren durch ihn einen großen, performativen Widerspruch, ein Paradoxon. Dessen Texte durch die großen Antithesen, die sie aufspreizen, siehe den Kampf Apollons gegen Dionysos, ungemein lebendig wirken. Allerdings  je schonungsloser er die Psyche vivisezierte, zergliederte, je tiefer er zu tauchen meinte um so weniger glaubte er zu finden. 
 "Wir sind uns unbekannt, wir Erkennenden, wir selbst uns selbst: das hat seinen guten Grund. Wir haben nie nach uns gesucht,- wie sollte es geschehen, dass wir eines Tages uns fänden ?.... Jeder ist sich selbst der Fernste, -für uns sind wir keine Erkennenden."53b In den unzeitgemäßen Betrachtungen fragt er noch skeptischer: "Wie kann sich der Mensch kennen. Er ist eine dunkle und verhüllte Sache; und wenn der Hase sieben Häute hat, so kann der Mensch sich sieben mal siebzig abziehn und wird noch nicht sagen können: das bist du nun wirklich, das ist nicht mehr Schale." 53 c
 Die Abhandlung über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne aus dem Nachlass ist erst mit der KSA, der Kritischen Studienausgabe von Colli/Montinari einem größerem Fach/Publikum bekannt geworden. Erstaunlich ist welch rasante Verbreitung sie in der Sekundärliteratur zu Nietzsche und in der allgemein erkenntnistheoretischen erfuhr. Sie führt Nietzsches generellen Zweifel den er gegenüber dem Erkennen hegt am breitesten aus, und erstreckt ihn später über die Entstehung der Sprache und der Begriffe.
"Was weiß der Mensch eigentlich von sich selbst! Ja, vermöchte er auch nur sich einmal vollständig, hingelegt wie in einen erleuchteten Glaskasten, zu perzipieren? Verschweigt die Natur ihm nicht das Allermeiste, selbst über seinen Körper, um ihn, abseits von den Windungen der Gedärme, dem raschen Fluß der Blutströme, den verwickelten Fasererzitterungen, in ein stolzes, gauklerisches Bewußtsein zu bannen und einzuschließen! Sie warf den Schlüssel weg: und wehe der verhängnisvollen Neubegier, die durch eine Spalte einmal aus dem Bewußtseinszimmer heraus und hinabzusehen vermöchte, und die jetzt ahnte, daß auf dem Erbarmungslosen, dem Gierigen, dem Unersättlichen, dem Mörderischen der Mensch ruht, in der Gleichgültigkeit seines Nichtwissens, und gleichsam auf dem Rücken eines Tigers in Träumen hängend."



Individualisierung, Psychomachia, protestantische Identitätsexaminierung, Identitywars


Entgegen den erkenntnistheoretischen Reflexionen einer aufklärenden Wissenschaft haben die reflexivmodernen und klassischen Sozialpsychologen rein positivistische Erkenntnisinteressen. Dazu müssen sie die  Psyche  mit jenen Dispositiven zurüsten, die sie erst zu einer vergleichbaren, konkurrierenden, evaluierbaren und dadurch stark vereinzelten machen. Diese sind aber zugleich gesellschaftliche, d.h. schon vom avancierten Kapitalismus in Anschlag gebrachte, der nur auf "Gesellschaftswissenschaftler/Soziologen/Sozialpsychologen/Psychologen" wartete, die sie für ihn ausformulierten respektive ausbuchstabierten. Das Forschungsprogramm der Reflexivmodernen, die Sozialwissenschaft auf eine Zweitmoderne zu justieren, spricht diesbezüglich Bände. Es gilt nun ihre Programme als auch Dispositive weiter kritisch zu befragen und zu dechiffrieren.
Die Employability baut auf der gleichermaßen bedeutendsten postmodernen Konformierungs- und atomisierenden “Normalisierungsdynamik“ auf: der Individualisierungstheorie. Obwohl immanent logisch enorm widersprüchlich konstruiert, lässt sie den Rezipienten, das sind mehrere Generationen von Studierenden, keine Möglichkeit sich anders als individualisiert zu denken, zudem, was viel gravierender sich auswirkt, zu entwerfen. Denn Individualisierung wird als ein systemisch hermetischer  Vergesellschaftungsmodus vorgestellt, dem niemand entkomme. Diese Art der systemischen Theoriekonstruktion versperrt per se den Weg zum solidarisch kollektiven Handeln, weil die Individualisierungstheorie derart letztlich extrem monolithisch präskriptiv wirkt.54 Differente Lebensentwürfe werden gegen politische Kritik immunisiert, denn über den individuellen Lebensentwurf kann in der Logik der Individualisierungstheorie niemand mehr entscheiden. Sogar das Individuum nur sehr sehr marginal, obwohl es ziemlich widersprüchlich von den Reflexivmodernen auch dazu aufgerufen wird. Z.B in jenem vermeintlich ironischem: "Du hast keine Chance aber nutze sie." Das Bonmot sollte von einem gewissen Witz des Autors Beck zeugen. Im Grunde jedoch bringt  es das ganze Theoriedilemma der reflexiven Modernisierung auf den Punkt.
 Gerade die soziale Ungleichheit, die maßgeblich über die Qualität der Lebensentwürfe entscheidet, wird durch die Individualisierungstheorie der politischen Kritik entzogen. Materiell arme und reiche Lebensentwürfe der systemischen Hermetik zu attribuieren, heisst sie in letzter Konsequenz dem Individuum anzulasten. Dem wäre mit Walter Benjamin zu begegnen, der den Weg von der Kulturalisierung der Politik zur Politisierung der Kultur empfahl. Berechtigte Wünsche für eine andere Gesellschaft werden dadurch nicht mehr im Keim erstickt.
Laut Beck mutierte die Individualisierung inzwischen auch zum Schicksal des Ostens.55 Eine ungeheuerliche Aussage, weil es im Grunde großer kuturwissenschaftlicher Studien bedürfte um sie zu verifizieren. Sie ignoriert die Tatsache, dass  der Osten sich ziemlich ethisch wie ethnisch diversifiziert darstellt. Vor allem aber raubt Beck damit dem Westen die seit der Antike bestehende Projektionsfolie seiner Erlösungsphantasie von sich selbst. Das Selbstverständnis transportierend, alle anderen da draußen in der großen weiten Welt stehen unter dem selben Individualisierungsbann oder sind gar wie “wir“. (Eine Vorstellung die mehr oder weniger leicht schaudern lässt). Die Unausweichlichkeit ist aber weniger ein soziologischer oder volkswirtschaftlicher Prozess, sie liegt vielmehr in seiner Art der Deskription, die scheinbar abwägt, letztlich aber auf eine Präskription hinausläuft. Genaue Analysen stehen noch aus, lohnten größerer Dissertationen, weil in dieser Sprache kein Wehren kein Aufruf zum Widerstand gegen dieses Verhängnis zu spüren, wenn überhaupt, nur laue Ambivalenz.
Die Employability stellte die letzte Konsequenz der Individualisierungstheorie. Dazwischen ebnete vor allem Keupps reflexivmoderne "Identitätsforschung" mit ihrer durch Mark und Bein dringenden perennierenden Identitätsfragerei, die expliziteste, verdinglichende- wie gleichermaßen vereinzelnde Formatierungsstategie der postmodernen “zivilgesellschaftlichen“ bürgerlichen Psyche. Mehr als alle anderen Soziologie- und Psychofachbereiche zusammen, obwohl diese ihr Scherflein genauso beitragen. Dabei ist sie nur eine radikalisierte Abschöpfung (Nachahmung/ Kopie/ Imitatio) einer wirkmächtigen, alle anderen überschattenden Version des Protestantismus, die den individualatomisierenden, gouvernementalen „Bürgerkrieg inmitten des Selbst“ trug.
 Der Protestantismus war seit seinen Anfängen mit der Quadratur des Kreises beschäftigt als er das Individuum zu bestärken beabsichtige vermittels  Individualisierung, "Individuierung" und Subjektivierung. Graf spricht nur halbironisch von  "der Erfindung der Innenwelt", die bis dato in solchen unermeßlichen Dimensionen nicht existierte. Die Theorie und Praxis über den Protestantismus, (ua. Ehrenberg, das Ungehagen in der Gesellschaft, Suhrkamp, 2012), wies darauf hin, dass dies einen der großen Unterschiede zu den Katholiken markiert. Anders als die Humanisten sehen die (frühen) Protestanten im Individuum
nicht einen autonomen Mikrokosmos, sondern einen Mikrochristus“. Dies war aber nur der Anfang. Über  den berühmten verstorbenen Theaterregisseur Claus Peymann war im Spiegel (17.7.2025) zu lesen: "Ich bin ein Bremer Protestantenkind und habe mich ausgerechnet... mit dem vom Katholizismus gezeichneten Großgrundbesitzer aus Oberösterreich Thomas Bernhard (Heldenplatz) verbunden. Einen größeren Unterschied in Mentalität und Denken gibt es ja gar nicht."
 Heute wissen nur noch die Kenner wie radikal der Bruch mit der katholischen Exegese des Neuen Testaments war. Die protestantische Exegese schuf einen gänzlichen neuen "Zugang zum Subjekt" oder besser Zugriff auf das Subjekt. Bei Luther schon angelegt, jedoch auch in der Nach-Luther-Zeit und noch einmal radikalisiert seit der Aufklärung. Die Prüfungs- wie Selbstprüfungstechniken der Subjektivität liefen auf eine extreme Individuierung hinaus. Neue protestantische Anforderungen an die Selbsterkenntnis und die daraus abgeleitete individuelle Kompetenz, durch eine krasse Psychomachia, sprengten alles bisher Gekannte. Individuelle Kompetenzen und Fähigkeiten wurden zur Voraussetzung für einen Vermögensaufbau. Der Protestantismus scannte die Menschen ziemlich utilitaristisch und ging damit Hand in Hand mit dem aufkommenden Kapitalismus. Man war als Protestant nicht nur sich selbst gegenüber verpflichtet das Beste und Mächtigste aus sich herauszuholen, sondern jetzt vor allem auch Gott gegenüber.  In der Postmoderne mit ihrer Vielzahl an Tribes erfuhr der Protestantismus im Westen eine ungeahnte Renaissance, man könnte sogar von einem neuen protestantischen Zeitalter  sprechen. Die Protestanten hatten bis zur Postmoderne mehrere Schwerpunkte, die speziell in der Postmoderne eine nie gekannte Blüte entfalteten. Einer dieser Schwerpunkte drehte sich um den moralischen Charakter einer Person und wie stark sie sich um einen solchen bemüht. Ein weiterer  um die Ich-Entwicklung und "Ich-Identität".  Zudem wurden die generellen Fähigkeiten einer Person fokussiert und   eine ziemlich antiquierte ontologische Identitätsfixierung reanimiert. Auch wurde oft ziemlich Widersprüchliches forciert als auch beurteilt, ua. inwiefern eine Person sich selbst und der Gesellschaft von Nutzen ist. In der reflexiven Modernisierung (der Postmoderne) erfuhren diese Kriterien als "sozialwissenschaftliche" Konstrukte eine nie gekannte Skalierung und Reichweite.  Dh. der Druck auf die Subjekte selbst wuchs exponentiell, damit auch die Möglichkeiten an diesen postmodernen, protestantischen Kriterien zu scheitern. 
Es ist offensichtlich, dass die reflexivmoderne Sozialpsychologie/Soziologie den Individuen eine Menge Probleme bereitete, die es ohne sie gar nicht gäbe.
Die Avisierung einer individuellen protestantischen Identität, die es selbstquälerisch beruflich als auch dem Glauben entsprechend umzusetzen galt, stellte seit Luther die katholische Theologie auf den Kopf. Protestantische Pastoren traten zunehmend als strenge individualisierende Coaches,  Glaubens-, Familien- und Berufsfragen betreffend auf. Von ihnen wurde ebenfalls viel erwartet. Aber in der Rückschau  ist ziemlich unklar, woher sie all diese Beratungskompetenzen eigentlich nehmen sollten ? Nur aus der protestantischen Bibelexegese ? Ihr Gottvertrauen verleitete sie oft dazu Ratschläge von zweifelhafter Wirksamkeit zu geben.
 Sie arbeiteten eine Form der vermeintlichen Selbstermächtigung als auch des Subjektivismus aus, die/der im Katholizismus unbekannt,  vor allem aber gotteslästerlich wäre. Schon Luthers Projekt bestand darin die Bibel mit Melanchthon ins Deutsche zu übersetzten. Jede/r sollte sich selbst ein Bild von der Heiligen Schrift machen, sie interpretieren, exegetieren, seinen individuellen ganz persönlichen Glauben darauf gründen, um in eine ganz eigene, individuelle Gottesbeziehung zu münden. Eine Verlagerung von der Kirche zur Seele" wird eingeleitet. Was noch zu Lutherzeiten aufklärerisch anmutete, bildete den Anfang komplett neuartiger Formen von Subjektivismus, dessen Forcierung in gewissen Epochen andererseits von nie gekannter Isolation und Vernebelung bedroht war.      Umso verwunderlicher,     dass        das  „protestantische   Bild der Gesellschaft organisch oder holistisch blieb. Zwar wird in religiösen Dingen eine Hierarchie abgelehnt, aber in den weltlichen Angelegenheit aufrechterhalten." Die vermeintliche protestantische Selbstermächtigung traf auf gesellschaftliche Hierarchien, die ihr schnell die Grenze aufzeigte.  Heute wird der Protestantismus als eine reformierte Religion portraitiert, die sehr humanistisch geprägt sei. Aber Ehrenberg hat superb herausgearbeitet, dass gewisse puritanische Sekten, was im Calvinismus schon angelegt, spezifisch modifizierten und den Protestantismus generell zu prägen begannen. Aus dem Folgenden geht erschreckend hervor, wie tough der Protestantismus  nicht nur auf die Person einwirken, sondern sie in ihrem Innersten formen respektive beherrschen will:

Die calvinistische Lehre von der doppelten Prädestination behauptet, daß manche geboren wurden, um gerettet zu werden, und andere, um verdammt zu werden, wobei jeder Mensch, was auch immer sein Schicksal sei, auf diese Weise den Ruhm Gottes offenbart. Sie impliziert, daß die Gleichheit in geistlichen Dingen nicht von einer neuen Freiheit begleitet wird, sondern von einer gesteigerten Unterordnung unter Gott, dessen Ratschlüsse den Menschen unverständlich bleiben und bleiben müssen, denn seine Größe ist unermesslich. "In ihrer pathetischen Unmenschlichkeit«, schreibt Max Weber, »mußte diese Lehre nun für die Stimmung einer Generation, die sich ihrer grandiosen Konsequenz ergab, vor allem eine Folge haben: ein Gefühl einer unerhörten inneren Vereinsamung des einzelnen Individuums. « Die Kombination der religiösen Gleichheit, die die Deutung der Texte demokratisiert, mit der Unterordnung unter die doppelte Prädestination, die das Schicksal des Individuums von seinen Verdiensten unabhängig macht und auf diese Weise seine Seele zerreißt, bringt eine Askese hervor, in der die Selbstprüfung eine zentrale Rolle spielt. Dabei handelt es sich um ein nachdrücklich empfohlenes und höchst anerkanntes Verhalten, das der Stellung der Beichte im Katholizismus entspricht, insbesondere hinsichtlich der Ungewißheit des Auserwähltseins. „Die puritanische Askese“, schreibt Weber, „[. ..] arbeitete daran, den Menschen zu befähigen, seine konstanten Motive insbesondere diejenigen, welche sie selbst ihm einübte, gegenüber den Affekten, zu behaupten und zur Geltung zu bringen: -daran also, ihn zu einer “Persönlichkeit" in diesem, formal-psychologischen Sinne des Wortes zu erziehen." Als Anhaltspunkte für diese Prüfung verfügen die Gläubigen über eine neue literarische Gattung: die beispielhaften Autobiographien der Puritaner, deren Vorbild die Bekenntnisse Augustinus' sind, wobei das Alte Testament selbst als eine Reihe beispielhafter Biographien gelesen wurde. Diese reichhaltige Literatur zeigt, worin das Dilemma der puritanischen Identität besteht: »Die Selbstprüfung dient nicht zur Befreiung, sondern zum Zwang; die selfhood erscheint als ein Zustand, der überwunden, entwertet werden soll, und die Identität wird durch einen Akt der Unterwerfung unter eine absolute Transzendenz behauptet. "Die beispielhafte Autobiographie wiederholt endlos die Zerfleischung des Selbst: Ist es von Gott verlassen oder besitzt es die Gnade? Die persönlichen Schriften werden nach dem Modus eines »Rituals der Verherrlichung und des Exorzismus" gestaltet, denn die puritanische Zerreißprobe währt stetig. Das wahre Selbst erkennt sich in der von Gott zugestandenen Gnade, einer Gnade, die man empfängt, ohne zu wissen warum und ohne zu wissen, ob man sie überhaupt empfangen hat, die aber dennoch Gegenstand einer dauernden aktiven Suche sein soll. Der Gläubige ist zugleich Patient und Akteur des religiösen Lebens. Der Reformierte ist aktiver als der Katholik, da er eine Kirche ist, und passiver als dieser, da die Gnade nicht von seinem Verdienst abhängt. Der Begriff der Auserwähltheit kennzeichnet diese zweifache Ausrichtung auf das Handeln und das Erleiden. »Die beispielhaften Lebensgeschichten stellen (nur vermeintlich OM) die kraftvolle Abwehr der Reformation gegen den Subjektivismus dar. Gleichzeitig gestatten sie (Illusorisch OM) den Kampf gegen die Gefahr der Fragmentierung, die daraus erwächst, daß jedermann die Bibel interpretieren kann, und die Milderung der Angst der Gläubigen, die in der Darstellung dieser Lebensgeschichten eine Inszenierung ihrer Dilemmata und deren Auflösung fanden. Die andächtige Imitatio ist nicht das kontemplative Leben des katholischen Mönchs, sondern eine aktive Erfahrung. In der puritanischen Grundlegung ist die Krise des Selbst seine normale Funktionsweise: auserwählt oder verdammt? Diese bohrende Frage erzeugt einen »wiederkehrenden psychischen Druck, der gleichbedeutend ist mit einem Bürgerkrieg innerhalb des Selbst. In »Auto-Machia« (1607), einem beliebten Gedicht der puritanischen Literatur, schreibt George Goodwin: »Ich besinge mein SELBST, meine inneren Bürgerkriege [I sing my SELF; my Civil Warrs (sic) within].<' »Ich kann weder mit meinem Selbst noch ohne es leben", schreibt er an anderer Stelle. Dieser »tödliche Narzißmus«, einer Formulierung Bercovitchs zufolge, läßt sich in den äußersten Spannungen des Selbst erkennen, in der peinlich genauen und ständigen Selbst-prüfung, die der Puritaner praktiziert. Hochwürden Richard Baxter erinnert daran, daß »das große Mittel zur Überwindung dieser Ungewißheit die Selbstprüfung ist«; die sich auf den Glauben und die Bibel stützt. Der Gläubige schwankt zwischen Beschwichtigung und Verzweiflung hin und her. Die beispielhaften Lebensgeschichten, die von den Pastoren veröffentlicht werden, verhelfen den Konvertiten, den wahren Gläubigen, zu einer vernünftigen Handhabung dieser Prüfung. Die Psychomachia ist eine literarische Gattung, der das puritanische Amerika größten Wert beimißt.“ (...)
"Die am meisten gelesene dieser geistlichen Autobiographien war die von John Bunyan, Grace Abounding to the Chief of Sinners (1666). In vielen Einzelheiten erzählt er, wie er schrittweise im Laufe von fünfzehn Jahren von einem Zustand, in der er »eine Bürde und ein Schrecken" war, und zwar so sehr, daß es ihm unmöglich erschien, »daß ihm vergeben und daß er vor dem kommenden Zorn gerettet werde'<, zu einem anderen überging, indem, wie er sagt, »es war, als ob ich aus einem Albtraum erwachte«. Diese Erzählungen zeigen Wege auf, um den Seelenfrieden und die spirituelle Ruhe wiederzufinden. Übrigens hat es den Anschein, daß in Neuengland fast "jeder Puritaner, der lesen und schreiben kann, eine Art Tagebuch führt."56

Das Lesen von Autobiografien kam auch im protestantischen Europa in Mode. Die Psychomachia wechselte langsam in die Selbstprüfung ohne sich je vollends aufzulösen. Später gingen die protestantischen Pfarrhäuser dazu über ihren Kindern ebenfalls das führen von Tagebüchern anzuempfehlen. Diese Tagebücher zeichnet meist der innere Zwiespalt, zudem die innere Prüfung aus,  ob die eigene Subjektivität auch den Ansprüchen der protestantischen Tugendhaftigkeit genügt. Oft sind sie Zeugnisse heftiger Selbstzweifel, Seelenpein und dem darauf folgenden Selbst-/Bestrafungsverlangen mit angegliedertem Straf- als auch Bußregister.  Elisabeth Förster-Nietzsche z.B wurde zu  einer passionierten Sündenbekennerin gemacht, erzogen. Im Nachlass ihrer Mutter Franziska fand sich ein Buch von Wilhelmine Oeynhausen, das sie sehr wahrscheinlich ihrer Tochter herzlich reichte und  in damaligen Pfarrhäusern weit verbreitet war. Der Titel ist schon Programm der protestantischen Erziehung: Worte mütterlicher Liebe an meine Tochter, eine Gabe für chritstliche Jungfrauen.(1835). Die Eltern Elisabeth und Friedrich Nietzsches gehörten der nationalistischen, fundamentalistischen, protestantischen Erweckungsbewegung an, (Spuren die sich modifiziert auch in Nietzsches Spätwerk finden). Sie praktizierte eine sehr aufdringliche Art von Sündenbekenntnis, Frömmelei und Sühne, das sie mit einer ausufernden Missionstätigkeit verband. Viele Pastoren die innerhalb und außerhalb Deutschlands "ihr Heil" suchten, waren von ihr geprägt.  Weniger problematisch erschiene, wenn es der private Erziehungsstil von Pfarrhäusern geblieben wäre.  Aber derart verkennt man den protestantischen Missionszwang. Protestantische Priester, Diakone, Laiepriester, Lehrer erprobten ihr Sozialisationsmodell an  ihren Gemeinden und an staatlichen Schulen. 
Alle, die mit ihnen intensiver in Berührung kamen, wurden nicht nur einem strammen Erziehungsprogramm unterworfen, das heute unter dem Label schwarze Pädagogik firmierend, entsprechende Auswirkungen auf die Psyche der Sprößlinge zeitigt/e.  Die Selbstprüfung wurde  solchermaßen mehr oder weniger aufgezwungen. Selbstbeobachtung und Selbstprüfung wuchsen sich zu einer rituellen geistigen protestantischen Praxis aus, die die protestantische Kirche als  sie markierende Methode durch die Epochen schleifte. Sie ist  sowohl aus einem aufgeklärten als auch wissenschaftlichen Standpunkt, ganz zu schweigen von einem gesellschaftskritischen, äußerst fragwürdig, wahrscheinlich sogar schädlich bis hoch neurotisierend. Dennoch hielten die Protestanten an ihrer Methode sektenhaft fest. Wenn derart protestantisch Sozialisierte auf Lehrstühle oder Schulen gelangen, ist darauf zu wetten, dass sie ihre höchst fragwürdige Praxis in Lehr- oder  Identitätstheoreme transformieren. Im 19. Jh. mündete die Selbstprüfung auf einer breiten Ebene in eine neurotische Dauerselbtbeobachtung der Wachsamkeit gegenüber Sünde und Müßiggang.  Damals war  viel dezidierter verbreitet, was sich heute noch beobachten lässt.  Wer sich schon einmal wunderte, warum gerade die Kinder aus protestantischen Pfarrhäusern eine gewisse Verschrobenheit, Seltsamkeit, Selbstbezogenheit, Eigenbrötlerei, unproduktive "Verhaltensauffälligkeit" und Weltfremdheit eignet, gepaart mit Verbohrtheit, Starrsinn und Lebensferne, kann bei Carol Diethes Nietzsches Schwester und der Wille zur Macht fündig werden. Nach dieser Lektüre ist nachzuvollziehen, was die tägliche Selbstprüfung und Dauerselbstbeobachtung noetisch bewirkt. Es wird  ein Überwachungssystem in diese Psychen eingezogen, das sich zu einem Paranoiasystem zu verselbständigen neigt, und das Subjekt in eine Art permanenten Alarmzustand versetzt. Die Paranoia nötigt  die Heimgesuchten es entweder komplett zu affirmieren oder je nach Frustrationstoleranz respektive Reaktanz vehement abzulehnen. Manche wenden  sich aufgrund dieser Erfahrung in einem langen Läuterungsprozess vom Protestantismus und ihrem Elternhaus ab, ohne die Paranoia wirklich abschütteln zu können. Über die Hälfte  der Kinder aus protestantischen Pfarrhäusern oszillieren zwischen omnipotenten Machtphantasien in denen sie sich sehr stark, dominant fühlen und krassen Minderwertigkeitskomplexen, die sie oft alternierend zeitweise in die Depressivität stürzt. Es  sind Symptome von  Traumatisierungen, die sie in ihrer Kindheit und Jugend durch protestantische "Selbstprüfungen", Glaubensfanatismus, Selbsterforschungs- und Sühne-Workshops erlitten. Aber vor allem durch Elternkonflikte, die auf die Intensität des Glaubens und der daraus folgenden "Lebenseinstellung" zielen,  die nicht auf Kompromiss, sondern eher auf Unterwerfung unter die gottähnliche (erlebte) Autorität des Vaters abstellen. Traumata, die sie in der Adoleszenz oft nur durch eine unter Umständen lebenslang begleitende Psychotherapie mehr schlecht als recht kompensieren. Diejenigen, die nicht den Weg der Psychotherapie gehen, versuchen ihre "Dämonen" auf die ein oder andere manipulative Weise auf andere zu übertragen (Wiederholungszwang), d.h. auf sie massiven sektenhaften Druck auszuüben. Nietzsche verstand sich als der Philosoph, der mit dem Hammer philosophiert. Die Deutung liegt nahe, dass in ihm schon jene Verselbständigung der Paranoia arbeitete, die zu seinem Zusammenbruch mit anschließender geistigen Umnachtung beitrug. Ebenso wäre Nietzsches Übermensch als ein Derivat aus der protestantischen Leistungsethik zu lesen; die, ob ihres naiven grenzenlosen Gottvertrauens, komplett illusorische Anforderungen an die/den Einzelne/n richtet, vollends verblendet für die konkreten Möglichkeiten des jeweiligen realen Menschen. Es bleibt weiterhin fraglich ob ihr überhaupt etwas am Individuum an und für sich liegt, oder nur an seiner vollendeten Beherrschung und Ausbeutung.  Diethe meint, dass Oeynhausens "Buch die Bedeutung der täglichen Selbstprüfung in einem Ausmaß betont, dass wir heute vermuten würden, hier solle der Eigenwille des Individuums gebrochen werden." Den Auszug den Diethe  zitiert lautet:

Bedenke, du hast heute:

1.   Gott zu preisen.
2.   Dich empfangener Barmherzigkeit zu erinnern.
3.   Einer Hölle zu entrinnen.
4.   Eine Seele zu retten.
5.   Buße zu suchen und zu thun.
6.   Sünden zu bereuen und zu verlassen.
7.   Ein Paradies zu erlangen.
8.   An den Heiland zu glauben und ihm nachzuahmen.
9.   Um Gnadengeben und ein gottseliges Leben im ernsten Gebete zu flehen.
10. Die Werke des Fleisches durch den Geist zu tödten
11. Zu wachen und nüchtern zu seyn.
12. Die Zeit auszukaufen.
13. Einen Nächsten zu erbauen.
14. Lieblingswerke zu verrichten
15. Eine Welt zu fürchten und doch zu überwinden.
16. Ja, vielleicht selbst den Tod zu erwarten.
17. Und vor Gericht zu erscheinen.

Als Außenstehender, von dieser Kultur Verschonter, mit einer explizit säkularen, aufgeklärten Sozialisation gerät man über diese Litanei eher spontan ins Lachen.  Für die vom Protestantismus Geprägten war es bitter ernst, wenn nicht sogar todernst. Der Unterschied zur katholischen Beichte besteht u.a. darin, dass die katholische Theologie und Soziallehre dem Mensch/Fleisch unterstellt, dass er letztlich immer ein Sünder bleibt, wir alle Sünder sind. Die katholische Beichte  ist, zumal aus einem aufgeklärten Blick seit der Moderne, eher als oberflächliche, nicht ganz ernstzunehmende, dem Volk äußerlich bleibende, wenig wirksame Intervention zu betrachten. Sie geht letztlich davon aus, dass der/die Einzelne  unverbesserlich ist. Eine Verbesserung kann, wenn überhaupt, nur  der "unbewegte Beweger" bewirken. Die Beichte verschafft  eine gewisse Erleichterung, um anschließend fröhlich weiter zu sündigen.
 Der Protestantismus meint es hingegen mit seiner täglichen Selbstprüfung tatsächlich ziemlich ernst. In seiner Sicht wäre die Sünde evtl. zu überwinden, wenn man/fru sich als besonders properes, moralisch reines Subjekt erweist. Dazu muss das Individuum sich tatsächlich selbst verbessern, als auch moralisch optimieren, hart und kontinuierlich an sich und seiner Moral arbeiten wollen. Dies eröffnet einen unheimlichen manipulativen Spielraum für den Vorwurf der mangelnden Ernsthaftigkeit bzw. Motivation innerhalb einer sich sadomasochistisch transformierenden Selbstprüfung.  Seit der Aufklärung radikalisierte der Protestantismus den Selbstverbesserungs -respektive Optimierungsglauben, ihm nach oben nun keine Grenze mehr setzend, d.h.  er kreierte permanent eine Drucksituation auf das Individuum. Sie  offenbarte, dass  sein "Markenkern" definitiv moralisch reine, makellose Subjekte zu produzieren beabsichtigt. Dieser vermeintlichen Fortschrittlichkeit inhäriert jedoch, wie aller prätendierten, eine Dialektik.  Die verinnerlichte religiöse wie subjektive Selbstprüfung, als ein wichtiges Instrument  des protestantischen Optimierungs/glaubens/wahns, greift nun viel vehementer in den Seelenhaushalt, die Psychodynamik ein. Während der Katholizismus in der Post/Moderne "zu einer Kultur äußerlicher spielerischer Rituale" wurde, spitzte der Protestantismus das "verinnerlichte Schuldbewusstsein und den Authentizitätsdruck"57a zu. Wer gar die Sozialisation in einem protestantischen Pfarrhaus erlitt, dürfte vorbewusst von permanenter Selbstprüfung, wie der Frage nach seiner "Authentizität" bestimmt sein.  Er/Sie könnte deshalb aufgrund seines/ihres bizarren Habitus/ Hexis  zu einem relativ interessanten kritischen sozialpsychologischen Untersuchungsgegenstand avancieren. Gerade auch weil er aus  Wiederholungszwang permanent andere zu seinem Identitätsforschungsobjekt  erklärt. Hinter diesem/r seltsamen, überspannten Habitus und Hexis, der oft mit individuellen Symptom/Tics einhergeht, verbirgt sich jedoch zusätzlich ein in der protestantischen Theologie/Sicht hoch wirksamer tiefgreifender, geschichtlicher,  eschatologischer Prozess, der jedes Individuum überfordern würde:
 Die Psychomachia mutierte in die protestantischen Selbstprüfung und erklärt  ihre Vehemenz und Radikalität. Beide sind ein Kampf um die “wahren” Glaubensmotive, um für das kommende Reich Gottes gewappnet zu sein. Es gar durch diesen Kampf gegen Versuchung und Sünde vorzubereiten, ein Kampf in dessen permanenten Ringen die eigene Auserwähltheit eintritt oder auf dem Spiel steht.
 Was diese Theologie realiter in den Psychen der Kinder eines protestantischen Pfarrhauses anrichtet, brachte Michael Haneke  in seinem mit der goldenen Palme preisgekrönten Film, Das weisse Band (2009), ans Tageslicht. Er spürte der autoritären, sadomasochistischen, bedrückenden Atmosphäre eines fiktiven norddeutschen Dorfes (Eichwald) in der Vorkriegszeit des ersten Weltkriegs ziemlich realistisch nach. Besonderer Fokus galt den Praktiken eines protestantischen Pfarrhauses, welches stellvertretend für fast alle anderen stand. Den Kindern wurde eine permanente Gewissenserforschung mit regelmäßigen Geständniszwang vor dem Vater, der zugleich protestantischer Pfarrer, abverlangt, ob sie sich gottgefällig oder lästerlich verhielten. Je nachdem wie glaubwürdig er ihre Geständnisse, ihr Selbstprüfungsringen befindet, werden die Kinder körperlich gezüchtigt. Oder ihnen, bei Bestehen der Prüfung, ein weißes Band an den Arm gebunden zur Ermahnung steter Tugendhaftigkeit und moralischer "Reinheit". Die Kinder standen unter einem derartigen Druck, dass sie ihn nur durch starkes Mobben, unter Druck setzen anderer Kinder in der Schule, weitergeben respektive abreagieren konnten. Als seelisch, körperlich, psychisch tief gedemütigte, verletzte Verletzer traumatisieren sie brutal physisch und psychisch andere, und versuchen alles mit Hilfe ihres protestantischen Pfarrhauses zu vertuschen.
Nietzsches enigmatischte Aussage: Gott ist tot, ließ  hoffen, dass nun auch die Stunde für  das Ende aller autoritär, sadomasochistisch geprägten Herrschaftsverhältnisse schlug. Zumindest war dies ein Versprechen der Moderne, das sich schnell als Illusion erwies, zumindest für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dennoch wiesen sie in der Spätmoderne eine seltsame Veränderung auf. Baudrillard, einer  der artistischten Beobachter und Theoretiker der Postmoderne, beschrieb diese ziemlich schräge Transformation der traditionellen gesellschaftlichen Institutionen am subtilsten:
 "Jedenfalls wird nichts schlicht und einfach getilgt, und von allem, was verschwindet, bleiben Spuren. Das Problem ist das was übrigbleibt, wenn alles verschwunden ist. Es ist ein wenig wie im Falle der Cheshire-Katze bei Lewis Caroll, deren Lächeln immer noch im Raum schwebt, nachdem ihre Gestalt verschwunden ist. Oder wie beim Gottesgericht: Gott verschwindet, aber er hinterläßt sein Gericht. Nun aber ist ein Katzenlächeln an sich bereits furchteinflößend, doch ein Lächeln ohne Katze wäre es noch viel mehr... . Und auch das Gottesgericht ist an sich bereits furchteinflößend, doch das Gottesgericht ohne Gott..."57b
Vergleichbar verhält es sich mit den protestantischen Institutionen. Die protestantische Selbstprüfung war zwar auch ein Antrieb für den modernen Subjektivismus, jedoch zugleich  weiterhin unbewusst mit der Psychomachia verknüpft. In der Postmoderne nach 68 explodierte   der Subjektivismus zu überbordendem, nie gekanntem Polymorphismus  liquider Dynamik.
 Die postmodernen Protestanten gingen dazu über diesen zuerst religiösen Kampf der Selbstprüfung der eigenen Glaubensmotive komplett zu verweltlichen. Dennoch  konnten sie postmoderne/n, liquide/n Subjektivität/Subjektivismus nicht einfach zweck-und wertfrei entstehen lassen. Die von ihnen überwunden geglaubte, letztlich aber nur verdrängte und nicht aufgearbeitete Psychomachia, brachte sie auf den Monster/Trip die überquellende Subjektivität jetzt nach ihrer Identität zu befragen. Ihr längst vergessen geglaubter, verdrängter Seelenk(r)ampf um Auserwähltheit führte nun aus der Tiefe der protestantischen Psyche einen postmodernen Bürgerkrieg, der daraus einen Kampf um und für erfolgreiche, gelingende "Identität" schmiedete. Sowohl um die subjektive als auch berufliche und letztlich um kapitalistische Firmenidentitäten, mehr noch Blockbusterlabels, die nun gegeneinander einen unerbittlichen Konkurrenzkampf führen.
Die kulturelle, protestantische, postmoderne Identitätscodierung prägt heute nicht nur die Wirtschaft und die Firmenphilosophien/Ethiken/Labels, sie wirkt sich besonders auf die Politik negativ aus. Denn  Parteien, politische Gruppierungen und Preassuregroups sind nicht nur ihren Interessen/Lobbyisten verpflichtet, sondern vor allem ihrem jeweiligen Identitätsdesign, was sie aktuell besonders unversöhnlich macht. Sie sind darauf geeicht/ konditioniert die anderen Parteien als Gegenidentitäten zu bekämpfen, dh. gegen sie einen für sie "identitätsstiftenden Identitywar" auszutragen. In Amerika gab es deshalb schon vor Trump einen heftigen Parteienkampf, der zu einer universellen politischen Blockade geriet. Unter Trump hat sich diese Patrteienblockade nicht nur verschärft, sondern mündete in einigen Städten als auch Parlamenten in eine Form des permanenten Bürgerkriegs. Er bringt seine eigenen kampferprobten Bürgermilizen hervor, die ständig die Grenze zu Illegalität überschreiten, indem sie Majors, Gouverneure, deren Familien und Mitarbeiter massiv bedrohen. Der vorläufige Tiefstpunkt dieser Entwicklung gipfelte in Trumps Aufruf zum Sturm auf das Kapitol („Fight like hell"), der sich auch prompt nach seiner Rede Anfang Januar 2021 ereignete. 
Der Identitywar mag zwar das Parteiprofil für die jeweilige Wählerschaft schärfen, er hat jedoch dramatische Konsequenzen. Denn er hilft bestimmt nicht der Gesellschaft als ganzer, die sich derart unweigerlich in ein vermeintliches Gewinner- und definitives Verliererklientel aufteilt,   welches sich in eine bürgerkriegsartig bekämpfende Klientel-, Parteien-  und Stammesgesellschaft aufspaltet. Sie ist Ausdruck und Symptom einer  letztlich massiven, atomisierenden Konkurrenzgesellschaft. Die Makroebene der Gesellschaft ist hier aber nur das Spiegelbild der Mikroebene.
 Denn die protestantischen Quellen der postmodernen Selbstprüfung richteten den  inneren Bürgerkrieg der Psychomachia auf eine intensive Automachia aus, die ihn aktuell auf einen War of Identity and for Identity, zudem auf einen Identificationwar einschwört. Den post/modernen ideologischen Überbau verkörpernd, der von dem intensivierten ökonomischen Konkurenzkampf produziert wird, zugleich wirkt er  "reflexiv" zurück und treibt ihn selbstreferentiell an. In der Gemeindepsychologie der Reflexivmodernen und ihrer reflexiven Sozialpsychologie erfährt er  eine gefährliche, individuell enorm risikobehaftete "Blüte". Keupp reicherte ihn  weiter mit einer intensiven pseudo/wissenschaftlichen Konformierung an, die die protestantische individuelle Leistungsethik zu einer innerweltlichen „Identitätsarbeitsethik" ausfeilte, die die Individuen womöglich krasser als die Automachia zurüstet respektive transformieren will. Unter dem vermeintlich harmlosen Label Gemeindepsychologie führt/e er und seine Helfer die entschiedensten Hiebe des kleinbürgerlichen Identitätsterreurs wie Anpassungsdrucks auf die postmodernen Psychen aus. Mittels unerbittlicher Identitätsfragerei forderten sie uns letztlich alle auf eine Identität einzunehmen, die sie anschließend "erforschen". Ohne Identität wäre man/frau in ihren Augen verloren. Nicht nur als ihre Student/innen beginnt man/frau sich nun zu fragen, was denn die eigene "Identität" definiert und schon greift eine Art von forcierter protestantischer Selbstprüfung. Diese individuelle Selbstprüfung muss nun aber vor "der großen Anderen" reflexivmodernen, neoprotestantischen, die sie in den Fokus einer viel krasseren Subjektevaluierung rückt, bestehen, eine Form des Gottesgerichts ohne Gott. Denn zuerst fordern sie einen  auf eine Identität zu konstruierten, die sie anschließend mit dem positivistischen, instrumentellen SOC-sense of coherence- erforschen, verdaten, beurteilen und maximal examinieren. Das sinnhafte Erleben des Einzelnen, oft ein stark subjektiver, vorbewusster bis unbewusster Prozess, wenn es denn überhaupt ein solches gibt,   versucht der SOC komplett positivistisch zu evaluieren und läuft genau deshalb Gefahr es zu zerstören. Denn ein subjektiver Sinn hängt oft mit lebensgeschichtlich erworbenen ästhetischen Empfindungen, d.h. kaum positivistisch zu evaluierenden Synästhetiken zusammen, die jede Form von Positivierung als einen Angriff auf ihre Existenz begreifen. Wie das Fühlhorn der Schnecke ziehen sie sich spontan zurück, wenn sie von ihnen traktiert werden.
 Es bleibt abzuwarten ob der SOC es nicht ins DSM-Manual schafft.  Pharmafirmen Pillen entwickeln, die Besserung für niedrige Punktewerte auf der SOC-Skala versprechen, wie  schon für Depression und Suizidalität. (Nur haben diese Pillen die unterschätzte Nebenwirkung, dass, nachdem sie die Handlungshemmung und das Grübeln scheinbar beseitigen, doch den Suizid befördern.)
 Letztlich wird mit der Identitätsforschung und dem SOC, als instrumentelle, protestantische Verweltlichung, ein gesellschaftliches Klima erzeugt, dass die Individuen stärker und kompletter vereinzelt, so wie sie es noch nie waren, damit zugleich Atomisierung und Konkurrenzdenke endgültig besiegelnd. Mit dem anschließenden Scan, ob der Identitätsvollzug durch die zuerst induzierte Identitäsfragerei auch stattfand oder ob er gar zu wünschen übrig lässt. Unüberhörbar die Anklänge an die protestantische Gewissenserforschung, Selbstprüfung und Automachia, die die katholische Beichte nicht nur ersetzte, sondern postmodern transformierte.


Identitätsbrechungen, Psycho, Prismen

Die arrivierten Ex-68er lehrten die reflexive Modernisierung den nachfolgenden Boomer & XYZ-Generationen. Genau deshalb ist es sehr spannend ihre späten Theorien wie Empirien, speziell ihre Individualisierungstheorie und "Identitätsforschung", durch die Augen der frühen 68er und ihrer Geistesheroen Marx, Freud, Reich, Adorno zu betrachten. ( Jedoch auch Foucault, Althusser, Baudrillard, Theweleit und feministische Theoretikerinnen bieten hier sehr erkenntnisreiche Perspektiven.)
Klassisch psychoanalytisch nach Freud interpretiert, handelt es sich bei der reflexiven Identitätsforschung um nichts anderes als um eine Gewissensprüfung, ob der Geschlechtsverkehr nun vollzogen wurde oder nicht ? Bei den fortgeschrittenen pastoralen Identitätstechnikern wabert der vorbewußte Wunsch nach der perfekten Orgasmusfunktion oder Masturbationstechnik mit anschließender Rechenschaftsprüfung, ob er gar zu wünschen übrig ließ ? Kann er/sie optimiert werden ? Kam es überhaupt zum Orgasmus ? Das beste: war er sinnvoll, dh. gottgefällig ? Ist auch alles wahrheitsgemäß berichtet und alles aufrichtig bereut, falls ein “falsches“ Objekt der Begierde gewählt oder fantasiert wurde? Hat man/frau sich letztlich von allen “schmutzigen Gedanken” gereinigt ? - Eine Spezialität von evangelischen Jugendfreizeiten und Pastor(in)enseminaren. Man könnte das Fragen nach Identität auch noch kritischer als die verquere Sehnsucht nach einer ethisch und ethnisch reinen, perfekten protestantischen Kultur interpretieren, die über einen verinnerlichten Geständnis- und Veridiktionszwang funktioniert, den sie als Selbstprüfung ausgeben.

Feministische Theoretikerinnen und die critical  race theory gaben mlt ihrem eigenen Sarkasmus längst zu bedenken, dass die männliche Sprechposition des alten weißen Mannes und  vor allem die des Pale Protestant People permanent damit beschäftigt ist, andere Sprechpositionen und besonders andere "Identitäten" zu definieren, zu beschreiben und zu markieren, während sie stets darauf bedacht ist die eigene unmarkiert zu lassen respektive zu verschleiern. Denn je unmarkierter sie ist, um so mehr kann sie als eine scheinbar neutrale, "objektive", "wissenschaftliche" Sprache auftreten. Gleichermaßen wiesen feministische Theoretikerinnen längst darauf hin, dass die Frage nach der Identität, vor allem die nach einer „gelingenden Identität“, (eine der dämlichsten, verblendetsten wie verblendendsden, protestantischen, reflexivmodernen Fragen) ganz besonders genderspezifisch zu verstehen wäre. Darin offenbare sich die typische Sorge des (westlichen) Mannes, spezifischer des PPP, des Pale Protestant P.... People, um sein  gesellschaftliches und sexuelles Standing. (Zugleich karikierten sie mit der PPP-Kategorie die Kategorisierungsmanie der positivistischen Sozialwissenschaften.)  
Entwicklungspsychologisch versucht sich das männliche Kind von der Mutter, also vom “Femininen“ abzugrenzen, um seine “Identität“ als Junge respektive Mann zu konstruieren. Ein ziemlich komplexer, “störanfälliger“ Prozess, der laut Stoller zu mehr  männlicher "Perversionsneigung" als bei der Frau führe. Seine “Geschlechtsidentität“ gestaltet sich prekärer. Er muss sich permanent vom Femininen abgrenzen,  denn die misslingende Abgrenzung bedeutet ab der ödipalen Phase nun immer männlichen Identitätsverlust. Eine männliche "Identität", die er zudem an der des Vaters (un/bewusst) misst, eventuell battelt (Ödipus Rex). Bei dieser Battle entsteht noch größeres Potenzial für sadomasochistische Perversionen. Denn  diese Kämpfe lassen sich dadurch charakterisieren, dass entweder der Vater dem Sohn, oder  der Sohn dem Vater, oder beide sich gegenseitig vorwerfen nicht männlich/viril/hart (genug) zu sein. Auch lässt sich leicht beobachten, dass sich Männer in heftigen Streitereien gerne als Weichei, Schlappschwanz, Schwuchtel oder Tunte beschimpfen. Sie sind permanent  bemüht sich reflexartig ihre Männlichkeit respektive ihre männliche "Identität"  zu beweisen, als auch aktiv “konstruktiv“ aufrechtzuerhalten.
 Dies geschieht ua., indem der Mann die Frau als das “andere Geschlecht“ (Beauvoir), die/das Fremde, das Ewig-Weibliche, das uns hinan zieht" (Goethe) zu definieren versuchte. Interessant ist in diesem Kontext, dass Beauvoir ihr Buch im Original, Le deuxieme sexe, betitelte und erst mit der deutschen Übersetzung den eigentlich treffenderen Titel erlangte, der die patriarchale Sicht enigmatisch verdeutlichte. Aus ihr ist ableitbar warum der Mann in einigen religiös-fundamentalistisch geprägten Kulturen die Frau gänzlich verschleiert, gar Geschlechterapartheidsregime mit gewaltsamer, teils tödlicher Schleier/ Kleider und Sittenpolizei errichtet. Die Frau steht in diesen Regimen ziemlich unter Druck, mit der Absicht sie gänzlich aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Alice Schwarzer  spricht vom Schleier als Leichentuch, in das die Frau schon in der Kindheit eingehüllt wird.
Aber auch die europäischen rechtspopulistischen Parteien, deren Mitglieder oft nur einen Frauenanteil von ca. 10% aufweisen, sind von einem traditionellen, autoritären, (toxischen) Geschlechterverhältnis geprägt, trotz ihrer Spitzenkandidatinnen, die diesen Fakt meist öffentlich vernebeln.
 Die Frau als "das andere Geschlecht" scheint den Mann,  je nach der Intensität seines Begehrens, existentiell zu verunsichern und zu verwirren. Sie scheint ihn in eine Art Gefühlschaos aus Erregtheit, Faszination, Angst vermischt mit Lust, in einen Zustand der Angstlust zu versetzen. Dieser droht ihn wiederum schnell handlungsunfähig zu machen und "ausser Gefecht zu setzen."  Das weist alles darauf hin, dass seine männliche, psychosoziale “Identitätskonstruktion“ nicht nur gegen dieses Gefühlschaos gerichtet ist, sie geht auch mit relativ vielen Ängsten einher, die niemand so eindringlich drastisch auf den Punkt brachte als Hitchcocks Psycho. Auf der Höhe seiner Kunst  zog Hitchcock all diese Momente in die permanente Gefahr der  misslingenden Abgrenzung des Mannes von der Mutter bzw. der Frau zusammen. Indem er  die misslingende Abgrenzung als das ultimative Trauma, den Megachoc des Mannes dechiffrierte, der in der Psychose endet, (respektive enden kann). Zugleich entschlüsselte Hitchcock worin die anthropologische und entwicklungspsychologische Labilität des Mannes gründet/(en kann): In der (symbiotischen) Mutterbeziehung. Letztlich konnte Hitchcock Psycho nur derart drastisch drehen, weil ihn selbst dieses Abgrenzungsdrama intensiv umtrieb. Er brachte jedoch nicht nur sein eigenes (unbearbeitetes) Abgrenzungstrauma monströs kreativ  auf die Leinwand. Der Erfolg und die Bekanntheit von Psycho basiert auf der universellen entwicklungspsychologischen Abgrenzungsproblematik des Mannes. In der ein spezifisch männliches Trauma lauert, „das weder Hitchcock selbst noch die Filmgeschichte integrieren konnte.“58 Zeitungen berichteten, dass während der ersten Kinovorstellungen halbe Kinosäle entsetzt und traumatisiert aus dem Film stürzten. Die andere Hälfte musste völlig panisch erstarrt, fast bewegungsunfähig vom Kinositz aus dem Saal geführt werden.
Ein Abgrenzungsdrama, das sich bei einigermaßen "fungibler" Integration in der Adoleszenz, auf die Ängste nach dem “gelingenden“ Geschlechtsakt und auf die Frage nach der Qualität seiner Erektion, seines Standings, seiner "gelingenden Identität" verschiebt. Hinter diesen verbirgt sich letztlich die Kastrationsangst und die Angst vor der unzufriedenen Mutter, (oder dem großen Anderen).
 (Freilich gibt es auch die überprotektive, komplett vereinnehmende, "verschlingende" Mutter. Eine Deutung von Psycho, die mehr hier das Problem verortet, respektive in einer fehlenden oder verfehlten Symbolisierung des Vaters, liefert Slavoj Zizek in dem Heft zu, "the Perverts Guide to Cinema, Warum greifen die Vögel an ?" Suhrkamp Verlag 2016 .)
Die (männlichen) Identitätssüchtigen treibt zudem eine prekäre psychische Dynamik, die der von autoritären respektive faschistoiden Charakteren verwandt. Bei Letzteren eröffnet, neben der ödipalen Problematik, Melanie Kleins und Margaret Mahlers Psychoanalyse der frühen Kindheit noch größeres Erkenntnispotenzial. Theweleit erforschte in seinen Männerphantasien (Suhrkamp), dass die faschistoiden Männer keine wirkliche Trennung vom Mutterleib erfahren, Zeit  ihres Lebens körperlich und psychisch "unabgenabelt" bleiben. Er spricht von den nicht zu-Ende-Geborenen aufgrund emotionaler und psychischer "Unterernährung", die auf frühkindlicher Isolation, Traumatisierung durch Gewalt als Erziehungsmittel und der daraus entstehenden Deprivation beruhen. Theweleit beschrieb als  Hauptfolge, dass der faschistische Mann sich vorbewusst als malträtierter Fragmentkörper erlebt.  Er fühlt  sich  schmerzhaft unabgegrenzt. Sein Fragmentkörper  verlangt deshalb nach militärischem Drill, Formation, Disziplin, autoritärem Geprotze, physischem Training/ Bodybuilding als eine Form der Reaktionsbildung.  Gegen ihre vorbewusste Fragmentierung versuchen die soldatischen Männer nach innen und außen einen Körperpanzer auszubilden. Er soll sie gegen die schmerzhafte innere Fragmentierung abtöten. Andere zu töten ist dementsprechend ihr permanenter Funktionsmodus als Wiederholungszwang.  Die Abwehrformation eines "stählernen" Charakterpanzers spiegelt diesen Prozess in der Psyche. Doch ihre Feiung erweist sich, gleich der Siegfrieds, als brüchig. Ihre große (unbewusste) Angst besteht darin, dass die Panzerung fragil sein könnte und sich die Körpergrenzen und Charakterpanzerung  auflösen könnte/n. Um zu überleben müssen sie diese Gefahr durch Feindbilder externalisieren, so Bauman, "um die internen Quellen der Auflösung in effigie zu bekämpfen: Die Elemente des nie ganz losgewordenen Femininen (im Gegensatz zum Männlichem)., des Liquiden (im Gegensatz zum Stabilem, Solidem)." 59a
Wieder auf die Gesellschaftstheorie gewendet, beobachtete Bauman, dass  spezifisch  die Moderne  eine "Identität" forcierte. In der Postmoderne ist es klüger seine “Identität” offen zu halten oder gar nicht mehr auf eine solche zu spekulieren. Denn sie wechselt ganz aktuell in die liquid modernity, in der sich die Sinnlosigkeit und Prekarität einer jeglichen Identitätskonstruktion mehr denn je offenbart. Dies ist jedoch auch ein Grund, warum   sich reaktionäre Gegenmodernen wieder zu formieren beginnen.
Niethammer wies über den größten gemeinsamen Nenner der "disparaten Wurzelstrukturen des Leitbegriffs 'kollektive Identität' und das in ihm Verschlüsselte" darauf hin, daß es sich dabei "um wissenschaftsförmige, magische Formeln handelte, in denen etwas unsagbar Wesentliches zugleich betont und verborgen wurde." Dasselbe lässt sich aus dem inzwischen inflationär verwendeten Begriff der angeblich persönlichen Identität schließen:
 "Der Strukturlosigkeit des Begriffs war nur ein einziger fester Kern mitgegeben: die Abgrenzung vom Nicht-Identischen, in welcher Bestimmung auch immer, und insofern ist er im Kern auf Konflikt hin angelegt. Im Fall des kollektiven Konflikts verflüchtigt sich jedoch die situative Vagheit subjektiver Balancen und muß mit der beinharten Notwendigkeit des Sozialen durch objektivierende Kriterien der Inklusion und Exklusion ersetzt werden. Im Zuge der Steigerung einer Konfliktdynamik werden sich dabei nur Letztbegründungen bewähren, die es im Bereich von Geschichte und Gesellschaft nicht gibt und für die deshalb auf Glaubensüberlieferungen oder scheinbar natürliche Gegebenheiten, grob gesprochen: auf Religion und Rasse, zurückgegriffen werden muß. Insofern ist kollektiver Identität die Tendenz zum Fundamentalismus und zur Gewalt inhärent." 59b 
Die Identitätspsychologie der Reflexivmodernen kann man eigentlich nicht Psychologie nennen, denn ihr mangelt jegliche kritische Analyse.  Sie arbeitet jedoch mit einem dämonischen individuellen Erlösungs- wie Heilsversprechen, das sie meist nicht einzulösen vermag. Dadurch schlägt sie die Subjekte in ihren Bann, der sich in einer großen gesellschaftlichen Konflikthaftigkeit dokumentiert.
 Keupp fokussierte sich darauf  die Identitätspsychologie der zweiten Moderne/Postmoderne  durch ausgeprägte Begriffsfetischismen wie Identitätssuche, Identitätsfindung und positivistische Identitätskonstruktionen zu beschreiben, als wäre dies ein definitives, objektives Faktum. Aber  aus der Perspektive einer kritischen Kritik sind diese Begriffe nichts anderes als monströse postmoderne Begriffschimären, die das postmoderne Alltagsverständnis, dh. die heutige Ideologie prägen. Bei diesen Begriffskonstruktionen ist auffällig, dass sie kaum ein Scheitern kennen. Das wirklich Interessante wäre hingegen, minutiös aufzuzeigen, wie diese Identitätsimagos, die sich zu hybriden Phantasmagorien auswuchsen, in der unübersichtlichen, unwegsamen, labyrinthischen Postmoderne peu a peu zerrieben werden, forcierter noch mehr in der liquid modernity. 
 Für seine Student/innen grundsätzlich viel ehrlicher und informativer wäre gewesen, hervorzuheben, dass das Identitätsparadigma ein vollends protestantischer Blick auf die Post/Moderne ist.  Man sollte ihn schon aus wissenschaftlicher Redlichkeit als solchen kennzeichnen. Im nächsten Absatz gehen wir den Gründen nach, warum er dies nicht thematisierte. Seine Identitätsforscherei kann niemals von einem spezifischen kulturellen, historischen und gesellschaftlichen Kontext getrennt werden. Vor einem geschichtlich kulturellen deutschnationalen Hintergrund betrachtet, der nicht zuletzt wegen des protestantischen, "reflexivmodernen" Identitätsparadigmas wieder zu einem Vordergrund anschwoll,  war es jedoch der absolut negative Mastersignifier/ Mastersignifikant für die kulturellen, sozial/politischen und  militärischen Konflikte der Geschichte des Abendlandes. Leider nur darauf zu hoffen ist, dass sie es nicht wieder für die Zukunft werden:
Protestantische Unionsheere gegen Katholische Liga im 30 Jährigen Krieg. (Die Kriegsdynamik wurde keineswegs dadurch gemildert, dass realiter fast 50 % der jeweiligen Söldner in beiden Heeren Mitglieder der anderen Religion waren). Protestantismus gegen Katholizismus in den verschiedensten Ausprägungen. Deutsches Reich gegen Frankreich/British Empire/USA/Sowjetunion im ersten Weltkrieg. NS/Drittes Reich gegen Kommunismus, gegen Juden, Alliierte, Europa im zweiten Weltkrieg.  (Christentum versus Islam (Kreuzzüge)), Islam/ postmoderner Jihad gegen Jesiden/Kurden/Juden/Muslime/Christen. 



Kritik des Identitäts-denkens, NS, Houellebecq, Regressive Modernisierung 
   
                                       Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern. AM

 Während Adorno beim Bedürfnis in der Klassengesellschaft  die Schwierigkeit beobachtete zwischen Menschlichkeit und Repressionsfolge nicht mehr klar trennen zu können, ist die Identität die "Urform der Ideologie", reinstes falsches Bewusstsein, Verblendung par Excellence.59c Weil das menschliche Denken durch Begriffe und Syntax zum identifizierendem Denken neigt, eröffne es fast per se  eine unheimliche Vorurteilsstruktur, die einen dezidierten Einfluss auf das  Handeln  nimmt.  Die Negative Dialektik kritisierte das Identitätsdenken als den zentralen  instrumentellen Umgang von Menschen mit Menschen in der verwalteten Welt. Sie durchkreuzt diese instrumentelle Vernunft, nicht nur um sie  vielleicht zu humanisieren, sondern generell zu problematisieren. Gerade noch einmal zu Beginn der 68er Studentenbewegung mit der Fertigstellung des Buches, lieferte Adorno die Begleitmusik und das Reflexionsmedium mittels derer die verhärteten, instrumentellen, gesellschaftlichen Verhältnisse zum Tanzen zu bringen wären. Was die 70er Jahre hindurch leidlich gelang.
Das Ticketdenken, der Identitäts-Begriff, die instrumentelle Vernunft und das sie definierende Identitätsdenken verkörperte für Adorno harte wirkmächtige Ideologie. Es rückte in seinem Spätwerk in den Fokus seiner Kritik.  Die  Klammer bildend mit der sowohl die Ideologie des Nationalsozialismus arbeitete respektive funktionierte, als auch  das Denken des Bürgertums und seine Funktionsweise essentiell bestimmte. Als Scharnier und Sesam-öffne-dich erklärt das Identitätsdenken warum das Bürgerliche und das Faschistische einerseits so ansatzlos, so  bruchlos ineinander übergehen konnten, andererseits warum der Faschismus, einmal niedergerungen, scheinbar übergangslos verschwand. Dennoch war  Adorno Zeit seines Lebens eingedenk dessen, was im bürgerlichen Identitätsfetischismus lauern kann, welche Monster er zu gebären fähig.
  ( Schon In den 60er Jahren reüssierten in vielen  Landesparlamenten der BRD wieder rechtsradikale Parteien. Es kursierten offen autoritäre, rechtsradikale Parolen, die abermals genau zu wissen schienen was Deutschtum heisst und wer nicht dazugehört. Mit Kurt Georg Kiesinger (CDU) konnte 1966 wieder ein frühes NSDAP Mitglied, das während des zweiten Weltkriegs eine steile Karriere als Ministerialdirigent in v. Ribbentrops Außenministerium hinlegte, Bundeskanzler werden. Jemand der mit seiner Partei in der großen Koalition 1968 die Notstandsgesetze gegen die Studentenbewegung durchsetzte. Sie sahen u.a. eine erhebliche Einschränkung der Versammlungsfreiheit, zudem ein Verbot von Demonstrationen vor. Die Gesetze wirkten kontraproduktiv. Was zur Eindämmung des öffentlichen Protests ausgeheckt, hatte eine Verbreitung und  Radikalisierung der Protestbewegung zur Folge.  Kiesinger wurde nicht zuletzt deshalb abgewählt, es folgte Brandt: "Mehr Demokratie wagen").
 Hinter Adornos leidenschaftlichem Plädoyer für das Nichtidentische in der Negativen Dialektik stand Mitte der 60er Jahre innerhalb der Linken die Angst, dass über das Identitätsdenken  wieder ein schleichender Übergang zum Faschismus Einzug hält. Deshalb war  in den 70ern das Identitätsdenken bei den 68ern als bürgerliche Kategorie komplett kompromittiert und wurde von ihren Sozialwissenschaftlern bekämpft.
 Die traditionellen Milieus/Klassen  verloren zuerst als Folge der 68er Studentenbewegung und gegen Ende des 20. Jahrhunderts  bis in die Jetztzeit, aufgrund rasanter  digitaler Modernisierungsschübe, stark an Bindekraft und Selbstverständnis. Denn in ihrer Frühzeit, als auch die 70 er Jahre hindurch, praktizierten die frühen 68er noch eine extrem kritische Kritik der  Negativen Dialektik verwandt, die alle traditionellen  kognitiv-identitären Begriffsmuster in Frage stellte.
Da verwundert es, dass die Reflexivmodernen seit Anfang der 90er   die Lebenswelt  nicht nur nach der dahrendorfschen neoliberalen Diagnostik der Ligaturen und Optionen 59d, sondern wieder manisch in  Identitäten und Patchworkidentitäten einteilten, mehr noch, ein krasses Identitätsdenken propagierten.  Ausgerechnet als ehemalige 68er ließen sie sich  allzu willig von der postmodernen "Identitätspolitik der Minderheiten" blenden, ohne ihre Gefahr, Ambivalenz respektive Problematik  zu thematisieren oder zu verstehen.
Keupp hat immer posaunt, dass  die "Patchworkidentität", ein ziemlich schlimmer  ideologischer Neologismus, seine eigene Erfindung wäre. Das ist aber weniger als die halbe Wahrheit. Schon 1977 erschien im Merve Verlag ein Band von Jean-Francois Lyotard mit dem Titel, Das Patchwork der Minderheiten, Für eine herrenlose Politik. Einen Verweis auf diesen  einflussreichen französischen Text wird man in Keupps Texten diesbezüglich nicht finden. Bei Lyotard ist viel über die Gefechte von Minoritäten und Frauen, zudem wie diese Zentrum und Peripherie verändern, zu lesen. Gleichermaßen über die Wandlungen der Kritik, falls die Minderheit  durch ihren Kampf gesellschaftliche Macht/positionen gewinnt, zB. Regierungskoalitionen, Ministerien, Ämter. Lyotard reflektiert über die Dekadenz von Wahrheitsdiskursen a la Nietzsche, falls die verschiedenen Werteordnungen gegeneinander kämpfen. Sie neigen im Kampfgetümmel dazu, ob ihrer Verbissenheit, einen toughen Nihilismus zu entwickeln, der die Mittel-Zweck Relation ziemlich aus den Augen verliert. In Bezug auf die maßgeblichen Theoretiker/innen der Postmoderne (Derrida, Foucault, Bauman, Beck, Baudrillard, Butler, Lyotard) finden sich übrigens höchst divergierende Positionen über Identität, von der Affirmation bis zur vehementen Negation respektive der Ideologie der Identität.  In Lyotards Text ist auch der Begriff Identität absichtlich nicht zu finden. Ihm war klar, dass dies einer der falschesten, ideologischten und gefährlichsten patriarchalen Begriffe, speziell in Bezug auf Minoritäten, ihre Kämpfe und Wandlungen ist.
 Das Schrägste liegt darin, dass gerade Keupp/Beck und die Reflexivmodernen, die als frühe 68er gegen das Identitätsdenken immunisiert, 1986 in der Risikogesellschaft komplett alle Bedenken verloren. Indem sie wieder begannen, vermittels dem in Deutschland fatalsten aller Begriffe: der "Identität", mit viel zu heißer Nadel zu stricken.  Gekoppelt an die Schutzbehauptung, sie wären angeblich nur an den "individuellen Identitäten" (als auch Tribes), nicht aber an Nationalismen interessiert und würden sie ablehnen, gar bekämpfen. Nun, ist nicht nur äußerst fragwürdig ob jemand der vorgibt Sozialpsychologie zu betreiben, solch eine Trennung respektive Spaltung überhaupt vornehmen kann ?  Läuft es nicht auf einen ziemlich signifikanten Unterschied hinaus, ob man (postmoderne) "Identitätsfragen" in Frankreich, UK, Süd-/Amerika, Arabien, Afrika, Eur/Asien oder eben in Deutschland stellt ?
Die westlichen Alliierten USA, GB, Frankreich und die Sowjetunion/Russland, Polen und einige Gesellschaften des Ostens beziehen bis heute ihr nationales und gesellschaftliches, antifaschistisches Selbstverständnis durch den militärischen Sieg über Hitler-Deutschland. Dieses Selbstverständnis kann im heutigen Deutschland definitiv nicht beansprucht werden. Deshalb gerät man hier bei der Frage nach Identität in ein Dilemma. Denn der NS reüssierte, weil er die Identitätsfrage kultisch ins Zentrum seiner mörderischen, rituellen, germanischen Stammespolitik wie nekrophilen Blut und Boden Ideologie stellte. Keupp gab sich aus diesem Kalkül große Mühe die Identität vermeintlich harmlos positivistisch zu verniedlichen. Gerade  weil die Reflexivmodernen, anders als Adorno, keine Arbeit und schon gar keine Kritik am Begriff der Identität  üb(t)en, laufen  sie unwillkürlich Gefahr zu reproduzieren, was sie angeblich nicht wollen. Nicht nur Adorno wusste noch in der Nachkriegsschrift der Minima Moralia, gerade weil er darin dem NS-Terror der germanischen Identitätspolitik  vollends eingedenk war, dass es in Deutschland ,,nichts Harmloses" mehr geben könne. Anzukreiden ist  den Reflexivmodernen deshalb, dass vor allem in Deutschland keine einzige private "Identität" ohne die Gespenster der Vergangenheit zu denken ist. Lange schienen sie in eine gewisse geschichtliche Ferne gerückt, doch mit dem Auftauchen der AfD realisieren  sie sich aktueller denn je. Das "reflexivmoderne" Identitätsdenken (Wir und die Anderen) bereitete ihnen nicht  zuletzt  den Weg.
 Keupp vertritt ja die Ansicht, dass eine Sozialpsychologie zu aktuellen Problemen einer Gesellschaft Stellung nehmen  und sie angemessen reflektieren sollte. Falls sie dazu nicht in der Lage, stellt er ihre gesellschaftliche Funktion in Frage. Aber wie steht es um Sozialpsychologien, die gesellschaftliche Probleme komplett verzerrt darstellen, mehr noch, denen ihre sozialpsychologische Diagnostik zum hauptsächlichen, "eigentlichen" Problem gerät ? Bis heute vernahm man keinen einzigen Satz zur Neuen Rechten /AfD von den sogenannten Reflexivmodernen ! Woher plötzlich diese Zurückhaltung ? Könnte hier eine zu große Affinität vorliegen ?
Es ist definitiv der signifikante Unterschied ob Identitätsfragen in allen anderen Kulturen oder gerade in Deutschland gestellt werden. Seit der französischen Revolution bestand das Vertrauen in die Vernunft der Aufklärung, dass sich progressive Wissenschaften als auch Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit in ganz Europa verbreiten. Aber schon gen Ende des 19. Jh. propagierte  Wilhelm II, der  deutsche Adel und das Großkapital einen toughen Wilhelminismus als auch nationalistischen Reichsfetischismus. Sie forcierten den Kampf der verspäteten Nation innerhalb Europas um Kolonien in Afrika, den berüchtigten "Platz an der Sonne." Antisemitischer Wilhelminischer Imperialismus und deutscher Identitätsfetischismus gingen nun eine unheilvolle Allianz ein, die  den ersten Weltkrieg provozierte.
In der anschließenden Weimarer Republik war nur bei der USPD wie den Kommunisten der imperialistische, identitäre Nationalismus in Verruf geraten und wurde als Hauptkriegsgrund angeprangert. Aber die Konservativen, das Zentrum und MSPD setzten weiter auf einen patriotischen Nationalismus, der vor allem von dem radikalen Nationalismus der Nationalsozialisten viel zu leicht gekapert werden konnte. Schon damals zeigte sich, dass der Patriotismus der Schoß war aus dem die NSDAP kroch. (Deshalb ist heute ziemlich erschreckend, dass die Mehrheit der Mainstreamwissenschaftler/innen, Systemtheoretiker/innen und "Bildungseliten" wieder meinen den Patriotismus  gegen den radikalen Nationalismus in Stellung bringen zu können. Das ging schon gen Ende der Weimarer Republik dramatisch schief.) Zudem bildeten  Sozialdemokraten und Kommunisten abwechselnd bis Ende der Weimarer Republik die größten Parteien. Sie sahen jedoch nicht in der NSDAP ihren gefährlichsten Gegner, sondern bekämpften sich gegenseitig massiv als "Sozialfaschisten". Dieser unsägliche, sträfliche Blödsinn verhinderte eine bitter nötige Einheitsfront gegen die NSDAP und spielte ihr krass in die Hände. Das einzige was die Linke  aufbot waren Sprüche, Parolen und Warnungen wie "Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber". Im Vergleich zu der systematischen, flächendeckenden, professionellen Propaganda der Nazis aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dass Hitler letztlich reüssierte war auch ein Versagen der SPD und der KPD, die braune  Gefahr sträflich zu vernachlässigen. Die NSDAP propagierte mit einem enormen Propagandaaufwand einen identitären, völkischen Nationalsozialismus gekoppelt an einen mörderischen eliminatorischen Antisemitismus, der sie nicht nur "demokratisch" an die Macht brachte, sondern mit dem sie den zweiten Weltkrieg vom Zaun brach.
Innenpolitisch wurde nach 1933 ungeheurer Druck bei der Besetzung von Führungspositionen, aber auch schon bei einfachen Tätigkeiten, in fast allen gesellschaftlichen Bereichen aufgebaut. Die Nazis nannten es umfassende Gleichschaltung. Über Anwärter/Bewerber von Leitungsstellen fertigte die NSDAP oder Gestapo lange Gutachten, Dossiers und Beurteilungen über die "weltanschauliche Gefestigtheit" an.  Mehrere Bewerber-Interviews, die von Verhören nicht zu unterscheiden waren, führte  entsprechend geschultes NS-Personal durch. Darin wurde ausgelotet inwiefern der/ die Bewerber/in Ideologie und "Glaubensbekenntnis" des Nationalsozialismus nicht nur "identitär" verinnerlicht hatte, sondern auch beruflich und privat lebte respektive propagierte. Keine Mitgliedschaft in der NSDAP war ein Ausschlussgrund, genauso  Zweifel an der identitären und "weltanschaulichen Gefestigtheit." Folglich kam nicht von ungefähr, warum der Nationalsozialismus bis weit in die 60er Jahre in der BRD fortweste. Seit dem ersten Weltkrieg und noch einmal forciert  seit dem zweiten stand Deutschland praktisch unter dem dunklen Stern zweier gewaltiger und extrem gewalttätigen Konterrevolutionen, die weiterhin ihre Schatten werfen.
 Erst seit 1968 wurde der Nationalsozialismus und sein Fortwesen/Untotem in der BRD kritisch gesehen. Durch  die 68er Studentenbewegung erfuhr er  in den 70ern vermittels des aus ihr hervorgehenden Lehrpersonals eine notwendige massive Ächtung. Denn plötzlich tauchte eine nie dagewesene, schwer zu beschreibende als auch einzuschätzende Spezies in den westlichen Lehr- und Bildungsinstitutionen auf.  Später einigten sich die Beobachter darauf ihn als den weit verbreiteten 68er Lehrer/innen Typ/us zu charakterisieren
. Die frühen, echten 68er praktizierten eine bis dahin völlig unbekannte (experimentelle) Laisser-Faire-Pädagogik, die "Pädagogik" generell als etwas Offenes und Experimentelles ansah. Sie verwandelte den Westen bis Mitte der 80er erheblich.  Es war faktisch nur etwas mehr als dieses eine  Jahrzehnt in dem in Deutschland kein (nationaler) Identitätsfetischismus betrieben wurde, der das Individuum vollends affizierte.
 Aufgrund des langen Schattens des NS war es jedoch ein großer signifikanter Unterschied als Beck respektive Keupp, nach der 68er Laisser-Faire Ära, ab 1986 als Reflexiv/naiv/moderne in Deutschland wieder nach Identität fragten. Auffallend an Beck und Keupp war, obwohl oder gerade weil ? sie sich nun reflexivmodern nannten, der enorme kritische Reflexionsverlust im Vergleich zur KT und ihrem kritischen Denken in den 70ern, wie   ihr Beschweigen der sozialen und kommunitären Anti-Establishment-Bewegungen der 70er und der KT, denen sie teils selbst angehörten. Sie mussten sich einerseits große Mühe geben sich naiver und dümmer zu machen, als sie  noch kurz vor ihrem reflexiv/naiv/modernen Paradigmenwechsel waren. Man könnte den für einen kritischen Leser schmerzhaften Selbst/Verdummungs/Verblendungsprozess minutiös an der Individualisierungstheorie  in der Risikogesellschaft (1986) als auch an Keupps Identitätsgeschwurbel nachweisen. Andererseits, einmal angestoßen, überwältigte sie ihr Bedürfnis tief in den Lethe zu tauchen. Die Sehnsucht nach Vergessen: zu mächtig. Als Reflexiv/naiv/moderne gaben sie anschließend einem kognitiven Regressionssog nach, den sie sich in den 70ern nie verziehen hätten und fortan ihr Denken bestimmte.  Sich später tatsächlich als die Tragödie erweisend,  als die sie den kritischen Reflexionsverlust in den 70ern brandmarkten. 
1986 als etablierte Profs passte kritische Kritik nicht mehr zu ihrem neoliberalen Gesellschaftsbild. Nun vermittelten sie nachfolgenden Student/innengenerationen,  dass es zu dem postmodernen Identitätsdenken keine Alternative gäbe. Diskussionen um die Fragwürdigkeit wie die Kritik des Identitätsparadigmas vermieden/verhinderten/wehrten sie ab, denn dies wäre ihrer Geschichte zu nahe gekommen. So wurde  die nötige Diskussion unterbunden, dass das Identitätsdenken in einem  nationalhistorischen Kontext eingebettet, den sie als frühe 68er perhorreszierten. Gleichermaßen diejenige, ob sie als konvertierte Reflexiv/naiv/moderne  nicht wieder an ein großes, traditionell deutsches Katastrophenpotenzial anknüpften, das aufgrund jahrhundertelanger, historischer Konditionierung wieder postmodern ansprechbar wurde. Und das Adorno Horkheimer nicht müde wurden zu analysieren wie vehement zu kritisieren.
Die postmoderne Theorieentwicklung deren Protagonisten Franzosen waren, hat vor allem im Westen aber auch weltweit bis heute ziemlich Furore gemacht. Eine dominant gewordene Version des Postmodernismus betrachtet  aktuell  die "Identität" des Subjekts hauptsächlich durch seine mehr oder weniger frei gewählte Gruppenidentität respektive Stammesidentität, als auch die tribale Ethnie bestimmt,  kongruent zu den Reflexivmodernen. Nur hat die Zeit  die Schraube weitergedreht und es tritt immer deutlicher zu Tage, was Gillian Rose schon 1996 als das Empowerment Paradox diagnostizierte:
 „Das kommunitaristische Empowerment von ethnischen und geschlechtlichen Pluralitäten setzt eine bestimmte Verteilung von Identitäten in einer radikal dynamischen Gesellschaft voraus und legt diese fest. ›Empowerment‹ legitimiert die potentielle Tyrannei der lokalen oder besonderen Gemeinschaft in ihren Beziehungen mit ihren Mitgliedern und an der Grenze zu konkurrierenden Interessen. Es sind die Missbrauchten, die zu Missbrauchern werden; niemand und keine Gemeinschaft ist von den Paradoxien des ›Empowerment‹ ausgenommen." (G. Rose: Mourning Becomes the law. Philosophie and Representation, Cambridge/UK, 1996, S.5.)
 Die Tribes befinden sich aktuell oft im Clinch als auch Konkurrenz mit anderen Tribes, um die eigene  "Identität" zu schärfen. Im Konkurrenzkampf  tendieren sie öfter dazu sich zu radikalisieren und  einen gefährlichen ausschließenden kultischen Tribalismus zu frönen, der den Anpassungsdruck auf die "Identität" der eigenen Mitglieder krass erhöht.  Die westliche Linke verliert sich so nicht nur im Narzissmus der kleinen Differenzen (Freud, Unbehagen in der Kultur), sondern ließ sie zu Identitätskriegen ausarten. Völlig von Sinnen begann sie derart un/freiwillig  das Feld der extremen Rechten zu bestellen. Zizek nannte sie ua. deshalb 2023 identitäre Pseudo-Linke.  Was aber für Frankreich und die westliche Welt noch gerade legitim sein mag, könnte in Deutschland eine verhängnisvolle, extrem gefährliche und in naher Zukunft womöglich wieder grausame Bedeutung erlangen. Die Postmoderne war hierzulande sozusagen der toxische Geburtshelfer einer fatalen nationalistischen Fehlentwicklung.
  Sobald postmoderne Sozialwissenschaftler/innen in Germany sich und andere nach ihrer Identität befragen, rekurrieren sie fahrlässig oder mutwillig auf den Horrorbegriff der Kritischen Theorie. Die Kritische Theorie verabscheute den Identitätsbegriff nicht nur weil er  das Zentrum des verdinglichenden, positivistischen und nationalen Denkens bildet, sondern weil er ganz essentiell mit einer aggressiven nationalsozialistischen "Identitätspolitik" verschweißt, die der Vorläufer und die Bedingung der terroristischen  Vernichtungspolitik war. Sie war  untrennbar mit einer rassistischen "Ahnenforschung" und einer daraus abgeleiteten mörderischen Identitätspolitik verbunden.
 (Steve Bannon  wiederholte in mehreren Interviews  seit seiner Zeit als Wahlkampfberater von Donald Trump 2016, "wenn die aktuelle (postmoderne) Linke sich auf die Themen Rasse und Identität konzentriert...können wir sie zermalmen". Der zweite deutliche Wahlsieg Trumps 2024 bewies definitiv, dass die ultrarechte "republikanische" Identitätspolitik sämtliche linke Identitätspolitiken spielerisch abräumt.)
Die Gestapo überführte diese Logik schon einmal in eine mörderische Praxis.
 Die vermeintliche Expertise der SS und  der Gestapo bestand darin, dass bei vielen Denunziationen aus dem "Volk" und kulturellen "Uneindeutigkeiten", formal ziemlich gut gebildete Beamte mit Hochschul- oder Universitätsabschluss, Verhöre an politisch stigmatisierten Opfer/n/gruppen über persönliche, politische, nationale, ethnische, kulturelle, sexuelle, rassische und religiöse "Identität" durchführten. Kleinste Sprachnuancen als auch Versprecher, die unter enormen Verhördruck sich zwangsläufig öfters ergeben  und auf einen spezifischen kulturellen "Hintergrund" hinwiesen, letztlich der erzwungene Nachweis  eines gewissen "kulturellen Identitätsmarkers", wie etwa Beschneidung, bedeuteten den Tod. Gleichfalls, aus Sicht der NS-Beamten, unstimmige, falsche oder unbefriedigende Antworten. Die Mehrheit der Verhörten überlebte die Verhöre nicht und für die anderen zeitigten sie  schlimmste Konsequenzen. Hannah Arendt und Anna Freud gaben ihre eigenen Erfahrungen in privaten Gesprächen wieder. Wie nah  der Nervenzusammenbruch ist, wenn frau in stundenlangen Gestapoverhören jede Sekunde extrem konzentriert, intelligent, "smart" und rhetorisch wahnwitzig geschickt   kommunizieren muss, um sie körperlich unversehrt zu überstehen. Gleichzeitig sollte sich kein nervlicher Kollaps ereignen, denn er hätte  weitere Prügel und Folter zur Folge, die ein Überleben sehr unwahrscheinlich machten. Die Traumatisierung greift durch die unmittelbare Todesdrohung trotzdem und bedarf langer Behandlung. Nach solchen Verhören sollte man/frau, falls möglich, keinen Tag länger als unbedingt nötig im Machtbereich des NS bleiben, um ziemlich wahrscheinlichen tödlichen Wiederholungen zu entkommen. 59e
Für Sigmund Freud war das Gestapoverhör seiner Tochter, ihr anschließender posttraumatischer Zustand und die Möglichkeit von weiteren Verhören, der letzte Anstoß, trotz hohem Alters, ernsthafter Erkrankung und Gebrechlichkeit nach England zu emigrieren.(Ein hoher Anteil von Sigmund Freuds näheren Verwandten und Kafkas nahen Verwandten, ua. seine drei Schwestern wurden in KZs ermordet.)

Damit eine Gesellschaft nicht autoritär reaktionär umkippt, bedarf es vieler Faktoren, dazu gehört ein gesellschaftliches Klima das von Toleranz und Respekt gegenüber "Fremden" geprägt ist. Kapitalistische Gesellschaften befördern jedoch  ein Identitätsdenken wie differente "Identitäten", die sie unweigerlich in eine kompetetive postmoderne Konkurrenz stellen.  Beide Dynamiken neigen dazu ein starkes Identitäts- und Stammesdenken  überhandnehmen zu lassen, das auch von Politik, zudem vor  allem postmodernen gefährlich/unverantwortlich (naiven) "Bildungseliten" propagiert wird. Dadurch besteht die Gefahr, (evtl. unfreiwillig), verstärkt reaktionäre Tendenzen zu beflügeln. Alle Bildungsinstitutionen von den Universitäten bis zu den Schulen in Deutschland haben überhaupt noch nicht kapiert, dass es inzwischen wieder ums Ganze geht. Das wir im Osten und teils Westen wieder durchaus Weimarer-Endzeit-Verhältnisse haben. Um diesen angemessen zu begegnen braucht es geistes- und sozialwissenschaftliche Fakultäten, die sich hauptsächlich dem Kampf gegen Rechtsradikalismus widmen. Keiner sollte sich mehr in seinen Elfenbeinturm zurückziehen können. Alle Profs/ Dozent/innen müssen sich an die eigene Nase fassen. Großteils herrscht hier jedoch Verdrängung und Vogel-Strauss Politik vor, Unverantwortlichkeit aller Orten. So wird der "Schoß fruchtbarer und furchtbarer".
 Aktuell, dh. ca. 80 Jahre nach der ultimativen deutschen Zivilisationskatastrophe, scheint nationalistische/s Identitätsdenken, nicht zuletzt ob reflexiv/regressiv/naiv/postmoderner Identitätsforschung plus Identitätspolitik,  wieder europaweit zu dem sozialpolitischen, kulturellen Megaproblem zu avancieren, an dem Europa abermals scheitern könnte.

Houellebecq, Regressive Modernisierung 
   
 Michel Houellebecq veröffentlichte anfangs Januar 2015, zufällig (?) an dem Tag des islamistischen IS- Anschlags auf die Charlie Hebdo Redaktion seinen viel beachteten Roman Unterwerfung/Soumission. In dem er identitären Bewegungen das größte sozialpolitische wie sozialpsychologische Katastrophenpotenzial der Gegenwart und Zukunft beimisst. Religösen identitären Gruppen a la IS, aber auch nationalistischen Bewegungen (FN/RN/LN/Fratelli/AfD), die sich vordergründig bekämpfen, zeigt er ihr  gemeinsames, an klischierten Feindbildern orientiertes, autoritäres Unterwerfungs- und Destruktionspotenzial auf. Der Roman würde in Deutschland mit der AfD genauso gut funktionieren. In der ambivalenten liquid modernity avancieren kulturelle Feindbilder zur attraktiven kognitiv geschlossenen Orientierung der identitär Autoritären. Sie geben scheinbare Sicherheit, die Bestätigung der eigenen Gruppe, relative Angstfreiheit, das moralische Überlegenheitsgefühl. Hinter den nationalistischen und religiösen identitären Feindbildern arbeitet jedoch eine kaum rational ansprechbare Regressionsdynamik, die danach trachtet in einen gefährlichen  kollektiven Regressionssog einzufahren.
 Die autoritäre Rebellion ist nur der Januskopf, der eine oft kaum bemerkte Unterwerfungsbereitschaft aufweist. Der Begriff Unterwerfung ist aber selbst noch zu harmlos. Denn einige Interpreten des autoritären Charakters sprechen von einer regelrechten "Lust an der Unterwerfung". Sein letztes Streben liegt also darin sich einem von ihm anerkannten Führer/ Führungsreligion lustvoll zu unterwerfen, dh. sich vollends zum Objekt zu machen. Feindbilder fungieren oft nur als Rüstung hinter der  ein ziemlich destruktiver, zivilisationsmüder Sadomasochismus auf seine Gelegenheit wartet zuzuschlagen. Leider traten literarische Fiktion und bittere Realität in einen horrenden katastrophischen Überbietungswettstreit ein. An jenem Tag gab es 17 Tote, eine weltbekannte Redaktion wurde fast komplett ausgelöscht, die restlichen Überlebenden für ihr ganzes Leben traumatisiert, mit all den harten, einschränkenden, psychischen Konsequenzen. Ein zweiter noch destruktiverer IS-Terroranschlag, bei dem man durchaus von einem Terrorkrieg sprechen kann, mit ca. 130 Todesopfern und mehr als 350 Schwerverletzten, ereignete sich im November desselben Jahres im Pariser Bataclanclub, als auch im März 2016 in Brüssel mit über 30 Opfern und noch mehr Schwerverletzten. Auch Nice wurde am französischen Nationalfeiertag 2016 mit 84 Toten, 50 Schwerverletzen nicht verschont, im Dezember traf es Berlin mit 12 Toten und Schwerverletzten. Man kam gar nicht mehr mit dem Aufschreiben der Chronik der Katastrophen hinterher, so schnell ereigneten sie sich. Ab September 2020 begann der Prozess gegen 14 Logistikhelfer der islamistischen Attentäter auf Charlie Hebdo. Just zu diesem Zeitpunkt fanden  weitere Attentate mit zwei Verletzten statt, die nur in einem Büro arbeiteten, das in demselben Gebäude der damaligen Hebdo Redaktion lag. Kurz darauf wurde der Lehrer Samuel Paty enthauptet, weil er in seinem Unterricht das Thema Meinungsfreiheit an Hand der  Mohamedkarikaturen erörterte, was große Solidaritätsproteste für Paty bewirkte. Anschließend wurden drei weitere Personen in Nice in einer Kirche ermordet. Im Oktober 2023 wurde ein weiterer Lehrer der französischen Republik, der sich einem Islamisten in den Weg stellte, ermordet und mehrere Menschen schwer verletzt.
Houellebecq besteht in mehreren Interviews und in seinem Band, Ein bisschen schlechter, darauf, dass er den Islam als auch andere Religionen kritisieren wie schmähen darf. Er weiss sich mit einer langen Geschichte der Religionskritik verbunden, die seit der Aufklärung selbstbewusst auftrat, besonders in Frankreich seit der französischen Revolution die Staatsraison bestimmt. Houellebecq, der sich als Konservativer versteht, ist, in seinem Beharren  islamophob sein zu dürfen, vermutlich progressiver als der heutige Linksliberalismus. Dieser vertritt inzwischen die Position, dass jeder seine Religion unbehindert ausüben dürfte. Die heutigen Linksliberalen sind aufgrund ihrer Identitätspolitik weit von den Positionen entfernt, die sie in den 70er Jahren vertraten. Damals waren sie noch an Marx und Lenin orientiert, die eine vehemente Religionskritik betrieben, die aus der französischen Revolution stammte. Für sie war Religion Opium des Volkes respektive fürs Volk und damit als ernstzunehmende Praxis diskreditiert. Aber Houellebecq kritisiert nicht nur den Islam, noch heftiger schmäht er den Protestantismus, was in den Medien keine Resonanz erfährt. Denn die westlichen aufgeklärten Protestanten kämen durch ihre relativ aufklärerische Reformation weniger auf die Idee, gegen seine Kritik ähnlich fanatisch zu protestieren wie die Muslime. Aber es gibt in den USA und der westlichen Welt durchaus wieder zunehmend radikale evangelikale Protestanten, die einen ähnlich radikalen Protest, den Muslimen gleich, befürworten.
 Das wiederkehrende spontane Lachen, während der anfänglich nur ironisch angelegten Romanlektüre von Unterwerfung/Soumission, bleibt einem jetzt umso mehr im Halse stecken, als die Islambruderschaft,  um den Front National zu verhindern, von den protestantischen Republikanern und den Restparteien ins Regierungsamt gehievt, Frankreich grundlegend autoritär verändert.
 Frankreich hat sich durch die Sicherheitsgesetzgebung und den Ausnahmezustand, die die  Anschläge ab 2015 nach  sich zogen, ohnehin realiter weiter autoritär verändert. Die Werte Liberte, Egalite, Fraternite rückten in immer weitere Ferne. Sie wurden jedoch bei der zweiten Anschlagswelle 2020 wieder vehement verteidigt.
 Im Roman wird der Teufel (Front National) potenziert mit dem Beelzebub ausgetrieben, indem die regierende Muslimbruderschaft sich nun auch auf die genderpolitischen Konsequenzen verheerend auswirkt. Die Realität hat die düstere Stimmung des Romans schon mehrfach  eingeholt. Besonders aber dadurch, dass die erneuerte Redaktion von Charlie Hebdo inzwischen an einem geheimen Ort in Paris hinter schweren Panzertüren mit massivem Polizeischutz ihre Redaktion abhält.  Eine Reihe von Personen aus der  Redaktion und dem öffentlichen Leben stehen seit den Anschlägen rund um die Uhr unter Polizeischutz. Von dem Houellebecq sagt, dass er ihn  stark sozial isolierte.59f Er gab deshalb den intensiven Polizeischutz nach  einem Jahr auf, um wieder ein relativ normales Leben führen zu können. Die Angst, die sich in der französischen Gesellschaft durch islamistische Anschläge ausbreitete, führte, anders akzentuiert als im Roman, zu großen Wahlerfolgen des FN/RN. Dessen katastrophische Konsequenzen wiederum sind noch gar nicht  abzusehen, "außer", dass schon seit 2000 ca 70000  jüdische Bürger Frankreich präventiv verließen. 59g

 Nicht zuletzt  aufgrund der Interventionen von Adorno/ Horkheimers Kritischer Theorie stammte von den frühen 68ern die Kampfparole, dass das Private politisch ist, d.h. öffentlich zur Diskussion stehen sollte, um es emanzipatorisch zu verwandeln. Bis Ende der 70er sozialisierten sich die 68er an den Universitäten mehr oder weniger selbst durch Teach-ins, selbstorganisierte Theorie/Lektüre- und Diskussionsgruppen. Felsch spricht vom langen Sommer der Theorie. Neu eingestellte Dozent/inn/en aus der 68er Generation trafen auf Studierende mit demselben Protest- und Erfahrungshintergrund. Aufgrund ihrer passionierten Theorie- und Protestgeschichte, vor allem nach Adornos Negativer Dialektik, hätten es die 68er in den Sozialwissenschaften als absoluten Affront empfunden, wäre Anlass für Widerspruch oder massive Protestaktionen, wenn ein/e Dozent/in aus ihrer Generation sie nach ihrer "Identität" befragt hätte. Besonders in einer Generation, die komplett kritische Aufklärungsansprüche an ein Studium stellte und es nur sekundär als Berufsausbildung, Weiterbildung oder Zusatzqualifikation begriff. 
 Nach Identität zu fragen war nur mit einer Generation möglich, die Mitte der 80er diesen Erfahrungshintergrund nicht mehr teilte. Zugleich suggerierten Keupp und sein Team den nachfolgenden Generationen, dass es sich bei der reflexiven Modernisierung um eine kritische Sozialpsychologie handle, die mit ihrer Geschichte und Verbundenheit aus der 68er Studentenbewegung herrühre. Diese würde per se auch dem Kritischen Theorie Komplex nahestehen. Aber genau dies gilt es zu widerlegen. Reflexive Modernisierung ist die neoliberale, rechte Antithese zur Kritischen Theorie. Gegen die die Kritische Theorie, gerade aus der historischen Erfahrung heraus, weiterhin vehement Stellung beziehen würde,  was  dieser Blog zu demonstrieren intendiert.
 Nur den nachfolgenden Generationen ab Mitte der 80er Jahre konnten die reflexivmodernen, arrivierten 68er zwanzig Jahre später damit kommen, nun  von einer herzustellenden Identität zu reden. Damit schnitten sie, entgegen ihren frühen Intentionen, jede öffentlich Dialektik ab. Das Private wird wieder trotz oder gar wegen ? aller reflexiven Rhetorik einzig als  protestantisch zu beobachtende wie herzustellende biedermeierliche Identität zementiert.  Diese protestantische biedermeierliche "Identität", falls einmal geschluckt, unterwirft die eigene Subjektivität einen nach "identitären" Kriterien gefilterten Herrschaftsverhältnis.  Derart zugerichtet bringt sie eine  nach innen und  außen gerichtete "falsche Projektion" hervor.
"Wenn Mimesis sich der Umwelt ähnlich macht, so macht falsche Projektion die  Umwelt sich ähnlich. Wird für jene das Außen zum Modell, dem das Innen sich anschmiegt, das Fremde zum Vertrauten, so versetzt diese das sprungbereite Innen ins Äußere und prägt noch das Vertrauteste als Feind." (DdA)
Äußerst bitter stößt bei den Reflexiv/naiv/modernen auf, obwohl sie sich das Label reflexive Sozialpsychologie ansteckten, dass sie über den Begriff Identität, der im Zentrum ihrer "Sozialpsychologie" steht, überhaupt nicht angemessen kritisch reflektieren. Kein Wunder ! Denn wenn sie den Begriff Identität und die postulierte "Identität" kritisch durch- und beleuchteten, hätten sie sowohl Begriff, Thema, letztlich ihr reflexiv/naiv/modernes "Forschungsprogramm" verwerfen müssen und damit eine langfristig sprudelnde Einnahmequelle.
 Identität im reflexiv/naiv/modernen Sinne ist   herzustellen, wiederzufinden oder zu konstruieren. Ohne Arbeit gerade an diesem ideologischten aller sozialpsychologischen Begriffe zu leisten, wird Identität unhinterfragt als Begriff, Semantik und Ontologie akzeptiert. 
Adornos Negative Dialektik arbeitete sich speziell am Begriff  "Identität" kritisch ab, befürchtend, dass er wieder zu dem postmodernen, (sozial/psychologischen) Schlagwort schlechthin avancieren könnte. Womit er leider ins Schwarze traf. Gerade deshalb nun  weiterhin einer gründlichen Kritik bedarf.


In Rekonstruktion des historischen Materialismus (Suhrkamp,1976) veröffentlichte Habermas zwei Aufsätze zur Identität, die mal wieder gar nichts mit dem avisierten Thema zu tun hatten. Für diese Aufsätze wäre der Titel zur Rekonstruktion des historischen Idealismus viel treffender gewesen. Innerhalb der Linken und linken Sozialwissenschaftler/innen wurden sie heftig kritisiert. Daran konnte man ermessen, dass die Linke noch nicht bereit war Habermas zu folgen. Sie enthielten jedoch schon alle Begriffe, mit denen die Reflexivmodernen und Keupp 1986 ihre (angeblich) reflexive Identitätsforschung ins Werk setzten. Habermas formulierte den Reflexivmodernen praktisch ihre Forschungsrichtung vor. Bei Habermas fällt gleichfalls auf, dass er darin genuin protestantische Themen verhandelt. Nämlich Moralentwicklung und Ich-Identität und  Können komplexe Gesellschaften eine vernünftige Identität ausbilden ?

 In der kurzen Einführung spricht er scheinbar kritisch von dem normativen Gehalt, den die Rede einer vernünftigen Identität unterstellt, auch davon, dass eine Gesellschaft ihre eigentliche respektive wahre Identität verfehlen kann. Er tippt sogar die Kritik Hegels am Identitätsbegriff an und referiert von der falschen Identität, „wenn die Einheit eines in seine Momente zerfallenden Lebenszusammenhangs nur noch gewaltsam aufrecht erhalten werden kann.” Er zweifelt sogar daran,  „ob wir angesichts der Komplexität heutiger Gesellschaften mit dem Wort Identität einen in sich stimmigen Gedanken zum Ausdruck bringen können.” Aber auf eine kritische Kritik, die  diese Fragen implizieren, wartet man anschließend vergebens. 
Stattdessen führt er Begriffe ein, die auf Hegels synthetischer Dialektik beruhen und sämtlich zu reflexivmodernen Grundbegriffen avancierten, wie eine angeblich zwanglose, gelungene, reflexive Identität. Der reine Idealismus, den diese Begriffe transportieren, entspringt einer kitischigen habermasschen Wunschfantasie. Die (reflexive) Identität bezeichnet angeblich „ jene eigentümliche Fähigkeit sprach- und handlungsfähiger Subjekte, auch noch in tiefgreifenden Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur, mit denen sie auf widersprüchliche Situationen antwortet, mit sich identisch zu bleiben.” Hier lässt Habermas sämtliche Erkenntnisse der Traumaforschung außen vor, und erntet bei allen kritischen freudschen Psychoanalytiker/innen nur erratisches Kopfschütteln. Außerdem hätte er sich mit Menschen unterhalten oder befragen können, die lange schwere chronische oder psychische Erkrankungen öfters an den Rand des Todes oder zur Verzweiflung brachten, ob sie mit sich "identisch" geblieben sind ?
(Müller-Dohm stellt seiner Habermas Biographie in der Vorbemerkung ein Zitat von Robert Walser voran, das Habermas ihm vermutlich warm empfohlen hat. "Niemand ist berechtigt, sich mir gegenüber so zu verhalten, als kennte er mich." Aber Habermas ist eines von den wenigen Exemplaren, dem man durch Rezeption seiner ausufernden bürokratischen Theorien durchaus unterstellen kann, dass man ihn, mehr als einem lieb ist, kennt, respektive kennen gelernt hat. Gilles Deleuze nannte Habermas nicht von ungefähr den Bürokraten der reinen Vernunft, was nicht nur etwas über die Umständlichkeit seiner Theorien sondern auch über die seines Denkens verrät. Die langatmigen, gewundenen Paraphrasierungen aus denen Habermas` Theorien bestehen, veranlassten Sloterdijk zu dem Apercu: "Genie der Paraphrase".)
Des Weiteren ging Habermas ziemlich idealistisch davon aus, dass sich die unterschiedlichen "Ich-Identitäten" gegenseitig anerkennen können. Aber von heute aus betrachtet und angesichts seiner Konfliktgeschichte, die seine harmonisierenden Theorien evozierten, fehlt die Erfahrung, dass sich die "Ich-Identitäten" auch mutwillig nicht anerkennen und sogar krass bekämpfen. (Übrigens ist der Begriff "Ich-Identität" nicht nur eine ziemlich dumpfbackige Tautologie sondern vor allem auch das größte illusionäre protestantische Phantasma/Irrglaube). Habermas fokussiert in seinen Aufsätzen bei Hegel seine synthetische Dialektik und verdrängt komplett, dass Hegel ebenfalls den Begriff des Nichtidentischen/ der Nicht-Identität prägte, zudem mit ihm in den unterschiedlichsten Zusammenhängen operierte. Das Nichtidentische in Kombination mit der bestimmten Negation nehmen in Hegels Philosophie insgesamt eine bedeutendere Stellung ein. Sie sind die treibenden Kräfte, die das System permanent umwälzen. "Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft." Diesen für Hegel wesentlichen nicht-identischen, negativen Theoriekomplex unterschlagen sowohl Habermas als auch Keupp vollends. Sie wären dementsprechend vice versa "Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft." Denn das Nichtidentische, die bestimmte Negation widerspricht definitiv ihren protestantischen Idealismus. Dadurch können sowohl Habermas, Beck als auch Keupp ihr Thema nicht wissenschaftlich philosophisch respektive tief, vor allem nicht negativ dialektisch durchdringen, was all ihre Forschungen in Frage stellt.


 Die  reflexiv/naiv/modern gewendeten Ex-68er wichen  nicht von dem allgemeinen postmodernen, populär-pseudowissenschaftlichen Habitus ab, indem auch sie ihre Leser /Student/innen auf die "Suche nach der verlorenen Identität" schickten. Gerade in der Postmoderne  wäre diese zu finden wie anschließend zu verwirklichen. Aber wenn  die Identität zu suchen ist, dann kann sie kaum als die positive Heilsquelle firmieren, als die sie von den Reflexiv/naiv/modernen auguriert wird. Fraglich ist nicht nur, ob  sie überhaupt zu finden, sondern auch, falls jemand wähnt sie gefunden zu haben, ob er sie  überhaupt verwirklichen kann. Denn die Postmoderne ist, anders als ihre Apologeten imaginierten,  zu einem  austeren finanzpolitischen Verhinderungssystem mutiert.
Zum anderen, einmal auf der Suche nach der "verlorenen Identität", könnte man/frau  schon in den typisch postmodernen Verblendungszusammenhang verstrickt sein. Wenn ich wähne so etwas Seltsames wie eine "Identität", (was immer es auch sei ?), gefunden zu haben, bestimmt sie  mich dann noch ? Oder ist das Ziel durch den labyrinthischen Weg unscharf geworden, gar verschwunden ? Wie weiß ich überhaupt, dass ich jetzt an meinem ultimativen "Identitätspunkt" oder an eine "Identität" gelangt bin, handelt es sich hier wirklich um eine Wahrheit oder eine krasse Illusion, gar Fata Morgana ?  Öffnet sich hier nicht ein unendlicher Raum für erkenntnistheoretische Spekulationen, die alle von der Unmöglichkeit des Identitätsdenkens und des Identitätsbegriffs Zeugnis ablegen ?
Selbst wenn man die Schutzbehauptungen und Verteidigungen der reflexivmodernen "Identitätsforschung" genauer beleuchtet, führen sie noch tiefer ins Dilemma. So stellen die Reflexivmodernen des Öfteren fest, dass  sich ein Teil ihrer Forschung um typisch postmoderne, ephemere, flüchtige "Identitäten" drehe. Aber  offenbart sich hier nicht die postmoderne Problematik und Widersprüchlichkeit in extenso ? Wieso wurde viel Geld für eine Forschung bereitgestellt, die nur kurzfristige "Identitäten" beleuchtet ? Ist das den ganzen Aufwand überhaupt wert ? Wenn es sich angeblich um flüchtige, punktuelle Identitäten handelt, ist dann der Begriff der "Identität" hier nicht gänzlich unangebracht ? Wäre es nicht angemessener von vorübergehenden Projekten zu sprechen ? Dies ist bei Leibe keine Spitzfindigkeit. Zeigt eine kritische Reflexion/Befragung nicht, dass es sich hier gar nicht um "Identitäten" handeln kann, und der Begriff vorübergehende "Identität" per se krass widersprüchlich ist? Ist der Begriff "Identität" hier überhaupt passend ?  Offenbart nicht eine immanente Kritik des Begriffs der passageren Identität seine  Unmöglichkeit ? Bei der oft mehr der Wunsch nach Identität als ideologisches Konstrukt schon in die Begrifflichkeit eingebaut ist, eben weil es sie überhaupt nicht (mehr) gibt. Impliziert das Fragen oder gar das Forschen nach Identität  nicht etwas unheimlich Prätentiöses, Ideologisches, Krampfhaftes, Tic-haftes ?
Der sozioökonomische Hintergrund der Forschungsergebnisse der Reflexivmodernen wird nun im Gegensatz zu den frühen 68ern, die ihn vehement in ihre damaligen Forschungen einbrachten, ziemlich ignoriert. Die Reflexivmodernen können oft nur flüchtige oder passagere Identitäten wahrnehmen und feier(te)n diese Flüchtigkeit (zynisch ?), vermutlich weil sie selbst durch Lebenszeitstellen nicht von ihr betroffen waren. Sie können ob ihres Euphemismus'  den Wald vor lauter unterschiedlichen Bäumen nicht mehr sehen. Denn der Wald, dh. der ökonomische Hintergrund besteht verstärkt seit den 90er Jahren nicht nur im akademischen und im Beratungsbereich meist nur noch aus Kurzzeitverträgen, die oft komplett unterschiedliche Anforderungen und Aufgabenbereiche umfassen. Die Interviewten, die die Reflexivmodernen befragten, mussten sich oft massiv flexibel verbiegen, um weitere Kurzzeitverträge zu akquirieren. Richard Sennett hat die psychosozialen und psychosomatischen Folgen in seinem erhellenden Buch, Der flexible Mensch, die Kultur des neuen Kapitalismus, wesentlich kritischer beschrieben. Die Reflexivmodernen hätten davon lernen können wie man den sozioökonomischen Background weiterhin in seine Forschungen einfließen lässt. Aber auch Sennett hätte seinen Untertitel noch realitätsgerechter wählen können: Die Unkultur respektive der Ungeist des neuen Kapitalismus.
Der akademische Betrieb und speziell die Sozialwissenschaften beziehen ihr Selbstverständnis aus neuen Forschungen und vor allem neuen Begriffsbildungen, oder, vermutlich treffender formuliert: Begriffsungetümen. Sie kreieren am laufenden Band Neologismen. Aber offenbart die Mehrheit dieser Neologismen vermittels einer genauen kritischen Begriffsanalyse nicht nur ihre Widersprüchlichkeit und Unmöglichkeit, sondern auch ihre Aufgeblasenheit ?
Das ganze Dilemma der reflexiven Sozialpsychologie zeigt sich speziell  in ihrem auf die Postmoderne zielenden Aufrufen zur Identitätskonstruktion und zur Identitätsarbeit. Zwar gaben die Reflexivmodernen vor die zweitmoderne “Identität“ zu erforschen. Es blieb jedoch ziemlich unklar, ob sie diese wirklich erforschten oder  nur durch ziemlich prätentiöse Präskripte in die Subjekte über Identitätsfragestellungen  hineinphantasierten/projizierten, die unmöglich zu befolgen, geschweige denn  "selbst herzustellen" waren .

Es ist die reinste Ideologie, Überforderung und ein schwerer verhängnisvoller Irrglaube vom postmodern zerrissenen Subjekt zu fordern, seine Identität selbst herzustellen. Die reflexiv/naiv/modernen Begriffe der "Identitätskonstruktion" und gar, (der schlimmste), "Identitätsarbeit" sind letztlich krasse Neologismen, die zu entlarven wären. Denn wenn ich mir "Identität" erst konstruieren oder erarbeiten muss, dann kann sie nicht mehr das Authentizitätsversprechen beinhalten, das die angeblich "echte, authentische" bereithält. Dann wäre sie leere, entfremdete Konstruktion und kann nicht mehr die "erlösungsverheißende Identität" sein, die die Ideologie des Begriffs suggeriert.
 Aber nicht allein an diesen postmodernen Widersprüchen ist zu ermessen, warum Adorno gegen den Identitätsbegriff Sturm lief. Für ihn nahm der Kampf gegen "Identität" jedoch viel existentiellere Bedeutung an, sowohl individuell als auch gesellschaftspolitisch wie staatstheoretisch. Mit den  Opfern des NS ging es ihm dezidiert um ein Bewusstsein der mehr oder weniger latenten Kriminalität des Identitätsdenkens, das sie von heute auf morgen aus betrachtet wegen den absurdesten "Identitätskonstruktionen" und falschen regressiven Projektionen zu flüchtenden Verfolgten machte, denen nach ihren Leben getrachtet wurde. Deshalb ist es auch heute völlig unangebracht solche höchst beunruhigenden gesellschaftlichen Entwicklungen wie die AFD zu verharmlosen oder forschungstechnisch zu  ignorieren.
Viel glücklicher und humaner wäre, die Genese des postmodernen Identitätsfetischismus aufzuzeigen, um ihn in einem weiteren Schritt zu dekonstruieren.

Letzlich waren sowohl Benjamin als auch Adorno davon überzeugt, dass es nur um die negativ dialektische Spannung gehen kann, die der Barockpoet Angelus Silesius thematisierte,

Ich weiß nicht was ich bin
 und was ich weiß, bin ich nicht mehr......

(Sogar König Ludwig II bewies mehr Affinität zur Psychologie des Unbewussten, als auch mehr Sachverstand als manch postmoderner Psychologe, indem er seiner Erzieherin in einen Brief mitteilte: 
Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen.)

Neben Adorno und Benjamin vertritt heute übrigens Zizek, aus all den genannten Gründen, eine vehemente Kritik am Identitätsdenken und der ehemals pseudolinken nun aber neoliberalen Identitätspolitik, die die Ultrarechte nun für sich vollends kaperte.

Ein weiterer faux pas von Keupps Identitätsansatz lag darin, ihn mit dem Befähigungsdenken zu amalgamieren. Die Subjekte sollten sich selbst zu fähigen Lernsubjekten ausbilden. Heute würde man sagen er hat einem krassen Ableismus das Wort geredet, der die Menschen nur nach ihren Fähigkeiten und damit nach ihrer Verwertbarkeit für den Kapitalismus beurteilt. Eine gute Einführung an der Kritik am Abelismus bietet das Buch von Emilia Roig uA. Unlearn Patriarchy 2, Ullstein, 2024, und der darin enthaltene Text von Rebecca Maskos.

Die Problematik die die reflexive Identitätsforschung generell aufwirft, kann neben einer NKT heute am treffendsten gleichermaßen im Anschluss an Foucault diskutiert werden. In einem Interview im Journal do Brasil vom Nov. 1974 weist er darauf hin, dass neben der reinen Psychiatrie und der Psychoanalyse als Psychotherapie, die Psychotherapie und vor allem die Gemeindepsychiatrie, eine Untersuchung "all dieser Kontrollinstitutionen, der gesamten geistigen Orthopädie" von großer Bedeutung wäre. Frappierend stellt sich dar, dass Foucault schon 1974 die Gemeindepsychiatrie explizit als Kontrollinstitution erwähnt. Denn damals galt die Gemeindepsychiatrie wie die Gemeindepsychologie als die fortgeschrittenste emanzipatorische Praxis bezüglich ihres Umgangs mit "Psychiatrisierten", psychisch "Lädierten", "Kranken" und gesellschaftlich Marginalisierten. Ihre Vertreter/innen kamen ausnahmslos aus der 68er Studentenbewegung und verstanden sich explizit nicht als geistige Orthopäden. Sie sahen sich vielmehr als Befreier und rebellische Emanzipator/innen, die das Gesundheitssystem revolutionieren wollten. Foucault hat sich davon nicht blenden lassen und  ihre damalige Praxis mit großer Skepsis analysiert. Schon  damals sprach er davon,

 "die Geschichte  der vielen kleinen Machtausübungen, denen wir unterworfen sind, die unsere Körper, unsere Sprache und unsere Gewohnheiten domestizieren, die Geschichte all der Kontrollmechanismen, die auf die Individuen einwirken, bleibt noch zu schreiben.

An der aktuellen Form der Kontrolle scheint mir die Tatsache charakteristisch, dass sie über jedes Individuum ausgeübt wird: eine Kontrolle, die uns eine Identität verfertigt, indem sie uns eine Individualität aufzwingt. Jeder von uns hat eine Biographie, eine durchweg  dokumentierte Vergangenheit und irgendeinen Platz, den er einnimmt, eine Schulakte, einen Personalausweis, einen Pass. Immer gibt es eine Behörde, die jederzeit sagen kann, wer jeder von uns ist, und der Staat kann sich, wann immer er will, unsere gesamte Vergangenheit ansehen.
Ich glaube, die Individualität ist heute vollständig von der Macht kontrolliert, und ich glaube, dass wir im Grunde durch die Macht selbst individualisiert sind. Anders gesagt glaube ich ganz und gar nicht, dass die Individualisierung in einem Gegensatz zur Macht steht; ich würde vielmehr im Gegenteil sagen, dass unsere Individualität, die vorgeschriebene Identität eines jeden, Effekt und Instrument der Macht ist, und was die Macht am meisten fürchtet, ist die Kraft und Gewalt von Gruppen. Sie versucht, sie durch Techniken der Individualisierung zu neutralisieren, die bereits im 17. Jahrhundert mit der Hierarchisierung in den Schulen und im 18.Jahrhundert durch Register von Personenbeschreibungen und Anschriftenänderungen aufkommen. In diesem Jahrhundert kommt auch in den Fabriken die gefürchtete Figur des Vorarbeiters auf, der die Arbeitsabläufe kontrolliert. Er sagt jedem, was er wie und wann zu tun hat, und diese individuelle Kontrolle der Arbeit gehört zu einer Technik, die mit der Entstehung der Arbeitsteilung und der Hierarchisierung verknüpft ist, die auch ein individuelles Kontrollinstrument derjenigen, die oben auf der Leiter stehen, über die ist, die weiter unten stehen." 59h

Deshalb nimmt es sich wesentlich sinnvoller aus Becks Individualisierungstheorie mit Foucault zu beobachten. 
Beck hat zwar in der Risikogesellschaft ein Kapitel zur Individualisierung sozialer Ungleichheit geschrieben, das mal wieder nebulös anmutete. Individualisierung wurde als neuer Vergesellschaftungsmodus vorgestellt. Als 68er Soziologe hätte man gerade von ihm mehr erwarten können. Anstatt auf eine Art von verkappter Systemtheorie zu setzen, hätte er sich an die Machtkritik der frühen 68er halten sollen. Viel interessanter und produktiver  wäre Individualisierung demnach als neuen gesellschaftlichen Vermachtungs- respektive Verohnmachtungsmodus zu beschreiben, was er vermied. Es wäre  in  der fortgeschrittenen Postmoderne, der liquid modernitiy, vor allem danach zu fragen, wie die Macht in den verschiedenen Schichten/ Klassen "individualisiert". Hier wären sehr interessante empirische Untersuchungen angesagt. Aber man muss kein Teiresias sein um zu  orakeln, dass die Macht ein Derivat des individuellen finanziellen Vermögens, des individuellen Finanzkapitals ist. Deshalb individualisiert "die Macht", dem Begriff nach, eher in der Bourgeoisie und der Upper Middle Class.  In den darunter liegenden Klassen/Schichten atomisiert und verohnmächtigt sie überwiegend, indem sie Individualisierung nur vorgaukelt, nämlich als systemisch atomisierende Zwangspseudoindividualisierung. "Individualisierung" wirkt sich hier besonders als Verohnmächtigung durch universelle (Individual)/Atomisierung aus. Sie erzeugt viel Frust in aktuellen Gesellschaften, sowohl in Trumps Amerika, im Frankreich der Gelbwesten, wie im Osten Deutschlands, die  alle vermittels einer autoritären Rebellion meinen das Problem "abschaffen" zu können. (Diese Zusammenhänge wären allerdings noch viel gründlicher als auch komplexer zu erforschen, zu thematisieren und zu theoretisieren).
 Genauso verschleiernd wirkt, wenn Beck  die Gesellschaft in ein "Jenseits von Klasse und Schicht" tunkt. Aufgabe einer kritischen  Soziologie und Sozialpsychologie bestand  einst darin, das Unsichtbare hinter den alltäglichen bzw. außeralltäglichen Phänomenen sichtbar zu machen. Das Bewusstsein für Habitus, Hexis, Denken, Verhalten, Sprache, Gender-, Körpersprache, Dress/Codes, Rhetorik und diverse Existenzweisen nicht nur zu sensibilisieren sondern auch sie aus bestimmten materiellen und damit einhergehenden sozialen, sozialisatorischen, klassen/schichtspezifischen wie gouvernementalen Faktoren zu erklären. Speziell für die Jetztzeit, die liquid modernity, wäre dies ein lohnenswertes, erkenntniserheischendes, aussagekräftiges Unterfangen. Sowohl die feinen vielsagenden als auch die weniger feinen selbstredenden Unterschiede neu zu entdecken, neu zu beschreiben. Beck versuchte jedoch das Bewusstsein dafür abzustumpfen, selbst das Sichtbare hinter einer undifferenzierten Individualisierung letztlich  wieder unsichtbar werden zu lassen.  Er schrieb ja dort, wo es darauf ankäme ziemlich genau zu differenzieren, dass Individualisierung selbst dann greife, wenn man/frau an den Bildungs- und anderen Institutionen scheitert. Aber das kann zumal im heutigen Lichte und  schon zur Zeit seiner Entstehung nicht mehr als nonchalante Formulierung gelten. Es müsste ein detaillierter Fokus darauf gelegt werden, wie denn die vermeintliche Individualisierung in den Schichten aussieht, die  an den Bildungsinstitutionen häufig scheitern. Wäre es hier nicht viel angemessener, verstärkt durch die omnipräsente, mediale, kulturindustrielle Klischierung von einer Entindividualisierung oder regressiven Entsubjektivierung  zu sprechen ?
 Selbst innerhalb des Bürgertums an den Bildungsinstitutionen zu scheitern, zieht häufig eine andere "Individualisierung" nach sich, als der Begriff suggeriert. Selbst bei jenen Fällen, die in der verallgemeinerten Abstiegsgesellschaft mehr als die Hälfte ausmachen dürften, die ein ihnen entsprechendes Studium (meist in den Kunst/Geistes/Sozialwissenschaften) absolvierten, sich darin sogar einigermaßen verwirklichen konnten. Anschließend auf einen Arbeitsmarkt treffen, der diese ihre Ausbildung und ihr Potenzial aufgrund der großen Konkurrenz gar nicht nachfragt, nicht braucht. Wie soll man diese Fälle fassen ? Bei ihnen kann man beobachten, dass die anfänglich vielversprechende Individualisierung unauflöslich mit einer immer schon in ihr lauernden Atomisierung amalgamiert ist, die nicht  erst, aber besonders mit der Nichtnachfrage/Flaute am Arbeitsmarkt, voll durchschlägt.   Kann man in all diesen Fällen wirklich (zynisch) noch von einer "Individualisierung" schwurbeln oder verletzt das nicht selbst "bürgerliche" soziologische Seriosität ?  Würde Atomisierung die beschriebenen Prozesse nicht viel besser charakterisieren ?
Inzwischen haben eine Reihe von kritischen Sozialwissenschaftler/innen und Sozialtheoretiker/innen  die systemischen Atomisierungs- und Vereinsamungstendenzen betont, die sich  dialektisch aus solchen Konstrukten wie der Individualisierungstheorie als auch der reflexiven Identitätsforschung ableiten, als Ausdruck avancierter gouvernementaler, kapitalistischer Herrschaftsformen. Das ist  der Grund warum Beck als auch Keupp in mehreren  Veröffentlichungen, vor aber auch nach ihrer Emeritierung, darauf verwiesen, dass Individualisierung und Identitätsforschung dies auf jeden Fall "nicht meint". Aber wird daran nicht nur offensichtlich, wie sehr sie  dialektisches Denken, mit dem sie als Studenten  sozialisiert, mehr noch identifiziert waren, inzwischen massiv verdrängten ? Die Verdrängung sich  in der zweiten Hälfte ihres Lebens gar zu einer heftigen Abwehr,  gepaart mit Realitätsverleugnung verhärtete ? Wie kommt so eine massive Verdrängung zustande ?
Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie in ihrer/m gesellschaftlichen Sicht/Bewusstsein massiv von ihrem gesellschaftlichen Sein geprägt sind/waren. Einem gesellschaftlichen Sein, dass ihnen Zeit ihres Lebens nur die günstigsten, aus heutiger Sicht, fantastischten Aufstiegs- respektive Entwicklungsmöglichkeiten bot. Eine Gesellschaft die ihnen/ihrer Generation  alles zu Füßen legte und nachwarf. Also ist kein Wunder, dass sich in ihrer Erfahrungsspur einprägte, dass solch eine "großartige" Gesellschaft eigentlich nicht grundsätzlich kritisierbar ist.  Auch wenn einem die Umwelt, dh. die kritische sozialwissenschaftliche scientific community auf gewisse problematische Konsequenzen des eigenen Denkens und Verhaltens hinweist, können diese partout nicht wahrgenommen oder akzeptiert werden. Würde  diese Kritik nicht zu stark am eigenen Selbst- bzw. Gesellschaftsbild und am hybriden Ego kratzen ?  Die interpretative Dialektik einer kritischen Sozialwissenschaft von Freud über Adorno bis Foucault und darüber hinaus nicht angemessen verarbeiten zu können, mehr noch, sie  mit einer Art Wahrnehmungszensur zu belegen, hat weder den Sozialwissenschaften noch ihren angeblich reflexiven Produzenten weitergeholfen.
Das Problem besteht aber keinesfalls "nur" auf der Ebene der Sozialwissenschaften. Mit falschen respektive unlauteren Begriffen zu operieren hat weitreichendere Konsequenzen. Camus ein Meister des nicht nur literarischen Begriffs, vertrat die Auffassung,  angewandte Begrifflichkeiten nicht wirklich gründlich auszuloten, führt dazu Phänomene falsch zu benennen. Falsche Benennung von Phänomenen heißt jedoch das Unheil zu vermehren.
Aber selbst Begriffe wie Atomisierung und Vereinsamung sind zu undifferenziert. Neue adäquatere Begrifflichkeiten können erst in einen längeren empirischen  Forschungsprozess entstehen, in dem die richtigen Fragen gestellt werden.



Dialektik der 68er, Identitäts/Mythos, Protestantismus, Nationalsozialismus

Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug (H)
 

 Besonders unter 68ern  war es zurecht in den 70ern bis Mitte der 80er  des 20 Jhs. ziemlich verpönt über eine positive Identität, sei sie kollektiv oder individuell, zu schwurbeln. Dies beeinflusste zudem große Teile der Bevölkerung, was zu einem befreienden gesellschaftlichen Klima beitrug. Vor allem die kritischen Sozialwissenschaften und die Kritische Theorie hatten nicht nur in der Negativen Dialektik (1966) die tiefreichende Problematik aufgezeigt, die mit dem positiven Sprechen über Identität einhergeht. Ua. indem sie nachwies, dass die "Identität die Urform der Ideologie ist" und zwar nicht nur im Nationalsozialismus. Zugleich war diese Erkenntnis eine Warnung an alle zukünftigen Sozialwissenschaftler/innen in Deutschland, nicht in diesen vergifteten, verblendenden Apfel der Pseudoerkenntnis zu beißen.
Trotzdem glaubte die postmoderne,  neoliberale Sozialpsychologie die Schatten der Vergangenheit abschütteln zu können. Indem sie  Mitte der 80er das positive Sprechen von Identität/en wieder in die Sozialwissenschaften einführte. Aber schon von Horkheimer stammte am Vorabend des zweiten Weltkriegs die beunruhigende Überlegung, in seinem (für die Linke) ziemlich bekannten Aufsatz, die Juden und Europa (1939), dass der Liberalismus der kleine Bruder des Faschismus sei.  Außerdem ist es ein signifikanter Unterschied, nach den Erfahrungen mit dem Dritten Reich, ob Identitätsforschung und positives Sprechen von Identität  in allen anderen Kulturen praktiziert wird oder gerade in Deutschland.
Die zu Reflexiv/naiv/modernen konvertierten Ex-68er meinten ganz problemlos, vermittels der Kategorie der Individualisierung wie des positiven Schwätzens über Identität, auf den Zug der postmodernen Sozialpsychologie aufspringen zu können. Aber dieser Sprung war selbst schon äußerst fragwürdig, denn er war gleichermaßen erheblich finanziellen Motiven und Karrieregründen geschuldet wie dem protestantischen Glauben. Die Selbstverständlichkeit des Vollzugs wirkte  auf die wenigen verbliebenen kritischen Sozialwissenschaftler/innen unheimlich befremdlich. Gerade weil die Kritische Theorie sowohl eine tiefe Leidensgeschichte als auch eine dementsprechende Passionsgeschichte verkörperte, die selbstverständlich keiner Karriere oder religiösen Dogmen zu opfern war. Außer um den Preis völliger Unglaubwürdigkeit oder Schlimmeren. Gewisse Themen und Begriffe sind seit dem NS für unabsehbare Zeit in Deutschland buchstäblich verbrannt. Adorno/Horkheimer waren sich vollends im Klaren, dass in Deutschland nichts derart zur Faschisierung des Subjekts, zur Fetischisierung des Geistes als auch zur Psycho-sierung (Norman Bates) beiträgt, wie das beharrliche Fragen nach Identität.
 Die Konversion von der Kritischen Theorie zur reflexiven Modernisierung zeitigte deshalb ungeheure Konsequenzen. Denn sie bedingt einen Wandel von der Sensibilität für die Opfer des NS zu einem Identitätsdenken, das besonders auch den Protestantismus und den NS bestimmte. Um derart zu konvertieren müssen die Ex-68er eine massive Verdrängung und einen enormen Erinnerungsbruch, als auch eine krasse Amnesie an sich vollziehen. Sie müssen sich praktisch gegen die KT, mit der sie sich sozialisierten und die sie in den 70ern pädagogisch favorisierten, vollends absperren, mehr noch abriegeln. Deshalb war es kein Wunder, dass Adorno nach 1986 in den  Seminaren der Reflexivmodernen praktisch nicht mehr gelehrt oder besprochen wurde. Der Widerspruch und die Gegensätze wären zu offensichtlich geworden.
 In den 70ern waren noch viele kritische Sozialwissenschaftler/innen implizit oder explizit an Adorno orientiert. Dieses sozialwissenschaftliche Milieu schrumpfte ab den 80ern und wurde durch die reflexivmoderne Konversion ziemlich marginalisiert wie isoliert. Für diesen nun reduzierten kritischen Kreis beging die "reflexive Identitätsforschung" Mitte der 80er nicht nur einen Glaubwürdigkeitsbruch, sondern,  was viel schlimmer war, einen ziemlichen Tabubruch, der bei ihnen erhebliche Chocs und Re/Traumatisierungen auslöste. Was diese Chocs noch vergrößerte war, dass  Ex-68er  als Reflexivmoderne nun vollends über Bord warfen, was sie von Freud und Adorno über die Psyche wie das Unbewusste begeistert inhaliert hatten.  Dieser Bruch war nicht nur ein Paradigmenwechsel sondern vor allem eine riesen Unverschämtheit. Er verhieß für die nun kleine Gruppe kritischer Sozialwissenschaftler/innen nicht nur vergangen geglaubtes Unheil wieder heraufzubeschwören. Sie waren  entsetzt und sind  bis heute wütend, dass im 68er Deutschland die einst einflussreiche, heiß geliebte und praktizierte  kritische Kritik, die gerade Deutschland so nötig hatte, und ganz aktuell  mehr denn je extrem nötig hat, wieder krass an Bedeutung verlor.

Aber die KT war nicht nur unter kritischen Sozialwissenschftler/innen en vogue. Es bestimmte das intellektuelle Klima bis Ende der 70er Jahre nicht nur in Deutschland massiv, dass an Universitäten und Gymnasien  die Mehrheit der 68er  Dozent/innen respektive Lehrer/innen Neo/Marx und Kritische Theorie lehrte. Die frühe Generation X und Boomer(1960-1970), besonders diejenigen, die sich für Sozialwissenschaften, Wirtschaft, (Recht), Geschichte interessierten und diese (nicht nur) in Lehrberufen vertraten, kam praktisch nicht am Kapital, der Kritischen Theorie und der Dialektik der Aufklärung vorbei. Speziell von 68er Profs/ Dozent/innen/ Lehrer/innen wurden sie fast ausschließlich unheimlich passioniert wie ambitioniert kommunikativ behandelt und gelehrt. Ihr pädagogisches Engagement wirkte, als ob es sich bei diesen kritischen Theorien nicht nur um eine Frage auf Leben und Tod drehte. Eine Annahme die,  von heute aus betrachtet, sich als ziemlich hellsichtig erwies. Mehr noch wollten sie mit Adorno, Reich und Freud die Gesellschaft und die Welt paradiesisch verändern.  Die frühen 68er  strichen aus Zivilcourage ministerielle Vorgaben, 
ergänzten auf eigene Faust amtlich vorgegebene Lehrinhalte, um meist nur kritische Theorien zu lehren. Als Folge war neben den 68ern die bildungsnahen Boomer und die frühe X-Generation in diesen Theoriekomplexen gut bewandert. Die frühen 68er fokussierten besonders die Unterscheidung der verschiedenen Kritiktypen, die an vielen Beispielen studiert wurden. Gelehrt wurde  die Analyse von konformistischer, neoliberaler Kritik, die  die Stabilisierung des Neoliberalismus intendiert, obwohl sie sich kritisch bemäntelt. Viel Zeit wurde auch auf den Typus der reaktionären, faschistoiden Kritik gewendet, die sich oft als vermeintliche Systemkritik ausgibt.  Sehr intensiv wurde auch die Differenz  der kritischen Kritik a la Adorno/Horkheimer im Vergleich zur orthodoxen marxistische Kritik, die beide auf eine allgemein befreite Gesellschaft zielen, herausgearbeitet. Hier drehte es sich ua. um den Geschichtspessimismus der KT/ Negativen Dialektik versus den Geschichtsoptimismus des Marxismus.
Ab Mitte der 80er Jahre hatten die 68er Profs und Dozent/innen plötzlich die Nase voll von Neo/Marx und der Kritischen Theorie. Teils auch dem großen Problem geschuldet  Forschungs/Gelder für eine kritische Sozialwissenschaft akquirieren zu können. Sie erfuhren, dass mit Mainstreamwissenschaft viel leichter viel mehr Geld  zu verdienen ist. Ziemlich peinlich war nun zu beobachten, wie ausgerechnet sie als 68er vom Geld/System, das sie bis dato bekämpften, angefixt und korrumpiert wurden. Mehr noch schien Geld ihr einziger Antrieb und Beweggrund zu werden, während sich die Arbeitsbedingungen durch Befristungen als auch krasse Abhängigkeit von ihnen als Profs  für alle nachfolgenden Generationen massiv verschlechterten und der Großteil  von den Universitäten ausgeschlossen wurde.
 Zeitgleich ereignete sich ein für Deutschland höchst problematischer wie gefährlicher, verhängnisvoller marktkonformer Turn in den Sozialwissenschaften. Das Gros der einst kritischen 68er Sozialwissenschaftler/innen wechselte zur Systemtheorie(Luhmann), Kommunikationstheorie (Habermas) und zur Reflexiven Modernisierung (Beck/Keupp), die bis heute einen toughen Einfluss auf die Sozialwissenschaften ausüben. Der Braindrain  an kritischer Kritik war dramatisch. A posteriori stellte sich heraus, dass die kritische Kritik eine enorm wichtige Rolle im Bildungssystem der BRD spielte. Sie feite vor der immer wieder auftauchenden Hydra der Faschisierung großer Bevölkerungsteile, da die frühen 68er Profs, Dozent/innen, Lehrer/innen, im Gegensatz zu den arrivierten ab den 80er Jahren, vielfältige Multiplikatoren von kritischen Theorien waren.
 Aus  heutiger Sicht in der die kritische Kritik/Sozialwissenschaft für die späteren X/Y/Z- Generationen wieder systematisch verloren ging, zeigen sich die verheerenden politischen Konsequenzen des erstarkenden Rechtsradikalismus. Denn es markiert  den signifikanten Unterschied, ob einem Adornos Perspektive des Nichtidentischen auf ein von der totalitären Warenform und der von ihr geprägten Denkformen unterdrücktes, beschädigtes Leben zur Kenntnis gelangte; als auch das Wissen um die äußerst kritische Kritik Adornos am Identitätsdenken/forschung speziell in der ND und der DdA, wie das Wissen um die spezifische Antisemitismusforschung in der DdA und im "Autoritären Charakter".
Die frühen 68er waren so begeistert von der KT, speziell der Dialektik der Aufklärung, um je  auf die Idee zu kommen, dass sie  auch als eine verschlüsselte Flaschenpost gelesen werden kann, die ziemlich präzise auch ihr Schicksal, dh. ihre Dialektik als 68er beschrieb. Nachdem sie sich ihrer Mitte der 80er Jahre wie eine lästige Fliege entledigten, entkorkte sie, verhängnisraunenden, antiken Hieroglyphen ägyptischer Pharaonentempeln gleich, erst ziemlich spät ihre ganze Wahrheit über ihre einstigen 68er Protagonist/innen. Wobei sich die Dialektik einmal mehr als "sagenhaftes" Erkenntnisinstrument erwies.
Dazu zählt, dass ziemlich ernüchternd, ja enttäuschend ist, dass die Reflexivmodernen sich eines Begriffs bedienen, den einst Adorno in den 60ern einführte, um die Funktion einer zukünftigen kritischen „reflexiven  Sozialwissenschaft“ auszuloten. Adorno plädierte jedoch aufgrund seines kritischen Sozial/Philosophieverständnis, dass eine solche Sozialwissenschaft nicht nur ihre Inhalte und Methoden so gut wie möglich reflexiv zu bespiegeln hat. Sie müsse zudem ihre Begriffe permanent kritisch in Frage stellen. Sie impliziert eine permanente reflexive Begriffskritik, damit die expliziten, exoterischen als auch  vor allem impliziten, esoterischen Semantiken von Begriffen nicht aufs Glatteis führen. Diese Seminare lehrten Begriffe wie Texte negativ dialektisch zu dechiffrieren, ua. damit ihr dialektisches Spiel mit ihrem Subtext  hervortrat.
Erst nach einer umfangreichen, interdisziplinären, kritischen Prüfung kann ein sozialpsychologischer, soziologischer oder sozialphilosophischer Begriff  zur weiteren Verwendung freigegeben, oder, muss entsprechend verworfen bzw. gebannt werden.  Dies war definitiv keine akademische Glasperlenspielerei. Im Gegenteil  war und ist sie deshalb vonnöten, weil sich Adorno vollends bewusst war, dass ein unkritischer Begriffsgebrauch viel mehr Schaden anrichtet als Probleme löst. All dieses kritische Begriffsverständnis leisten die Reflexivmodernen ganz bewusst  nicht. Denn es würde all ihr Identitätsgefasel vollends entlarven, demaskieren als auch delegitimieren. Heiner Keupp, der in den 60ern in Frankfurt studierte, dürfte nicht entgangen sein, dass  Horkheimer/Adornos IfS  permanent Seminare anbot, die  zum Begriff der Soziologie lauteten, in denen zentrale Begriffe des Fachgebiets multiperspektivisch, interdisziplinär analysiert wurden. Adorno schraubte die Begriffe differenziert auseinander, führte sie auf ihre lateinische oder altgriechische Wurzel zurück, analysierte deren Bedeutung im Gegensatz zur modernen, rief ihre Verwendungs- respektive Begriffsgeschichte vor Augen und setzte sie anschließend wieder sorgfältig zusammen.  Dies kann ua. in den Vorlesungen zum Begriff und Fragen der Dialektik und der Negativen Dialektik nachvollzogen werden.  Adorno oder seine Mitarbeiter/innen differenzierten seinen Begriff von Dialektik gegenüber der Hegelschen weiter in ihren Seminaren aus, um ihn herauszuarbeiten wie zu verdeutlichten. Adorno bezeichnete, was kaum bekannt, nicht etwa die Dialektik der Aufklärung oder den Autoritären Charakter als sein Hauptwerk, sondern, nicht von ungefähr, die Negative Dialektik, dh. die mit ihr verbundene Kritik des Identitätsbegriffs. Denn er sah diese Kritik als enorm zentral für die Aufarbeitung der Vergangenheit in Deutschland als auch als Prävention für einen zukünftigen Rückfall.

 Die meisten seriösen Veröffentlichungen über "Identität" in den folgenden Jahrzehnten wiesen darauf hin, dass Hegel der Triplizitätstheoretiker die "Identität" als einen Mix von Identität und ganz explizit von Nicht-Identität beschrieb. Hegel fasste in der Idealismus- Diskussion Schellings System mit dem Satz zusammen : "Die Identität ist die Identität von Identität und Nichtidentität." Schelling stimmte dem zu. Jedoch verselbständigte sich Hegels  Aussage, dadurch  wurde  offensichtlich, dass sie an und für sich einen brutal erratischen, unlösbaren Widerspruch in sich birgt. Denn Identität und Nicht-Identität können niemals identisch sein. Obwohl Hegel beabsichtigte damit Schellings System auf den Punkt zu bringen, führte er unfreiwillig vor, dass es eine (reine) Identität eigentlich nicht gibt.  Das Nichtidentische spielte für Hegels dialektische Sozial/Philosophie wie für alle Nachfolger im Grunde die zentralere Rolle. Deshalb ist schon ziemlich fragwürdig warum Heiner Keupp  in keiner einzigen seiner Veröffentlichungen den Begriff des Nichtidentischen, der  in der frühen psychoanalytischen Sozialpsychologie der 68er ebenfalls eine bedeutende Rolle spielte, als Reflexivmoderner überhaupt nicht mehr erwähnt. Als gelte es praktisch eine ganze Bildungsgeschichte, die mit dem Begriff des Nichtidentischen konnotiert ist, auszulöschen.
Das nimmt sich besonders vor dem Bildungshintergrund  befremdlich aus, den Adorno  in den 60er Jahren aufspannte. Er hielt vier große Vorlesungszyklen über Dialektik vor der Avantgarde der Studentenbewegung in Frankfurt. Diese Zyklen bestimmten  den Mindset der revolutionären Student/innen, selbst noch der radikalen Feministinnen der 70er Jahre, die das "Muttern", die patriarchalische Mutter- und Frauenrolle abzulehnen begannen. Besonders wurde in den Vorlesungen zur Dialektik das bürgerliche Verständnis des Identitätsdenkens ins Visier genommen. In der Negativen Dialektik radikalisierte Adorno  die Kritik des Identitätsbegriffs, denn dieser suggeriere einen Sachverhalt, den es nicht gebe. Adornos Intention lag darin, eine zukünftige reflexive Sozialwissenschaft auf eine Ideologiekritik als auch reflexive Begriffskritik zu justieren. Ihm ging es um die Entlarvung von Schlüssel-Begriffen, die in der Lage sind unser Denken totalitär auszurichten, obwohl sie scheinbar harmlos wirken. Aber bei öfterem Gebrauch wie der berüchtigte Wolf im Schafspelz agieren. Sozusagen ihre Wirkung erst vollends entfalten, wenn sich ein gesellschaftlicher Klimaumschwung ereignet, den sie selbst durch ihren unbedarften, inflationären Gebrauch vorbereiteten. Adorno wollte aufzeigen, wie sie solchermaßen unser Denken vorbewusst lenken, manipulieren, oder, in aktueller  Neuroscience formuliert, framen.
An den konvertierten Reflexivmodernen/Ex-68ern ab den 90ern ist dieses Phänomen zu beobachten.  Sie fokussierten sich  nur noch darauf, dass die Subjekte sich eine "Identität“ aneignen respektive konstruieren mit den Frames, die sie ihnen vorgaben . Also genau auf das, was Adorno kategorisch  kritisierte, hinterfragte, überwinden wollte.(Adorno: ,,über den Begriff durch den Begriff hinausgelangen." ND, S.27, TWA, GS, Bd 6, Suhrkamp, 1997 )
Die Reflexivmodernen bewegen sich derart im Rahmen der Werbeindustrie, deren aktuelle Spins sich schon seit einiger Zeit darum drehen eine "Marken-Identität" zu kreieren. Die Werbeindustrie war seit den 90er Jahren verstärkt an den Neurosciences interessiert. Es galt zu erforschen welche Werbetechniken besonders auf Bewusstsein und Unterbewusstsein zugreifen, zudem, welche Kombination einen möglichst nachhaltigen Impact auf den Konsumenten erzielt. Diese Forschung kam zu dem Ergebnis, dass die Kreation einer Marken-Identität  ein eingängiges Narrativ, ein toughes Branding als auch ein wirkungsvolles Joy- und Tribe-Management benötigt. Die postmodernen Konzepte des Neuroscience Marketing: der Identity Creation und Construction, des Identity Framing und Branding wie des Identity Designing und Designs traten ihren Siegeszug an. Mit jedem einzelnen dieser Begriffe könnte man Seiten füllen, wie er die Werbeindustrie turbokapitalistisch modernisierte, aber auch wie krass die postmoderne Werbe- und Medienindustrie derart die Gesellschaft  auf Labels einschwor und die Konsumenten auf Identity Marken / Brands programmierte. Man kann hier durchaus von einer Mind Control sprechen. Das Identity Branding des Neuroscience Marketing begann minutiös zu erforschen warum manche Werbung erfolgreich ist und andere nicht. Dazu erfand sie neue Forschungsrichtungen wie das Online Eyetracking. Dh. was fixiert ein Konsument bei einer Werbung länger als auch genauer  und wie tracken sich die Augenbewegungen über die dargebotene Werbung ? Was bündelt die Aufmerksamkeit und was nicht ? Es war eine Untersuchungstechnik die ab ca 2010 die neueren Psychologieforschungen bis heute bestimmt und auch von etlichen anderen Forschungsbereichen genutzt wird. Es sind Konzepte die ein entfesselter postmoderner Neuro-Markt generierte in dem Marken/Brands/Labels einen darwinistischen Propaganda- und Konkurrenzkampf austragen, der  zu einem hybriden Brand- and Identitywar eskalierte. 

Der späte Foucault richtete seinen Fokus darauf, "dass die ethisch-politische Wahl, die wir jeden Tag zu treffen haben, darin besteht zu bestimmen, was die Hauptgefahr ist." 59i Sie bestand und besteht weiter darin, dass zumal in Deutschland die Reflexivmodernen/Ex-68er begannen ab Mitte der 80er Jahre die o.g. kritischen Theorien durch in ihrem Sinne  "reflexive", gefährlich (naive), protestantische Identitätsforschungen zu ersetzen. Diese Identitätsforschung arbeitet/e mit (nahezu) den gleichen Begriffen und Frames: Identitätskonstruktion, Identitätsarbeit/ Framing und Community/Tribe wie das Neuroscience Marketing. Beide eich/t/en Bewusstsein wie Kognition auf Identityframes. 59j Solchermaßen überschrieben die Reflexivmodernen neuromarketing technisch das kritische Denken und Theoretisieren aller sozialpsychologisch/soziologisch Interessierten. Derart blendeten sie die eigentlich kritisch interessierten folgenden Y/Z-Student/innen-Generationen und verursachten  eine gefährliche Amnesie. Im Verbund mit unverhältnismäßig vielen Systemtheorie/Methoden/Soziologieprofessuren, Philosophie- und Psychologiedepartments ab den 80ern, die fast nur noch fachinterne Spezialthemen abhandeln, hat sich ein für Deutschland gefährlicher Bildungsnotstand ergeben, der der Neuen Rechten intellektuell praktisch keine Paroli mehr bieten kann. Im Gegensatz zum rebellischen Widerstandsgeist der 60er und 70er Jahren des 20 Jhs.. Diese Fachbereiche sind durch ihren unkritischen Identitäts/Begriffsgebrauch vielmehr zum Teil des rechten Problems geworden, respektive haben ihm heftig das Feld bereitet.


Interessant ist, dass zwar Becks Risikogesellschaft, damit seine Individualisierungstheorie, in vielen Sprachen veröffentlicht wurde, jedoch ist keines von Keupps Büchern, speziell  über "Identitäts/forschung", in eine andere Sprache übersetzt.  International wäre diese Art von deutscher Identitätsforschung, die og. Identity Framing betreibt, wohl auf noch mehr Befremden und Kritik getroffen. Beide Paradigmen firmieren bei Beck unter dem Forschungsprogramm der Reflexiven Modernisierung. Beide, besonders aber die Identitätsforschung respektive das Identity Framing hätten vielmehr das Label: Regressive Modernisierung verdient. Gerade die Begriffsverwendung Becks und Keupps ist  ziemlich trügerisch. Ihre Begriffe dechiffrieren sich erst wenn sie kritisch   und vor allem negativ dialektisch gewendet/reflektiert werden.
Die reflexivmoderne Soziologie/Sozialpsychologie gab vor, dass sie den gesamtgesellschaftlichen Prozess der "Modernisierung der zweiten Moderne" reflexiv begleiten und sogar reflektieren könnte. Aber dieses "leicht" megalomanische Projekt zeugt von einer unglaublichen Naivität was postmoderne "Modernisierungen" betrifft. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie gleichzeitig Fortschritt, Blockade, Stagnation und Regression in einem amorph verkörpern (Stichwort: Digitalisierung/AI/KI/ChatGPT). Was als Modernisierung angepriesen wird, stellt sich oft wenige Jahre später als Regression heraus. (Nachhaltigkeit besteht meist aus Renaturierung und Entschleunigung. Fortschritt ereignet sich dort, wo er endet. Adorno)  Diese opaken, undurchsichtigen, extrem komplexen, hybriden  "Modernisierungsprozesse" die letztlich opake Liquidisierungen sind, können, wenn überhaupt, gesamtgesellschaftlich nur von ihrer negativen Dialektik mehr schlecht als recht erschlossen werden. 
Die Reflexivmodernen haben das Adjektiv  reflexiv jedoch derart ausufernd überstrapaziert, dass es im Grunde irrelevant und bedeutungslos geworden ist.
  Anfänglich zehrte die "reflexivmoderne" Sozialpsychologie noch von der Ambivalenz, dass der Begriff reflexiv auch die Assoziation von "Reflexion" zulässt, derart suggerierend, dass sie auch eine Form der reflektierten Moderne beschreiben könnte. Nur in wenigen Veröffentlichungen wiesen die Reflexivmodernen darauf hin, dass das Adjektiv reflexiv nur auf sich selbst bezogen bedeutet. Zu hinterfragen ist, ob es eine gründliche reflexive Modernisierung überhaupt geben kann, sowohl gesellschaftlich als auch subjektiv ? Denn wie in dem Kapitel, Kann man/frau sich selbst erkennen ?, oben ausgeführt, ist sie weder gesellschaftlich noch subjektiv kaum möglich.  So schienen sich auch die Reflexiv/naiv/modernen am wenigsten reflexiv zu kennen.
Allerdings ist immer wieder erstaunlich, wie stark die Berufsgruppe der Professor/innen durch kulturelle und individuelle Sozialisation, (Pfarrhaus), Ausbildung, Studium, Methoden, Wertekanon der  fachspezifischen Curricula festgelegt und auch vorhersagbar ist. Die problematische Ambivalenz einer jeglichen umfangreichen Ausbildung, Fach/Bildung besteht  darin, dass sie die Auszubildenden auf ganz spezifische Mindsets und ein eigeschränktes Fachdenken festlegt. Speziell bei Professoren, die eine lange Fachausbildung hinter sich haben, wird das oft besonders schmerzhaft deutlich. Gerade aber in Sozialpsychologie und evtl. Soziologie möchte man meinen, dass dieser fachliche wie kulturelle Hintergrund relativ reflektiert in die Forschungen einbezogen wird. Das war aber ausgerechnet in der reflexiven Modernisierung und ihren Fachbereichen nicht der Fall, und ist  es vermutlich auch in den meisten anderen Fachbereichen nicht. Keupp war zusätzlich als Angehöriger der Ex/ 68er mehrfach prejudiced. Zum einen ging er, wie alle verbeamteten 68er Sozialwissenschaftler davon aus, dass ihm als 68er die Festanstellung als Sozialwissenschaftler auf Lebenszeit völlig selbstverständlich, "natürlich" zukomme. Diese Sicht schlug sich in seinen Elaboraten als die angeblich postmoderne Multioptionsgesellschaft nieder. Dass  alle nachfolgenden Generationen die Postmoderne jedoch als fremdbestimmte Abstiegs-, Deklassierungs- und Sackgassengesellschaft erfuhren, konnte er trotz aller Empirie nicht verstehen. Denn er hat nie die Erfahrung gemacht, dass nicht nur diejenigen aus den folgenden Generationen, die versuchten eine Festanstellung als Sozialwissenschaftler/in zu erlangen, daran meist verzweifelten. Er und sein Team hat sich nie dieser Prekarität der Kurzzeitverträge in den heutigen Sozialwissenschaften stellen müssen und auch nicht dem Umstand, dass die meisten Sozialwissenschaftler/innen nicht einmal Kurzzeitverträge bekommen, sondern in ganz anderen ungeliebten Berufen sich verdingen müssen. Sonst hätten er und sein Team nicht von einer Multioptionsgesellschaft sprechen können.  An ihm konnte man auch studieren, wie er alle Forschungsansätze die nicht in sein stark reduziertes protestantische Identitätsschema passten, aussortierte. Es gibt viele Beispiele der Boomer und XY Generationen, die ihre Perspektiven auf das Forschungs- und Wissenschaftssystem einbringen wollten und die unvermittelt ein negatives Feedback oder kaum Feedback auf ihre Exposes erhielten. Obwohl gerade darin die wahrscheinlich interessantesten Perspektiven zu finden waren. Denn viele thematisierten die prekären Beschränkungen, die ihnen in einem von Ex-68ern geprägten Wissenschaftssystem entgegenschlugen. Zudem wiesen einige Exposes ein gänzlich anderes Mindset auf, das von dem stark Curriculum orientierten ihres/r Professor/in abwich. Andere Generationen haben von der vorhergehenden stark abweichende Mindsets, die sie absetzten und unterscheiden. Mit diesen Unterschieden konnten gerade die Reflexivmodernen/Ex-68er nicht umgehen, weil sie komplett gegen ihr eingefahrenes, beschränktes Denken verstießen und deshalb abgelehnt wurden. Dabei verhält es sich derart, dass die arrivierten 68er Profs viel mehr über die Postmoderne/Gesellschaft und vor allem sich selbst hätten lernen können, wenn sie eine kritische Kritik an sich und der postmodernen Gesellschaft wirklich zugelassen hätten. "Vorbei, verweht, nie wieder". Auch Keupp hat nicht verstanden, dass er viel mehr von seinen kritischen Student/innen hätte lernen können, als wir von ihm, wenn seine Abwehr nur nicht so undurchlässig, kompakt gewesen wäre.
 Fremdeinschätzungen, andere Perspektiven, diverse Interpretationen in den abgelehnten Exposes oder darin skizierte Kritiken hätten die professorale Person, fachliche theoretische und praktische Produktion viel  trefflicher interpretiert, was die Ex 68er jedoch abwehren mussten.

In seinem hellsichtigen Buch, das im Titel fragt, Does the Internet have an unconscious ? (2019), versucht Clint Burnham multiperspektivisch eine Antwort zu geben. Es wird zunehmend offensichtlich, dass das Internet jedem der mit ihm in Berührung kommt, oder von ihm (auch unfreiwillig) adressiert wird, meist sein Unbewusstes weniger bewusst macht, als vielmehr (fast) ohne Filter an die Öffentlichkeit spült. Nach den bisherigen Erfahrungen ist sehr wahrscheinlich, dass das Internet auch eine krasse Mindmachine respektive Dechiffriermaschine ist, die das Unbewusste wie den vorbewussten und bewussten  Mindset der Verhandelten "hackt". Weiter zu erforschen wäre, ob und auf welche Art und Weise es solchermaßen "Gehackte" auch anschließend verändert.

In Keupps Texten über die zweite Moderne sticht sofort eine aus den Texten nicht erklärbare Identitätsobsession hervor. Ihr Credo läuft auf das Finden bzw. Konstruieren der "passenden Identität" in der Postmoderne hinaus. Obwohl gerade die Postmoderne zwar den Wunsch nach "Identität" in all dem Chaos ideologisch schürt, persönliche wie berufliche "Identität" aber letztlich meistens verunmöglicht. So steht man als Leser/in oft mit einem großen Fragezeichen vor diesen Texten. Dabei wäre es für die Student/innen der Schlüssel zum Verständnis dieser Texte gewesen, wenn Keupp sie mit seiner Sozialisation in einem protestantischen Pfarrhaus in Verbindung gebracht hätte.  Obwohl  Keupp in den revolutionären 60er Jahren des 20 Jhs.  in Frankfurt studierte, konnte oder wollte er nicht erkennen ?, (das ist  die entscheidende Frage), dass er aufgrund seiner Sozialisation in einem protestantischen Pfarrhaus auf s/eine protestantische Identitätsarbeit (vorbewusst) abonniert respektive konditioniert war und  deshalb nicht gefeit davor seine Sozialisation jedem aufzudrängen, ob er/sie will oder nicht. Er ließ den (postmodernen) Protestantismus  nach einer längeren Latenzphase in den 70ern noch einmal verschärft ab Mitte der 80er von der Leine,  indem er sich vermittels der "reflexiven Identitätsforschung" so richtig austobte. "Reflexive Identitätsforschung" und Neoprotestantismus vollführten in der Reflexiv/Regressiven Modernisierung quasi einen kulturellen als auch ökonomischen Supermerger und offenbarten ihre Kongruenz. Man muss ihre "Kongenialität" jedoch noch viel kritischer und theoretischer untersuchen.  Hier stehen  weitere Forschungsprojekte aus, was der Protestantismus realiter mit den Psychen anstellt, die in seine Fänge geraten, wie er seine identitären "sozialisatorischen" Daumenschrauben en detail anzieht.  Keupp kann nur sehr marginal (prejudiced/biased) in seinen Vorträgen darauf eingehen, da sie als sein blinder Fleck fungieren. Jedoch auch ob dieser Blindheit, durch ihn hindurch, diesen Supermerger vollziehen. Die Art und Weise wie krass ungeniert, direkt und tough er seinen Protestantismus in "sozialwissenschaftliche" Identitätstheoreme kleidete ist  aber nur auf den ersten Blick singulär beispiellos. Noch kritischer wäre zu fragen, ob er  nicht   seinem privaten protestantischen Gott/Fetisch  exzessiv auf einer öffentlichen Universität  huldigte und es als  reflexivmoderne Sozialpsychologie verkaufte ? 
Denn niemand war (und ist  bis heute) gestresster, getriggerter, dh. kurz vor dem Austicken (and beyond) als er, falls das Identitätsparadigma kritisiert respektive erwähnt wurde, dass Adornos Spätwerk von der Kritik des Identitätsdenken geleitet war. Man/frau kann Keupp heute noch in einem Gespräch nicht nur nervös erleben sondern auch bei argumentativer Verteidigung Adornos bezüglich des Nichtidentischen aus der Fassung bringen. 
Dies deutet darauf hin, dass Heiner Keupp seit frühester Kindheit in seinem protestantischen Eltern/Pfarrhaus ein erstes  Curriculum durchlief, das viel prägender war, als alles was  Schule und Universität ihm bieten konnte. Um seinen strengen Vater zu gefallen, sog er alles was er predigte, wie ein Schwamm auf. Denn Gott spricht durch den Pastor und der Pastor ist auch noch der eigene Vater. Vollends konditionierend wirkt sich die lange Tradition der Tischansprachen und Tischgebete von Pastoren in protestantischen Pfarrhäusern aus, die sich ua. auf aktuelle Ereignisse beziehen. Der protestantische Essenstisch und alles was zu Tisch gesprochen wird, rekurriert letztlich auf die von Leonardo da Vinci unnachahmlich portraitierte Szene des letzten Abendmahls. Man kann sich vorstellen welche Psychodynamik es entfaltet, wenn praktisch das protestantische Pastorenfamilienoberhaupt in dieser Tradition steht. Dh. fast jeden Tag so etwas wie ein letztes Abendmahl ur/aufgeführt und eingenommen wird. (Und ewig grüßt das Murmeltier).
 Heiner, der realiter Heinrich heißt, notierte die  Predigten als auch die abendlichen Tischansprachen seines Vaters in seine Hefte und Tagesjournale, anschließend darüber reflektierend  meditierend,  ohne sie je wirklich kritisch hinterfragen zu können. Wer könnte schon Gott-Vater/Godfather widersprechen. Im Gottesdienst, für Heiner ein Godfatherdienst, saß er meist in den ersten Reihen. Im Fürbitten ausdenken, produzieren und vortragen war er unschlagbar. Später im Militärdienst, (wer von den 68ern kam jemals auf die Idee freiwillig Wehrdienst zu leisten???), für Heiner jedoch sowas Ähnliches wie ein Godfatherdienst, bot er protestantische Gesprächskreise an. Einzig beim Singen protestantischer Kirchenlieder musste selbst er einsehen, dass sein Gesang, seine Musikalität nicht zu Ehren Gottes gereichte. 
In Gesprächen mit anderen Kindern/Jugendlichen und vor allem mit seinem Vater und Großeltern erwies er sich als gelehriger seine Großfamilie/Godfatherfamilie sehr zufriedenstellender Sohn. Ihr Heiner hatte den expliziten wie impliziten familiendynastischen Auftrag die Flamme des Protestantismus in welcher Form auch immer in die Welt zu tragen. Familiendynamische Aufträge haben die unangenehme Nebenwirkung respektive Hauptwirkung, dass sie den Beauftragen nun an der unbedingten Erfüllung ihres Auftrags messen. Seine "Identität" steht permanent unter einen familiären Beobachtungs- als auch Erfolgszwang, den er wie kaum ein anderer verinnerlichte.
Unter säkularen Klassenkameraden galt Heiner  früh als protestantischer besserwisserischer Nerd. Seine schulischen Aufsätze in Deutsch und Religion spiegelten damals schon eine komplett protestantische Ethik. Sie unterscheiden sich signifikant von dem was andere Kinder und Jugendliche in dem jeweiligem Alter produzieren. Daran wird offensichtlich was die Sozialisation in einem protestantischen Pfarrhaus bedeutet und wie sie sich auswirkt. Denn es wäre völlig untypisch als auch undenkbar, dass Kinder ohne eindeutige protestantische Sozialisation und vor allem solche, die nicht permanent direkt oder indirekt auf ihre Verinnerlichung von protestantischen Glaubensinhalten geprüft werden, derartige Texte zu Papier bringen könnten. Nun ergreifen nicht wenige Kinder aus protestantischen Pfarrhäusern ihrerseits Berufe in der protestantischen Kirche respektive protestantischen Institutionen. Diese Institutionen generieren permanent ihren eigenen Nachwuchs und gelten aus einer Diversityperspektive als ziemlich geschlossen. (Übrigens fand sich im Uni-Team von Keupp auch niemand der nicht deutsch und vermutlich protestantisch war. Es wäre bestimmt auch schwer bis unmöglich Migrant/innen zu finden, die den protestantischen Mumpitz dort ernsthaft hätten vertreten können. Außerdem haben sie Assistenzstellen, die für den Nachwuchs vorgesehen waren, konfisziert und für sich in Lebenszeitstellen umgewandelt. Soviel zur Generationengerechtigkeit der 68er, nach uns die Sintflut.)
 Dieses protestantische Problem ist jedoch ein generelles der deutschen Human- und Sozialwissenschaften. Es ist nicht schwer zu beobachten, dass hier meist Protestanten befristete wie unbefristete Stellen an Protestanten vergeben. Allein aus diesem Grund wird die oft beschworene Diversity als Lüge vorgeführt.
Die Protestanten und speziell die Kinder aus protestantischen Pfarrhäusern, die sich mit ihrer Religion identifizieren, glauben, sie wären ein Geschenk Gottes an die Welt und die Menschheit. Ihre protestantische Weltanschauung könnte nur zum Weltfrieden wie zu einem generellen Weltethos beitragen. Diese Selbsteinschätzung ist aber schon das Problem. Nicht nur dass sie  eine heftige Hybris aufweist, denn  die Welt als auch ihre Artenvielfalt gediehe besser, wenn  die Hominiden sich nicht aus dem Menschenaffenstadium "weiterentwickelt" hätten.  Sie verhindert auch sich selbst kritisch hinterfragen zu können. Die protestantische Sozialisation bringt ungemein eindimensionale Subjekte, mit einem forcierten Tunnelblick hervor. Fremdeinschätzungen nehmen daran eine krasse Borniertheit wahr, überhaupt andere  abweichende Meinungen, Einstellungen und Mindsets akzeptieren zu können. Denn sie sind ihnen aufgrund der intensiven protestantischen Sozialisation suspekt, mit ihr nicht kompatibel und deshalb fremd.
 Die meisten Kinder aus protestantischen Pfarrhäusern haben den Impuls ihre protestantische Ethik auch in anderen öffentlichen Institutionen zu verbreiten. Aber nur eine relativ geringe Anzahl von diesen Kindern  hat  realiter die Möglichkeit alles in ihrem Elternhaus Gelernte 1:1 auf Universitäten und anderen öffentlichen Institutionen umzusetzen. Hier bedarf es zudem einer gewissen Frechheit um öffentliche Institutionen derart zu benutzen. Sie beginnen öffentliche Institutionen mehr oder weniger klandestin umzuschreiben um sie letztlich in eine protestantische Kirche, Tischansprache oder einen protestantischen Gottesdienst zu verwandeln.  Es verlangt tatsächlich nach einer wesentlich ausführlicheren   kritischen, psychoanalytischen, sozialpsychologischen Research, mit prononcierter Betonung auf kritisch, um dieses Vorgehen noch genauer zu beleuchten bzw. zu untersuchen.
Identität und Identitätsarbeit waren, seit es die protestantische Kirche gibt, ihr Steckenpferd wie ihr Fetisch.
Heinz Gess schliesst sich der Kritischen Theorie an, indem er zu bedenken  gibt, dass das  "positive Sprechen von 'Identität',  ohne dass die Bediener des Diskurses, also die Menschen dies beabsichtigen müssen, die Hunde von der Leine lässt."   Gerade das  neue, neoprotestantische, postmoderne, positive  Sprechen von Identität schleppt eine unheimlich tragische, schlimme Geschichte mit sich, die die Reformer gerade ausschließen wollten. Adorno/Horkheimer formulierten dementsprechend erkenntniserheischend: "Es gehört zum heillosen Zustand, daß auch der ehrlichste Reformer, der in abgegriffener Sprache die Neuerung empfiehlt, durch Übernahme des eingeschliffenen Kategorienapparates und der dahinter stehenden schlechten Philosophie die Macht des Bestehenden verstärkt, die er brechen möchte. Die falsche Klarheit ist nur ein anderer Ausdruck für den Mythos. Er war immer dunkel und einleuchtend zugleich. Seit je hat er durch Vertrautheit und Enthebung von der Arbeit des Begriffs sich ausgewiesen." (DdA, Adorno, GS, BD3,1997, S.14, Vorrede, Suhrkamp, F.)
Die Übernahme des eingeschliffenen Kategorienapparats wird mit dem vermeintlich reflexivmodernen Begriff der Identität vollzogen. Es ist schon erwähnt worden, dass gerade die Reflexivmodernen durch die Art ihrer Nutzung des Begriffs Identität besser als die Naivmodernen zu bezeichnen wären. Aber selbst dies beschreibt ihren Gebrauch nicht ausreichend. Die Aus- und Anrufung einer hypostasierten Identität entlarvt sie vor allem als (Reflexiv/Regressiv)/Antiquierte/ Mythologen, die buchstäblich alles mit Identität schlagen. 
  Fairerweise wäre der Studiengang/FB Reflexive Modernisierung nicht nur Regressive Modernisierung zu bezeichnen (gewesen).  Besonders ihre Identitätsforschung müsste eigentlich, wenn nicht  protestantische Theologie oder sudetendeutsche Psychologie, dann zumindest protestantische (Pastoral)/Psychologie/Ideologie, oder noch treffender, postmoderne Mythologie getauft werden. Im Falle der protestantischen Pastoral/Psychologie/Ideologie wären aber definitiv deutlich weniger Student/innen anzusprechen (gewesen).  Nämlich nur diejenigen, die eine ausgeprägte protestantische Sozialisation "genossen". In kirchlichen Gruppen oder Elternhäusern nicht vollends davon abgeschreckt wurden, sondern sie als einigermaßen positiv erfuhren. Auch das soll es geben.
Alle anderen, mehrheitlich kritischeren Student/innen hätten sofort protestierend eingewendet: Wollt ihr uns tatsächlich die Ethik, den Habitus, die Hexis, dh. das Geschwurbel eures protestantischen Eltern-Pfarrhauses als reflexivmoderne Sozialpsychologie verkaufen ??? Echt jetzt ??? Mehr habt ihr nicht zu bieten ??? Wer hat  zu verantworten, dass so etwas möglich ist ??? Ihr solltet, wenn überhaupt, definitiv nicht vom Staat und auch nicht von der Stadt bezahlt oder verbeamtet werden ! Das bedarf einer kritischen Aufarbeitung wie Kritik !!! 
Eine Neue Kritische Theorie würde den Studiengang Reflexive Modernisierung als    protestantische postmoderne Mythologie "entlarven". Eine solche NKT zeichnet sich  gerade ob ihrer Reflektiertheit und  kritischen Reflexivität aus. Ihre kritische Reflexivität produziert eine gewissen Wahrheit und Redlichkeit, die gerade die reflexivmoderne Identitätsforschung vortäuschte, aber nie hatte. Denn die reflexive Identitätsforschung propagiert tatsächlich sowohl ein protestantisches Identitätsdenken, wie sie in der letzten Konsequenz eine protestantische Identität hervorbringen will, an der/dem sie alle Individuen "ernsthaft" psychometrisch misst. Wirklich kritisch betrachtet wäre  dieses Begehren nicht nur als postmoderne protestantische Mythologie sondern vor allem auch als krasse protestantische Folklore zu fokussieren. Dieser protestantische Kokolores könnte unbeabsichtigt durchaus zu schrägen Konstellationen führen, die freilich nur ob ihres bizarren, skurrilen, outrierten Identitätskitsches evtl. ein wenig interessant erschienen. Ihre vermeintlich aktuelle Postmodernität ist jedoch zugleich gefährlich vorgestrig. 
 Die   Gefährlichkeit der Reflexivmodernen besteht  darin, den Begriff der  Identität als Ontologie aufzufassen und damit einen Mythos wissenschaftlich positivistisch  begründen zu wollen, als eine Art Selbstverständlichkeit und gar Entwicklungsziel, was realiter ein Regressionsziel.
 Der Begriff und die Semantik der Identität zeugt vor allem vom Mythos einer vermeintlichen Einheit, sei sie kollektiv oder individuell. Besonders wenn die Student/innen zu einer Identitätsarbeit aufgefordert werden. Der Identitätsbegriff, wie die Aufforderung zur Identitätsarbeit, schleifen deshalb einen Identitätsmythos mit, als auch die Gewalt des  Mythos' generell, was jedoch niemals harmlos. Beide versuchen "Identität" gleichermaßen pseudowissenschaftlich zu begründen, hervorzubringen als auch zuzurichten.

Protestantismus und Nationalsozialismus

 Die  heftigen mythischen, religiösen Zurichtungsmechanismen zeichnen vor allem die Religionen aus. Der Protestantismus spielt hier und vor allem für die Reflexivmodernen die entscheidenste Rolle.
Carol Diethe erschloß  in Nietzsches Schwester und der Wille zur Macht(59k) die mentalen äußeren wie inneren protestantischen Zurichtungsmechanismen, Martin Greifenhagen die geistig kulturellen in das Protestantische Pfarrhaus. Die Dynamik des Mythos wie seine mentalen, protestantischen Zurichtungsmechanismen  traten schon in Luthers Schriften zu Tage. Um eine neue Religion zu formen bedarf es starker kollektiver und individueller Identitätsmythen als auch "Identitätsekstasen", die gegen andere, die man nicht dazurechnet, ins Feld geführt werden. Sie sollen  verhindern vom "rechten Glauben" abzufallen.  In Luthers Chor-Gebet  und vielen weiteren Schriften treten sie unverhohlen zu Tage:
 “Eine feste Burg ist unser Gott eine gute Wehr und Waffen..., das Reich muss uns doch bleiben60 usw..
Gemeint ist sowohl das Himmelsreich, als auch das territoriale, wie das innere Reich.
Luther war einer der Ersten, (wenn nicht der Erste), auf jeden Fall aber der Nachhaltigste und Reichweiteste, der die Legende vom bedrohten Reich, das irgendwelche finsteren Alberiche klauen und unterwandern wollen, in seinen Schriften, Gebeten und Predigten in die Welt setzte. Immer gelte es wachsam zu sein, vor  allem sich das Reich nicht nehmen zu lassen. Ein Topos auf den später alle nationalistischen Parteien zurückgriffen und befeuerten. Er wuchs sich in manchen Epochen zu einer gefährlichen Massenhysterie aus, die eine destruktive Massenparanoia hervorbrachte, welche für ethnische und religiöse Minderheiten lebensbedrohlich wurde.
Im Grunde hat Luther das universell Christliche durch ein leider bitter erfolgreiches protestantisch-identitäres Dogma ersetzt. Bis heute hält sich durch, dass sich Protestant/innen an gewissen Codes erkennen, die ihren Habitus, Hexis, Sprache, spezifischen Glauben und Mindset betreffen. Diese sind für alle anderen jedoch kaum lesbar, außer sie lenkten ihre Aufmerksamkeit, durch für sie kaum verständliche Irritationen, bewusst darauf. 
 Wer solche Zeilen wie im Chor-Gebet formuliert, will, dass sich seine Gläubigen nicht nur  daran orientieren, sondern sie, der Logik des Identitären gemäß, verinnerlichen. Verinnerlichung von protestantischen Glaubensinhalten und ihr unbeirrbares innerliches Herunterbeten entwickelte sich zu ihrem Markenkern als auch Identifikationsmerkmal. In unzähligen Gottesdiensten repetiert, aus tausenden Kehlen geschmettert, vor allem im NS, in gnadenlosen Schlachten, in Stahlgewittern als auch heute noch, seit damals, unzählige stille Gebete bestimmend.
 Luther wollte, dass seine Schafe, wenn nötig, für ihre neue Religion zu Wehrkörpern und Waffenträgern mutieren. Ihm standen im Grunde schon die Glaubenskriege vor Augen, die die Reformation heraufbeschwören wird. Er hat die protestantische Theologie durch das Identitäre seit Beginn an  radikalisiert wie militarisiert. Zur Verbreitung des Protestantismus setzte er schon damals auf einen eliminatorischen Antisemitismus.  In seinem Vortrag ⹂zur Bekämpfung des Antisemitismus heute" von 1962 (Suhrkamp 2024, S.16,22) trägt Adorno vor:
„der Antisemitismus ist das Gerücht über die Juden(...), der Antisemitismus ist  ein Massenmedium; in dem Sinn, dass er anknüpft an unbewußte Triebregungen, Konflikte, Neigungen, Tendenzen, die er verstärkt und manipuliert, anstatt sie zum Bewußtsein zu erheben und aufzuklären. Er ist eine durch und durch antiaufklärerische Macht, trotz seines Naturalismus, und hat trotz seines Naturalismus auch von jeher im schroffsten Gegensatz zu der in Deutschland immer wieder beschimpften Aufklärung sich verstanden."
Trotzdem gilt Luther  heute noch nach Umfragen im Lutherjahr 2017 und einige Jahre zuvor als einer der "beliebtesten Deutschen". Das ist nur erklärbar, weil selbst im protestantischen Religionsunterricht nicht über seine üblen Hetzschriften aufgeklärt wird. Sein Beitrag zum Antisemitismus in Deutschland über die verschiedenen Epochen und Zeitläufe hinweg  ist  nicht systematisch erforscht. Wäre dies nicht ein selbstreflexives großes Forschungsprojekt für protestantische Sozialwissenschaftler/innen und Historiker/innen ? Warum kommen sie nicht  selbstreflexiv auf ein solch naheliegendes Projekt, obwohl sie die "Identität" aller anderen  erforschen wollen ? Hier deutet sich ein größeres Problem der deutschen Sozialwissenschaft von der Nachkriegszeit bis heute an. Die Ersten, die die hohe Affinität  zwischen Protestantismus und Nationalsozialismus thematisierten, waren Adorno/Horkheimer/Fromm in ihrer innovativen, bahnbrechenden Studie Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Faschismus. Sie forschten allerdings nicht explizit danach, sondern der Match ergab sich aus der zufälligen Sichtung der Religionszugehörigkeit ihrer Interviewten. In ihrer Untersuchung wird dies  nur marginal in wenigen Kapiteln thematisiert, obwohl es eines eigenen Bandes  bedurft hätte.  Jaspers publizierte darauf 1946 die Schuldfrage, in der er diesen Zusammenhang breiter ausführte. Allerdings wurde diese krasse Affinität in den deutschen Sozialwissenschaften abermals bis heute verdrängt respektive ausgeblendet. Denn die Mehrheit der deutschen Sozialwissenschaftler/innen kommen aus protestantischen Milieus bzw. sind selbst (praktizierende) Protestant/innen oder stammen gar aus protestantischen Pfarrhäusern. Dieser Mindset, diese Prägung hat enorme Auswirkungen auf ihre Forschungsfragen und Forschungsausrichtungen, der/die meist eins zu eins darin übertragen wird. Deshalb müssen sie auch verdrängen respektive unterdrücken, dass der Protestantismus irgendwas mit dem Nationalsozialismus zu tun haben könnte, denn es würde ihre ganze fachliche aber auch private Existenz in Frage stellen. Deshalb weist die deutsche Sozialwissenschaft aber auch Geschichtswissenschaft diesbezüglich erhebliche Lücken und einen großen Bias auf.
Offensichtlich ist, dass niemand anderer als Luther  das "deutsche Volksempfinden" (AfD) so nachhaltig mit besonders zwei Hetzschriften prägte. 
 Es bedarf keiner überdurchschnittliche Intelligenz um zu folgern, dass der Thesenanschlag in Wittenberg und die zahlreichen protestantischen Theologielehrstühle ab dem 18. Jh.   als Multiplikatoren für ihre Verbreitung fungierten, die sich facettenreich in protestantischen Sonntagspredigten wiederfanden. Nämlich, "Wider die Sabbather".(1538) Der Begriff "Juden" reichte Luther wohl nicht als Diffamierung.  Die andere betitelte er "Wider die Lügen der Juden" oder "Von den Juden und ihren Lügen"(1543).
 Dies waren aber nicht die einzigen in denen er eindeutig antisemitische Tiraden verbreitete. Erwähnen muss man in diesem Zusammenhang noch folgende Schriften, wobei schon aus den meisten Titeln hervorgeht, dass er gleich unsäglichen, unverantwortlichen, gefährlichen Blödsinn verbraten wird:
 Das Jesus Christus als Jude geboren wurde (1523), Tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn (1526), Brief an Josel von Rosheim (1537), Vom Schem Hamphoras (1543), ist ungemein sexistisch, ein Schmierstück in dem sich Luther abermals hemmungslos übergab, oft obsessiv unter die Gürtellinie zielte. Die letzten Worte David (1543). Eine Vermahnung gegen die Juden (1546), ein Pamphlet, das ihm so wichtig erschien, dass er es noch in seinen letzten Zügen "drei Tage vor seinem Tod" verlesen ließ. 
Ich rate jedem, der sich für den Protestantismus interessiert oder engagiert, diese Ungeheuerlichkeiten zu lesen. Denn hier tritt  ein pathologischer, schockierender, extrem traumatisierender Luther auf, der überhaupt nicht von dem "Reformator" zu trennen ist. Luther trug in diesen Hetzschriften akribisch alle bis dato  verleumdende Gerüchte und Klischees über die Juden zusammen und füllte sie weiter mit seinem krassen Hass auf. Neu war allerdings wie systematisch und programmatisch er gegen Juden vorgehen wollte.
 Nach dem zweiten Weltkrieg  versuchte man hinsichtlich der Shoa die Hetzschriften medial zu beschweigen oder ihnen den Einfluss abzusprechen, den sie leider hatten. Gegen diese offensichtliche, allgemeine Vertuschungsdynamik der Nachkriegszeit formulierte Karl Jaspers: „Was Luther geraten, hat Hitler getan...". (Siehe den gleichnamigen Vortrag auf Google/ YouTube). Jaspers war einer der Ersten, der die innere Verwandtschaft von Protestantismus und Nationalsozialismus nicht nur thematisierte sondern auch wissenschaftlich erforschte. Diese Thematisierung ist jedoch in der späteren Literatur weiterhin ziemlich unterbelichtet bis verdrängt worden aus og. Gründen. Es nahm praktisch die Züge einer Realitätsverleugnung an, obwohl Hitler  selbst wie die NS-Propaganda sich ziemlich oft auf Dr. Martin Luther als ihren Gewährsmann und ihre unverbrüchliche Autorität beriefen. Dadurch gelang ihnen eine breite "moralische Akzeptanz" des Antisemitismus und ihrer mörderischen Praxis. Jaspers hat als einer der ganz Wenigen diesen Bezug ernst genommen. Er kritisierte die Hetzschriften Luthers deutlich und wies auf den offensichtlichen Zusammenhang mit dem NS hin. In ihnen findet sich jenes infame, berüchtigte Sieben-Punkte-Programm, welches als Vorlage für den NS-Staat diente:
Zerstörung ihrer Häuser und Zwangsunterbringung, Aufhebung der Wegefreiheit, Verbrennen der Synagogen oder ihrer Schulen, Konfiszierung ihrer religiösen Bücher, Lehrverbot für Rabbiner bei Androhung der Todesstrafe, Zwangsarbeit, Zwangsenteignung.
 Was in diesen Hetzschriften noch bitterst aufstößt ist die Markierung speziell einer weiteren Ethnie neben den Juden, die bis zum NS schon Repressalien ausgesetzt war und im NS zu einer weiteren Hauptopfergruppe stigmatisiert wurde. Nämlich  "Zigeuner", respektive Sinti und Roma. In keiner mir bekannten katholischen theologischen Schrift vor Luther sind Juden und "Zigeuner" in einem Atemzug benannt. Luther vollbrachte  dieses "Kunststück" als Ausdruck seines Repressionsprogramms, das sich jedoch zugleich als ein protestantisch deutsches   "Identitätsprojekt" durch forcierte Feindbildprojektion und Opfergruppenkonstruktion entpuppte.  Die Nazis erweiterten es zu einem kleinbürgerlichen, protestantischen Terrorprogramm, das darauf in verschiedenfarbigen Wimpeln auf Häftlingskleidungen in Konzentrationslagern zu beobachten war.
 Aufgrund dieser langen infamen Geschichte nimmt sich nicht verwunderlich aus, dass gerade die protestantischen Milieus in einem weit höheren Maße zum Wahlerfolg, Reüssieren und Formation des Nationalsozialismus beitrugen als die katholischen. (Obwohl auch die einflussreiche katholische Zentrumspartei, trotz anfänglicher Widerstände, nach der Verhaftung der KPD-Abgeordneten, die Todsünde beging dem Ermächtigungsgesetz und damit Hitler zur formalen Zwei-Drittel-Mehrheit zuzustimmen.)  Nicht nur dass den deutschen Protestanten seit Luthers eliminatorischen, antisemitischen Tiraden eine Affinität zu "Wehrkörpern", damit letztlich zu einer "Wehrmacht" inhärierte. Es handelt sich um Begrifflichkeiten, die erst mit dem Vokabular Luthers in seiner Bibelübersetzung und den Hetzschriften als ausgesprochen deutsch markiert und affin zur Sprache des Nationalsozialismus, der LTI, waren.  Nicht nur der aggressive, fordernde, geifernde Ton der Verdammungsrhetorik in Luthers Hetz/Schriften sondern auch die Dehumanisierung, Entmenschlichung und Anstiftung zum Pogrom war das Expose für das NS-Regime und seine totalitäre Propaganda (Siegfried Kracauer).
Im 19 Jh. waren es vor allem protestantische Schriftsteller, Philosophen und Ärzte, die nicht nur die Psyche, sondern vor allem auch ihr mächtiges, kreatives Unbewusstes thematisierten. Aber zugleich verbanden sie es mit der Huldigung der deutschen Nation und des Vaterlands. Man kann ähnliche Topoi und Verbindungen bei Moritz, Schleiermacher, Schelling, Carus, Jean Paul, Herbart, Hartmann, Schopenhauer, Herder, Fichte, Nietzsche, Wundt, Schmitt und vielen anderen finden. Sie mündeten dann in die politische Romantik. Wenn man viele von diesen Schriftstellern intensiv liest, so kommt man zu dem Schluss, dass sie es schon damals auf die Konditionierung des Unbewussten anlegten, um den Glauben an die deutsche Nation maximal zu stabilisieren. Der NS und Hitler hätten mit ihrer Propaganda, die es sogar noch stärker auf eine Radikalisierung der Konditionierung des Unbewussten anlegten, nicht so massiv reüssieren können, wenn die protestantischen Schriftsteller und die politische Romantik nicht diese gründliche Vorarbeit geleistet hätten.
 Für die meisten Protestanten klang die eliminatorische Propaganda des NS vertraut, eine beschwörende Rhetorik, die weitgehend ihre Sprache sprach. Die Massenveranstaltungen des NS griffen dann extrem auf die protestantischen Disponierung und Konditionierungen zu. Es war nun ziemlich leicht sich von der Reichspropaganda hypnotisieren zu lassen, indem die Protestanten der rassistischen Erlösungsrhetorik des schrill-schrägen Messianismus der "NS-Führer" in einem weit höheren Maße als andere Glaubensgemeinschaften auf den Leim gingen. 
Aus dieser Perspektive ist es auch nicht verwunderlich, dass sich in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen viele Angeklagte/Verurteilte auf Luthers Antisemitismus beriefen, als Rechtfertigung für ihren eigenen moralischen, sadomasochistischen Bankrott.
Was zudem ziemlich entlarvend sich darstellte, war, wie selbstverständlich sie davon ausgingen, dass jeder ihrer "Volksgenossen" die Hauptwerke und damit die Hetzschriften Luthers seit Generationen kannte.  Ihr Handeln deshalb moralisch gerechtfertigt wäre.
Der Hauptanklagepunkt der Alliierten hieß daraufhin nicht, wie oft falsch und verharmlosend in deutschen Nachkriegsmedien bis heute kolportiert wird: Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Verschwiegen wurde meist, dass die Anklage auf Verbrechen gegen die Menschheit lautete.
Nach dem NS waren die deutschen Protestanten nach wie vor vom Identitätsdenken beherrscht. Denn als die Gründe der Entstehung des Protestantismus  u.a. der Ablasshandel, sich im Laufe der Zeit peu a peu in Luft auflösten, stellte der Protestantismus sich zwei Fragen immer wieder aufs Neue, ablesbar an den zahlreichen protestantischen Sekten und evangelikalen Gemeinden: Was ist die spezifische Identität des Protestantismus und wie ist es mit der privaten, subjektiven seiner Schafe bestellt ? Mit der permanenten Fragerei nach bzw.  Reflexion über seine Identität brachte der Protestantismus sein Lieblingssujet hervor, an dem er sich bis heute autosuggestiv, libidinös auflädt und das letztlich nichts anderes als eine verschobene, schräge, männliche Sexualprojektion. Auf die  er  anschließend maximal zugreift, plus inquisitorisch übergreift. Diese Fragen verstand er auf das Bürgertum zu übertragen, welches sich nun verstärkt von Neuem nach seiner ökonomischen und individuellen Identität zu fragen begann.


Atomised 

  Eine Gesellschaft, die auf den von Diethe oder Greifenhagen gezeichneten, respektive unkritisch von Luther selbst geforderten Methoden beruht, begegnet ihren Alp nicht nur in Orwells Visionen. Als Pink Floyd, kurz vor dem Sturz der Berliner Mauer, direkt davor, ihr Megaspektakel abzogen, wurde dies als Menetekel, als Grabmal der Nomenklatura verstanden. Im Grunde aber justierten Waters / Gilmour ihr Opus Magnum von Anfang an inhaltlich wie formalästhetisch auf die westliche Postmoderne.  Ende der 70er auf dem Markt kommend zeichnete es eine schwarze Vision der nahen Zukunft. Ihr inhärierten  zwei Stoßrichtungen- bzw. Beobachtungstopoi. Beängstigend nahmen sich in den Zeichentrickanimationen der Musikvideos nicht nur die vereinzelten, kulturindustriell atomisiert  zugerichteten Zombies aus, die einstigen Menschen, sondern absolut erschreckend waren die Einblendungen der sie formierenden, monströsen, sich armeehaft bewegenden Workfareregimes, die sie zu marschierenden Hämmern und Werkzeugbatallionen mutieren ließ. Zudem geriet es  zu einer absoluten Dystopie der massenmediale Zurichtungsmaschinerie des inzwischen globalisierten Westens. Auf jene wahrgewordene, riesige The Wall, die sich zwischen jedem medial wie neoprotestantisch, identitästechnisch zugerichteten Individuum aufbaut. Denn die Individualisierungs- und Identitätsanstrengungen/-forderungen hinterlassen ihre Spuren. Der/dieSingle kann sich nun nach der Arbeit seine/ihre individuellen TV-Spartenprogramme zusammenstellen oder einfach nur Kitsch konsumieren, um sich zum einen vom Alltagsstress zum anderen von seinem pseudohybriden Selbst abzulenken. Die Titel der Wall-Zyklen sind Legende, weil sie das Zurichtungsspektrum der reflexiven Postmoderne, zuzüglich ihrer hybriden Kulturindustrie und ihre Atomisierungseffekte auf die Subjekte noch besser als jede Theorie erfassen:

Goodbye Blue Sky, Another Brick In The Wall, The Last Few Bricks, Hey You, Is There Anybody Out There ?, The Show Must Go On, Comfortably Numb, Run Like Hell, Goodbye cruel world, Atoms, Waiting For The Worms, Stop, The Trial, Each Small Candle. 
Nobody Home61
der uns aus unserer medialen Hightechvereinsamung retten könnte... . Jeder Zyklus verdient im Grunde eine eigene Abhandlung.62 Aber aus den Musiken und Texten geht eindeutig hervor, dass die ständigen Anpassungs- wie Selbstanpassungsleistungen die eigene Sensibilität nicht nur beschädigen sondern sogar kosten, die Individuen zudem ziemlich vereinsamen. Eine Vereinsamung, die die TV-Totalisierung die Anfang der 70er unverbrüchlich vollzogen und der sie als Kinder hilflos ausgeliefert, vergessen machen soll. Aber die vermeintliche Feiung verschlimmerte sie nur.  Als Kinder mutierten sie zu fiebrigen, pelzigen Ballonen. Ein feeling, das sie als Erwachsene immer wieder als Dejavu heimsucht, wenn sie TV glotzend nie zu sich kommen. Die identitäre Vereinzelungstechnik, die als universelle Konformierungsdynamik arbeitet, ließ / lässt uns erkalten  bis eine Art Fieberzustand eintritt, der uns in einen Traumschleier hüllt. Der mit Medikamenten und Kulturindustrie auftechterhalten wird, uns zugleich gegen den Teufelskreis in dem wir uns befinden abdichtet.

There is no pain you are receding.
A distant ship, smoke on the horizon.
You are only coming through in waves.
Your lips move but I can't hear what you're saying.
When I was a child I had a fever
My hands felt just like two balloons.
Now I've got that feeling once again
I can't explain, you would not understand
This is not how I am.
I have become comfortably numb.

Der Dauerzustsand des comfortably numb läuft auf eine weitgehende moral blindness einem selbst und anderen gegenüber hinaus. Waiting for the worms demonstiert aufs Schärftste den Zustand der lebenden Untoten die zu kurlturindustrieellen Zombies mutierten. In dem “Gesamtkunstwerk“ sticht das Kunstvideo zu Another Brick in the Wall heraus. Das zu Beginn einer jeder Universitätseinführung gezeigt werden sollte, wenn nicht gar zu jeder Schuleinführung, weil es gleich eine Diskussion heraufbeschwört, zu welchen Zweck und in welchen Formen wir Bildung eigentlich betreiben? Eine Parabel, die aktueller denn je auf die heutige Verbildungs-Verbiegungsindustrie reflektiert. Eigenen poetischen Versuchen der Schüler wird mit Dark Sarkasm in the Classroom seitens der Lehrer begegnet. Schon zu Beginn werden die Kinder und Jugendlichen kurz mit jenen fiesen Zombiegesichtern gefilmt, die das spätere Mal der ihnen zugemuteten Extremanpassung signifiziert. Mit Zügen und auf Fließbändern transportiert das System sie zum großen Verwurstungstrichter, der als Megasymbol unserer Bildungsanstalten firmiert. Ganz am Schluß kommt die notorische Bologna-Einheitswurst heraus. Aber wo Gefahr ist wächst das Rettende auch. Das Video verdient wiederholte Sichtung. Als sich der Repressionszusammenhang zur Unerträglichkeit steigert, setzt das geniale Gitarrensolo ein, plötzlich mutiert das Klassenzimmer zum Hort der Revolte. Bei manchen Aufnahmen sind die Töne derart schneidend scharf gespielt, dass sie sowohl den Anpassungsterror als auch die äußerste Revolte dagegen äußerst plastisch transportieren, wie es nur Rockriffs möglich. Zur Mitte kommt der ziemlich krasse, desillusionierende Schicksalssound unüberhörbar zum Tragen, mit dem es schon von Beginn an geschlagen. Dadurch, dass der Ton des Schlussakords  scheinbar bis ins Unendliche beibehalten, erzeugen sie einen unüberbietbaren melancholischen Schicksalssound von dem ich vermute, dass er Waters/Gilmours Skepsis transportiert, die sehr genau um die aufklärerischen Möglichkeiten eines Musikvideos in der heutigen Kulturindustrie weiß. Das paradoxe an Pink Floyd scheint, dass die Kulturindustrie mit ihrem Werk auf die eigenen Funktionsmechanismen des identitären Anpassungshorrors und der sich daraus ergebenden Vereinsamungsatomisierung reflektiert. Zudem die Reflexion auf sie als zweifelhaften ästhetischen Genuss, als Ersatz-“jouissance“ äußerst erfolgreich vermarktet. Letztlich ein zusätzlicher Signifkant für die Absolutheit und Totalität ihrer Herrschaft ? Entsprechend Walter Benjamins Analyse, nach der die Menschheit sich selbst so entfremdet sei, dass sie ihre eigene Vernichtung als ästhetischen Genuss ersten Ranges erlebe63, dazu übergehend ihn seriell medial zu konsumieren. Eine Vernichtung die heute hoffentlich eher symbolisch zu verstehen wäre als Verwandlung von Lebenden in hypnotisierte Untote vor dem Flachbildschirm.....



Bedürfnis, Identität und Leadership als Gouvernementalitätspotenzierung


 Die positivistische Wissenschaft  konstruiert  instrumentelle medizinsoziologische Methoden, die die Reflexivmodernen gleich übernahmen. Mit dem sense of coherence legen sie ein idealisiertes Raster über ihre Probanden, tasten und scannen sie nach ihm ab. Es liegt auf der Hand, dass im Mantel einer stromlinienförmigen Wissenschaft nicht nur ein postmoderner Big Brother sein Unwesen treibt. Vermittels der  individuellen Sinnfrage  zuzüglich ihrer anschließenden positivistischen Evaluierung vermag er seine Student/innen erheblich unter Druck zu setzen und  sie derart extrem psychisch zuzurichten wie zu versinglen. Diese Forschungen arbeiten oberflächlich betrachtet scheinbar Sinn orientiert, den  zu finden als eigenes Bedürfnis unterstellt wird. Überhaupt wird die Bedürfnisorientierung zur universellen Messlatte. D.h. die Reflexivmodernen befragen ihr Klientel um angeblich nah an ihr operieren zu können. Was sich oberflächlich betrachtet als sinnvoll ausnimmt, erscheint in einer kritisch theoretischen, wie gouvernementalen Perspektive als große Machtinduktion, die sich an die Wunschproduktionen des Subjekts andockt, sie mit ihrer Fragerei womöglich erst autopoietisch hervorbringt. Die Bedürfnisorientierung kann deshalb auf den ersten Blick kaum als das große postmoderne, gouvernementale Steuerungsinstrument wahrgenommen werden, als das man sie  beobachten sollte. Auch hier wären intensiverer Forschungen vonnöten um dieses Vorgehen ausführlicher zu analysieren. Bauman konstatiert in seinen Studien über das Leben in der heutigen Konsumgesellschaft, dass die Disziplinargesellschaft sich durch Anreize substituierte. Einst verpflichtende Verhaltensmuster werden nun durch Verführung angepeilt, Verhaltenskontrolle mutiert zu Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Das raffinierteste jedoch, normative Vorschriften kommen im Gewand der Weckung neuer Bedürfnisse, ausgefeilter durch Marktforschung suggerierter Wünsche daher.64 Wer am gründlichsten informiert sein will, dem seien Adornos Thesen über das Bedürfnis in Erinnerung gerufen. Die Bedrürfnisanrufung erhält bei ihm den Zug einer großen Perfidie.


Die gesellschaftiche Vermittlung des Bedürfnisses- als Vermittlung durch die kapitalistische Gesellschaft- hat einen Punkt erreicht, wo das Bedürfnis in Widerspruch mit sich selbst gerät. Daran und nicht an irgendeine vorgegebene Hierarachie von Werten und Bedürfnissen, hat die Kritik anzuknüpfen... . Die Theorie des Bedürfnisses sieht sich erheblichen Schwierigkeiten gegenüber. Auf der einen Seite vertritt sie den gesellschaftlichen Charakter des Bedürfnisses und darum die Befriedigung der Bedürfnisse in ihrer unmittelbarsten, konkretesten Form. Sie kann sich keine Unterscheidung von gutem und schlechtem, echtem und gemachtem, richtigem und falschem Bedürfnis apriori vorgeben. Auf der anderen Seite muß sie erkennen, daß die bestehenden Bedürfnisse selber in ihrer gegenwärtigen Gestalt das Produkt der Klassengesellschaft sind. Menschlichkeit und Repressionsfolge wäre an keinem Bedürfnis säuberlich zu trennen. Die Gefahr einer Einwanderung von Herrschaft in die Menschen durch deren monopolisierte Bedürfnisse ist nicht ein Ketzerglaube, der durch Bannsprüche zu exorzieren wäre, sondern eine reale Tendenz des späten Kapitalismus. Sie bezieht sich nicht auf die Möglichkeit der Barbarei nach der Revolution, sondern auf die Verhinderung der Revolution durch die totale Gesellschaft. Dieser Gefahr und allen Widersprüchen im Bedürfnis muß die dialektische Theorie standhalten. Sie vermag das nur, indem sie jede Frage des Bedürfnisses in ihrem konkreten Zusammenhang mit dem Ganzen des gesellschaftlichen Prozesses erkennt,(...) . Unterm (Kampf ums O.M) Monopol ist entscheidend, wie die einzelnen Bedürfnisse zu dessen Fortbestand sich verhalten. Die Entfaltung dieses Verhältnisses ist ein wesentliches theoretisches Anliegen.(...) Wenn die Produktion unbedingt, schrankenlos sogleich auf die Befriedigung der Bedürfnisse, auch und gerade der vom Kapitalismus produzierten, umgestellt wird, werden sich eben damit die Bedürfnisse selbst entscheidend verändern. Die Undurchdringlichkeit von echtem und falschem Bedürfnis gehört wesentlich zu der Klassenherrschaft. In ihr bilden die Reproduktion des Lebens und dessen Unterdrückung eine Einheit,...“65a

Gleichermaßen umfangreich, komplex und detailliert  gilt es die Aufrufe Keupps zum bürgerschaftlichen Engagement, zur Identitätsarbeit, zur Identitätskonstruktion zu analysieren. Jeder einzelne verdient nicht nur einen kritischen Blick sondern eine eigene kritische Theorie der Klassengesellschaft, die an Schärfe und Präzision der Adornos nicht nachstünde. Aus der Negativen Dialektik als auch seinen Vorlesungen zur Erkenntnistheorie 1957/58 (Suhrkamp 2018) (und Foucaults Macht der Psychiatrie) war zu extrapolieren, dass die Identität (vermutlich gerade durch die "Patchworkidentität" hindurch) den krassesten opaken, anti-freudschen "polymorphperversen" Psy-Komplex der Postmoderne konfigurieren wird. Verschiedenheit und Diversität schienen in den 70ern vielversprechend, doch als unbedingte imperative Losung  der Postmoderne rückte in den Vordergrund was Nietzsche in einer Mitteilung an seine Schwester einst hellsichtig raunte: "Die Verschiedenheit ist die Maske welche eiserner ist als jede eiserne Maske." 65b Vorerst glaubte die 68er Studentenbewegung die 70er hindurch noch an das Diversitätsversprechen. Allerdings erwies sich der weitaus größere Teil ihrer sozialwissenschaftlichen "Intelligenz" in ihrem frühen Selbstverständnis später als Trojaner. Keupps Aufrufe  Ende der 80er stimmten dann die Machtübernahme jenes trojanischen, nietzscheanischen, Patchwork-Identität Psy-Komplexes an.
Besonders Adorno/Horkheimers Dialektik der Aufklärung hatte die Verhältnisse in Germany fest im Blick als sie während des zweiten Weltkrieges über die Identität verlauten  ließ:
 „Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen bis das Selbst, der identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des Menschen geschaffen war, und etwas davon wird noch in jeder Kindheit wiederholt. Die Anstrengung das Ich zusammenzuhalten haftet dem Ich auf jeder Stufe an."66
 Bis zu Beginn der Postmoderne als das Ich in Folge der 68er Studentenbewegung seiner Anstrengung des zwangshaften Zusammenhalts überdrüssig wurde, d.h. in der magischen Zeit zwischen 1968 und 1986, dem Jahr der Veröffentlichung von Becks Risikogesellschaft, in der er wieder ein forciertes Identitätsforschungsprogramm ankündigte. 
Ein Teil der  selbstbewussten, moralisch hybriden 68er radikalisierte sich zwar in den Nachwehen und Ausläufern der Studentenbewegung, aber selbst für diesen  Teil standen in den 80ern eine Vielzahl von Karrierewegen offen. Wie der 68er Generation insgesamt ein realer gesellschaftlicher Möglichkeitsraum offen stand, der  späteren Generationen  komplett verschlossen blieb. Ein Großteil der 68er Hippies sehnte sich dennoch nach den exzessiven LSD- und Bewusstseinserweiterungstrips, den jenseitigen, abgründigen, sprachlich nicht mehr kommunizierbaren Erfahrungen, radikal gechoct und desillusioniert von der Penetranz der gesellschaftlichen Verhältnisse, danach sich esoterisch zu verflüchtigen. Zuvor allerdings  auf etwas Utopisches zielend, das sie selbst nicht benennen konnten, aber im zwischenmenschlichen Experimentieren zu finden hofften.   Jean Eustaches experimenteller Autorenfilm nahm schon in dem ironischen Titel, La Maman et la Putain (1973), den traditionellen, patriarchalischen Blick der Männer auf die Frauen ins Visier. In seinem Opus Magnum versuchte er diesem zwischenmenschlichen Beziehungsexperimentieren traumhaft phantastisch, für jedes Publikum enorm inspirierend, nachzuspüren. Alexandre, der Protagonist und seine Freundinnen, unterhalten Zweier-, Dreier- oder polyamore Beziehungen, die kurzfristig enorm intensiv, tief, aufzehrend,  intellektuell stark fordernd. Genauso schnell  wie sie begannen, lösen sie sich nach ihrem Höhenflug wieder auf, begleitet von den luzidesten Beziehungsdialogen, die je ein Autor drehte. “Tu sais, je te sens en moi si profondément, si proche, que je ne comprends pas que tu ne sentes rien.”?67 Die intuitive Kunst der Schauspieler/innen offenbarte sich darin, der Stimme und Worten des Anderen mit einer einzigartigen frei schwebenden Aufmerksamkeit zu begegnen. Sie konnte sich auf kleinste Nuancen der Stimmung als auch Stimme kaprizieren, die es nicht vorhersagbar  erscheinen ließ, wohin diese intensive Kommunikation trudelt. Mit einer vermeintlich unglaublichen Leichtigkeit produzieren sie ein unüberbietbares Maß an dialogischer Selbst- und Fremderkenntnis. Dessen radikale Offenheit die Akteure selbst schockieren, verwirren und in (wahnsinnig sympathische) Krisen stürzen. Es war der Beginn eines Phänomens das Bauman für das 21. Jahrhundert als einen Wechsel in den postmodernen Aggregatzustand der liquid love (on the frailty of human bonds) portraitierte. Er trug zwar zur Emanzipation mehr der Frauen als der Männer bei, mündete allerdings in die aktuellen flüchtigen Amour fous deren Kurzlebigkeit respektive Fragilität heute  ziemlich schmerzhaft erlebt wird.
 Aber Mitte der 80er traten die Agenten der Reflexiven Post/Moderne auf den Plan (nun als Ex-68er) um ausgerechnet ihre Generation, die sich anschickte langsam abzudrehen, und die anderen zu erinnern, dass sie sich wieder eine bürgerliche Identität anzueignen hätten, schlimmer noch, sich identifizieren müssen. Dem aber nicht genug, sie entwickelten ein Humankapitalmanagement flankiert von Leadershipforschung und Peoplemanagement, verbunden mit einer "Identitätsforschung", die sich nicht nur gewaschen hatte, sondern zu einem vernetzten Psy-Komplex avancierte, der  letztlich auf ein toughes people broking abzielt. Was sie sich Anfang der 70er Jahren, bevor sie in ihre privilegierten Stellen einrückten, nur in ihren schlimmsten Alpträumen oder auf krassen Horrortrips imaginierten. Als das Deprimierendste kristallisierte sich heraus, dass die Horrorvisionen auf den schlechten LSD-Trips als die Imaginationsfolie für das aktuelle System-, Psy- und Peoplemanagement fungierte.
 Jean Eustaches avancierte zu dem überragenden filmischen Seismograph vor allem der 70 er Jahre. Kein anderer Regisseur verstand es die Kamera derart als sozialpsychologisches, mehr noch interaktiv intersubjektives, psychodynamisches Beobachtungsinstrument einzusetzen. Ihm gelangen die hipsten, kommunikativsten, auratischten,  legendärsten Pariser Straßencafeszenen seiner Zeit.  Allen großen Künstlern ähnlich konnte er die Verstrickung in seine Zeit nicht lösen. Seine Tragödie bestand darin, wie ein Quasar in diesem Zeitsrom zu pulsieren, dass er  sich 1981 (siehe auch Fassbinder), als er abrupt kulturell abriss, suizidierte. Nicht zufällig zu einem Zeitpunkt als er keine Möglichkeit mehr sah seine enorme Kreativität, Ideen, Ideale wie die seiner verbliebenen Mitstreiter experimentell zu verwirklichen. Bitter enttäuscht, dass sich viele seiner Generation zombifizierten, d.h. mit dem bürgerlichen Mainstream, dem Kältestrom zu schwimmen begannen, ihn gar selbst produzierend. Nun gleich den Reflexivmodernen argumentierend, weil sich alles verflüchtige, verflüssige müsse sich der Einzelne eine besonders prononcierte Identität konstruieren. Deren besondere Marke von gehärtetem Stahl/beton rührten sie nun in ihren Sonderforschungsbereichen an. Kaum bemerkend, dass  die mit ihren Methoden Traktierten zu McKinsey-Zombies oder Frankensteins mutieren, denen ihre Sensibilität vollkommen abhanden kam. Die Frage sei erlaubt, ob die Reichschen Charakterpanzer nach den Humankapital- und Identitätscurricula nicht in der Hyle eines postmodern getarnten reflexiven Morpheuscyborgs/Transformers wiederauferstehen ? Ist ein Schelm wer vermutet, dass die "coolen" XXL Markenfetisch-Sonnenbrillen mit denen sie (nicht nur auf der Leopoldstraße) gesichtet werden können, nur die Eiseskälte ihrer extrem narzisstisch geschminkten Pseudo-Film-noir-Augen verbergen sollen, die ansonsten ihre vollendete moral blindness spiegeln ?
 Heute wären in Adornos Analyse der Klassengesellschaft die „Zauberwörter“, d.h. der Begriff des Bedürfnisses nur durch den der reflexiven Identität zu ersetzen, um eine aktuelle Analyse der postmodernen gouvernementalen Identitätsproblematik zu erhalten. Die postmoderne Welt könnte gar sirenenhaft anheben zu singen, weil die Zauberwörter nicht nur getroffen, sondern vor allem in den angemessenen Erkenntniskontext rücken.




Identitätsparanoia als Kern des reflexivmodernen Psy-Komplexes

 Noch problematischer verhält es sich mit  Keupps Forderung nach  einer Identität oder gar Identitätsarbeit.  Die Bourgeoisie kann sich aufgrund irren Vermögens viel mehr von Identitätszwängen befreien, ihr Leben nach Gusto bestimmen. Das schrumpfende Mittelklasse-Bürgertum und die Arbeiter   müssen sich hingegen mehr denn je auf dem Markt einer forcierten Konkurrenzökonomie verkaufen. Der aktuelle Marktwert richtet sich hauptsächlich nach nachgefragten Berufsprofilen. Nach Berufsprofilen zu forschen ist Usus der herkömmlichen Mainstreamforschung und sie bleibt darin weniger problematisch als  die Reflexivmodernen, die nach einer "Identität" fragen. Sobald nach einer Identität gefragt wird, beinhaltet das mehrere Implikationen. Erstens soll aus einer individuellen Subjektivität, die sich oft  widersprüchlich, volatil, launisch, liquide, ambivalent bis in sich zerrissen anfühlt, eine reflexivmoderne "Identität" formatiert werden. Daraus  ergibt sich schon das erste gravierende Erkenntnisproblem. Es stellt sich sofort die Frage, ob dies überhaupt möglich ? Die Frage nach der Identität wird ja nur gestellt um das Individuum "erkennbar" für bestimmte Arbeitsmarktzwecke  zuzurichten und  zu überwachen.   Am besten im reflexivmodernen Sinne  wäre, was zugleich seine Naivität spiegelt, wenn die individuelle Subjektivität mit einem verwertbarem Berufsprofil "identisch". Denn die Identitätsfrage übt derart einen unheimlichen Druck auf   eine individuelle Subjektivität aus: Zum einen sich identitär zu formatieren, zum anderen gesellschaftliche, arbeitsmarktrelevante Anerkennung zu finden, d.h. Erfolg zu haben. Ein ungeheuerlicher Anspruch, der im Kapitalismus vermutlich nur von ihren "Funktionseliten"  oder  einer kleinen etablierten Wissenschafts- / Künstlerelite zu erfüllen ist. Aber selbst ihnen gaukelt die Identität/sforschung eine Chimäre vor....
Die Mittelschicht und die Arbeiter müssen sich in der Konkurrenzökonomie ein Berufsprofil zulegen, welches sie von anderen unterscheidet.  Die falschen Entscheidungen bzw. Berufsprofile zu wählen, entpuppt sich nicht nur finanziell als risikoreich. In der liquid Modernity  vibrieren die Märkte enorm volatil, die Fließgeschwindigkeiten sind dementsprechend hoch. Entscheidungen die zu einem bestimmten Zeitpunkt getroffen, erweisen sich in nur wenigen Jahren oft als falsch. 
  Das Problematische der "reflexiven Identitätsforschung", die Keupp betrieb, liegt darin den Subjekten  zu suggerieren, dass sie unbedingt eine Identität benötigen. Er setzte sie derart einen straken gesellschaftlichen normativen Druck aus. (Die Becksche Individualisierungstheorie besässe, falls besser gestrickt und justiert, durchaus schichtspezifisches bourgeoises wie Upper Middle Class Erklärungspotenzial. Hingegen ist bei der Identitätsforschung schon fraglich, ob sie für einen engen Kreis etablierter akademischer  Sozialwissenschaftler überhaupt noch funktional, die  auf der Suche nach einem neuem Projekt/Drittmittelprojekt. Denn  eine selbst gewählte  "Identität" schränkt das Spektrum möglicher Akquisen all zu sehr ein).  Viel fraglicher noch ist, wenn sie außerhalb dieses engen Zirkels  als reflexivmoderne Sozialwissenschaft im Freilandversuch auf die Mittelschicht und die "Unterschichten"  losgelassen.  Verwickelt sie sich hier nicht vollends  in die gesellschaftlichen Widersprüche, die sie zu lösen vorgibt ? Gerade in diesen Schichten werden die Menschen kaum etwas mit diesen Fragen anzufangen wissen. Und  falls sie den Identitätsforderungen folgen, schnell und massiv an die reale gesellschaftliche Verwirklichungsschranke, die berühmt berüchtigte, notorisch undurchdringliche Glasdecke stoßen. Ob der kapitalistischen Negaitivität befördert die Identitätsforschung zudem die Individualatomisierung mit gesamtgesellschaftlicher Zersplitterung/Fraktalisierung.
 Denn  die Identitätsforschung geht von der Prämisse aus, dass in jedem Individuum so etwas wie ein Identitätskern schlummert, den es entweder zu entdecken oder zu konstruieren gilt. Aufgrund dieses Vorurteils, das sie inzwischen schon als common sense ausgeben, kreieren sie eine vereinzelnde aufs Individuum zugeschnittene Befragungsmethode, um dieses Nachdenken über Identität und diese selbst zu evozieren. Kritisch beobachtet handelt es sich jedoch um nichts anderes als eine pseudoakademische  Verhörsituation, die einem zwanghaft eine Identität einreden will, von der überhaupt nicht klar ob sie  tatsächlich mehr nutzt oder  schadet; die zudem  erkenntnistheoretisch nicht existiert. Besonders in der "Unterschicht" und in Migrantenmilieus  dürfte die Frage nach der Identität eines Menschen als skurriler Mumpitz empfunden werden,  sofort die Atmosphäre von Kafkas Prozess  heraufbeschwörend: "Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet" und verhört.
Keupp hätte sich aus seinem selbstverschuldeten Dilemma retten können, wenn er einen relativ einfachen Kunstgriiff angewendet hätte. Wenn es denn schon darum gehen soll eine persönliche Subjektivität zu erforschen, was noch eine andere Qualität wäre, als  eine "Identität" zu "erforschen", dann könnte man bescheiden nach Selbstbildern und Selbsteinschätzungen fragen. Diese werden fast automatisch zu fast jedem Sachverhalt gegeben. Zudem stehen sie nicht unter dem Verdacht objektiv oder richtig sein zu müssen. Selbsteinschätzungen können halb/richtig oder  falsch bis ganz falsch  sein, ihr großer Vorteil besteht in ihrer relativen Zwanglosigkeit. Wer jedoch nach einer Identität forscht, verrät seinen protestantischen Hintergrund und öffnet die Büchse der Pandora.
 Eine 3 sat/arte Sendung der 90er Jahre porträtierte die Lebenswege von DDR-Bürgern, die sich an den Großdemonstrationen gegen das Regime beteiligten und sich künstlerisch engagierten, vor und nach dem Mauerfall. Die beeindruckendste Sequenz eines Interviewten bestand in der Antwort auf die Frage, was sie als stärkste Veränderung wahrnahmen. Erstens wurden sie in der DDR viel häufiger auf Partys oder Treffen eingeladen über Dritte von Leuten die sie zuerst nicht oder kaum kannten. In den meisten Gesprächen ist nicht danach gefragt worden was man/frau beruflich mache und wer sie sind. Diskutiert wurde u.a. über die Lage der DDR und ihre Veränderungsmöglichkeit und über künstlerische Protestformen.  Circa. fünf Jahre nach dem Mauerfall war der Osten wirtschaftlich abgewickelt. Der Westen hielt forciert Einzug, gleichzeitig zog fast ein Drittel der Bevölkerung aufgrund hoher Arbeitslosigkeit in den Westen. Milieus und Szenen im Osten differenzierten und diversifizierten sich, dh. aber auch dass sie sich fraktalisierten, binnenspezifisch individualisierten und ausbrannten, erkalteten und letztlich atomisierten und auflösten. Nun bekam man auf Partys die typischen   Westfragen zu hören. Wenn überhaupt auf andere zugegangen wurde, waren, wer bist du und was machst du beruflich, die ersten Fragen, die gestellt wurden. Wenn sie für den Frager unbefriedigend ausfielen, versandete das Gespräch. Die einziehende Fraktalisierung und Atomisierung war das Ergebnis einer harschen westlichen wirtschaftlichen Austeritätspolitik, aus der nur wenig später die AfD hervorging. Sie wiederum steht kurz davor auch den Westen der Republik bis zur Unkenntlichkeit zu verändern.
Interesssant stellt sich dar, dass die Identitätsforschung zeitgleich um den Mauerfall  entwickelt wurde und in den 90ern Fahrt aufnahm. Aber nicht nur, dass sie die Menschen auf etwas festlegen will, die Fragen nach Identität haben weitreichende Implikationen. 
 Wird nicht viel subtiler, (fast jenseits der Wahrnehmungsschwelle ?), die Existenz selbst der Fröhlichsten und Unbefangensten, allein durch die Frage der Reflexivmodernen nach ihrer Identität ebenfalls  in Frage gestellt ?  Werden sie nicht dazu genötigt über etwas Auskunft zu geben, an was sie  evtl. nie einen Gedanken verschwendeten, vielleicht deshalb so fröhlich,  unbefangen  durchs Leben kamen ? Nun aber sollen sie über ihre Identität, also über etwas, was sie zutiefst, bis ins Innerste zu bestimmen scheint, Auskunft geben. Müssen sie sich nicht existentiell schämen, wenn sie dazu nicht in der Lage? Oder, falls überhaupt, nur einen Status ausweisen können, der unter dem des/der akademischen Upper Middle Class Interviewers/in rangiert.  Verlieren die Befragten mit der Frage nicht ihre Existenzberechtigung, die sie nur bei bestandener Auskunft, Rede und Antwort in einem längeren kafkaesken  Forschungsprozess wiedererlangen oder endgültig verwirken ? Ist  die Frage nach ihrer Identität nicht dazu angetan in ihnen eine schichtspezifische  PPP-Upper Middle Class Paranoia  hervorzukitzeln ? 
Das einmalig Bestechende an Kafkas Prozess liegt darin, dass die sich häufenden Verhörsituationen einerseits die bedrückende Befremdlichkeit steigern, andererseits schleichend Geist, Psyche, Gehirn  und Denken Ks vollständig absorbieren. Sein  Denken verselbständigt sich zu einer einzigen durch die Verhöre hervorgerufenen Paranoia über seine angebliche Schuld, bei der nicht mehr differenzierbar, was von außen induziert respektive von innen generiert .
Analog arbeitet  in der Postmoderne das permanente Gequatsche über Identität, das von einer Vielzahl von Identitätsforschungsprojekten unterstützt wird. Sie rufen mit ihren Identitätsfragereien, die eigentlich als getarnte Verhöre funktionieren, im Subjekt ein paranoides Denken über Funktionalität respektive Dysfunktionalität hervor . Die "Schuld" wird so radikal auf die Seite des Subjekts verlagert, obwohl es von der Upper Middle Class abwärts realiter immer weniger Einflussmöglichkeiten auf seine "Identität" hat.




Veridiktion und Geständniszwang
                                                                "Der Diskurs hat mich ganz angegriffen." (Woyzeck)                                   

 Foucault untersuchte in seinem letzten großen Vorlesungszyklus, der Mut zur Wahrheit (1984!), die von ihm avisierten antiken Veridiktionsmodi, die verschiedenen Formen des Wahrsprechens über sich.  Die Logik der Vorlesung legt nahe nach den antiken zu den zeitgenössischen  überzugehen, was  sein Tod verhinderte. Die antiken Veridiktionsmodi praktizierten wenige Philosophen und Kyniker in einer spätantiken kulturellen Niedergangsphase, die Klarheit und erweitertes Bewusstsein über ihre Existenz wie ihr Verhältnis zur Macht zu erfahren hofften. Das Frühchristentum und das Christentum des Mittelalters modifizierten diese Veridiktionsmodi  nicht nur, sondern bogen sie zu einem ziemlich bedenklichen Geständniszwang um. 

In dem Vorlesungszyklus die Regierung der Lebenden (1980) entwarf Foucault ein (nahezu) monströses Erkenntnisinstrumentarium.  Beeindruckend arbeitet er heraus, dass eine Zeugenaussage oder ein Sachverhalt der beobachtet und wiedergegeben wird seine eigene Evidenz hat. Als Wahrheit inhäriert ihm eine eigene Kraft, die befreiend ihre eigene Dynamis entwickelt. Obwohl es unterschiedliche Perspektiven geben kann, braucht sie weder Wahrheitsregime noch demonstrative Wahrheitsakte. Ganz anders verhält es sich mit religiösen Glaubensinhalten. Sie benötigen Dogmen, Glaubensbekenntnisse, Wahrheitsakte und Rituale, eben weil sie mit den Augen der Vernunft betrachtet offensichtlich nicht stimmen können. Selbst wissenschaftlichen Logiken unterstellt Foucault notwendig bestimmte Wahrheitsakte oder Rituale ohne die sie nicht funktionierten. Er demonstriert relativ einfach, aber bestechend, einen solchen Wahrheitsakt an Descartes, das die Wissenschaftsgeschichte verändernden: "Ich denke also bin ich". Allein dass Descartes beide Feststellungen mit einem "also" verknüpft,  kommt sowohl einer Wahrheitsmanifestation als auch einem Wahrheitsakt gleich. Je komplizierter die Logiken umso komplexer die Wahrheitsakte. Mehr oder weniger Chocs löst allerdings aus, dass die Art und Weise in denen wir heute Subjektivität oder Formen von inneren Stimmungen, Selbstbekenntnisse, (angebliche) Wahrheiten über uns selbst ausdrücken, ganz bestimmte Wahrheitsakte, Rituale und sogar Wahrheitsregime benötigen, damit sie als glaubhaft gelten. Eben weil reine Subjektivität, vor aber auch in der Neuzeit, kaum äußerlich verobjektivierbare Evidenz kennzeichnet. Auch die Psychoanalyse glaubte in ihren Anfängen, dass das Abtauchen in die unbewusste Subjektivität, das Bewusstmachen von Unbewusstem, ein Königsweg der Erkenntnis sei und steht noch immer vor demselben Dilemma.  Musil wies schon auf das Paradoxon hin, das einem auf dem Weg nach Innen widerfährt, wenn er nicht gar eine einzige Fata Morgana. Seinem Törless stellt er die skeptische Reflexion Maeterlincks voran: "Sobald wir etwas aussprechen entwerten wir es seltsam. Wir glauben in die Tiefe der Abgründe hinabgetaucht zu sein und wenn wir wieder an die Oberfläche kommen, gleicht der Wassertropfen an unseren bleichen Fingerspitzen nicht mehr dem Meere, dem er entstammt. Wir wähnen eine Schatzgrube wunderbarer Schätze entdeckt zu haben, und wenn wir wieder ans Tageslicht kommen, haben wir nur falsche Steine und Glasscherben mitgebracht, und trotzdem schimmert der Schatz im Finstren unverändert."
 Gerade in der frühen Postmoderne, der konkreten Aktualität, spricht die reflexive Sozialpsychologie von unserem Ich als einer angeblichen "Authentizität" bzw. toughen, krassen "Identität",  die zu konstruieren oder zu entdecken wäre. Muss man diese Sprechakte und Forschungsrichtungen nicht auch unter diese heftigen Formen von Wahrheitsregimen subsumieren ? Müssen sie gar im Gewand einer "sozialpsychologischen Forschung" daherhommen, um von einer angeblich untersuchten "Identität" "wahrzusprechen" ? (Dabei ist die Konnotation mit Wahrsprecherei bzw. Wahrsagerei nicht einmal zufällig sondern könnte ihr Projekt ziemlich treffend beschreiben.) Knüpft diese sozialpsychologische Forschung  nicht pseudowissenschaftlich transformiert an den Wahrheitsregimen, dem Wahrsprechen-müssen von sich selbst des Frühchristentums  und, später in noch einmal potenzierter Form, des Protestantismus an ?

Foucault führte diesbezüglich aus:

"Weshalb und wieso verlangt in unserer Gesellschaft die Ausübung von Macht, die Ausübung von Macht als Regierung der Menschen, nicht nur Gehorsams- und Unterwerfungsakte, sondern auch Wahrheitsakte, bei denen die Individuen, die in der Machtbeziehung Untertanen (sujets) sind, als Akteure, bezeugende Zuschauer oder Objekte innerhalb der Verfahren der Wahrheitsmanifestation gleichzeitig auch Subjekte (sujets) sind ? Weshalb hat sich in dieser Großökonomie der Machtbeziehungen ein an die Subjektivität gekoppeltes Wahrheitsregime entwickelt ? Weshalb verlangt die Macht und das in unseren Gesellschaften seit Jahrtausenden von den Individuen nicht nur zu sagen, >hier bin ich, hier bin ich, der gehorcht<, sondern verlangt von ihnen außerdem zu sagen, > das bin ich, ich, der gehorcht, das bin ich, das habe ich gesehen, das habe ich getan< ?
So lautet mithin die Frage. Es versteht sich von selbst - die Art und Weise, wie ich das Thema dargelegt habe, deutet, denke ich, zur Genüge darauf hin -, dass ich das historische Problem der Herausbildung einer Verbindung zwischen der Regierung der Menschen und den Wahrheitsakten beziehungsweise den reflektierten Wahrheitsakten vom Christentum und Frühchristentum her etwas enger fassen werde.
Wenn man in Bezug auf das Christentum die Frage der Regierung der Menschen und des Wahrheitsregimes stellt, denkt man im Allgemeinen an den dogmatischen Aufbau des Christentums, das heißt an die Tatsache, dass das Christentum im Vergleich zur alten Welt, im Vergleich zur griechischen, hellenistischen und römischen Welt, tatsächlich ein höchst erstaunliches, höchst neues und zugleich auch höchst paradoxes Wahrheitsregime eingeführt hat. Ein Wahrheitsregime, das natürlich aus einem Korpus von Doktrinen besteht, das sich [einerseits] auf die ständige Bezugnahme auf einen Text stützt und das sich andererseits auf eine ebenfalls beständige Institution beruft und das sich verändert und etwas so Rätselhaftes wie die Tradition gewährleistet. Ein Korpus von Doktrinen folglich, aber auch Wahrheitsakte, die den Gläubigen abverlangt werden, unreflektierte Wahrheitsakte, Wahrheitsakte in Form des Glaubens, Akte des Glaubens, des Glaubensbekenntnisses. Wenn man über die Regierung der Menschen und das Wahrheitsregime im Christentum spricht, denkt man in der Regel an diese Seite, das System von Dogma und Glaube, Dogma und Gläubigkeit. Wenn man diese Seite bevorzugt, so aus Gründen, die ich soeben genannt habe, nämlich die Präferenz, die man der Analyse in den [Begriffen]  der Ideologie stets einräumt, dies bedeutet nämlich exakt, bei der Durchführung der Analyse nicht so sehr von den Wahrheitsakten (also von der Seite der Akte der Glaubwürdigkeit) auszugehen, sondern vielmehr vom Inhalt des Dogmas und des Glaubens als ideologischem Gehalt.
Mit Blick auf die Perspektive, die ich einnehme, werden Sie nun erstens verstehen, dass ich beim Wahrheitsregime nicht dem Glaubensinhalt den Vorzug geben werde, sondern vielmehr dem Wahrheitsakt selbst, und [zweitens] dass ich nicht so sehr die Wahrheitsakte in Form von Glaubensakten untersuchen möchte, sondern andere Akte, die, denke ich, ein anderes im Christentum vorhandenes Wahrheitsregime definieren, skandieren, artikulieren, das sich weniger durch den Glaubensakt oder das Glaubensbekenntnis mit einem dogmatischen Inhalt bestimmt, der einem Text entnommen und innerhalb einer institutionalisierten Tradition verfolgt wird. Ich möchte über ein anderes Wahrheitssystem sprechen: ein Regime, das durch die Pflicht der Individuen definiert ist, zu sich selbst permanent eine Erkenntnisbeziehung aufzubauen, durch die Pflicht, in ihrem Innersten Geheimnisse aufzudecken, die sich ihnen entziehen, schließlich durch die Pflicht, die geheimen und individuellen Wahrheiten durch Akte zum Ausdruck zu bringen, die bestimmte Effekte haben, Effekte, die weit über Erkenntniseffekte hinausgehen, befreiende Effekte. Anders gesagt, gibt es im Christentum ein Wahrheitsregime, das sich nicht so sehr um den Wahrheitsakt als Glaubensakt herum aufbaut als vielmehr um den Wahrheitsakt als Geständnisakt.
Die Regime des Glaubens und des Geständnisses sind sehr verschieden, da es sich im Falle des Glaubens um das Bekenntnis zu einer unantastbaren und offenbarten Wahrheit handelt, bei der die Rolle des Individuums, damit der Wahrheitsakt, der Punkt der Subjektivierung im Wesentlichen in der Akzeptanz dieses Inhalts besteht und in der Akzeptanz, zum Ausdruck zu bringen, dass man diesen Inhalt akzeptiert - dies ist der Sinn des Glaubensbekenntnisses, des Akts des Glaubensbekenntnisses, während es in dem anderen Fall, im Fall des Geständnisses, überhaupt nicht darum geht, sich zu einer inhaltlichen Wahrheit zu bekennen, sondern darum, die individuellen Geheimnisse zu erforschen, unablässig zu erforschen. Man kann sagen, das Christentum war, zumindest in der Hinsicht, in der es uns hier interessiert, ständig von einer außerordentlichen Spannung zwischen diesen beiden Wahrheitsregimen, dem Regime des Glaubens und dem Regime des Geständnisses, durchzogen.
Große Spannung soll nicht heißen, dass es zwei heterogene Systeme ohne Verbindung waren. Letztendlich darf man nicht vergessen, dass der Begriff der Beichte und die Bedeutung des Wortes ››Beichte« in der römisch-katholischen Kirche gewissermaßen genau in der Gabelung dieser beiden Regime liegt, da im Latein der Kirchenväter der Bekenner, der Begriff ››confessor«, sich praktisch noch bis ins 7. und 8. Jahrhundert auf jemanden bezieht, der es auf sich genommen hat, das Glaubensbekenntnis bis zum bitteren Ende abzulegen, das heißt auch auf die Gefahr des Todes hin? Und kurz darauf hat sich in diese Bedeutung des Wortes ››confessor« die andere Bedeutung des Wortes >Beichte< eingeschoben, nämlich die, die das Geständnis strukturiert, reglementiert, ritualisiert und daraus Wirkungen abgeleitet, die sehr viel später, ab dem 12. Jahrhundert, einfach zu sakramentalen Wirkungen werden sollten. Mithin ist das Christentum im Grunde, im Wesentlichen die Religion der Beichte, insofern diese sich an der Nahtstelle des Regimes des Glaubens und des Regimes des Geständnisses befindet, und diese beiden Wahrheitsregime bilden - unter diesem Blickwinkel - die Grundlage des Christentums.
Zweitens findet man in der Tatsache, dass praktisch jede Entwicklung eines der beiden Regime von einer Weiterentwicklung oder Neuordnung des anderen Regimes begleitet war, einen anderen Beweis dafür, dass die beiden Wahrheitsregime, das des Glaubens und das des Geständnisses, keine zwei heterogene und unvereinbare Komponenten sind, sondern dass es zwischen ihnen tiefe und grundlegende Verbindungen gibt. Wenn sich die Praktik des Geständnisses, der Beichte im Sinne des Geständnisses, des Bußbekenntnisses Ende des 2. bis zum 5. Jahrhundert so stark entwickelt hat, dann letztlich insofern es gerade ein Problem gab - das der Häresie, das heißt der Definition dessen, worin der dogmatische Inhalt des Glaubensaktes bestehen muss, und genau im Rahmen dieser Auseinandersetzung mit der Häresie (auch ein Begriff, der der griechisch-römischen Welt völlig fremd war), also im Rahmen der Definition des dogmatischen Glaubensinhalts, haben sich die Geständnispraktiken entwickelt. [...]
 Wenn sich die Praktik des Bußbekenntnisses, des Bußgeständnisses dann in höchst juristischer Form kodifiziert, und das über mehrere Jahrhunderte, so genau, als das Christentum erneut mit der Häresie konfrontiert ist - der Häresie der Katharer -, und im Kampf gegen diese Häresie hat sich auch die Praktik der Beichte entwickelt. Sie sehen also, es gibt einen fortwährenden Zusammenhang zwischen den beiden Bedeutungen des Wortes ››Bekenntnis« und dem Wandel, dem die eine wie die andere unterliegt.Und schließlich kann man sagen, dass sich der Bruch im Christentum in der Renaissance, das heißt die Teilung in Katholizismus und Protestantismus, im Großen und Ganzen noch rund um dieses Grundproblem vollzogen hat. Was war der Protestantismus am Ende, wenn nicht eine bestimmte Art der Wiederaufnahme des Glaubensaktes als Bekenntnis zu einem dogmatischen Inhalt in Form einer Subjektivität, die es dem Individuum erlaubt, in sich selbst, in seinem Innersten, gemäß dem Gesetz und dem Zeugnis seines Bewusstseins, diesen Inhalt zu entdecken? Anders gesagt, wird das Individuum als Operator der Wahrheit, als Zeuge und Objekt des Wahrheitsakts in seinem Innersten das entdecken, was das Gesetz und die Regel seines Glaubens und seines Glaubensakts sein muss.
 Man hat hier   im Protestantismus* (Fußnote: eine neue Art, das eine an das andere zu knüpfen, auf eine Art und Weise, die sich jedenfalls von der früheren unterscheidet, die Verbindung... letztendlich sind die Protestanten gar nicht so anders als das Frühere, doch lassen wir das...) eine bestimmte Art und Weise, das Geständnisregime mit dem Wahrheitsregime zu verbinden, und genau das gestattet es dem Protestantismus die institutionelle und sakramentale Praktik des Bußgeständnisses bis zu seiner Aufhebung abzubauen, da das Geständnis und der Glaube in einer Form des Wahrheitsakts zusammentreffen, bei der das Bekenntnis zum dogmatischen Inhalt dieselbe Form hat wie der Selbstbezug bei der sich selbst erforschenden Subjektivität." 71b

Foucault verschob mit dieser Vorlesung (1980) seine bisherige  Optik komplett.  Die Frage wie sich die Diskurse mit bestimmten Praxen verknüpfen, veränderte sich grundlegend. Jetzt geriet in den Fokus auf welche Art und Weise, durch welchen dynamischen Prozess, zu welchen Zielen und Zwecken "sich ein Subjekt an eine Wahrheitsmanifestation bindet". Der Begriff Wahrheitsregime fand in diesen Zusammenhang Eingang
Um zu verstehen, warum der Protestantismus forciert auf eine individuelle Subjektivität zielt, die ihr eigenes Wahrsprechen hervorbringt, wäre Foucaults Studie frühchristlicher Theoretiker weiterzuschreiben. Aber nun mit dem speziellen Fokus, wie die Protestanten  Subjektivität oder das was sie dafür halten, mit einem spezifischen forcierten Selbstbezug verkoppeln, der trotz allem an eine protestantische moralische Tugendhaftigkeit geknüpft ist.
Zwar bildet Foucaults Studie das Vorspiel zu jener Fragestellung, leider stellte Foucaults Tod eine bis heute existierende Schranke das Thema gründlich zu erforschen.
 Tertullian, einer der frühesten christlichen Theoretiker, thematisierte, dass es in seinem Verständnis umfangreicher geistiger Vorbereitung bedarf, um zur Taufe zugelassen zu werden. Er konstruiert eine erstaunliche Beziehung zwischen der Reinigung der Seele und dem Zugang zur Wahrheit. Es ist kaum bekannt, dass Tertullian einige der folgenreichsten Hypothesen für die christliche Theologie und das abendländische Denken bis zur Moderne einführte. Die Idee der Erbsünde entwickelte sich zu einem umfassenden Machtinstrument.
Da der Mensch mit der Erbsünde befleckt sei, gibt es Bereiche in der Seele die unter dem Einfluss des Bösen, des Satans stünden. Die Taufe soll nun das Böse aus dem Inneren der Seele verscheuchen. Je näher die Taufe rückt umso mehr wütet Satan. Als Christ riskiert man/frau sehr viel, auf Grund der ständigen Heimsuchung von Versuchung und Sünde. Der Christ muss ständig um sich, die Reinheit seiner Seele und um sein Seelenheil besorgt sein. Wenn man den Glauben und die Gnade Gottes erlangen will, "darf man sich dessen was man selbst ist, niemals sicher sein." 
Tertullian führte aus, dass die Taufe in zwei Stufen zu vollziehen ist. Nämlich in einer ersten  der Vorbereitung auf die Taufe, der monatelangen Buße und Askese. Der Konzentration auf sich selbst, einer "Übung und Ausarbeitung seiner selbst" in Bezug auf Entsagung des Satans und der Meditation über das christliche Glaubensbekenntnis. Und In einer zweiten der eigentlichen Taufe, die im Vollzug der Metanoia, der Seelenwandlung, der Konversion, die während der Taufe eintritt, den Christen vom Schatten seiner Vergangenheit  ins Licht führt um von Gottes Wahrhaftigkeit gereinigt und erleuchtet zu werden. "Die Übung seiner selbst muss der Auftakt zu der Bewegung sein, durch die man im Zuge der Erleuchtung, die uns die ewigen Wahrheiten eröffnet, zum Erkenntnissubjekt wird." 
Foucault zitiert mehrere bedeutende Schriftsteller des Frühchristentums und diskutiert einen bedeutenden Teil des apostolischen Kanons. Origines spricht von den zwei Taufen. Die eine, die schon besrprochen, gesellt sich zu der anderen. Man würde bis zum Tod in einem zweiten Taufverfahren leben, bei dem wir uns selbst reinigen müssen, durch eine permanente Mortifikation. In der wir uns ständig beweisen, dass wir nicht rückfällig werden. Der Rückfall/ Abfall vom Christentum stellte durch Verfolgung und individuelle Verfehlungen ein ernsthaftes praktisches wie theologisches Problem. Dem Rückfall/ Bruch im Leben eines Christenmenschen versuchen  die Hagiographen des Frühchristentum mit einem verstärkten permanenten Kampf gegen unser altes Selbst, den inneren Feind und den Satan zu begegnen. Auch wenn wir schon getauft, müssen wir bis zu unserer letzten Befreiung gegen Satan kämpfen, uns laufend bewähren. In diesem Kampf sind wir gezwungen durch viele Wahrheitsproben zu gehen.
„Wir müssen unablässig belegen was wir sind. Wir müssen uns selbst überwachen, in uns die Wahrheit hervorholen und denjenigen darbieten, die uns beobachten, die uns überwachen, die uns beurteilen und die uns führen, wir müssen den Hirten also die Wahrheit dessen, was wir sind, offenbaren. Und sie sehen, die Vorstellung, dass es hier, innerhalb des Zusammenhangs zwischen Subjektivität und Wahrheit, zwei sehr verschiedene Formen der Beziehung geben muss und dass beide ineinandergreifen und sich miteinander verknüpfen müssen, dass man sich aber nicht täuschen lassen und in ihnen nicht ein und dieselbe Sache sehen darf, ist hier noch viel stärker verankert als in den Konzepten Tertullians die Beziehung zur Wahrheit, die uns mit der Taufe versprochen wird, und die Beziehung zur Wahrheit über uns selbst, die wir mit Blick auf zwei Dinge unablässig selbst herstellen müssen, einerseits den Tod und andereseits die Gegenwart des Anderen.“71c

Das Christentum verlangt zu einem ziemlich umfassenden Erkenntnissubjekt hinsichtlich seines intensiven Glaubensbezugs, seiner moralischen Reinheit, seiner Gottesfurcht, seiner Initiation und Bewährung als Christ zu werden. Dieser Prozess wird gekreuzt und unterstützt von der Exomologese. Sie war ein durchgehender stabiler Topos in der Pastoraltheologie des Christentums. Anfangs war sie nur eine wenig verbalisierte publicatio sui, dass man/frau  den Büßerstatus annimmt, der weitreichende sozial isolierende Konsequenzen bedingte. Ab dem 7/8. Jahrh. mündet sie über das Selbstgeständnis  in die Selbsterforschung. Sie mutiert zu einer intensiven "masochistische" Prüfung der Seele durch sie selbst, einem Hervorbringen der definitiven Wahrheit der Seele über sie selbst oder "der Manifestation der Wahrheit der Seele  durch sie selbst." Die Seele soll sich nun selbst offenbaren indem sie zum penibel zu prüfenden Objekt ihrer selbst  wird.  
 Aber seit der Aufklärung  stellte sich immer drängender die Frage, ob sich die Seele respektive das Selbst wirklich selbst erkennen kann. Spätestens seit der Psychoanalyse wurde diese Frage erkenntnistheoretisch immer skeptischer beurteilt.
Den Protestantismus der Aufklärung focht dies nicht an. Er radikalisierte die Intentionen des Frühchristentums einerseits vermittels  seiner verweltlichten Selbstprüfung andererseits eines theologischen Prüfungprozesses ob jemand in der Gnade Gottes steht oder verworfen ist. Buße wechselt von einem Mittel des katholischen  Sündenablasses  zu einem Instrument der protestantischen Selbsterforschung, die vor allem über einen intensiven Selbstbezug funktioniert. Selbsterforschung, Selbstbeobachtung, Selbsteingeständnisse respektive Selbstgeständnisse nehmen einen Großteil der Psyche ein, wenn sie nicht gar neurotisch obsessiv davon in Besitz genommen wird. Sie münden in den unermüdlichen Stress einer forcierten moralischen Selbstoptimierung.
Deshalb wird  im Protestantismus ziemlich viel Wert auf eine individuelle Buße gelegt.
Es kommt nicht von Ungfähr, dass sich Luthers 95 Thesen am Ablasshandel entzünden, sich theologisch auf eine vehemente Kritik des traditionellen, kirchlichen Bußverständnisses einschießen.  Luther beklagt, wütet gegen, die  katholische Ritualisierung und Formalisierung der Buße, die sich während des Mittelalters entwickelte.  In „De captivitate babylonica“ verwirft er die katholische Buße  wegen nur noch „äußerlicher  Zeremonien“. Er spricht ihr den Status als Sakrament ab. Er führt jetzt eine entscheidende Differenz ein, die er, angeblich dem Evangelium besser entsprechend, würdigt/ propagiert: Die freiwillige Sündenbeichte. Beim frühen Luther  steht noch der Glaube des Einzelnen und wie er/sie sich darin entfalten kann im Fokus. Beim späten Luther, vor allem aber dem Protestantismus der Aufklärer, der Puritaner und Calvinisten kommt die gründliche, selbtpeinigende, moralische Selbsterforschung  und Selbstprüfung hinzu. Schon Luther betont, dass die Buße sich nicht  auf etwaige Verirrungen konzentriert, die  durch Schuldbekenntnisse oder Satisfaktionsriten Absolution finden. Vielmehr, so  die eigentlich unerbittliche berühmte erste These, sei die tiefe Intention der Verkündigung Jesu, „dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sei.“ 
 Foucault  hat in Bezug auf das Christentum  zwei Foci permanent hin und her gewendet. Zum einen war das reformatorische Bußverständnis die definitive, entscheidende Verlagerung hin zur neuzeitlichen Individualisierung und Subjektivierung. Die „Pastoralmacht“ wird nicht nur verinnerlicht, sondern erheischt eine permanente  Gewissenserforschung, die gebietet über differenzierte Veridiktionsmodi über sich "wahr- zusprechen."   Luther spricht der kirchlichen Bußpraxis  den singulären Status mönchischer Askese ab  und avisiert  die individuelle Lebensführung jedes Christen zum Schauplatz gesamtbiographischer Verantwortung.  Er versucht  den einzelnen Christen der geistlichen katholischen kirchlichen Leitung zu entziehen. Aber bürdet ihm individuell auf was letztlich durch seinen Stand in der Gesellschaft verursacht. Kein von Gott gegebenes Schicksal wiegt so schwer, als dass es jetzt nicht individuell bearbeitbar . Der Einzelne wird für (fast) alles, letztlich auch seinen Stand und Status in der Gesellschaft verantwortlich gemacht. Vor allem auch dafür wie er subjektiv mit diesem Stand und seiner Stellung umgeht,  an ihr arbeitet, wie er sich als Erkenntnissubjekt geriert/inszeniert. Aber gerade in dieser Subjektivierung liegt die Krux. Die Reformation versteht Foucault zum anderen als raffinierteren, komplexeren, viel feiner gewebten Herrschaftsdiskurs als noch das Frühchristentum. Was die Protestanten als individuellen subjektiven Protest und Stärkung des Individuums feiern, beobachtet er als eine forcierte Herrschaftspraxis, die durch eine massive innere  Geständnispraxis vorbereitet wurde. Sie bildet in der Neuzeit eine Allianz mit neu entstehenden protestantischen Selbsttechnologien aus, die in die subjektive Tiefenpsychologie des  Einzelnen vordringen. Besonders die   reformatorische Buße bringt  individuell differierende Geständnispraxen hervor, denen eben solche diversifizierten Bußpraxen folgen,  die weiterhin von einem Pastor begleitet oder beraten werden können. Es greift schon hier eine Individualisierung der Verfehlung. Noch vielmehr, wenn die spätere protestantische Selbstprüfung dazu übergeht das Individuum danach abzuklopfen, respektive das Individuum sich selbst, ob es seinen selbst gesteckten Zielen gerecht wurde.  Und falls nicht, warum nicht ?   Vermittels der intensiven, masochistischen, peinlichen Selbstbefragung und evtl. pastoralen  Inquisition, die es weiterhin unter einem krassen Erfolgsdruck setzt.
Kaum sozialwissenschaftliche Fantasie ist notwendig um zu folgern, dass diese Form der Selbstprüfung und Subjektivierung eine/n vereinzelte/n Einzelne/n hervorbringt, dem/die in seiner/ihrer individuellen Motivik  kaum mehr etwas mit seinen/ihren Glaubensbrüdern/-schwestern und Mitbürger/inne/n verbindet. Die Säkularisierung scheint die christlichen, protestantischen Wurzeln längere Zeit verwischt zu haben, jedoch standen sie in einer postmodernen verstärkten reflexiven Identitätspsychologie und -forschung wieder auf. Sie legte es darauf an den Individualisierungsprozess vermittels einer toughen Identitätsforschung wie -prüfung zu radikalisieren und registrierte  nicht, dass Gesellschaften mit diesen Konzepten  eine vollendete Atomisierung droht.
 In ihrer Avanciertheit kristallisiert sich die Individualatomisierung   u.a. um die  individuellen, subjektiven Lüste, Hobbies oder gar Idiosynkrasien des/der Einzelnen aus. In einem Gespräch mit Psychoanalytikern zum Willen zum Wissen sagt Foucault:" Man hat eine Sexualität seit dem 17. Jahrhundert und ein Geschlecht seit dem 19. Jahrhundert. Davor hatte man zweifellos einen fleischlichen Leib. Der gute Mann, der dafür den Grund gelegt hat, ist Tertullian."
 Kein Geheimnis der Foucaultforschung ist, dass  jener berüchtigte vierte Band seiner Untersuchungen zur „Sexualität und Wahrheit“ sich topisch dem Frühchristentum widmet. Der vielsagende Titel „Die Geständnisse des Fleisches“ (Les Aveux de la chair)  enthält Studien zu den frühchristlichen Geständnisverfahren, die im Protestantismus später wieder modifiziert aufgegriffen wurden. Der Band wurde nie abgeschlossen obwohl Foucault bis zu seinem Tod  daran arbeitete. Forscher sehen diesen letzten Band als "wichtigsten Teil" an, der eine Art Schlüssel auch zu den anderen Bänden verspricht. Er besteht aus  ausführlichen transkribierten Manuskripten und Foucault reflektierte in Interviews über  einen „umfassenden Entwurf“ zu einem Buch „über sexuelle Ethik im 16. Jahrhundert", in dem gerade die Komplexe der  Selbstprüfung, der Seelsorge und Selbsttechniken mehr in der protestantischen als in der  katholischen Kirche zu behandeln wären. Aber gerade  diese zusätzliche äußerst spannende Untersuchung wurde durch seinen Tod verhindert.

Auf jeden Fall ist aus dem vierten Band zu extrapolieren,  wie  sich der frühchristliche Geständnisdruck bis in die Jetztzeit mit ihren Veridiktionsmodi, d.h. der Art von seinem Begehren, seinen Lüsten und Neigungen "wahr-zusprechen", verschränkt.   Das Fragen nach dem individuellen Begehren, den Lüsten und Neigungen war eine Spezialität des Christentums und später noch einmal radikalisiert des Protestantismus.  Er spitzte es auf die Frage nach der  "eigenen Identität" respektive der Forderung nach ihrer Suche, ihrer Konstruktion zu, hinter der jedoch schon ein potenzierter Begehrenskomplex agierte. In der Postmoderne radikalisierte und reüssierte er vollends, indem er  von TV-Networks aber auch von  facebook und anderen social networks, Universitäten und gewissen reflexiven Sozial/Psychologien, vor allem auch protestantischen Gemeindepsychologen respektive Psychotherapieschulen  propagiert wurde, die zudem eine universelle Jouissance als auch ein  toughes Identitätsdesign pushen. Zwar beteuern sie alle unschuldigst ihre User/Klienten würden sich freiwillig ein Profil oder eine Identität zulegen. Aber es drängt sich die Frage auf, ob sie als deren Medien nicht die IT-Tools  und die Fragestellungen ausfeilten, die letztlich die Subjekte dazu veranlassen sich  auszustellen, zu überwachen, zu unterwerfen, indem sie ständig Selbstbekenntnisse oder "Selfies" produzieren ?
Forciert die Digitalisierung mit ihrem Identitäts- wie Jouissanceimperativ nicht in den Usern/Subjekten gleichermaßen starke regressive Infantilisierungen wie jene og. massiven protestantischen Confessor-Wahrheitsregime, die heute sogar nach einer gelingenden Identität (sic !) fragen ? Hat  öffentliches digitales Beichten nicht derart  Jouissancecharakter angenommen, der es nicht nur selbstreferentiell antreibt sondern   als Selbstdarstellung, als Selbstperformance erleben lässt ? Mit den Augen der Vernunft betrachtet ist kaum  beurteilbar ob diese seltsame digitale Beichtmelange, in der das Über-Ich zum Sprecher des Es wird, als auch  freudsche Primär- und Sekundärprozesse ineinanderfließen, eher zum Lachen, zum Weinen oder gar zu beidem gleichzeitig animiert ? Wer sich einen Fetzen Restvernunft bewahrte, könnte bei der Schwierigkeit diese Frage zu beantworten eher zur Dekompensation neigen. Jedoch legen die Social Media vermutlich deshalb eine ungeheure Bullshit-Produktivität an den Tag. Die Mehrheit  der User scheint es zu lieben mehr oder weniger Bullshit über ihre angebliche Identität zu p(r)osten als auch leidenschaftlich Pseudo/Geständnisse zu bullshiten, die von ihren Followern mehr oder weniger geliked werden.
Aber dies ist auf den zweiten Blick weniger harmlos als es scheint. In Überwachen und Strafen schreibt Foucault, dass die Souveränitätsmacht des Ancien Regime "auf die endlose Zerstückelung des Körpers des Königsmörders" zielt, "dessen vollkommene Zerstörung das Verbrechen in seiner Wahrheit aufblitzen lässt." Jedoch "wäre der Idealfall des heutigen Strafsystems die unbegrenzte Disziplin: eine Befragung ohne Ende; eine Ermittlung, die bruchlos in eine minutiöse und immer analytischer werdende Beobachtung überginge; ein Urteil, mit dem ein nie abzuschließendes Dossier eröffnet würde; die kalkulierte Milde einer Strafe, die von der erbitterten Neugier einer Überprüfung durchsetzt wäre; ein Verfahren, das sowohl andauerndes Messen des Abstandes zu einer unerreichbaren Norm wäre wie auch die asymptotische Bewegung, die endlos zur Einholung dieser Norm zwänge. ... Das Unter-Beobachtung-Stellen ist die natürliche Verlängerung einer von den Disziplinarmethoden und Überprüfungsverfahren erfaßten Justiz. Daß das Zellengefängnis mit seinem Zeitrhythmus, seiner Zwangsarbeit, seinen Überwachungs- und Registrierungsinstanzen, seinen Normalitätslehrern, welche die Funktionen des Richters fortsetzen und vervielfältigen, zur modernen Strafanlage geworden ist- was ist daran verwunderlich ? Was ist daran verwunderlich wenn das Gefängnis den Fabriken, den Schulen, den Kasernen, den Spitälern gleicht, die allesamt den Gefängnissen gleichen." (US, S.291,ff, Suhrkamp).
 Das Internet ist  schon seit Längerem zu der Überwachungs-, Straf- und Anklageinstanz par Excellence der Postmoderne avanciert.
 Haben die User/ Klienten die Fragen nach Identität nicht hysterisch aufgegriffen und  durch  enorm  rückkoppelnde, selbstreferentielle Bullshit-Schleifen sich gleichermaßen hybridisiert wie atomisiert ? Haben nicht Meta/facebook, die reflexive und andere Mainstream Sozial/Psychologien  durch diese sich monströs selbst potenzierenden Bubbles in den Köpfen vermeintlich selbstbehauptende,  letztlich jedoch vollends gouvernementale Überwachungs-, wie Steuerungselemente /Mächte  implementiert ? Üben sie, falls die Individuen sie schlucken,  verinnerlichen, nicht on- und offline einen maximalen, perennierenden, protestantischen Rechtfertigungsdruck auf sie aus, der sie permanent  dazu zwingt über ihre selbst intimste Existenz oder gar vermeintlichen "Identität" Rechenschaft abzulegen ? Schon in die Ordnung der Dinge und durch sein Studium des Christentums und des Protestantismus kam Foucault zu dem Schluß: "Der Mensch ist ein Geständnistier". Implementieren die neuen Medien und die reflexiven Identitätspsychologien in ihnen nicht  eine selbsttechnologische, protestantische Überwachungs- wie Selbstgeständnisprüfung,  obwohl oft der  Glauben vorherrscht alles freiwillig zu posten ?
 In der Upper Middle Class bewirkt die Identitätsforschung noch einen  potenzierteren Spin, der sich andersgelagert in den unteren wiederfindet. Die Befragten sollen von etwas "wahrsprechen" mit dem sie voll "identisch". Wenn sie sich dessen als unfähig erweisen, diagnostiziert die Identitätsforschung normativ einen Mangel, der  sie als defizitär erscheinen lässt und  einer Optimierung bedarf. Sie verlangt vom Subjekt nicht nur von seinen Defiziten  wahrsprechen zu müssen, sondern von sich als Subjekt einer selbst zu formenden, performenden, effektiv funktionierenden "Identität". Diese immer mitgemeinte Funktionalität einer "Identität" wirkt nun doppelt zombiefizierend. Zum einen lässt der Geständniszwang, von sich in Form einer zu kreierenden "Identität" zu sprechen, das Subjekt im größeren Ausmaß (paranoid) versteinern. Es betritt sozusagen die erste Stufe der Zombiefizierung. Die noch größere tritt mit der Realität bzw. der Erfahrung ihrer Unbrauchbarkeit oder Überflüssigkeit am Arbeitsmarkt ein. Dann könnte eine einstmals selbst erwünschte im reflexivmodernen Sinne "erarbeitete Identität" vollends ins Untoten/Zombiestadium kippen. Kaum outriert ist es zu behaupten, dass Zombieidentitäten inzwischen die Mehrzahl der im Arbeitsmarkt integrierten, aber auch von ihm Abgelehnten stellen. Besonders die einst akademisch geistes- sozialwissenschaftlich, künstlerisch Ausgebildeten, all die Fein- und Schöngeister, könnten, wenn sie gezwungen sind ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, eine Art traumatischen, nachhaltigen Erkenntnischoc erleiden. Vor allem falls sich  herauskristallisiert, dass sich kein Ausweg aus einer anstrengenden, monotonen Arbeitsexistenz abzeichnet. Die Gesellschaft sich schon seit längerem wieder als jenes von Weber beschriebene stahlharte Gehäuse des Vorgesetztentums präsentiert. Leider hat sich noch keine Sozialwissenschaft mit Dynamik, Verlauf, dem vermutlich skurrilen, bizarren, abgründigen Afterlife und  auch Destruktionsdynamik jener enttäuschten "Zombie-Identitäten" beschäftigt. Ebenfalls nicht übertrieben zu vermuten, dass sie sich ab der Mittelschicht abwärts vor allem im Niedriglohnsektor finden und im unterdurchschnittlich bezahlten der Mittelschicht. Sie stellen die Basis für reaktionäre gesellschaftliche Radikalisierungsprozesse.
 Tückisch stellt sich  kritisch betrachtet dar, dass  eine Identität vom Begriff her und im reflexivmodernen Sinne  vor allem Spaß machen und möglichst "gesund" sein sollte. Allein wer nach einer "Identität" fragt, fragt an sich nach einer sozialen Erwünschtheit/Norm. Die Identitätsforschung setzt die Menschen deshalb eigentlich unter einem Geständnisdruck, der mehr oder weniger explizit an einer starken bürgerlichen Norm ausgerichtet ist, die das Bürgertum selbst nur noch zu einem sehr geringen Prozentsatz erfüllen kann, mit allen beschriebenen und noch zu erforschenden "negativen" Konsequenzen. Sie setzt es einem Geständnisdruck/-zwang aus, der nach ihrer  identitären Logik, einen eben solch starken Handlungsdruck nach sich ziehen soll. Er nötigt das Individuum mit  Fragen wie, bist du überhaupt mit dir identisch ? Wenn nicht, denke über deine Identität nach! Bemühe dich um Identität ! Warum machst du etwas, was dir keinen Spaß bereitet ? Kannst du nicht etwas machen mit dem du dich wirklich identifizierst, was dich erfreut ? Und wenn nicht, warum nicht ? Offenbarend, dass die Postmoderne nur sehr bedingt das Reich der Freiheit, welches ihre Ideologen postulieren. Vielmehr sollte man im Auge behalten, gerade weil sie ideologisch als die große Freiheit konstruiert  wird, inhäriert ihr eher vorbewusst ein raffinierter neoprotestantisch virulenter  Selbstbekenntnis/zwang mit angeschlossener Selbstverwirklichungsnormativität, die jedoch großteils an der gesellschaftlichen Realität scheitert.
  

Jouissance/terreur, le visage noire du jouissance, People Broken

  Freud gab der Psychoanalyse  eine bescheidene Genußfähigkeit als oft nicht erreichtes Minimalziel vor. Später war er bereits  zufrieden, wenn sich hartes neurotisches Elend in gewöhnliches Unglück wandelt. Bei Adorno, der viel von der Theorie, aber nichts von der gängigen Anpassungs/Praxis der bürgerlich inkorporierten Psychoanalyse hielt, schrillten alle Alarmglocken. Ihn regte schon allein  der  Begriff auf, "als ob nicht das bloße Wort Genussfähigkeit genügte, diese, wenn es so etwas gibt, aufs empfindlichste herabzusetzen.  Als ob nicht ein Glück, das sich der  Spekulation auf Glück verdankt, das Gegenteil von Glück wäre, ein weiterer Einbruch institutionell geplanter Verhaltensweisen ins immer mehr schrumpfende Bereich der Erfahrungen."  Sein großes Unbehagen bestand darin, dass der Genuss, einmal vollständig in die Regie der Kulturindustrie genommen, verschwindet. Aber die 68er hatten, entgegen ihren Intentionen, daran großen Anteil.
 Nach Lacan, der 1981 starb, leben wir seit den 70ern in der Postmoderne. In der es im Westen nach der 68er Studentenbewegung, ihrer “sexuellen Befreiung“ und späteren universellen Jouissance angeblich kaum mehr Unterdrückung gibt. In Lacans Denken ist das (sexuelle) Begehren jedoch essentiell als Reaktanz auf die Unterdrückung  angewiesen.  Aus seiner damaligen Sicht begann, mit dem Verschwinden der Unterdrückung, auch das Endspiel des Begehrens. Das Begehren, der Eros befindet sich nach der 68er "sexuellen Befreiung"  in einer profunden Agonie. Was krasse psychische Folgen zeitige, die man an der enormen Zunahme, ja der Epidemie von  Burn out und Depressionserkrankungen ablesen kann. 
 Rudimentär die 68er Studentenbewegung, vor allem aber die Dialektik der arrivierten 68er, blies die Option des Genießens zu einer Art äußerst problematischen Jouissanceimperativ auf. Nachdem sich herausstellte, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse kaum zu verändern waren, die 68er als Arrivierte aber noch   zum größten Teil von ihnen profitierten, verdrängten sie ihre ursprünglichen 68er Ziele einer befreiten, kommunitären Gesellschaft komplett. Schlimmer noch, "modernisierten" sie nun  den Kapitalismus "reflexiv" nach vermeintlich bestem Wissen und Gewissen, u.a. indem sie  einen krassen Jouissanceimperativ propagierten. In der "reflexiven" Postmoderne hieß die Parole nun: Du musst nicht nur genießen, sondern dein Leben genießen können, (so wie wir es konnten, in Ewigkeit Amen! Wie geil war das denn ?! Die Wenigen, die diesen Jouissanceterreur kreativ ironisierten, war die Boomer-Band Right said Fred: Too sexy for my hat, too sexy for my cat, too sexy by far ! On the catwalk yeah, on the catwalk yeah !) 
  Die 68er Parole, du musst genießen können, hört sich scheinbar harmlos an, was soll daran verwerflich sein ? Sollte nicht jede/r sein Leben genießen können ? Aber das Problem ist, dass die arrivierten 68er ihre Parole an die nachfolgenden Generationen richteten. Erst bei ihnen entfaltet sie ihre teuflische Ambiguität.  Gerade  als  Forderung offenbart sie hier  ihre subtilsten wie brutalsten Tücken. Denn die Forderung "zu genießen" oder "das Leben zu genießen", sabotiert im selben Atemzug  das Genießen im Unbewussten dieser Generationen. Denn sobald das Genießen total erlaubt, sogar gefordert ist,  wirkt es auf ihr Unbewusstes ziemlich "ungeil", "uncool", nicht lustig. So entsteht das Paradox, dass je mehr man/frau die Über-Ich Forderung nach dem Genießen befolgt, desto mehr fühlen sie sich schuldig, sie (aufgrund ihres Unbewussten),dh. aus für sie unerfindlichen Gründen, nicht  einlösen zu können. Die Gedanken werden von diesem unlösbaren Paradox vorbewusst ad ultimo in Beschlag genommen.
 Zizek reflektierte den postmoderen Jouissanceterreur in seinen Schriften am umfassendensten. (Dennoch konnte auch er seine Genealogie nicht "reflexiv" aus der 68er Generation herleiten, da er ihr selbst entsprang.) Die Jouissance  metastasierte nach Zizek zur Ideologie, zum Scheinelixier, universalem Gleit/Schmiergel und  zur konkreten, perfiden Forderung der Postmoderne.

Le visage noire du jouissance

Die schwarze Visage der Jouissance, respektive ihre Dialektik, lässt sich gerade an einigen Vertretern der 68er Reformpädagogik aufzeigen. Leider auch die Problematik ihrer Aufarbeitung, die eher eine Verschleierungsgeschichte ist.
Keupp wurde 2017-2019 mit der Aufarbeitung der Missbrauchsskandale im Benediktinerstift Kremsmünster und an der Odenwaldschule beauftragt. 
Besonders was die Odenwaldschule und ihren Leiter in den 70/80er Jahren, Gerold Becker, betrifft, so war Becker ein typischer Vertreter der 68er Reformpädagogik. Wie übrigens viele akademische Pädophile plädierte er in seinen Reden /Schriften stark für die Entfesselung des pädagogischen Eros im Lehrer-Schüler/innenverhältnis, zudem für das Lösen von Lernblockaden durch die Befreiung des Triebs und der "Jouissance". Er hielt diese Reden in einer Vielzahl von verschiedenen Kontexten. Er wurde sogar 1978 als Laudator für den Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgerechnet für Astrid Lindgren berufen, obwohl es damals vernehmbare An/Klagen in der Odenwaldschule gab. Zugleich hatte er ein Schweigenetzwerk, eine Omerta, um seine vielfachen Missbräuche gelegt, die alle vom 68er Lehrer/innenkollegium letztlich gedeckt wurden. 
 Schon in den 50er Jahren  wurde bekannt, dass Becker einen jüngeren Cousin missbrauchte. Becker wurde eingestellt, obwohl den schulbehördlich Verantwortlichen diese Geschichte bekannt war. In den 60ern meldeten Lehrkräfte ihren Vorgesetzten, was ihnen Schüler/innen über Beckers Vergewaltigungen berichteten, in den 70er/80ern häuften sich die Berichte und Meldungen. In den 80ern wurde in der Schule sogar bekannt und diskutiert, dass Becker, beim Versuch der Vergewaltigung eines älteren Schülers der Oberstufe, von diesem krankenhausreif geprügelt wurde und auch mehrere Tage im Krankenhaus verbrachte. Obwohl sich langsam der Grund von Beckers Krankenhausaufenthalt herumsprach, sahen die verbeamteten 68er Oberstudienräte keinen Handlungsbedarf ihren Direktor anzuzeigen. Eine Chance verstrich  den Oberstufenschüler als Role Model zu betrachten, von dem gelernt werden kann, eine traumatisierende Vergewaltigung durch robuste Selbstverteidigung zu vereiteln. Seine Geschichte und all die anderen hätten zu einer frühen #Me Too Debatte führen müssen. Stattdessen griff wieder das Schweigen um sich. Letztlich führte das alles zu keinen ernsthaften Konsequenzen für Becker, obwohl Ende der 90er in einer Zeitung ein Bericht erschien. Es dauerte aber weitere 20 Jahre bis das Thema breite mediale Öffentlichkeit  erfuhr. Ua. auch deshalb, weil Becker langjährig mit dem Bielefelder Professor für Reformpädagogik, Hartmut von Hentig, liiert war. Dieser wiederum war bekannter Publizist, der mit vielen Verlagsleitern und Zeitungsherausgeber/innen wie Marion Gräfin Dönhoff  Duzfreundschaften unterhielt. Es zeichnete sich eine  deutsche Variante von Catch and Kill Stories ab, indem  darauf geachtet wurde, dass die Vergewaltigungen nicht durch Journalismus publik wurden.
Hier zeigte sich vor allem auch, dass die  krasse Abhängigkeit in den Loyalitätsstrukturen der Vorgesetzten/ Beamtenverhältnisse, bis über die Pensionierung von Becker hinaus, ziemlich kontraproduktiv für den Aufklärungswillen  von 68er Lehrer/innen war. Sie beförderte das Wegsehen, Weghören, Wegschweigen. 
Die frühen 68er waren Profis in der Anklage, Anprangerung und Kritik von Zuständen wie Fehlverhalten der vorhergehenden Nazi- und Mitläufergeneration. Gleichfalls in der Kritik von ihrer Generation, die noch nicht den frühen, kritischen 68er Mindset übernommen hatten. Die späten 68er wurden jedoch ziemlich blind sich selbst gegenüber. Ihre Etablierung verhinderte sich selbst kritisieren zu können. 
Generell ließ sich  beobachten, dass in den 70er Jahren, als der 68er Lehrer-Typ in die höheren Bildungsanstalten einzog, fast an jedem  Gymnasium sexuelle Lehrer-Schülerinnen-Verhältnisse  entstanden, von denen mindestens die Hälfte der Schüler/innen wussten. Sie galten  als offene Geheimnisse. (Selten  fanden sich hingegen sexuelle Lehrerinnen-Schüler-Verhältnisse.)  In Schüler/innen-Kreisen wurde oft diskutiert, ob diese Verhältnisse  nicht unter das Strafgesetz fallen ? Aber man wollte den betroffenen Schülerinnen nicht "die Suppe versalzen", weil sie im engen Freundeskreis sich oft begeistert  von ihrem neuen "Partner" zeigten. (Oder war diese Begeisterung nicht doch eine Art Hypnose ?)  Nicht unüblich war, dass 68er Lehrer serielle Beziehungen mit Schülerinnen "pflegten".
Oft wurde die Erfahrung besprochen, dass man/frau als Schüler/in wegen einer Banalität einen Verweis erhalten kann. Aber solch schweres Fehlverhalten, das juristisch gesehen sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen war, keinerlei Ahndung erfährt, obwohl die Meisten davon wussten. (Oft kursierte der Witz, dass die betroffene Schülerin ob dieses Verhältnisses einen Verweis erhalten müsste, dem sie ihren Eltern zur Kenntnisnahme und Unterschrift vorzulegen hätte. Was eine Kaskade der Strafverfolgung zur Folge gehabt hätte. Übrigens hätte auch der Lehrer einen solchen Verweis erhalten müssen, mit allen daraus sich ergebenden Konsequenzen.)
 Kirchengemeinden  in denen Pfarrer Jahrzehnte sexuelle Gewalt praktizieren durften, weil sie von Kirchenoberen gedeckt wurden, weisen oft zerrüttete Seelen und einen hohen Grad an Zerstörung auf.  Weil sich der Vertrauensverlust in die Kirche und ihre Reformierbarkeit nicht mehr kitten lässt, hat er auch Konsequenzen für die Gesellschaft und die Strafverfolgungsbehörden, da permanent gefragt wird, wie das alles möglich ist.  Missbrauch scheint in den Augen der Opfer, durch Hinauszögerung respektive Aberkennung von angemessenem Schadensersatz bis heute, lang gesellschaftlich und institutionell gedeckt zu werden. 
Gleichermaßen hinterlässt mehr oder weniger öffentlicher Missbrauch in Schulen bei Opfern, aber auch allen anderen Schüler/innen, oft unheimlich nihilistische Einstellungen gegenüber dem Schulsystem als auch der Gesellschaft, die das zuließ.
Keupps sozialpsychologische Studie über die Odenwaldschule  beleuchtet zwar das System des  Missbrauchs, hält sich aber mit konkreten Zahlen zurück. Im Veröffentlichungsjahr 2019  waren aber  schon konkrete Zahlen empirisch erhebbar. Aus einem Spiegel Online Artikel von Heft 44/2024, mit einem ehemaligen Schüler, Wir Opfer haben lebenslänglich, geht hervor, dass seit 1968 in der Odenwaldschule von mehr als 1000 Opfern und von mindestens 4000 bis 5000 Missbräuchen ausgegangen werden muss. Keupps Studie erwähnt nur 7 Lehrkräfte, davon nur 5 namentlich, denen konkreter Missbrauch nachzuweisen ist. Der ehemalige Schüler spricht in dem Spiegel Interview aber von mehr als 20 Tätern. (Andere Schüler/innen nennen die Zahlen 24-30). Diese Zahlen fehlen in Keupps Untersuchung, obwohl sie die Dimension ungeschönt, wahrheitsgemäß schildern. Indem Keupps Untersuchung der Odenwaldschule keine richtigen und relevanten Zahlen des sexuellen Missbrauchs enthält, ist sie sowohl für mögliche juristische Straf- oder Schadensersatzprozesse praktisch wertlos als auch  kaum für juristische Gutachten verwendbar. Liegt darin eine Absicht ?
Es stellt sich generell die Frage ob Keupp, der in den 70er Jahren mit seiner Gemeindepsychologie am selben gesellschaftlichen Aufbruch arbeitete wie Beckers Reformpädagogik, der richtige "Aufarbeiter" sein kann. Ist er die richtige Person um einen 68er Generationsgenossen zu beurteilen, zu dessen Themen und dem daraus ergebenden gesellschaftlichen Klima er selbst beigetragen hat ? Der unambitionierte Ton seiner Untersuchung beantwortet diese Frage mit Nein. Die 68er Reformpädagogik steht auch bei Keupp hoch im Kurs. Nur hätte  im Fall der Odenwaldschule besser herausgearbeitet werden müssen, dass sie als Legitimation für  alle möglichen Formen des übergriffigen Macht- und realen sexuellen Missbrauchs diente. 
Auffällig ist zudem, dass Keupp in der  Untersuchung über das Benediktinerstift Kremsmünster hauptsächlich die katholische Kirche wegen fehlendem Aufklärungswillen analysierte und kritisierte, den "Erbfeind" der Protestanten. Aber hätte die evangelische Kirche eine grundsätzliche Aufklärung von Missbrauchsstrukturen nicht genauso nötig ? Es wäre die wirkliche Herausforderung, mehr noch Chance für Keupp zur Selbstaufklärung wie vermutlich all zu bitteren Selbsterfahrung gewesen...., vorbei, verweht, nie wieder ?
Es gibt noch  andere Gründe warum Keupp sich kaum als Aufklärer eignet. Als Kind eines protestantischen Pfarrhauses ist er selbst letztlich in potentiell strukturellen Missbrauchsstrukturen aufgewachsen und ist daher vermutlich stumpf für die Befindlichkeiten der Opfer. Für das Aufarbeiten respektive Reflektieren dieser ziemlich sensiblen Geschichte/n bedarf es Personen, die den von den 68er Lehrern missbrauchten Generationen angehören, um nicht vollends unglaubwürdig und prätentiös zu wirken. Nicht unbedingt selbst Missbrauchsopfer, aber auf jeden Fall solche die Mitschüler/innen waren, selbst jedoch dem schweren Los des Missbrauchs entgingen. Sie könnten die Anwälte der Opfer sein.  Sie können jedenfalls  einen anderen, unverstellteren Blick auf den Missbrauch werfen, als diejenigen aus derselben 68er Reformpädagogik-Generation mit fragwürdiger Sozialisation.

Obwohl Keupps Untersuchung der Odenwaldschule teils auf psychoanalytische Konzepte zurückgreift, analysiert sie die diagnostizierten „Ringe des Schweigens", die dem Missbrauch folgen, nicht gründlich genug.

Dabei hätte geholfen einen Blick auf Freuds eigene Entdeckung und weitere Bearbeitung des Missbrauchsthema zu werfen. Freud fand durch die Analyse der damals weit verbreiteten Hysterie heraus, dass ihr meist ein realer gewalttätiger Missbrauch von jungen oder jugendlichen Frauen respektive Kindern zugrunde liegt. (Siehe Marianne Krüll, Freud und sein Vater, Die Entstehung der Psychoanalyse..., Fischer, 1992) Jeffrey Mason rekonstruierte in seinem Buch: Was hat man dir, du armes Kind getan. (oder: was Freud nicht wahrhaben wollte, 1995, Kore), die Geschichte, die zu dem damals bahnbrechenden Vortrag und Aufsatz von 1896, Zur Ätiologie der Hysterie,  führte. Der Vortrag ist ziemlich antizipierend, denn er nimmt all die Argumente und den den Widerstand  vorweg, die dem Aufdecken des Missbrauchs entgegengebracht werden. Er hat sozusagen die volle Abwehr des psychiatrischen als auch gesellschaftlichen Establishment im Visier, deshalb implementiert er eine argumentative Vorwärtsverteidigung. In den Wochen danach ist in verschiedenen Briefwechseln vermerkt, wie erbärmlich, dumm und heimtückisch Freud die Abwehr des Establishments auf seinen Vortrag beurteilte. Tatsächlich nahm er schon das betretene Schweigen, mehr noch Entsetzen der Fakultätshonoratioren während seines Vortrags zur Kenntnis. Kurz danach stellte er fest, dass ihm Fakultätsmitglieder und ansonsten kollegiale Mediziner aus dem Weg gingen, kaum mehr Gespräche und Briefwechsel stattfanden. Ihm wurde geraten, wie damals üblich, die Beteiligung der Frauen an ihrer Hysterie  auf Grund unerfüllten sexuellen Verlangens in Betracht zu ziehen. Freud hielt dem Druck fast ein Jahr stand, bis die  Berichterstattung der Presse eskalierte. Dann musste er erkennen, dass er in eine wissenschaftliche als auch persönliche Isolation geriet, die sich zu einem irreparablen Reputationsschaden auszuwachsen drohte. Damit stand seine zukünftige Existenz als Arzt auf dem Spiel. Er sah sich gezwungen, seine “Verführungstheorie” fallen zu lassen, indem er seine Aufmerksamkeit nun  auf die angebliche infantile Sexualität lenkte. Sie geriet nun verstärkt in den Fokus,  das transgressive Begehren (Ödipus/Elektra/komplex) lag wieder beim Kind oder den Jugendlichen. Die missbrauchenden Erwachsenen, das Establishment konnte sich wieder beruhigt zurücklehnen, alles seinen Lauf lassend.

 Wie man  heute an den hohen kirchlichen Missbrauchsfällen ablesen kann, ist das Missbrauchsthema immer noch ein Versagen sowohl der Gesellschaft, vor allem aber des gesamten Establishments, das die entscheidenden privilegierten Stellen besetzt. Es lässt nämlich zu, dass es weiterhin viel Missbrauch gibt. Es handelt sich um eine Art von Staatsversagen an dem sämtliche etablierten Behörden beteiligt sind. Polizei, Justiz, Verwaltung, die Schul- und Bildungsinstitutionen, die Kitas, die Medizin, die Kirchen, ihre Institutionen und ihre Gremien, der Katholizismus, der Protestantismus, der Islam...

Das gesellschaftliche Klima und der Zeitgeist der 70er (und 80er) Jahre wird in Keupps Untersuchung nirgends thematisiert. Die vermeintliche sexuelle Befreiung der 68er, die Distanzlosigkeit der Hippies, die 68er Hippie-Lehrer/innen mit ihren Illusionen über die Welt und das Lehrer-Schüler/innen Verhältnis sind nirgends vorhanden. Ohne aber diesen 68er Zeitgeist zu beschreiben kann man keine Studie über den massenhaften sexuellen Missbrauch nicht nur an der Odenwaldschule schreiben. Die enormen blinden Flecken in Keupps Studie haben alle mit seiner Biografie und dem Selbstverständnis als 68er zu tun.

Da für die 68er in den 60/70er Jahren die angebliche sexuelle Befreiung groß auf ihren Fahnen prangte, wurde der Missbrauch von Schüler/innen respektive Studentinnen gar nicht als solcher gesehen, sondern öffentlich eine "offene Sexualität" propagiert.  Frauen gehörten demnach nicht zur "sexuellen Avantgarde", eine perfide Form zusätzlich Druck auf sie  auszuüben, wenn sie sich  verweigerten. Der unambitionierte, schleppende Ton in Keupps Untersuchung der Odenwaldschule, ist auch der Tatsache geschuldet, dass sie jemand leitete, der gesamtgesellschaftlich betrachtet an dieser Entwicklung keinen geringen Anteil hat.



Der Jouissancebefehl der 68er traf auf eine Kulturindustrie in der 68er die Machtpositionen einzunehmen begannen, die zudem ohnehin danach trachtet jeden neuen Spaß/Genußimpuls zu potenzieren, um ihn kommerziell  auszubeuten. Die Folgen sind/waren an den noch schrecklicheren Kindern der 68er abzulesen, einem nicht unerheblichen Teil der Generation X /Y. Obwohl oder weil ? sie von ihren Eltern oft maßlos genervt, bauten sie den banalen Amüsierbetrieb der Kulturindustrie zu einer Tekkno- Eventindustrie aus, die die Maxime ihrer Eltern: Du musst genießen können!, was kaum möglich erschien, evtl. als reaktive, paradoxe Intervention, noch einmal radikalisierte. Das Leben sollte nun zu einer einzigen Party mit mehreren diversen Partymeilen werden. Ecstasy (XTC), der Rausch und das Komasaufen war/ ist ihr Credo, 72a um den Paradoxien des Joussanceimperativs vermeintlich zu entkommen.
  Hinter dem Jouissanceimperativ stand immer auch die Forderung des Produktiv-sein- müssens. Du musst  dein Leben und folglich deine Arbeit genießen können, ein unheimlicher Anspruch. Zum einen weil die Realität eines durchschnittlichen monotonen Arbeitsplatzes null Genuss verspricht, eher das Gegenteil: Frust. Zum anderen, weil die Fährnisse und Risiken einer hedonistischen Existenz nicht auf dem Reißbrett planblar oder einzufordern. Es gleicht an eine antike, dionysische Schicksalsmacht zu appellieren, die man/frau überhaupt nicht mehr im Griff haben, geschweige denn kontrollieren kann. Ein letztlich in seiner Monstrosität zerstörerischer Anspruch. Denn "genießen war noch nie ein leichtes Spiel. Vom Genießen bekommt man oft nie genug." (KW. Wenn der Sommer nicht mehr weit ist und der Himmel ein Opal.
Man/frau müsste ein Meister sein zwischen der Schlange des Genießens und der Krake der Einfahrt in den Sog der Sucht hindurchzumanövrieren. Was vielen unter gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen nicht gelingt. Die Maxime des Genießenmüssens  verunmöglichte heute einfach nicht genießen zu können, d.h. verschlüsselt, unproduktiv zu sein. Es ist geradezu  verboten nicht genießen zu können.
  Im aktuellen Übergang von der Post- zur Liquid Modernitiy  nach der Jahrtausenwende zeigt der sprunghafte Anstieg der Depressionserkrankungen die Dialektik respektive die Nebenwirkungen des anthropologisch verhängnisvollen Genußimperativs auf. An dem die Menschen  reihenweise  scheitern, weil er sie inmitten ihrer Humanität angreift und zermürbt. Nicht nur weil "Fun ein Stahlbad ist. Die Vergnügungsindustrie verordnet es unablässig. Lachen in ihr wird zum Instrument des Betrugs am Glück". 72b   Die Fragen nach dem Genießen sollen heute,  die der Identität gleich, gemäß den Naivreflexiven als Endlosschleife im Kopf ablaufen. Sie halten das Individuum in einem doppelten double-bind gefangen, womöglich bis es an ihnen zerbricht. Zum einen weil sie ihm suggerieren, dass eine "Identität", eine "identitäre Existenz", die, wenn überhaupt, nur für die 68er Generation in Teilen möglich, auch für nachfolgende Generationen erreichbar und deshalb ein großes Genießen möglich wäre, zum anderen  weil die gesellschaftlichen Verwirklichungsmöglichkeiten einer rein hypostasierten "Identität", die nur als naivmoderne Illusion existiert, mittlerweile  gegen Null, Null tendieren.

[Tatsächlich war eine Multioptionsgesellschaft mit propagierter DIY-Strategie in der Breite nur für die 68er Generation möglich. Keine Generation, weder vorher noch nachher, hatte deratig viele Selbstverwirklichungs- und Jouissance-chancen. Die 68er konnten ihre "Identitäten", Jouissancen und Optionen in einem niemals zuvor und danach gekannten Ausmaß wählen und gestalten. Für sie war es sogar möglich mehrere Leben respektive Lebensprojekte in einem als Protestler/in, Rebell/in, Hippie, Öko/Kommunard/in, Feministin, Terrorexperte, Jouissance-connaisseur, Lehrer/in, Professor/in, Dozent/in, Unternehmer/in, Manager/in   Forscher/in, Redakteur/in, Politiker/in, Institutionsleiter/in ua. zu führen. Dabei krempelten sie in den 70ern nicht nur den Bildungsbereich ästhetisch, stilistisch wie inhaltlich kräftig um.

 (Das Beste am (metropolitanen), gymnasialen 68er Lehrer/innen Typ  waren ihre mehrheitlich skurrilen, schrägen, wunderlichen Hippie/Hipster/Klamotten. Ein großer Teil (eher ) bestand aus den provokanten Anti-Stylisten, der Drop out/ Pseudopenner very used Jeansfraktion (bevor der Begriff hardcore Vintage überhaupt existierte). Latzhosen in allen un/möglichen Varianten. Manche  muteten auch diese Alptraum Cordhosen mit ziemlich breiten Rillen zu. Ihr Motto stimmte mit dem des ehemaligen amerikanisch-irischen Psychologieprofessors (Harvard), LSD- und Meta-Mind-Transformationsforschers Timothy Leary überein: „Turn on, tune in, drop out." Der andere Teil (eher narzisstisch♀) trug ua. Pyjamas, Kimonos, Africans, Bademäntel, teils wirklich abgefahrene Eigenkreationen, die einige als verhinderte Chefcouturiers a la Alexander McQueen outeten. Es gab auch diejenigen, die sich nicht eindeutig für Pyjamas oder Bademäntel  entscheiden konnten, aber nicht hinter ihren 68er Lehrerkolleg/innen zurückstecken wollten. Sie erschienen dann in Pseudopyjamas oder Pseudobademänteln, alles noch verwirrender und erratischer gestaltend. Der ganze Zauber lenkte einen als Schüler/in ab, inspirierte aber auch. Man fragte sich insgeheim, OMG, ist die Welt wirklich so wie die ? Die Auftritte boten  andererseits Stoff für Jahrzehnte anhaltende Nachschuldiskussionen. So konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden, ob einige Outfits tatsächlich Pyjamas, billige Schlafanzüge, Bademäntel, raffinierte Eigenkreationen oder doch nur die Pseudovarianten waren. Es ist aber sofort inoffizielle Diskussion ganzer Schulklassen, in denen fast jede/r darauf fixiert ist herauszufinden, was das jetzt sein soll, oder ob die "Lehrkraft" einfach keine Zeit mehr hatte  sich rechtzeitig umzuziehen ? Einige vorwitzige Schüler/innen wurden einige Tage später in ähnlich eigenwilligen Kreationen gesichtet, darauf diskutierten die Schüler/innen der gesamten Schule ewig, ob die nachgeahmten Kreationen, Bademäntel, Pyjamas, Joggingoutfits, Schlafanzüge jetzt noch besonders originell wären, oder doch nur billige, uninspirierte Imitationen.  Es löste eine nachhaltige Irritation des eigenen Selbstverständnisses aus,  wenn die eigene, ziemlich avancierte jugendliche Rebellion und kreative Verrücktheit praktisch von der des 68er Lehrpersonals, (das keines sein wollte), permanent überboten wurde.  Man war meist damit beschäftigt ihre Bizarrerien  irgendwie geistig zu verarbeiten, was damals nicht befriedigend gelang und teils lebenslänglich durch Flashbacks psychisch nachwirkte. Fast hätte man vergessen, dass es ihnen zumindest Anfangs mehrheitlich um eine andere Gesellschaft ging. Boltanski (Der neue Geist des Kapitalismus /2006) würde ihren Auftritt und Habitus als eine Form der "Künstlerkritik" an überkommenen traditionellen Verhältnissen interpretieren, was aber nur auf die 70er Jahre zutraf. Der späte Foucault allerdings hätte die 68er Performance in Blick auf die nachfolgenden, unterrichteten Generationen Boomer & XY(Z) als eine Form des Disempowerments, der Entmutigung ihres Widerstandes gegen die 68er Lehrergeneration gedeutet. Eine Art 68er Verwirrspiel, das ua. verschleiern sollte, dass die 68er auf dem Weg waren das Establishment zu bilden, alle privilegierten Stellen besetzten und eine sie schützende, undurchschaubare, opake Macht ausübten. Die krasse Opazität lag in der Verwirrung, die sie  hervorriefen, indem sie sich seit 1968 bis ins hohe Alter, in absoluter narzisstischer Verblendung, weiter als Rebellen inszenierten. Obwohl sie spätestens seit Anfang der 80er de facto alle privilegierten Stellen besetzten und das Establishment stellten. Was die nachfolgenden Generationen als krasse Abstiegsgesellschaft oder frei nach Sartre als für sie ziemlich geschlossene Privilegien/Gesellschaft am eigenen Leib erfuhren. 
 Die 68er Outfits in Kombination mit der Chill-Performance  gaben dem vermittelten Wissen einen heiteren Unernst, zudem die Aura des Surrealen, Unwirklichen und Psychodelischen. Sie wichen aber Mitte der 80er dem üblichen UMC Markeneinerlei. Daran konnte man auch die innere Wandlung der 68er ablesen, die zu den Normalos wurden, die sie lange verachteten und nie sein wollten).
 Die Sozialwissenschaftler/innen unter den 68ern verwechselten ihre extrem privilegierte und historisch einmalige Situation, indem sie  die Multioptionsgesellschaft  auch für ihre Student/innen der Nachfolgegenerationen Boomer & XYZ unterstellten. Aber diese Prämisse war nur der Ausdruck ihrer Blindheit gegenüber den nachfolgenden Generationen und ihren Bedürfnissen. In keiner anderen Generation als der 68er galt letztlich die nach-uns-die-Sintflut-Einstellung.  Sonst hätten sie schon als Professor/innen erkennen können, dass ihre These der postmodernen Multioptionsgesellschaft  faul sein muss. Denn als 68er Professor/innen verunmöglichten sie die meisten Forschungsprojekte und Karrierewege der folgenden Generationen. Da sie deren Anträge, Projekte, Stipendien nicht förderten, bannten oder für nicht finanzierbar hielten. Diese Realität blendeten sie jedoch für sich aus. 
Die Einzigen allerdings, die sie als 68er Lehrer/innen und Professor/innen noch förderten, waren ihre eigenen Kinder (Nepo Babies). Ein weiteres Indiz für ihre komplette Verbürgerlichung. Die bourgeoise Protektion ging soweit, dass sie die Hausarbeiten, Diplomarbeiten, Dissertationen und  Habils ihrer Kinder supervidierten. Dh. in der Mehrheit der Fälle wurde nicht nur Formulierungshilfe gegeben, sondern ca. die Hälfte der Arbeiten großteils selbst formuliert. Oder  unverwirklichte Dissertationsprojekte als Lehrer/innen nun ihren Kindern angedreht. Sie waren praktisch die Ghostwriter ihrer Kinder und niemand wird es ihnen jemals nachweisen können. Ce la vie ! Eine weiteres Setting, dass die arrivierten 68er mit ihren Kindern übten, war Prüfungssituationen zu simulieren, zu antizipieren respektive nach bzw- vorzustellen.  Niemand war so gut auf mündliche Prüfungen vorbereitet wie ihre Kinder. Deshalb ist nicht verwunderlich, dass die Kinder aus dieser 68er Berufskohorte nun die überwiegende Mehrheit der aktuellen  Lehrer/innen  oder  Professorinnen stellt. 
Als ziemlich befremdlich stellt  sich dar, dass die späten, konvertierten, reflexivmodernen Ex-68 nun  alle Kritischen Theorie Forschungsansätze der nachfolgenden Generationen genauso konsequent aussortierten/blockierten/ablehnten, wie sie ihre eigenen in den 60/70er Jahren förderten. Vermutlich mussten sie sich als Ex-68er solchermaßen selbst beweisen (oder gar dem System/Establishment), dass ihre Konversion absolut wasserdicht funktionierte, mit gravierenden Konsequenzen für die Gesellschaft.] 

Die zu Reflexiv/naiv/modernen mutierten Ex-68er fragten aus einer distanzierten Beobachterperspektive alle anderen wieder nach ihrer "Identität", ohne dass   sie daraus Konsequenzen zogen und rieten ihnen ihr Leben zu genießen.
 Was die Naivmodernen als identitäre Individualisierungsstrategie wähnen, respektive als Identität im Individuum zu installieren versuchen, entpuppte sich, gekoppelt an den Jouissanceterreur, als Versuch eines krassen, postmodernen, gouvernementalen, ökonomischen people processing. Obwohl sie vom späten Adorno eindringlich gewarnt wurden Identitätsforschungen zu betreiben, stiegen sie 20 Jahre später mit Becks Risikogesellschaft massiv in das Identitätsforschungsgeschäft ein.  Adornos Negative Dialektik(1966) brachte gegen die Ideologie der Identität bzw. des Identitätsdenkens das Nichtidentische in Anschlag. Es würde die Individuen viel kreativer und handlungsfähiger gegen die herrschenden wie zukünftigen Identitätszwänge agieren lassen, die die Ex-68er nun selbst neu auflegten.
 Um  die Reichweite und illusionäre Dynamik des mittlerweile    postmodernen Identitäts- Jouissance- Power Processing   genauer zu beobachten, bedarf es einer Neuen Kritischen Theorie verbunden mit neuen Gouvernementalitätstudien. Waren schon beim Bedürfnis und der Identität vermeintliche Menschlichkeit  und Repressionsdynamik kaum mehr vernünftig zu differenzieren, so bei der Jouissance überhaupt nicht mehr. Ihre Morphologie, Physiognomie und Verschlungenheit  scheint eventuell genauer erst zur Hälfte oder gar Ende des 21. Jahrhundert auf.
 Es handelt sich um neue gesellschaftliche, anthropomorphe Hybride/Dispositive, die zu entschlüsseln, nicht nur ob ihrer Vernetztheit, Flexibiliät, Plastizität und Liquidität, sich als ziemlich komplex präsentieren dürfte. Deren vollständige Entschlüsselung vermutlich auch nicht möglich ist. Dennoch müssten  die reflexivmodernen und Leadersphip Curricula als Protagonisten dieser Phänomene beobachtet werden, als Vorboten von neuen Formen des People Broking. Das Menschen wie Aktien hinsichtlich ihrer Potentiale beurteilt, analysiert ob sie genußfähig, konsumorientiert, multipel intelligent, sozial kompetent, leistungs-, lernfähig, kreativ, produktiv, stabil, gesund sind. Wonach sich ihr Kurswert richtet, aufaddiert werden Diplome. Es wird  durch Big Data deren Kursdynamik ermittelt , dh. gefragt  wird nach ihrer Verwertbarkeit oder ob sie dem Staat nur Geld kosten. (Evtl. wird man Wetten auf ihre Entwicklung abschließen können.) Den Stock Brokern und ihren Big Data Minern/Analysten/Verwertern gleich, könnten sich Studiengänge entwickeln, die ein neues transhumanes Big Data People Broking anbieten. People Broker könnte ähnlich selbstverständlich wie Stock Broker oder Data Miner werden.
Die arrivierten 68er propagierten zudem, ob des verlöschenden Eros, den ihre "sexuelle Revolution" vorbewusst auslöste, ab 1986  einen universellen Jouissanceterreur: Du musst dein Leben genießen können ! Gerade weil es immer unmöglicher wurde.
Vor dem Hintergrundrauschen einer omnipotent/ omnipräsent hybriden Kulturindustrie führten spätere Psychoanalytiker besonders Lacan und Zizek (Liebe dein Symptom wie dich selbst) aus, dass sich das Trieb/Schicksal der Postmodernen zwischen dem unbefriedigten Begehrensexzess, den Metastasen des Desir, (des Jouir), der Gefühlskälte und der dosierten Jouissance abspielt. Befriedigendes Genießen und Genießenkönnen wird zu etwas unheimlich Kompliziertem respektive Unmöglichem. Daraus resultierende Symptome erfahren eine skurrile Dynamik, die Zizek erläuterte indem er das Symptom raffiniert riskant umdeutet. Da  hinreichend befriedigendes Genießen (des GV) kaum mehr möglich, Lacan spricht von der Agonie des Eros,  wird das Symptom zu etwas das insgeheim mehr Lust als Pein verspricht. Die Kunst des therapeutischen Erfolgs besteht nun darin, dass die Klient/innen  nicht mehr hilflos dem exzessiven, selbstdestruktiven Genuß ihres Symptoms verfallen, sondern ihn dosiert steuern können.
Diese oft hilflose Sucht/Therapeutik findet in einer Postmoderne statt, in der auch Selbsthilfegruppen stark reüssierten.
 Die meisten an Selbsthilfe orientierten Gruppen praktizieren einen persönlichen, individuell-kurativen,  prophylaktischen Ansatz. Sobald sie jedoch dazu übergehen ihren Mitgliedern eindimensional die Frage nach ihrer Identität zu stellen, mutieren sie heute schon zu Agenten eines toughen People Broking, gekoppelt an  eine hardcore Gouvernementalität. Was für sie durchaus gesundheitsgefährdend sein kann.
 Die reflexivmoderne Frage nach der Identität  impliziert, dass komplett übergriffig  ein angeblich absolutes Wissen über eine Psyche produziert werden könnte. Dass ein Subjekt vermittels der "reflexiven Erforschung" "seiner Patchwork/Identität" komplett transparent zu durchschauen oder zu definieren wäre. Diese Orwellsche Vision, die auf einer Allmachtsphantasie basiert, wird jedoch der dynamischen, nicht positivistisch erforschbaren, psychoanalytischen Komplexität, der unmöglichen vollständigen Operationalisierbarkeit, als auch der Immaterialität wie der  Unfassbarkeit der Psyche  überhaupt nicht gerecht. Sie zwingt ihr etwas auf, das ihre Immaterialität, Plastizität, Geschmeidigkeit, Sensibilität, ihr Unbewusstes und unberechenbare (traumatische) Wandelbarkeit verdrängt.  Die Frage nach Identität basiert auf einem ziemlich antiquierten protestantischen Verständnis der Psyche. Die Psyche vollbringt jedoch permanent krasse, nicht positivistisch erforschbare, unberechenbare  Transformationen: Von Bewusstem ins Unbewusste, von Individuellem ins Soziale, von der Psyche auf die Ökologie und die Genetik und vice versa, die Reihe ist fortsetzbar... . Die Frage nach ihrer Identität jedoch beschränkt zudem die Fähigkeit  massiv soziale Beziehungen, Interaktionen, Begegnungen einzugehen oder zu erfahren. Ganz zu schweigen  von der Möglichkeit in Kollektiven zu leben.
Der postmoderne Protestantismus flüsterte seinen reflexiv/naiv/modernen Vertretern ein, dass sie sich die obszöne Jouissance als auch Neugier erlauben könnten, die Menschen nach ihrer unmöglichen "Identität" zu befragen. Aber haben sie damit nicht ihrerseits die Rechnung ohne ihr Unbewusstes gemacht, in dem sich sozialisationsbedingt ein alttestamentarischer Gott verbarg, der sie zur Rechenschaft ziehen würde ?
Das Skandalöse besteht vor allem darin, dass Sozialwissenschaftler die aus absolut gesicherten, privilegiertesten 68er Professor Lebenszeitstellen oder Assistenten mit guten Pensionen, Personen befrag(t)en, deren Lebenswelt sich in der liquid modernity vor allem durch eine forcierte Unsicherheit, wie materiellen als auch universellen Ungleichheit auszeichnet. Die Befragten müssen permanent in Verunsicherungen und Deklassierungen leben, die ihnen die Frage nach einer Identität per se als absurd erscheinen lassen muss. Wenn sie nicht sofort aufgrund ihrer Lebensverhältnisse diese schräge Frage zurückweisen, zwingen die Reflexivmodernen sie  praktisch über einen krassen Fakepopanz nachzudenken, was sie weiter verunsichert. Denn ihre Lebensrealität/Lebenswelt hat/te im Gegensatz zu der der arrivierten Akademiker-68er nicht  im Entferntesten  etwas damit zu tun, was sie über eine "Identität", die es sowieso nicht gibt, reflektieren lassen könnte. Hier potenzier(t)en sich die dreisten Unmöglichkeiten.
 Obwohl Keupp 2013 im vermeintlich besten protestantischen Sinne aufrief  "heraus aus der Ohnmachtsfalle" zukommen, entwickelten er und seine Helfer vermittels seiner reflexiven Sozialpsychologie und Identitätsforschung die gouvernementalen Instrumente, die uns als kollektiv politische Subjekte ohnmächtig machten. Die Inhalte  von Selbsthilfegruppe wären um eine kollektive Politisierung und Sozialpolitik zu ersetzen. Nicht nur als gesundheitspolitische Alternative sondern weil sie den Blick auf den Horizont und die Möglichkeit einer umfassenden gesellschaftlichen Kommunität, die in letzter Zeit Zizek, Badiou und noch ein paar andere französische Philosophen fordern, freigeben.



Das SPK/die Patientenfront versus reflexivmoderne Public/ Mental/ Health Gemeindepsychologie
                                                                                                                  scrivere per maneggiare il panico


Wie eine gesundheitspolitisch Perspektive sich gestaltet, der ihre utopischen kollektiven Energien nicht abhanden kamen.  Aus diesem Quell schöpften, dem das Kollektiv, die Kommune, (Kampf-) Mittel und Selbstzweck, hätten die Reflexivmodernen nicht nur an der Pariser Kommune72c,  oder dem Monte Verita sondern vor allem am Sozialistischen Patienten Kollektiv studieren können. Als das deprimierendste blitzt auf, dass Keupp einst ein profunder Kenner und Beobachter dessen Geschichte und Theorie war. In seinem 1978 erschienen Suhrkampband „die gesellschaftliche Organisierung psychischen Leidens73, in der er die Gemeindepsychologie als Widerstandsanalyse des professionellen Selbstverständnisses entwarf, geht er noch ziemlich kritisch mit den professionellen Anbietern psychotherapeutischer Dienstleistungen respektive psychosozialer Dienste um. Sie stülpen ihre eigene Problemdefinition der des Klienten über, werden damit den prekarisierten Klienten nicht gerecht, wenn überhaupt erreicht. Bevor ein Klient eine psychososoziale Beratungsstelle aufsuche greifen institutionsspezifische Filter, die nur eine Minderheit kompatibel erscheinen lässt. Nämlich die die ihr Problem schon schichtspezifisch, psychosozial bzw. psychologisch bearbeitbar präsentierten und dabei handelt es sich meist um  Mittelschichtklientel. In seiner frühen Vision von Gemeindepsychologie  ging es viel um die Bedürfnisse der “Unterschicht” und „wie man an sie herankommt.”
 Nicht einmal die in der Gemeindepsychologie angelegte Assoziation von dem Hirten und seinen Schafen wollte er gelten lassen, obwohl es darauf hinauslief. Er verwahrt sich gegen eine Reformrhetorik, um zu den überaus harmonistischen reformorientierten Ausblick zu kommen, dass die isolierten Tätigkeiten der psychosozialen Träger sich kommunikativ, interaktiv zusammenführen, vernetzten sollten. Es seien ihm ausdrücklich noch einmal seine eigenen letzten Kapitel empfohlen, die vor dem Technizismus einer disziplinären Profilierung warnen, einem deduktiven Modell des Verhältnisses von Wissenschaft und Praxis, vor einem Professionalismus, der sich an Disziplin und Standesgrenzen hält. Er nimmt sogar die professionelle universitäre Sozialisation aus früher gemeindepsychologischer Sicht ins Visier an der er kritisiert, dass „Studenten dann positiv unterstützt werden und von ihren Instituten akzeptiert ihr Studium absolvieren können, wenn sie eine hohe Anpassungsleistung an die Standards der akademischen Kultur erbringen.”74 
 „...die Spielregeln des universitären Milieus bestimmen das spätere professionelle Selbstverständnis in hohem Maße und bilden ein verdecktes Curriculum, das zu den expliziten Ausbildungsinhalten hinzukommt oder diese modifiziert.” Dagegen forderte er tatsächlich in kursiver Schrift „ein Gegenmilieu mit der Möglichkeit zur Entwicklung alternativer Spielregeln ist notwendig.75 Eigentlich ziemlich interessant,  um dem Mainstream entgegenzusteuern. Nur war es ausgerechnet diese 68 er Generation, die realiter 15 Jahre später den Bolognaprozess wie die Modularisierung des Studiums initiierte als auch komplett positivistischen Mainstream beförderte. Noch in dem 2023 veröffentlichten  Handbuch Gemeindepsychologie (dgvt-Verlag) herrscht unter den Autoren Konsens, allen voran Keupp, dass die Gemeindepsychologie aus dem Widerstand geboren sei. Die 70er Jahre der GP waren, verglichen mit heute, tatsächlich noch relativ aufklärerisch. Es wird allerdings die Meinung zum Besten gegeben, dass die Gemeindepsychologie weiter eine Alternative zur Mainstream Psychologie biete. Mit diesem Aberglauben lügen sich die Autor/innen schon seit Anbeginn nicht nur selbst in die Tasche sondern auch ihrem Klientel. Denn gerade die Konzepte der Salutogenese, des Sense of coherence, der Identität, der Resilienz und der Ressourcenorientierung  stammen aus ausgesprochenen positivistischen, medizinsoziologischen, statistischen neobehavioristischen und kognitiv verhaltenstherapeutischen Forschungen. Diese positivistischen Konzepte zeichnet vor allem ein "deduktives Modell des Verhältnisses von Wissenschaft und Praxis" aus. Antonovsky, auf den sie sich auch noch 2023 berufen, war Medizinsoziologe. Seine Untersuchungen stammen zum Teil aus den 60er Jahren des 20 Jhs. (Unraveling the mystery of health) und wurden erst Ende der 80er Jahre auf Deutsch veröffentlicht. Keine Mainstream-Wissenschaft kann es sich leisten auf Konzepte und Forschungen zu berufen, die mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegen, außer anscheinend die Gemeindepsychologie. Zudem wurden einige dieser Studien an Shoa-Survivers erhoben, was das Ganze noch perfider erscheinen lässt. Adorno war schon Ende der 60er Jahre suspekt, dass noch zu seinen Lebzeiten neobehavioristische Studien a la Antonovsky (und später Cyrulnik, Rette dich, das Leben ruft !) veröffentlicht werden. Sie suggerieren aufgrund ihres positivistischen Forschungsdesigns, dass es letztlich an der mangelnden Capability/Kompetenz/Intelligenz/Smartness der Opfer, also irgendwie in ihrer Verantwortung  gelegen hätte, ob sie der Vernichtungsmaschinerie des Dritten Reichs entkamen. Denn wer a la Antonovsky ua. seinen Forschungsfokus auf behavioristische Copingstrategien ausrichtet, beurteilt letztlich, wie gut respektive schlecht die Shoa-Überlebenden mit ihren Megatraumatisierungen umgingen. Nicht danach gefragt wird, ob  die erlittenen Megatraumatisierungen durch Folter und unvorstellbare Grausamkeit überhaupt "verarbeitbar" sind. Obwohl die Suizidrate von Shoa-Survivern ca 50 % höher lag als im Durchschnitt der Bevölkerung. Der in jeglicher Hinsicht seltsam krampfhafte Positivismus dieser salutogenetischen Forschungen birgt eine unheimliche Problematik, die schon Adorno thematisierte:
„Das Gefühl, das nach Auschwitz gegen jegliche Behauptung von Positivität des Daseins als Salbadern, Unrecht an den Opfern sich sträubt, dagegen, daß aus ihrem Schicksal ein sei’s noch so ausgelaugter Sinn gepreßt wird, hat sein objektives Moment nach Ereignissen, welche die Konstruktion eines Sinnes(...), zum Hohn verurteilen. Solche Konstruktion bejahte die absolute Negativität und verhülfe ihr ideologisch zu einem Fortleben, das real ohnehin im Prinzip der bestehenden Gesellschaft bis zu ihrer Selbstzerstörung liegt.“76a.
Die Salutogenese  muss darüber hinaus definitiv im Kontext, dh. in der Kultur in der sie appliziert wird, betrachtet werden. Antonovsky weist eine starke Positivismus und Soc- Orientierung auf. Für  Adorno ist jedoch eine krasse positivistische Soc- und Identitätsfixierung  wie sie in letzter Zeit die Gemeindepsychologie der Reflexive Modernisierung  in Deutschland praktizierte, unheimlich problematisch. Um es im Jargon der Gemeindepsychologie zu formulieren, wäre die "Mental Health" in Deutschland nach Adorno stark gefährdet, wenn man die behavioristischen, salutogenetischen Identitäts- und Soc Konzepte hierzulande tatsächlich breitenwirksam  anwenden würde. Aus seiner Perspektive  würden sie ziemlich wahrscheinlich zu einer Rechtsradikalisierung beitragen.
Noch eindeutiger geht Adornos Haltung zu diesen positivistischen Forschungen in einem Interview des Spiegels hervor. Der Interviewer zitierte Habermas, der mal wieder ziemlich ahnungslos schwadronierte, dass sich "Adornos Dialektik an den schwärzesten Stellen der Resignation, dem destruktiven Sog des Todestriebes überlassen" hätte. Dies ist eine  falsche, ungeheuerliche und auch ziemlich unverschämte Aussage, da sie wider besseres Wissen zustande kam.  Habermas traf sie während der 68er Studentenrevolte. Es ist fraglich, falls Adorno früher gewusst hätte, wie Habermas seine Dialektik und letztlich Werk später einschätzen würde, ob er ihn überhaupt als Assistent eingestellt hätte.  Adorno  erwiderte nur: "Ich würde eher sagen, daß der krampfhafte Hang zum Positiven aus dem Todestrieb kommt." 76b

 (Zudem mutet es ziemlich antiquiert an einen über 1000 Seiten Wälzer (Handbuch GP) heutzutage zu veröffentlichen, ohne ihn in Bände aufzuteilen. Hier zeigt sich nicht nur eine Ideenlosigkeit, sondern sie haben auch nicht berücksichtigt, dass dieses Trumm einen nicht aus der Hand fallen sollte, um ernsthafte gesundheitliche Schäden für die Leser/innen zu vermeiden. Ganz zu schweigen davon, falls es jemand (im Streit) auf den Kopf fallen oder fliegen sollte.)
 Die Autor/innen scheinen sich allesamt als Rebell/innen zu verstehen, dieses Selbstmissverständnis hat aber mit der Realität nichts zu tun. Denn schon der Preis des Handbuches GP, der nur knapp unter 100 Euro liegt, weist darauf hin,  dass es sich um eine bourgeoise Veranstaltung handelt. Bei der Vertreter/innen der bourgeoisen UMC ihre Vorstellungen zum Besten geben, wie mit Prekariat, Unterschicht und Migrant/innen zu verfahren sei. Vor allem müssten die Autor/innen sich selbstreflexiv eingestehen können, dass die Gemeindepsychologie  nur eine Variante einer krassen protestantischen, akademischen UMC Veranstaltung darstellt, wie sie ua. die Persönlichkeitspsychologie oder der Behaviorismus verkörpern, um nicht permanent UMC Ideologie von sich zu geben. Übrigens hatte auch der Behaviorismus das Ethos dem Wohle der Menschheit zu dienen. Entscheidend ist aber die Blindheit der Autor/innen dem Behaviorismus gegenüber, auf den sie, wenn überhaupt, nur verschämt rekurrieren, ohne dem aber zentrale Forschungen der Gemeindepsychologie nicht zu denken sind. Denn letztlich applizieren sie  blind ihre Konzepte genauso manipulativ und direktiv auf ihre Klient/innen. Auch müsste sie stutzig machen, dass die gemeindepsychologischen Bücher fasst ausschließlich im dgvt-Verlag erscheinen.
Es mutet äußerst seltsam an, dass die Autor/innen, die mit Keupp über Antonovsky publizieren, sehr wahrscheinlich nur die deutschen Veröffentlichungen, wenn überhaupt, ziemlich oberflächlich lasen. Vermutlich auch nur das, was ihre Blase über Antonovsky referiert. Ich rate ihnen dringendst nicht nur die englischen  Bücher von ihm, sondern vor allem auch die englischsprachigen Veröffentlichungen, die zugegeben nur in britischen und amerikanischen sozialpsychologischen und behavioristischen Journalen aus den Jahren 1970-2000 veröffentlicht wurden, zu rezipieren Dort treten nämlich die Konsequenzen einer radikalen behavioristischen gesellschaftlichen Gesundheits- und Präventionsorientierung a la Antonovsky viel deutlicher zu Tage. Es handelt sich um eine permanente Lebens- und Gesundheitskontrolle, die man heute mit ständigen digitalen Watches/Uhren ausführen müsste. Letztlich war Antonovsky der Vorreiter einer transhumanen Gesundheitsbewegung, deren Adepten sich heute Chips einpflanzen um permanent, die beste neurophysiologische, hämatologische und kardiologische Überwachung zu gewährleisten. Die Transhumanen sind heute der Meinung, dass sie dadurch die Lebensspanne auf  20-30 Jahre über den Durchschnitt heben können. Realiter ist diese Gesundheitstechnologie jedoch ziemlich teuer und anspruchsvoll und wird, wie die meisten intensivmedizinischen Behandlungen, nur von einer kleinen bourgeoisen UMC genutzt werden können.
Viele Jünger/innen der Gemeindepsychologie beginnen schon allein bei dem Ausspruch Gemeinde weiche Knie zu bekommen. Diese Faszination ist aber für Unbeteiligte überhaupt nicht nachvollziehbar. Sie kann letztlich  nur von Zöglingen aus protestantischen Pfarrhäusern verstanden und zelebriert werden. Denn nirgendwo ist Gemeinde derart mit einer Heilserwartung, die aus der Parusie stammt, verwoben.
Dass die Gemeindepsychologie jedoch nur eine toughe protestantische Upper Middle Class Version der Mainstreampsychologie darstellt, habe ich am eigenen Leib erfahren.
 Mir bleibt bis heute lebhaft in Erinnerung, als ich an meine Promotion anschließend einen NKT-Entwurf entwickelte, der viel mehr mit den Intentionen plus der Neujustierung der Theorien Horkheimer/ Adornos arbeitet als Beck, auf welche Befangenheit, Unmut und Verkrampfung ich bei Keupp stieß. Obwohl ich zu optimistisch davon ausging, dass sie als Ex-68er die Materie eigentlich befürworten müssten, zumal Beck selbst versuchte eine vermeintliche NKT zu entwickeln. Pustekuchen. Keupp setzte einiges daran (von seinen üppigen Geldern) keine Stelle für ein definitiv kritisches NKT-Projekt abzuzwacken, obwohl es bei einigem guten Willen sicher möglich gewesen wäre. Schon während meiner Promotion (Sog) zeichnete sich in seinem Gesicht Entsetzen und sogar Panik ab, als er einsehen musste, dass ich einen kritischen Theorie- und Kritikstil praktizierte. Zuerst war ich irritiert, denn er mimte oft selbst eine Form von vermeintlicher Reflexivität. Ich verstand seine tief sitzende Abwehr zuerst gar nicht. Bis mir klar wurde, dass er sich durch die Wiederkehr der verdrängten kritischen Kritik durch einen Promovenden, komplett mit seiner reflexiven Modernisierung in Frage gestellt sah. Ohne diese tief sitzende Abwehr wäre mein Urteil über ihn milder ausgefallen
  Bei mir löste seine Abwehr auch Entsetzten aus, denn sie zeigte, wie weit nicht nur die persönliche Befangenheit der Ex-68 ging, sondern auch wie tough sie von  verwaltungstechnischen, pseudowissenschaftlichen Zwängen bestimmt, die  keine kritische Kritik mehr zuließen. Alles Topoi, die sie als frühe 68er bei "ihren Ordinarien" selbst klar sahen, vehement  thematisierten, als auch dagegen Sturm liefen.
Genuine Aufgabe der Universität wäre, Aufklärung zu fördern, die gegen den aufkeimenden Nationalismus Stellung bezieht. Seine autoritären, selbstdestruktiven Tendenzen fokussiert, beleuchtet wie er die enttäuschten, marginalisierten Subjekte in seinem Bann schlägt und ihre Leidenschaften affiziert. All dies verhinderten aber 2002 Ex-68er und zeigte ihre mittlerweile eigene Verstrickung an. Gerade als Außenstehender, Betroffener sieht man diese Situation besonders klar und ist umso mehr schockiert, ob ihrer krassen Unabwendbarkeit. Bei Leibe kein Einzelfall, er zeigt schlaglichtartig die letztlich für sie selbst ruinöse Wissensblockade 75a der deutschen Universität. Forschende könnten ziemlich austicken, wenn sie beobachten wie viel Gelder für positivistische Forschung, bei der eigentlich schon im Voraus klar, was hinten rauskommt, bereitgestellt werden. Oft können gar nicht so viele positivistische Forschungsanträge gestellt werden, wie Gelder vorhanden. Dazu bedarf es noch der üblich verdächtigen "renommierten" Gutachter respektive Antragsteller und schon ist der Kuchen gebacken. Man/Frau sollte allerdings nicht auf unbekannte Gutachter setzen, um sein/ihr Projekt nicht zu gefährden. Zudem sollten nicht allzu kritische Fragen gestellt werden. Die deutsche Universität kann, getrieben durch ihre positivistischen Exzellenzinitiativen, kaum mehr antithetische, kritische Forschungen oder Theorien zulassen. Genau davon lebt/e aber die Evolution der Wissenschaften ganz besonders. These und Antithese, die sich seit der antiken griechischen Philosophie, radikalisiert durch Hegel, gegenseitig dialektisch antreiben, definierte den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt bis ins 20 Jahrhundert, von Horkheimer/ Adorno einen dynamisierten zeitgenössischen "Megaupload" erfahrend. Wenn die zuständigen Wissenschaftsgremien meinen, heute nur mehr den Positivismus fördern zu können, dann schalten sie die Erkenntnisdynamik der Wissensevolution generell ab. Die deutschen Unis krebsen ob des Verlusts an dialektischem Denken, den ausgerechnet arrivierte 68er  vollstreckten, schon länger im internationalen Vergleich im hinteren Mittelfeld.76. Durch die krasse Exklusion der Negation, der kritischen Kritik, setzen sie alles dran sich selbst möglichst weit abzuhängen, chapeau, chapeau. Exzellent ist nur mehr die Beschneidung, die Kastration von kreativen Denkansätzen.
So bot Keupp alle Selektionsmechanismen des akademischen Milieus auf, die er 25 Jahre zuvor kritisierte.
2002 wurden noch einmal Reflexive Modernisierungs- und Identitätsforschungsprojekte gepusht. Projekte vor denen er 1978 mit dem „möglichen politischen Selbstmissverständnis der Gemeindepsychologie” warnte. Identitätsforschung schien er damals noch wie der Teufel das Weihwasser zu fürchten. Er selbst zitierte in dieser Hinsicht Foucault: „Szasz zeigt, dass sich in den Überwachungen, Vernehmungen und Verfügungen der Inquisition ein bestimmter Machttypus durchsetzte, der auch heute nach einigen Transformationen uns verhört, unsere Wünsche und Träume befragt, um unsere Nächte besorgt ist, Geheimnissen nachjagt, Grenzlinien zieht, die Anomalien kennzeichnet, Reinigungen vornimmt und Ordnungsfunktionen wahrnimmt.”77
 Am absurdesten präsentiert sich, dass er  in dem schon enorm widersprüchlichen  Zugänge zum Subjekt78 (1993, Suhrkamp) ua. vermeintlich für eine „Wiedergewinnung von kritischer Reflexivität“ eintritt, sich nicht scheut Adorno zu zitieren, indem er scheinbar „für eine Dekonstruktion von Identitätskonstruktionen“ plädiert, um nebenbei in anderen Publikationen seit 1988 respektive (1999-2008) in „Identitätskonstruktionen79, das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne“, genau das Gegenteil zu betreiben. Wer soll das noch ernst nehmen ???? Das argumentative Chaos in diesen Texten ist durch die Problematik verursacht, dass sich neoliberale, protestantische "Identitätspsychologie" nicht mit einer kritischen Reflexivität und schon gar nicht mit einer kritischen Kritik vereinbaren lässt. Abgesehen davon, dass der Titel Patchwork der Identitäten den reinsten Euphemismus transportiert. Denn wenn man die Logik der "Identität/en" genau fokussiert und durchdenkt, dispatchen (abfertigen, absenden, Raketen ins All schießen) und atomisieren sie sich aufgrund ihrer extremen Selbstbezogenheit vielmehr, als das sie patchworken. Viel realitätsgerechter müsste der Titel das Dispatchwork der Identitäten in der Postmoderne heißen, dies wäre zudem ein angemessenes kritisches Forschungsprogramm für die Postpostmodernen.
 Keupp listete 1978 die Gefahren des therapeutischen Staats auf, die in einer Präventionsorientierung der Gemeindepsychologie liegen. Nur um von 2004-2023  eine krasse Form von Gesundheitspsychologie zu betreiben, die nur positivistisch präventionsorientiert funktioniert. Die wissenschaftliche Präventionsorientierung sitzt selbst einer Art  technizistischem Fortschritts-/Machbarkeitsglauben auf, vor dessen ihm inhärenten Wende in die technizistische Allmachtsphantasie er damals explizit warnte.
Heute lässt sich definitiv feststellen: Die größten Kritiker der Elche waren nicht selber welche, sondern sind nach der Hälfte ihres Lebens erst zu jenen kapitalen herangewachsen, die sie zuvor kritisierten. Alles was er noch 1978 als sich verbreitende Psychologisierung, als Präventionsorientierung, als technizistische Allmachtsphantasie kritisierte, die den Leviathan in die eigenen Köpfe transformiert, pushte er forciert zum Milleniumswechsel selbst, mittels reflexiver Modernisierung, Individualisierungstheorie, prätentiöser Identitätsforschung, Empowerment, SOC-Medizinsoziologie, präventionsorientierter Gesundheitspsychologie, Public/Mental/Health. Zwangsläufig musste er an diesem Spagat intellektuell scheitern. So bringt er es schon (1978) in der Organisierung psychischen Leidens fertig, zwar den Arbeitskreis des damaligen Sozialistischen Büros zu empfehlen, (vermutlich weil dort überwiegend Protestanten verkehrten, die nur theoretisierten), zugleich weist er jedoch die für ihn "kurzschlüssige Politisierung" im SPK zurück, die ziemlich praxisorientiert war. Wenn er seine Bedürfnis- und Alltagsorientierung wirklich ernstgenommen hätte und vielleicht auch seinen späteren Empowermentansatz, den sie nur für das vereinzelte Individuum aber keinesfalls für ein Kollektiv gelten lassen, dann wäre er logischerweise bei der Konfliktgeschichte des SPKs gelandet. Denn was er heute unter Alltagsorientierung versteht, hieße im Sinne der gemeindepsychologischen Selbsthilfe die Atomisierten in vereinzelnden, isolierenden gesellschaftlichen Praxen aushalten zu lassen, obwohl sie sich den Weg aus diesen in das SPK  suchten. Von dem sie sich wünschten, dass es die oft psychotisch, neurotisch krankmachende (post/moderne) Isolierung gemeinschaftlich aufbricht um kollektiv kommunitär zu handeln. Davon grenzte er sich jedoch schon damals ab: “Wenn von der politischen Dimension einer gemeindepsychologischen Perspektive die Rede ist, dann ist damit kein politischer Kraftakt getrennt von der alltäglichen Praxis gemeint, auch nicht ein kurzschlüssige Politisierung der eigenen Tätigkeit im Sinne des SPK.”80
Aber die Frage bleibt, was heißt dann alltägliche Praxis oder Bedürfnisorientierung ? Denn die "Klienten", später dann Mitglieder des SPK haben genau darüber langwierige Diskussionen geführt, die zu ihrer vielmehr ziemlich langfristigen Politisierung führte. Selbst Keupps Text „Gemeindepsychologie als Widerstandsanalyse des professionellen Selbstverständnis” ist ohne die Konflikt- und Politisierungsgeschichte des SPK überhaupt nicht zu denken. Gerade die eigene kritische Bedürfnis- und Alltagsreflexion des SPK, führte sie zu der Erkenntnis, dass sie sich respektive ihre Krankheit nur verstehen und verarbeiten könnten, wenn sie sich selbst und der Gesellschaft in der sie leben, ein Bewusstsein ihrer selbst geben. Dh. ein Bewusstsein von der eigenen Gesellschaftlichkeit ihrer selbst als Mitglieder des SPK und später dann der Gesellschaft ein Bewusstsein ihrer Gesellschaftlichkeit, nicht nur an sich, sondern dezidiert für sich, bei möglichst vielen Gesellschaftsmitgliedern zu schaffen.
 Ein probater Weg sei die Reflexion der isolierenden gesellschaftlichen Praxen, die in ein revolutionäres Bewusstsein oder politisierten “Therapieansatz“ mündet, der durch die Eskalation des Konflikts mit der Uniklinikverwaltung zu einer Form von Gewissheit geriet. Ergänzend müssten sie die Krankheit als „Waffe” gegen die bestehende Gesellschaft einsetzen. Krankheit gilt es nicht zwanghaft wegzutherapieren, im Gegenteil man/frau soll „pro Krankheit” eingestellt, ihrer permanent eingedenk, als Spiegel, Gegengift und Erinnerungsarbeit gegen das gesellschaftliche individualatomisierende pathogene System. Diesen Formeln gingen langwierige Diskussionsprozesse mit dem damaligen Stationsarzt der Poliklinik in Heidelberg, Dr. Huber, schon Mitte der 60er Jahren voraus. Dr. Huber fing 1964 als Assistenzarzt in der psychiatrischen Poliklinik der Universität an. Er war einer der wenigen, der den Leitspruch der Universität Heidelberg „Wissenschaft für die Menschen" zu betreiben, ziemlich ernst nahm. Viel zu ernst, wie seine Vorgesetzten Anfang der 70 Jahre feststellten. Huber krempelte den traditionellen, sterilen auf Anpassung und Menschenverachtung gepolten Psychiatriebetrieb mittels politischer “Selbsthilfegruppen“ in seiner Klinik kräftig um. Zu einer der ersten größeren öffentlichkeitswirksamen Aktionen ließ er etwas verlauten, das komplett seinen Status als Arzt hinterfragte. Nachdem Huber seine aus freien Stücken übernommene Arbeit in der Poliklinik der Psychiatrischen Universitätsklinik durch unverhältnismäßigen persönlichen Einsatz enorm ausweitete, wurde er unmittelbar mit politischen Initiativen konfrontiert auf die er reagieren musste, weil sie seine Arbeit unmittelbar betrafen.
Als Kultusminister Hahn (CDU) ein neues Hochschulgesetz einführen wollte, kandidierte Huber, inzwischen 2. Poliklinikleiter in der Psychiatrie, auf „Liste Demos” mit den Stimmen von 90 Kollegen dagegen. Er hatte die Poliklinik längst zur Bevölkerung hin geöffnet – und die Patienten immer wieder mit folgender Ansage zum denken und handeln angeregt: Diskutiert, reflektiert, streitet, aber auch „Vertragt und unterstützt Euch untereinander, vor allem draußen. Wenn es sein muss, auch gegen mich und die anderen Ärzte."81- und „die Studierenden unter den Patienten, zahlenmäßig eine Minderheit, waren einbezogen in diese Dynamik aus Dialogik -> Dialektik -> Kollektivität, noch längst nicht Agitation, aber schon therapiewidrig - !!"82
1968 entwickelte Huber mit seinen “Patienten“ Gruppen auf seiner Station die sich SPK nannten und die einen Vorlauf außerhalb der Klinik hatten. Es handelte sich um mehrere Gruppen, die ohne Leitung und dann in einen großen Gremium kommunizierten um über ihre Diskussions- und Erkenntnisprozesse zu beraten und zu berichten. Auf jeden Fall schien Huber nicht nur auf das Klientel großen Eindruck zu hinterlassen, die Feuer und Flamme für ihn waren. Ritter von Baeyer sein Klinikchef der später als Gegengutachter gegen ihn auftrat, bot ihn noch 1969 an zu habilitieren, aber er möge doch das Flugblattschreiben einstellen. Huber war auf dem Weg eine „Pathopraktik" zu entwerfen, nicht zu letzt inspiriert von der Kritischen Theorie, deren profunder Kenner Huber. Er ging davon aus, dass das Gattungssubjekt allein von seiner Existenzform als Einzelwesen von Krankheit, Kummer und Sorge stark bedroht, die von der kapitalistischen Gesellschaft verstärkt hervorgerufen wird. Es sind Grundannahmen die sehr eng mit einer negativen Anthropologie korrespondieren. Die Krankheit gilt es als gesellschaftlichen Prozess zu analysieren und als Widerstandspotential auszuschöpfen, die Krankheitsenergie als “Waffe“ gegen die pathogene, atomisierende Gesellschaft zu richten. Seine Erfahrungen und die des Kollektivs sammelten sich in der erkenntnistheoretischen Perspektive, dass „Krankheit (immer )im Recht" sei. In ihr dokumentiere sich kein Symptom oder Wiederholungszwang, sie sei ein Signal und Erkenntnisinstrument, dass die kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse krank sind bzw. krank machen. Im speziellen verursache die Gesellschaft alle psychiatrischen und auch anderen Erkrankungen, solange sie am Kapitalismus, an institutionalisierter Hierarchie und der daraus folgenden Erniedrigung, Entfremdung, Ausbeutung, Zwangsindividualisierung und Isolation festhalte. Die traditionelle Psychiatrie, die moderne Gesundheitsindustrie und die meisten gesellschaftlichen Agenturen interessiere nur wieder tauglich für die krankmachende, atomisierende Gesellschaft zu machen, Arbeitsfähigkeit herzustellen, egal wie entfremdend, belastend und isolierend die Arbeit sein mag. Wer heutzutage einmal eine Fortbildung für Arbeitsvermittler der BA für Arbeit konsultiert, der dürfte eine Ahnung bekommen, wie sehr Krankheit hier nur als Vermeidungsstrategie gegen Arbeit und deren Vermittlung eingeschätzt wird. Wie die Arbeitsvermittler angehalten werden Krankheit nur sehr bedingt ernstzunehmen. Wie sehr Arbeitsvermittlung letztlich auf eine diagnostische Selektion hinausläuft, wer auf jeden Fall körperlich zur Arbeit taugt und wer auf Grund von Alkoholismus oder schwerer chronischer Erkrankung, die mit einer Reihe von Untersuchungen ärztlich wiederholt attestiert werden müssen, eben nicht tauglich ist.
Hingegen ging das SPK bei Krankheit davon aus, dass darin ein gesamtgesellschaftlicher Prozess brennpunktartig erhellt wird. Hier bedarf es zuerst eines grundlegenden gesellschaftlichen Deutungs- und Analyseprozesses um für sich, vor allem aber für das Kollektiv Erkenntnisgewinne zu produzieren, mit anschließender Handlungsrelevanz. Ende der 60er Jahre gab Huber diesen Erkenntnisprozessen in seinen Stationsbesprechungen Raum. Raum, der für viele vereinzelte psychiatrische Patienten die Reflexionsmöglichkeit voraussetzte, sich und ihren Krankheitsprozess in der Gesellschaft in der sie lebten und im Kollektiv zu erforschen. Ein zentrales, ihre Krankheit hauptsächlich prägendes Kriterium, bildete die Zwangsindividualisierung gefolgt von Isolation, Vereinzelung des Einzelnen, Atomisierung und Zersplitterung in der kapitalistischen Gesellschaft . Eine Dynamik, die sie kaum vorhandenen Beziehungsstrukturen aussetzte.  Agenten und Beamte in Ämtern boten ihnen, wenn überhaupt, höchst vereinzelnde Jobs ohne weitreichende Mitspracherechte, ohne Selbstbestimmung, ohne starke Betriebsräte. Betriebsräte,  die nicht nur die Lakaien der Geschäftsleitung, sondern wirklich  für ein Arbeiterkollektiv sich einsetzen, waren kaum vorhanden. Ansonsten wurden sie auf  nicht vorhandene Familienstrukturen zurückgeworfen oder auf sich fragmentierende, die selbst schon mit ziemlicher Entfremdung, Angst, Burn out, Autoritarismus,  Hass, harter Neurose, Zersplitterung oder Psychose geschlagen.
Wenn man die Flugblätter und Verlautbarungen des SPK liest,  könnte  man meinen, dass der Krankheitsbegriff des SPKs nicht weit von gnostischen Vorstellung entfernt sei, nach denen das Leben per se eine einzige Krankheit83, ohne die dazugehörige Metaphysik. Aber Krankheit deutete das SPK, im Gegensatz zu den Gnostikern, konsequent gesellschaftlich bedingt. Die krankmachenden Strukturen bedürfen der Umwälzung: „Im Sinne der Kranken kann es nur eine zweckmäßige bzw. kausale Bekämpfung ihrer Krankheit geben, nämlich  die Abschaffung der krankmachenden privatwirtschaftlichen-patriarchalischen Gesellschaft.”84

Heute an der umkämpften Frauenquote ist ablesbar, dass der Kapitalismus zwar peu a peu reflexiv Forderungen aufnimmt, jedoch nur diejenigen, die seine Kernstruktur nicht gefährden. Das Kollektiv das seinen therapeutischen gesellschaftskritischen Prozess stets dialektisch reflektierte, ließ im Juni 1970 erklären „Es darf keine therapeutische Tat geben, die nicht zuvor klar und eindeutig als revolutionäre Tat ausgewiesen worden ist.”85Was bedeutete, dass in erster Linie nicht individuell therapiert wurde, sondern der Fokus lag darauf, wie das Kollektiv seine Lebensbedingungen und Handlungsmöglichkeiten erweitern konnte. Der Erkenntnis, dass der vereinzelte Kranke am ehesten im Kollektiv “gesundet” und wie dessen Dynamik und Zusammenhalt gestärkt werden konnte, galten viele Überlegungen wie daraus abgeleitetes reflektiertes Handeln. Noch heute gibt es in allen psychosomatischen Kliniken jenen berühmten Aufenthalts bzw. Gemeinschaftsraum, in dem neben den Therapiegesprächen der Austausch unter den Patienten und ihre Vergemeinschaftung als Kurativ fungiert. Freilich markiert er, gemessen an dem was das SPK forderte, wie es Kollektivität verstand, nur noch eine marktgerechte Schrumpfform. Interessant ist zudem, dass das SPK das von den Gemeindepsychologen propagierte "Hilfe zur Selbsthilfe", nie als Grundsatz akzeptierte oder gar weiterverbreitete. Da diese Maxime nur die üblichen vereinzelt Einzelnen, Atomisierten hervorbringt, mit denen eine solidarische, kommunitäre Gesellschaft nicht möglich ist.
Ende 1969 löste der neue Leiter der Poliklinik Dr. Kretz, der sich für die SPD in der Heidelberger Stadtrat wählen ließ, einige SPK-Therapiegruppen auf. Worauf sich die SPKler zu wehren beginnen. Nach Intrigen gegen Huber und Schikane von Patienten durch Kretz, veröffentlicht Baeyer einen Brief in dem er die Kündigung von Huber ankündigt. Im Februar 1970 hielten darauf die Patienten die erste „Patientenvollversammlung der Welt" ab. Es sollte die erste „arztfreie Patientenvollversammlung der Welt pro Krankheit" werden. Zudem haben vor versammelter Presse die dort tagenden Patienten „einstimmig und ohne vorherige Absprache mehreren Ärzten, die sich hereindrängen wollten, den Zutritt verwehrt. Vorausgegangen waren unter anderem und seit Januar Feldforschungen und Meinungsumfragen der Patienten gegen Ärzte."86Der „Prorektor der Universität für Medizin wurde dadurch gestürzt, ersatzlos übrigens."...Das von den Ärzten so genannte "Hearing" wurde von den Patienten zu einem Tribunal gegen die Ärzte gemacht. ("Nein, kein round-table small talk wie im Fernsehen. Nein!", sagten die Patienten und schafften die Tische aus dem Raum.) Hörsaal überfüllt (Hunderte)Medien."87
Anschließend an diese Vollversammlung erhielt Huber eine fristlose Kündigung. Gegen Huber und das SPK wurde eine Hausverbot ausgesprochen und überreicht, zudem eine Bannmeile vor dem Klinikdirektorium für das Kollektiv gelegt. Es ließ verlauten, dass das SPK nur noch in die Privaträume von Huber in Wiesenbach kommen sollte. Daraufhin besetzten Huber und das SPK das Dienstzimmer des Verwaltungsdirektors der klinischen Universitätsinstitute und traten nach hitzigen Auseinandersetzungen in den Hungerstreik. Ein "Kompromiss" lief auf die „institutionellen Voraussetzungen für die Weiterarbeit des SPK(H) in den Räumen der Universität in der Rohrbacher Straße 12 hinaus und schloß regelmäßige finanzielle Unterstützung und freie Rezeptur ein."88 Es wurde erreicht, dass Huber bis zu seiner Verhaftung das Gehalt weiter gezahlt wurde. Die Zeittafel des SPKs im Internet führt die Geschehnisse in den Jahren 1970 – 1972 gut nachvollziehbar auf. Man kann sich plastisch vorstellen, was für ein aktivistisches, kommunikatives  Handeln und breiter, starker Diskussionszusammenhang innerhalb des SPKs vorhanden sein musste, um die angeführten Aktionen zu starten, durchzuführen als auch durchzusetzen, wenn auch mit ausgehandelten Kompromissen und Teilerfolgen.
Die Chronisten des SPK waren der Meinung:
Durch die faktische Institutionalisierung als autonome Arbeitsgruppe in Universitätsräumen hatte das SPK erreicht, daß die Gesamtuniversität in Gestalt des Rektors die Inkompetenz der Medizinischen Fakultät für die Krankenversorgung bestätigt hatte, ihrerseits ihren Versager-Status aller Welt hatte vor Augen führen müssen." 
 Der Rektor Rolf Rentdorf trifft  im frühen Januar 1970 den Patienten gegenüber (s.o.: Meinungsumfrage, Feldforschung) eine interessante Aussage: ,,Er sei im Blick auf die drohende Katastrophe weder zuständig noch kompetent." Es ist eine Aussage die typisch ist für Funktionsträger in hierarchischen Systemen. Bei größeren Problemen versuchen sich die verschiedenen Instanzen die Schuld  gegenseitig zuzuschieben oder erklären sich  für nicht zuständig. Wenn offen thematisiert wird, dass die meisten Probleme der Patienten durch  die individualatomisierenden Hierarchien in der Gesellschaft, Krankenhäusern bzw. Psychiatrien mitverursacht sind und versuchen sie abzuschaffen, prallen sie meist an der Hierarchie ab. Das SPK hingegen fokussierte die Hierarchie als einen großen Krankheitsverursacher  und wollte sie abschaffen. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich  Rentdorf als übliches hierarchisches Mittel seinerseits als nicht zuständig erklärte, anstatt auf die Forderungen des SPKs einzugehen oder  zu versuchen mit dem SPK die Hierarchie und damit sich selbst zu verändern, d.h. ua. zu enthierarchisieren.
Das SPK zog nun Anfang März in die erkämpften Räume an der Universität in der Rohrbachstraße.
Die Zeittafel des SPK gibt in der zweiten Hälfte einen guten Überblick wie sich Aktionen des SPK und Polizeiwillkür gegenseitig auslösten, aufschaukelten und letztlich mit der Haft Hubers in Stammheim endeten. An eine produktive Weiterentwicklung ihres Theorieansatzes war dadurch nicht mehr zu denken.



24.03.70
 Go-In von 30 SPK-Patienten von insgesamt ca. 500 beim Rektor der Universität gegen die Rezepturblockade, verfügt durch die Medizinische Gesamtfakultät.
25.03.70




 

Besetzung des Dienstzimmers von Prof. von BAEYER. Die Patienten fordern Blankorezepte. Klinikchef von Baeyer läßt statt einer Antwort die von ihm bereitgestellte Polizei auf diese Patienten los. Personalienfeststellung und Hausverbot.
Zuvor (alles im März) hatten Universität und Klinikverwaltung gezielt für sämtliche SPK-Räume tagelang Strom und Telefon abstellen lassen und durch Begehung der SPK-Räume während der Mittagszeit und mit Nachschlüsseln mehreren Chefsekretärinnen die SPK-Räume zum nächsten Ersten (April 1970!) feilgeboten ("Die und der Plunder [Patienten] sind bald rausgeräumt, dann kann sofort neu eingerichtet werden."). Da haben wir nichts draus werden lassen.
03.06.70
Das sogenannte Studentenparlament faßt einen Ablehnungsbescheid gegen das SPK. Es will statt des SPK(H) eine "psychotherapeutische Beratungsstelle" an der Universität Heidelberg.
Juni '70

 

Erstes.PATIENTEN-INFO:
Das SPK(H) nimmt gegen das Verbot des SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) Stellung und macht seine eigene Position kenntlich: "Verscharren wir ein für alle Mal die läppische Hoffnung auf Gesundheit! ...Es darf keine therapeutische Tat geben, die nicht zuvor klar und eindeutig als revolutionäre Tat ausgewiesen worden ist."
6.-10.7.70
Besetzung des Rektorats der Universität durch das SPK(H).
09.07.70
Beschluß des Verwaltungsrats der Universität, das SPK(H) an der Universität zu institutionalisieren.
Juli '70

 

Die Medizinische Fakultät versucht, den rechtmäßigen Beschluß zu Fall zu bringen. Unter anderem Prof. HÄFNER: Im SPK(H) stecke "mehr Sektierer- oder mittelalterliche Kreuzzugsmentalität als moderne Psychiatrie". Resultat der Hetze der Medizinischen Gesamtfakultät: der Kultusminister von Baden-Württemberg Prof. Wilhelm HAHN verkündet: Der Vertrag zwischen Universität und SPK sei "in höchstem Maße rechtswidrig".
Juli '70
 
bis
Okt. '70
Die drei von der Universität angeforderten Gutachten befürworten die Institutionalisierung des SPK(H) als autonome Universitätseinrichtung:
  • Gutachten von Prof. RICHTER (Universität Gießen) (14.7.70)
  • Gutachten von Prof. BRÜCKNER (Universität Hannover) (29.09.70),
  • Gutachten von Dr. Dieter SPAZIER (05.10.70).
20.07.70
Wissenschaftliche Selbstdarstellung des SPK(H)
(angefordert vom Verwaltungsrat der Universität).
Sept '70





 

Die Medizinische Fakultät fordert am 1.9.70 bei Kollegen Ablehnungs-Stellungnahmen gegen das SPK(H) an.
Die Ärztekollegen geben erwartungsgemäß diese Gefälligkeitsgutachten ab:
  • Sog. "Gutachten" des Prof. THOMÄ (Universität Ulm, früher Psychosomatische Klinik Heidelberg, weder Psychiater noch auch nur Arzt) vom 09.09.70,
  • Sog."Gutachten" von Prof.von BAEYER vom 15.09.70, persönlich angegriffen und Ärztepartei in eigener Sache,
  • Privatbrief, sog. "Gutachten" von Prof. H.J. BOCHNIK (Frankfurt) vom 6.10.70.
18.09.70
Erlaß des Kultusministers, Prof. Wilhelm Hahn, das SPK zu liquidieren.
30.09.70
Drohender Polizeiüberfall. Präventive Gegenschläge vorbereitet und z.T. durchgeführt.
04.11.70
Erstes, einstweilig vollstreckbares Räumungsurteil gegen das SPK.
07.11.70
 Rundfunkinterview mit 5 vom SPK(H).
09.11.70






 

Da das Räumungsverfahren formal allein gegen Dr. HUBER gerichtet war, verläßt Dr. HUBER mit Zustimmung der Patienten die Räume des SPK.
4 vom SPK suchen am gleichen Tag um 17 Uhr Kultus-Minister HAHN in seiner Sprechstunde auf, um die Rücknahme des Erlasses vom 18.9.70 zu fordern. HAHN bezeichnet das SPK als "Wildwuchs, der nicht länger geduldet werden kann und schleunigst beseitigt werden muß".
Am Abend desselben Tages sucht Rektor RENDTORFF das SPK auf.
Der Rektor willigt vor Zeugen schriftlich in die Minimalbedingungen des SPK zur Fortführung des SPK(H) an der Universität ein: wieder ein Vertrag, den er, wie alle anderen vorherigen, gleich wieder gebrochen hat.
16.11.70
Antrag des SPK auf einstweilige Verfügung gegen die Pogromhetze des Kultus-Ministers HAHN und Klage des SPK(H) gegen das Kultusministerium.
19.11.70
Teach-In des SPK(H) im überfüllten Hörsaal 13 der Universität (1200 Personen).
23.11.70
Dr. HUBER kommt, durch Beschluß des SPK gerufen, wieder in die Räume der Rohrbacherstraße.
24.11.70
 

Geheime-Senatssitzung
Antrag der medizinischen Fakultät auf Abtrennung des SPK(H) von der Universität. Beschluß des Senats, "daß das SPK keine Einrichtung in und an der Universität werden kann."
09.12.70
Räumungsurteil gegen das SPK

16.4.-5.5.71
PATIENTEN-INFO Nr. 35-36
... Selbstmord = Mord / Aushungerung = Mord
Zu dem von der Presse so genannten "Selbst"mord einer SPK(H)-Patientin am 8.4.71.
06./18.5.71
Berlin für SPK, Heidelberg (Philosophie-Professor Theunissen "Gnadentod unter Wissenschaft!") gegen SPK.
13.05.71
Die Berufung des SPK(H) gegen das Räumungsurteil wird durch das Landgericht Heidelberg abgewiesen.
12.-13.6.71
SPK(H) präsent an der Univ. Berlin (Wochenend-Agitationsveranstaltung)
18.-20.6.71





 

Aktion des SPK auf einer Arbeitstagung der Evangelischen Akademie in Arnoldshain:
Die Tagungsteilnehmer verabschieden eine Resolution für die Fortsetzung des SPK(H). Hunderte evangelische Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, angereist aus Europa und dem sogenannten Ostblock, haben zugunsten des SPK damals nicht nur gegen die iatro-kapitalistische Ärzteklasse gestimmt und unterschrieben, sondern den Kollaborateuren der patientenfeindlichen Ärzteklasse, den Herren Kultusminister Hahn und Universitätsrektor Rendtorff, beide evangelische Theologen und somit ihre Glaubensbrüder, eine scharfe Absage erteilt.
Einige der Teilnehmer sind nach der Tagung sogar zum SPK übergetreten und dortgeblieben. Sektenmobilität, gibt es das?
24.06.71
 

Unter einem Vorwand wird die Wohnung von Dr. HUBER durchsucht. Während einer Razzia am 25./26.6. 71 werden acht vom SPK festgenommen. Dr. Wolfgang HUBER und 2 weitere SPK(H)-Zugehörige bleiben widerrechtlich eingesperrt. HUBER schon tags darauf bedingungslos aus dem Gefängnis entlassen. Die anderen beiden werden (erfolglos!) erpreßt, gegen ihn auszusagen.
26/28.6.71
 

Zwei Agitationsveranstaltungen des SPK(H) und jeweils darauffolgend Agitation und Sprechchöre vor dem Gefängnis. HUBER mitanwesend. Flugblatt AUS DER KRANKHEIT EINE WAFFE MACHEN.
27.06.71
 

Presse-Erklärung des Rechtsanwalts von Dr. HUBER. Am gleichen Tag im TAGEBLATT: "... Bundesanwalt bestritt gestern, daß sich Kontakte zur Baader-Meinhof-Gruppe ergeben hätten."
30.06.71


  
PATIENTEN-INFO Nr. 47 - GORILLAS IN HEIDELBERG
"... fordern wir 500 Waffenscheine für Patienten, damit sie ihr oftmals gefordertes Recht auf Selbstverteidigung gegen den losgebrochenen maßlosen Polizeiterror durch diese Mittel unterstreichen können."
02.07.71


 
Patienten-Info aktuell - AN DIE BEVÖLKERUNG
Über die gewaltsame Beendigung der Agitation vor dem Faulen Pelz (Gefängnis) durch Polizeiknüppel am 1.7.71. TAGEBLATT: Das SPK hat Strafanzeige gegen den Chefredakteur der RNZ-Lokalzeitung wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB) gestell


05.07.71
SPK(H)-AgitationsveranstaltungIn New York fand eine Demonstration von Studenten für das SPK statt.
12.07.71

PATIENTEN-INFO Nr. 51 - Dialektik von Krankheit und Knast.
"Verweigert jede Aussage! ... " TAV, Totale Aussageverweigerung, und keinerlei Mitmachen mehr in Haft, vor Gericht, beim Arzt und bei der (insbesondere deutschen!) Presse, TV usw., und zwar auf immer und überall.
13.07.71 
Selbstauflösung des SPK(H) zum Schutz der Patienten (Strategischer Rückzug).
16.07.71
Gründung des Informationszentrum Rote Volksuniversität - IZRU.
Entwurf und Organisation: Huber WD.
19.-20.7.71 
Haftbefehle gegen 11 SPK(H)-Patienten, Hausdurchsuchungen und Verhaftungen.
07.11.72
Beginn des Prozesses gegen Dres. Wolfgang und Ursel HUBER u.a.
Teach-In zu den SPK(H)-Prozessen unter anderem mit Prof. BRÜCKNER.
Nov. '72
Enquête europäischer Patienten auf einer vom IZRU organisierten Zusammenkunft in Heidelberg der Internationalen Informationsgruppe der Gegenermittlungen zum SPK(H)-Prozeß, befürwortet unter anderen von J.-P. Sartre.
19.12.72


 

Dr. Wolfgang HUBER und Dr. Ursel HUBER werden zu je 4 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt. Dies war nicht das einzige Urteil gegen SPK(H)-Zugehörige: SPK/PF(H): "Staat und Regierung haben in zahlreichen Gerichtsbeschlüssen und Urteilsbegründungen insbesondere unseren Befund, daß Revolution Therapie ist und Therapie Revolution und nichts anderes sein darf, mit insgesamt mehr als 22 Jahren Gefängnis honoriert".
Das SPK selbst ist nie verurteilt, geschweige denn verboten worden

SPK/PATIENTENFRONT
unter den Bedingungen der Gefangenschaft
Die Kontinuität von SPK/PF-HUBER wurde zunächst in den Jahren 1971-76 im Gefängnis fortgesetzt.
 
1973

 
PATIENTENFRONT als SPK(H)-Kontinuität und Rückkehr zu den Wurzeln des SPK(H), ausgerufen von HUBER (SPK/PF) WD, Dr.med. (Stammheim, Einzelzelle).
6.11.75

 
Beginn des bedingungslosen und unbefristeten Hungerstreik von Dr. Wolfgang HUBER und Dr. Ursel HUBER, beide noch im Gefängnis. Nicht für Freilassung, sondern zwecks Konfrontation gegen die Ärzte und deren Verantwortung für Gefängnis und Folter.
12.11.75
 
Beginn der Zwangsernährungsfolter gegen Dr. HUBER:
82 mal in 71 Tagen. Bald auch gegen Dr.med. Ursel HUBER.
25-28.11.75
 
2000 Teilnehmer des in Mailand stattfindenden Psychoanalytiker-Kongresses "Sexualität und Politik" schließen sich einem Aufruf nach sofortiger Freilassung der Hungerstreikenden an.
13.12.75

 
Presseerklärung, unterschrieben u.a. von Jean-Paul SARTRE, Simone DE BEAUVOIR, Maître DE FELICE, Mouvement d'action judiciaire, Robert CASTEL, Félix GUATTARI, David COOPER, Franco BASAGLIA, Mony ELKAIM, Roger GENTIS, Jean-Claude POLACK, Michel FOUCAULT und 74 Unterschriften von Mitgliedern des RESEAU INTERNATIONAL.
221.1.76

 

Entlassung von Dres. Wolfgang und Ursel HUBER. Geblieben ist lebenslanger Approbationsentzug. Dies nicht zuletzt deshalb, weil Dres. Wolfgang und Ursel HUBER durch das SPK(H) und die PATIENTEN-FRONT den Ärzten in theoretischer wie in praktischer Hinsicht die Existenzberechtigung entzogen haben und sich nach wie vor weigern, mit Ärzten wie den Auschwitz-MENGELEs und T4-Patienten-Euthanasie-HEYDEs auch nur die Approbation gemeinsam zu haben.

Das Kollektiv hatte durch Druck-, Widerstands- und Öffentlichkeitsarbeit auf seine Situation nicht nur in Heidelberg aufmerksam gemacht und viele Psychiatrieerfahrene der Republik schlossen sich ihm an.
1972 kam es im Zuge der allgemeinen RAF-Hysterie zu ersten Prozessen und zur Kriminalisierung von einzelnen SPK Mitgliedern, der Druck auf die Gruppe wurde fahndungstechnisch verstärkt. Dres. Wolfgang und Ursel Huber wurden wegen angeblicher, letztlich komplett lächerlich juristisch konstruierter Urkundenfälschung, die auf konventionellen Medikamentenverschreibungen basierten und angeblichen illegalen Waffenbesitzes verurteilt. Aber die Sachverhalte auf die sich die Anklage gegen Huber stützte waren, wie etwa der von Fritz Teufel und der Kommune I und einer Reihe anderer 68er Aktivisten sehr konstruiert. D.h. V-Männer des BND (Geheimdienst) schmuggelten ihnen Waffen in ihre Privaträume, worauf sich  die Anklage stützte. Es ist  jedoch offensichtlich, dass sie keine handfesten juristischen Sachverhalte wie  illegalen Waffenbesitz oder -gebrauch bei Huber finden konnten. Huber und das Kollektiv war ihnen unheimlich. Einerseits war er einer von ihnen, indem er in einer von Normalisierern und Anpassern gegründeten Institution arbeitete, andererseits wendete er sich komplett gegen ihre als Therapie getarnten Herrschaftspraktiken.(Siehe Franz Fanon, Die Verdammten dieser Erde, Laing, Foucault, ua.) Er wollte die ihm oder der Klinik Zwangseingewiesenen und freiwillig Kommenden über ihr Schicksal, ihre Art der “Therapie“ vor allem aber Gesellschaftstherapie selbst bestimmen lassen, d.h. ihre weitestgehende Gruppen-Autonomie restituieren. Damit hatte er der Universität und vor allem dem Kultusminister Hahn mit einer Reihe von Politikern ziemlichen Streß bereitet, weil sie offensichtlich ihre Inkompetenz, ihre Unfähigkeit mit definitv basisdemokratischen Prozessen umzugehen demaskierten. Huber irritierte sie, weil er mit dem Kollektiv Flugblätter herausbrachte auf denen stand „Aus der Krankheit eine Waffe machen", gegen Zwei-Klassen-Medizin, Therapie an ein politrevolutionäres basisdemokratisches Konzept band. Die damaligen Juristen und Politiker verwechselten dabei mutwillig die Symbolebene, provozierten mit massiven Polizeieinsätzen eskalierende Gegenreaktionen. Erst mit der Kriminalisierung weniger Gruppenmitglieder seitens der Strafverfolgungsbehörden ging in  geringen Teilen eine Radikalisierung einher. Der Diskussions- und Forschungsprozess innerhalb des Kollektivs wurde so massiv gestört und unterbunden. Die Energien konzentrierten sich nun darauf den kriminalisierten Mitgliedern zu helfen. Der Diskussionsprozess wurde in Teilen, wie später in vielen K-Gruppen, in ein kriminaltechnisches Katz und Mausspiel mit der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden umgebogen. Eine kritische Wissenschaft über Psychiatrie und ihre Folgen wurde dadurch ausgehebelt. Das SPK, das sich mit der Strafverfolgung in Patientenfront umbenannte, hätte interessante wissenschaftliche Arbeit im Sinne der Antipsychiatrie und auch einer radikalisierten Sozialpsychiatrie, gerade mit einem ausgefeilten gesellschaftskritischen Instrumentarium hervorbringen können. Zudem seinen eigenen Theorieansatz weiter ausarbeiten, erforschen und praktizieren können. Jedes ihrer Mitglieder hätte gemeinsam mit den anderen diesen Reflexions-, Kritik- und Widerstandsprozess erweitern oder ihren Ansatz vertiefen können. Im Sinne Foucaults kann am SPK auch studiert werden, was passiert wenn die impliziten und expliziten gesellschaftlichen Systeme die unser Verhalten bestimmen offen thematisiert werden. Man/frau andere Inhalte und Gegenstrategien entwirft um ihrer Vereinzelung und zwischenmenschlichen Isolation  zu entkommen. Nicht zuletzt deshalb hat sich Foucault mit Sartre, die sich ansonsten heftig befehdeten, und Beauvoir wie eine Reihe anderer französischer, europäischer Antipsychiatrieaktivisten vehement für die Freilassung Hubers eingesetzt. Gegen ein Unrecht das juristisch nicht zu begründen war. Denn  das SPK entlarvte  die psychiatrischen Institutionen und die Workfareregimes als machtvolle gesellschaftliche Normalisierungsagenten, prangerte sie an und ging aktiv gegen sie vor.
Heute in Zeiten kontinuierlich steigender Gesundheitsbeiträge mit voranschreitender Verknappung von Leistungen für Kassenpatienten, könnte wieder sehr viel vom SPK und seinem organisierten, vehementen Widerstand gegen die Medizinbürokratie und Zwei-Klassen-Medizin gelernt werden. Wer würde z.B. heute noch derart gegen steigende Krankenkassenbeiträge oder Rationierung von medizinischen Leistungen vorgehen ? Oder die Räume von Krankenkassen, Arztpraxen, Pharmaindustrie oder Ministerien solange besetzen, bis vernünftige Ergebnisse erzielt werden ? Vermutlich müsste heute nur kollektiv über facebook oder twitter, durch Protestkundgebungen unterstützt, die Kassenbeiträge selbst gekürzt oder auf dem bestehenden Niveau eingefroren werden. Auf jeden Fall sei den Kassenpatienten die Geschichte der Widerstands- und der Handlungskompetenz des SPKs in Erinnerung gerufen.
Im Nachhinein dient das SPK als Beispiel, wie dieser Denk-, Theorie- und Handlungsansatz von den Strafverfolgungsbehörden massiv behindert, letztlich zerstört wurde. Andererseits zeigte der Staat einmal mehr nur wenige Jahre später bei der RAF-Strafverfolgung seine vollendete Big Brother Janusköpfigkeit. Aus der Aktenlage geht hervor, dass hochrangige Beamte in BND, Justiz, Verfassungsschutz, BKA über Verena Becker89und ein, zwei andere V-Männer sehr gut von mehreren Anschlägen schon im Vorfeld informiert waren. Aber ähnlich im Fall Buback es nicht verhindern wollten. Aus Gründen die heute niemand nachvollziehen kann, auch nicht wenn sie Informantenschutz als Argument anführen. Dies bewog Michael Buback in seinem Schlussplädoyer davon zu sprechen, dass Verena Becker „mächtigere Verbündete hatte als er und sein Vater.“ Bei dem aktiven Decken der V-Männer zum Verschweigen und Vertuschen von rassistischen Anschlägen des NSU 2002-2008 lässt sich ein nahezu kongruentes Muster feststellen. Eine Geschichte bei der noch erheblicher Forschungsbedarf vonnöten. Denn hier würde es sich um Beihilfe zum Mord handeln, für die erhebliche Gefängnisstrafen "blühen". Außer man unterstellt, wie Zygmunt Bauman, Terrorismus und autoritärem Staat eine mehr oder weniger geheime Komplizenschaft. Der Leviathan wäre demnach interessiert terroristische Aktionen zum Anlass zu nehmen, Einschränkungen von “Bürgerrechten” zu veranlassen, um umfassendere Kontrollmöglichkeiten auf Kosten der Versammlungsfreiheit und sonstigen “liberalen Bürgerrechten” zu installieren.


NKT oder Freiheit für wen ?



Ansonsten wünschen sich die Reflexivmodernen eine Zivilgesellschaft deren soziale Ungleichheit sie zwar thematisieren. Aber, was das Schrägste überhaupt, in keinster Weise versuchen sie vernünftig, nachvollziehbar zu erklären, wie diese absurde Ungleichheit entsteht. Warum sich die Schere immer weiter öffnet.  Die internationale Soziologie um die Jahrtausendwende sah sich aufgrund der enormen gesellschaftlichen Ungleichheit  gezwungen  wieder auf kritischere Theoreme zu drehen. Beck wollte dem nicht nachstehen und versuchte sich sogleich an seiner "Neuen Kritischen Theorie".
 Da sich die Konstrukte der reflexiven Modernisierung wegen ihrer immanenten Logik kaum auf ein NKT- Paradigma umschreiben ließen, gerieten diese Bücher ziemlich unlesbar. Eine Unlesbarkeit, die zum einen der inneren Widersprüchlichkeit der zu verschränkenden Konstrukte geschuldet, zum anderen dem sonnigen Gemüt Becks90. Das dem für eine NKT nötigen kosmopolitischen, abgründigen Intellekt, d.h. u.a. gleichermaßen Abgrund erfahren wie reflektiert, in keinster Weise angemessen, geschweige denn auf Augenhöhe, begegnen kann. Weil er sich trotz dieser Offensichtlichkeit ohne Hemmungen munter weiter auf Themen kaprizierte, die nicht seine sein können, trieb er nicht nur mich sondern alle die an einer ernsthaften NKT brennend interessiert, beinahe in den Wahnsinn. Was vermutlich seine Absicht war.
 Er hätte, wenn er selbst seine Reflexivität nur konsequent genug betriebe, einsehen müssen, dass sein Leben und Geist aus biographischen Gründen zu einer negativen Dialektik oder gar einer negativen Anthropologie, wie sie eine ernsthafte Neue Kritischen Theorie erheischt, nicht fähig ist. Deshalb geraten seine Versuche eins ums andere Mal zu einer labyrinthischen Verschwurbeltheit. Nun etablierte sich in der internationalen Soziologie aus genannten Gründen und nicht zuletzt ob der vielen Migranten, die sich von den extremen Reichtumsverhältnissen besonders im Westen, in ihren westlichen Stipendien und als wissenschaftliche Mitarbeiter erschreckt, verstört und empört zeigten, wieder etwas kritisches Bewusstsein. Becks Sammelband Große Armut, großer Reichtum91 beschäftigt sich nun mit der „Transnationalisierung sozialer Ungleichheit“, wie er es nennt. Er verfasste die Einleitung und den ersten Beitrag „Risikogesellschaft und die Transnationalisierung sozialer Ungleichheit.“ Diese Texte geraten zu einer lauten Eigenwerbung, weil er nicht müde wird ständig zu wiederholen, dass es anstatt des „methodologischen Nationalismus der Klassensoziologie" eines kosmopolitischen Blicks der Ungleichheit bedarf, den er schon länger gepachtet habe. Er produziert einen riesen selbstbeweihräuchernden Bohei um die Einführung der methodologischen Rahmung der kosmopolitischen Formen sozialer Ungleichheit.
 Oberflächlich betrachtet mag dies den Gutmenschen unter den Lesern befriedigen, aber nicht die an einer kritischen Soziologie Interessierten. Denn es dünkt ziemlich seltsam, dass der „methodologische Nationalismus der Klassensoziologie" zu seinem Hauptfeind mutierte. Solange jedoch nationalstaatliche und kulturelle Grenzen existieren, bleibt der Soziologie nichts anderes übrig als sowohl eine Methodologie des Nationalstaats zu betreiben, als auch eine kontinentale Komparatistik wie einen kosmopolitischen Blick. Eher sollte er sich fragen, warum er bei bestehenden realen und kulturellen Grenzverhältnissen, das eine so extrem gegen das andere ausspielt, als ob das Übel der Welt darin begründet läge. Da sich die Hauptspitze seiner Argumentation gegen die nationale Klassensoziologie richtet, stellt sich mal wieder die Frage, was er damit genau meint und bezweckt ?
 Freilich gab/gibt es eine konservative Soziologie der Schelskys, Boltes und Miegels, einen Mainstream der Soziologie, der sich mit der Gesellschaft und Schichtung eines Nationalstaates beschäftigt. Auf diese Soziologie könnte Becks Kritik zutreffen. Dazu gab es eine, leider mit viel weniger Lehrstühlen/ Geldern ausgestattete Soziologie, die auf einer marxistischen Methodologie der internationalen Klassen beruhte. Sie führte den kosmopolitischen Blick der sozialen Ungleichheit, um in Becks Terminologie zu bleiben, überhaupt erst in die Soziologie, in die Volkswirtschaft und eine Reihe von anderen Kulturwissenschaften ein. Da die marxistische Soziologie, das von Beck aufgegriffene Phänomen in allen seinen Dimensionen und Funktionsmechanismen viel präziser benennen und analysieren kann, muss Beck reflexhaft heftig gegen die Klassensoziologie polemisieren und diese denunzieren, anstatt sie als Bundesgenosse anzuerkennen. Ein Großteil der marxistischen Soziologie und politischen Ökonomie, geht detailliert den Bedingungen nach wie Arbeit, in letzter Zeit ein ganzes Workfareregime und die dazugehörigen Produktions- resp. Eigentumsverhältnisse in der einen Klasse Reichtum hervorbringen, in der anderen verstärkt den Zwang zur Arbeit, zum “eigenen Verdienst“ reetablieren. Zudem wie gesamtgesellschaftlich erarbeitetes Einkommen über Steuer- und Schuldendienste nach oben umverteilt wird. Von all dem erfährt man in Becks neuem Buch mal wieder nichts, obwohl der Titel seines Bandes dies suggeriert.
Aber eines scheint Beck ziemlich genau zu wissen über die methodologische Rahmung der Arbeiterklasse, wenn er die Frage stellt: „Wer sind die Personen, die unter die Konstanz des Substantivs Arbeiterklasse subsumiert werden ?“ folgernd, dass in „Deutschland die kulturelle Homogenität der sogenannten Arbeiterklasse im Zuge der Globalisierung und Pluralisierung aufgelöst wurde.“ Und er meint tatsächlich, „dass die These von der konstanten Reproduktion sozialer Klassen unreflektiert die Konstanz der nationalen Mitgliedschaft der Mitglieder dieser Klassen voraussetzte. Zu dem Schluß kommend „die multiethnische, multinationale Arbeiterklasse ist keine Arbeiterklasse mehr.“92 Hier erleben wir auf drei Sätze gebracht Becks komplettes Soziologieverständnis und all das was er mit seiner Soziologie betrieb. Es ist müßig ihn daran zu erinnern, dass niemand, definitiv niemand, in der zeitgenössischen marxistischen Soziologie die These vertritt, dass sich die Klassen konstant ethnisch reproduzierten. Sondern Fakt ist, dass alle aktuelle marxistische Klassensoziologie davon ausgeht, dass sich die heutige Arbeiterklasse mit der Globalisierung multiethnisch hybrid diversifiziert hat, trotzdem jedoch eine working poor Klasse und Arbeitslosenklasse geblieben ist. Wer nach der Lektüre denkt, dass die kosmopolitische Rahmung der sozialen Ungleichheit Becks Verdienst sei, der ist ihm wieder vollends auf dem Leim gegangen. Es ist eins ums andere Mal seine Masche die Aufmerksamkeit des Publikums auf diese Nebenkampfschauplätze zu verschieben, damit die Geister gehörig verwirrend. Weil der Leser zu grübeln beginnt ob es eine kosmopolitische Rahmung braucht, die es schon längst gab. Bei vielen dennoch den Eindruck hinterlassend, durch seine pseudokritische (NKT) Begriffswahl bzw. Fragestellung eine kritische Soziologie zu betreiben. Des Weiteren vernimmt man ständig das Mantra Zivilgesellschaft. Die gibt es in der BRD schon seit 60 Jahren. Nur hat in ihr in den letzten dreißig Jahren die Armut wieder rasant zugenommen und die Mittelschicht sieht sich nun in eine working poor Klasse verwandelt, wenn nicht von Deklassierung und Absturz bedroht.
 Beck hat in seinem letzten Sammelband „Große Armut, großer Reichtum“ einen Aufsatz von Leslie Sklair, einer Professorin in Oxford, veröffentlicht, „Die transnationale Klasse des Kapitals". Der wohl einzigste Beitrag in diesem Band, der nichts beschönigt. Sie führt aus, dass die Idee der Zivilgesellschaft hauptsächlich Aufsichtsräte, Firmenbesitzer und Wirtschaftsführer ersannen mehr noch propagierten, weil sie eine Gesellschaft verspricht in der die aus dem ungehemmten Konsumismus fließenden Gewinne am ungefährdetsten, am ungestörtesten sich abschöpfen ließen. (Zumindest bis zu dem kleineren “Mißgeschick“ der gilet jaunes in Frankreich.) Die soziale Ungleichheitsperspektive drängte den Reflexivmodernen die Produktionsbedingungen und die daraus sich ergebenden Reichtumsdisparitäten des postmodernen Kapitalismus auf. Aber mit der genauen Analyse der Reichtumsbedingungen haben sie ihre Schwierigkeiten. 

Stattdessen bringen sie fast zeitgleich im selben Atemzug ihre neuesten Ideologeme mit dem ältesten Gassenhauer der Bourgeoisie und des Bürgertums an die Frau, den Mann. Sie lauten „Freiheit und Selbstbestimmung.“93 Wir vernehmen, dass für ein selbstbestimmtes Leben der „Eigensinn“ zentral sein soll, „im Eigensinn erfahre ich mich und zeige mich in meiner Unverwechselbarkeit,“94 fraglich bleibt nur, wer sich hier erfährt. Es wird so getan als ob es ein Bedürfnis von jedermann/frau sei und vor allem von Jugendlichen unverwechselbar zu sein. Irrtum!! Schon länger nicht mehr, eher ist das Gegenteil en vogue, die Suche nach Gemeinsamkeiten, die Problematisierung der Individualisierung und des Eigensinns als seltsamer Abhub des Systems der Zwangs-pseudoindividualisierung. Adorno konnte noch die Idiosynkrasie als interessanten psychoanalytischen Mechanismus thematisieren. Im postmoderne System der Zwangs-pseudoindividualisierung,  das die Reflexivmodernen miterrichteten, fordern sie, entgegen der Wünsche eines Großteils der Jugendlichen, weiterhin einen verstärkten  Eigensinn, der aktuell im Individuum  zu überdrehen beginnt. Dh. dass die forcierte "Vereinzelung des Einzelnen" jetzt eine kaum mehr verstehbare, geschweige denn nachvollziehbare,  Pseudo-Unverwechselbarkeit hervorbringt, die, ob dieser überdrehten Forcierung, jetzt oft genug in die Seltsamkeit,  die Strangeness kippt.

  Für Keupp, der alles durch seine rosarote Friede-Freude-Eierkuchen-Brille sah, war es schon komplett schleierhaft, dass jemand aus meiner Generation eine Dialektik der Digitalisierung, justiert auf die postmoderne Tekknisierung/ Algorithmisierung/ Big Data zu schreiben beabsichtigte.  Die Aspekte einer bis heute noch nicht voll abzusehenden liquiden orwellschen digitalen Totalüberwachung avisierend. Obwohl der größte Teil meiner Generation als auch alle nachfolgenden davon betroffen wie   vollends darauf hinaus laufend. Am Anfang hoffte ich noch auf eine produktive, spannende, inhaltsreiche Diskussion, die sich allerdings schnell verfüchtigte.  Ich konnte ihm nicht  vermitteln, dass eine dialektische Theorie sich auch kritisch mit einer empirischen Methodik auseinandersetzt und sie diese nicht vernachlässigt, obwohl  die  sozialwissenschaftlichen 68er in ihrer akademischen Sozialisation diese Problematik exzessiv wälzten. Im Gegenteil vertrat die Kritische Theorie sehr wohl anspruchsvolle, differenzierte  methodischen Konzepte, die sich allerdings vom positivistischen Mainstream unterschieden als auch teils qualitativ angelegt waren, derart die vollendete Machtimprägnierung und die krasse Anpassungsdynamik  seiner Wissensproduktion gerade in den Sozialwissenschaften fokussierend.  Vor meiner Diss keimte noch die Hoffnung, dass eine gewisse kritische Wissensproduktion, Interpretation und Perspektive  selbstbefreien, vielleicht sogar "erlösen" könnte. Nach dieser Form von zunehmend scheiternder Kommunikation war sie beschädigt, gepaart  mit sich verstärkender Rechthaberei,  hinter der  eine große Befangenheit stand. Sie fungierten als Abwehr der möglichen Wiederkehr des Verdrängten. Denn zu diesem Zeitpunkt war  die Kritische Theorie in der Psyche des Ex-68er Keupp zu einem unknown known (Zizek), unbewusstem Wissen herabgesunken, im Unbewußtem der akademischen, arrivierten Ex-68er als Fremdkörper umherwandelnd. Von Außen angesprochen oder angeregt, versucht ihre Kognition erst einmal alles um ihn nicht bewusst werden zu lassen und provoziert eine starke Abwehr. Im Nachhinein entpuppte sich die Keuppsche Abwehr  als Versuch einer kritischen Subjektivitätsauslöschung. Meine Skepsis gegenüber der Produktion positivistischem  akademischem  Wissens mutierte solchermaßen in eine forcierte Kritik. Seine Abwehr  verdeutlichte, dass die Akademien krasse  Normen- bzw. Machtsysteme, besonders auch Biomächte verkörpern, die buchstäblich ihre Mitglieder Student/innen,  befristete Lehrkörper, Forscher in prekären Beschäftigungsverhältnissen "leben machen, genauso wie sterben lassen" können. Bildung ist hier kaum Selbstzweck,  Anregung zum selbst- und weiterdenken,  kaum Sprungbrett zu neuen unbekannten Ufern, sondern Mittel für Selektion, Allokation und Anpassung. Positivistische empirische Wissenschaft wird gefördert, kritische, empiriokritizistische und negativ dialektische blockiert, verhindert, nicht unterstützt.
Die Befangenheit und Blockade Keupps gegenüber einer kritischen Wissenschaft bzw. einer NKT, als auch seine Identitätsforschung ließen mich nach der Promotion den Entschluss fassen eine Dialektik der 68er zu verfassen, die im Ansatz in verschiedenen Artikeln im www.Kritiknetz.de  veröffentlicht ist. Für mich liegt auf der Hand, dass der aktuelle Zustand der Mainstreamwissenschaften als auch die aktuelle Kulturpolitik mit ihren Rechtstendenzen definitiv mit der Dialektik der 68er verbunden ist. Meine Erfahrungen dieses Thema als ein Forschungsprojekt oder in Form einer Professur gründlicher zu erforschen sind allerdings ziemlich negativ. Obwohl es die kulturpolitische als auch wissenschaftsparadigmatische Wende der 68er von einer kritischen Aufklärungswissenschaft zu einer bürgerlichen Mainstreamwissenschaft fokussiert, war kein 68er Prof  bereit dieses Thema zu befürworten. Hier scheint ein Corpsgeist zu herrschen, der über das wichtigste Wissenschafts- und Kulturthema der Postmoderne ein krasses Tabu bis heute breitet. Selbst Professoren die nicht der 68er Generation angehören, sondern der Nachfolge-X  bzw. neueren Generation Y, waren bisher nicht bereit dieses Thema auf die Forschungsagenda zu nehmen. Bei den 68er Professoren könnte man verstehen, dass sie praktisch nicht mehr gegen ihre Establishmentwissenschaft denken wollten bzw. konnten. Die nachfolgenden Professorengenerationen könnte eigentlich freier im Denken sein, möchte man meinen. Sie sind es aber bisher nicht aufgrund ihrer Mainstreamfixierung, auch weil sie von 68er Professoren berufen wurden, zu denen sie nun eine gewisse Loyalität empfinden. Das Problem ist, dass dadurch die bedeutendste kultur- und wissenschaftstheoretische Regressionsdynamik der aktuellen Postmoderne, nämlich die Dialektik der 68er, nicht  erforscht werden kann. Dadurch wird die Wissenschaft und die Kulturtheorie ihrer Aufgabe nicht gerecht.
Meine Erfahrung ist, im selben Maße wie die alten Ordinarien die  frühen 68er vehement abwehrten, weil sie ihren geschichtlichen "Muff von 1000 Jahren unter den Talaren" thematisierten, so wehrten die 68er als Profs nun all jene in den Nachfolgegenerationen XY ab, die es wagten das 68er Narrativmonopol über ihre  Geschichte zu hinterfragen. Oder diejenigen, die versuchten eine alternative respektive kritische Perspektive auf das 68er Rebellionsnarrativ  aufgrund eigenen Erfahrungen mit ihnen zu entwerfen. Es war schon verwunderlich, dass die 68er Profs keine solch andere Interpretation auf sich als Diplom- oder Forschungsarbeiten zuließen. Obwohl oder gerade weil sie als arrivierte 68er nun zum Establishment gehörten und seit Becks Individualisierungstheorie und Keupps Identitätsforschung Herrschafts- und Anpassungsdiskurse am laufenden Band produzierten. Die, die als frühe 68er alle anderen vehement kritisierten, konnten als arrivierte plötzlich keine Kritik mehr aus den Nachfolgegenerationen ertragen. Schon gar keine kritische Perspektive in Form von Forschungen, die diesen Zusammenhang thematisierten. Wer ihrem Interpretationsmonopol aus den Nachfolgegenerationen XY eine andere Perspektive entgegenhielt, fiel in Ungnade. Obwohl ca. die Hälfte der Generation-X Student/innen die Identitätsforschung zumindest fragwürdig hielten, wurden diejenigen, die sie offen kritisierten, arg geschnitten. Dh. ihnen wurde von den 68er Profs die Kommunikation verweigert, sie wurden totgeschwiegen, uns  gegenüber waren sie beleidigt in alle Ewigkeit. Denn es lag auf der Hand, dass ihre Geschichte nach 1986 nur als die Dialektik der 68er angemessen zu beschreiben war. Diese Sicht war jedoch schon ab Mitte der 80er ihr vorbewusster Alptraum und musste deshalb abgewehrt werden.

Schmerzhaft bewahrheitete sich einmal mehr  die Kuhnsche Wissenschaftstheorie, wonach sich neue Paradigmen, wenn überhaupt, erst durchsetzen, wenn eine Professorengeneration emeretiert an Einfluss verliert, d.h. erst mit einer Verspätung von 15-25 Jahren, oder aber bezogen auf Deutschland evtl. überhaupt nicht. Das erklärt  die Provinzialität der BRD im Wissenschaftssektor mit ihren im internationalen Vergleich nur wenigen Professuren, die sich immer nachhaltiger auf den sogenannten Mainstream versteifen.
Nur auf die Identitäts-Befragungsmethodik zu beharren, die  auch noch die falschen krassen ideologischen Verhörfragen stellte,  erschien mir nicht nur als ein Instrument jener verknöcherten, akademischen Macht sondern auch  als Abwehr sich inhaltlich mit der Dialektik  der postmodernen Modernisierung respektive der Tekkno-Digitalisierung als auch mit der Generationenproblematik auseinanderzusetzen. Als Reflexiv/naiv/moderne versuchten sie eine Methodik durchzusetzen, die schon vermittels der Identitätsfrage einen problematischen Zugang zu den untersuchten Generationen eröffnet. Gerade weil Keupp auch vor einigen Jahren die  Kinder- und Jugendsurveys der Bundesregierung betreute, ist kaum vorstellbar, dass diese Generationen mit Identitäts- Fragestellungen überhaupt etwas anfangen können, ohne  sofort die Krise zu bekommen. Mindestens ebenso absurd mutet es an  die Identitätsfragen Migranten in staatlichen Heimen und Unterkünften zu stellen, deren Aufenthaltstitel oft auf Duldungen oder ähnlich prekäre Stati hinauslaufen. Wie würden sie diese Fragereien empfinden ?
Seiner eigenen Methodik aufsitzend, spricht eher der Eigensinn Keupps aus ihr, der seine  Individualprojektionen nach außen wirft. Abgesehen davon, dass der Eigensinn auf eine gewisse problematische frühkindliche Entwicklungsphase schließen lässt, oder andere missliche Kalamitäten, soll er für den Reflexivmodernen eine gesteigerte Individualität garantieren. Hartnäckig, entsprechend einer Neurose oder Schuppenflechte, die auch nach jahrelanger Behandlung keine Besserung zeigt. Von seinem Erfinder als das ganz eigen Eigene eingeführt, verselbständigte sich dieses einstige Ideal und wird inzwischen als Anspruchsdruck die eigene Subjektivität unbedingt (zwanghaft ?) zu formen erlebt.95 Heute ist er zu einer System-Norm geronnen als auch zu einem ausdifferenzierten Normensystem auf das die Versingleten psychosomatisch reagieren. Auch hier wäre ihm  mit einem antiquierten  Apercu Goethes, vor allem dem zweiten Teil, zu begegnen: Kultiviere die Eigenschaften, nicht die Eigenheit.
Die Reflexivmodernen postulieren gerne "Freiheit und Selbstbestimmung" oder die "Kinder der Freiheit" im krassen  ideologischen Sinne, d.h. ohne auf die sozioökonomischen Klassenlagen zu reflektieren.
 Sie thematisieren überhaupt nicht, dass im postmodernen Racketkapitalismus, wenn überhaupt, nur die Rackets mit ihren Stake- und Stockholdern und ihren Familien/Klans wirklich handlungsfähig, frei sind, und nur sie ihren Eigensinn, falls vorhanden, ausleben können. Freiheit wächst unter den gegebenen Verhältnissen, wenn überhaupt, nur mit dem Gehaltsscheck.  60 % der europäischen Bevölkerung kann sich trotz mehrerer Jobs keinen Urlaub mehr leisten, d.h. dass die "Reisefreiheit" nur de jure existiert. Was noch gravierender, Europa definitiv bedrohen könnte, viele von ihnen verfügen über kein Geld   für ausreichendes Essen bis zum Monatsende. Wenn sie denn  überhaupt Arbeit haben.  Was die Mauer im ehemaligen Osten bewirkte, vollstrecken im Kapitalismus die individuellen Portemonnaies, die Einkommen, eine Unfreiheit verbreitend, die den ehemaligen und aktuellen Osten evtl. sogar noch übertrifft. Dieser Zustand aber nun keinem System mehr attribuiert, sondern durch die Individualisierungsideologen dem Einzelnen als individueller Mangel angekreidet wird. Die Individualisierungstheoretiker können derart unbedarft reden, weil sie privilegierte, gut bezahlte Positionen einnehmen. Dafür zahlen sie wiederum  einen hohen erkenntnisverhindernden Preis der Verblendung. Sie können nicht reflektieren und müssen verdrängen, vergessen, dass diese nur ziemlich wenigen überhaupt ermöglicht. Die Mehrheit sich aber tatsächlich als Arbeitsmarionetten erleben, so selbstbestimmt, wie es ein abhängiges Arbeitsverhältnis zulässt, dh. gen Null tendierend. All dies wird beschönigt von Pastoren, Pastorensöhnen, die selbst lieber Pastoren geworden, aus seltsamen Gründen aber in den Sozialwissenschaften landeten und freilich den Töchtern.
 Sie bewegen sich auf einer Linie von Gaucks Plädoyer für die Freiheit, sprachlich eher bescheiden, eine Sonntagspredigt in der er fast auf jeder Seite vom Wir, vom Uns oder unserem Land salbadert. Gegen diesen Vereinnahmugsübergriff möchte ich ganz dezidiert das Nichtidentische, das von einer Vielzahl von Personen ganz anders, differente Empfinden herausstreichen. Gauck verliert „bewusst“ vollends sein Sprachgefühl, wenn er beim Fall der Mauer von der „Ermächtigung“ der Staatsinsassen96 der DDR zu handelnden Bürgern schwadroniert. Diese Zeilen verlangen eigentlich nach einer psychoanalytischen Deutung. Den damaligen Aktionen und Massenprotesten wird solch eine Diktion jedenfalls nicht gerecht. Sozialwissenschaftler legten Gauck nahe den Begriff Empowerment zu wählen, er habe es aber auf „Deutsch” erlebt. Die Sozialwissenschaftler wollten ihn auf den Leser mit Geschichtskenntnissen hinweisen. Mit diesem scheint er nicht mehr zu rechnen in seinem Amt, eher mit der geschichtsvergessenen jüngeren Generationen, Opfer der allgemeinen Bildungsmisere. Denn der geschichtlich Informierte stolpert unwillkürlich über sein “Ermächtigungsgeschwurbel“, will sich gar durch mehrmaliges Lesen vergewissern, ob er wirklich über die DDR schreibt. Denn der Begriff, die Semantik wie das Gravitationszentrum seiner Sätze tendieren gleich einem bleiernen, abstürzenden Zeppelin eher zu 1933, dem Jahr des Ermächtigungsgesetzes, mit all seinen Konsequenzen, gefolgt von einem 12 Jährigen Ausnahmezustand. Souverän war resp. ist wer über den Ausnahmezustand entscheidet97, der vermittels dieses Gesetzes eingeläutet. Bei seinem Sprachgebrauch mutet Gaucks anschließende Verantwortungssuada hohl und leer an. Der Rechtsradikalismus gegen den er rhetorisch zu Feld ziehen will, ist schwer zu bekämpften, wenn man seine Sprache mimt. Vielmehr bedarf es einer kritischen Reflexion des Deutschtums im Protestantismus um sich der eigenen Ambivalenzen bewusst zu werden.98..... Der Neo- Protestantismus und seine Freiheitsideologen feiern wieder fröhliche Urständ in old Germoney. Doch verwunderlich, dass sie inhaltlich seit 500 Jahren, seit Luthers Zeiten (die Freiheit des Christenmenschen) kontinuierlich dieselbe Leier anstimmen, im Tenor es nichts Neues unter der Sonne zu geben scheint. Zwar ist Gauck vehement gegen jegliche staatliche Überwachung a la DDR oder a la des ehemaligen Ostens. Gleichzeitig befürwortet er die mediale Totalüberwachung der NSA &Co. Heute kann man davon ausgehen, dass der westliche Big Brother viel totaler und radikaler agiert als es die DDR jemals mit ihren technischen Möglichkeiten vermochte.  Gaucks seltsame Einstellungen sind nur noch über die übliche protestantische Paranoia mit ihren eingeschliffenen Feindbildfixierungen zu erklären. Max Webers Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus müsste eine upgedatete postmoderne Neujustierung erfahren. Bedenklich mutet an, dass die Kapitaldynamik mit ihren Krisen in den letzten 30 Jahren ja nicht ab, sondern zunahm. Weber erklärte das Aufkommen des Protestantismus mit der Inkompatibilität des mittelalterlichen Katholizismus mit den neuen ökonomischen Strukturen, die per se eine Reformation autopoietisch hervorbrachten.
 Was aber, wenn ein schon bestehender Turbokapitalismus, sich zusätzlich die für ihn eigentlich nicht mehr nötigen Haudegen implementiert ? Deutet diese Doppelung der Systemstabilisierung darauf hin, dass er durch die Finanzkrisen doch ins trudeln geriet, deshalb einen neuen Legitimationsschub erheischt, oder wappnet er sich solchermaßen gegen eine sich verstärkende Occupy-Kritik ? Gleichermaßen wenn die Reflexivmodernen die schon bestehende Zivilgesellschaft, mit der Forderung diese vermittels bürgerschaftlichen Engagements zu festigen, seinerseits zementieren. Die Freiheits- und Selbstbestimmungsparole nimmt sich da nur als ein zusätzliches Instrument aus. Die anderen können erkannt werden, wenn man sich bewusst macht, wie eng sie das bürgerschaftliches Engagement mit gesundheitspolitischen Forderungen und Perspektiven verknüpfen, wie dem Empowerment. Welche Gauck gerade unfreiwillig moralisch zu diskreditieren beginnt. Hier sollte man genau analysieren worauf Keupps Empowerment zielt. Denn er möchte eine partnerschaftliche Kooperation von Betroffenen und Fachleuten. Von Dauer könnten nur Veränderungen sein, die den Grundsatz "Hilfe zur Selbsthilfe" realisieren.99 Ebenfalls soll die Selbstsorge nur zur Selbsthilfe befähigen.100Eigentlich dreht es sich in einer Tour nur um das Ich, Ich, Ich, I, Me, Mine.101
Der gemeindepsychologischen Ton sollte eine/n nicht kirre machen. Es geht letztlich um die Herstellung des mündigen, reflexiven, im Grunde aber weiterhin vereinzelten Bürgers, der die verschiedenen gesundheitspolitischen kurativen Angebote für sich nutzen, auswählen kann. Dem Experten sozusagen auf Augenhöhe begegnet und mit ihm verhandelt. Es ist die vermeintlich ausgeweitete Autonomie des bisher passiven Bürgers, der sich jetzt seine Rechte bewusst machen soll. Mit solch einer Perspektive kann er evtl. mit seinen Ärzten fachsimplen, welche Behandlung ihm zusteht, welche nicht. D.h. nichts anderes als sich bürgerlich verbürgerlichen, wahrscheinlicher noch versteinern. Eine wirklich kritische gesellschafts- resp. gesundheitspolitische Sicht die auf eine verallgemeinerte gesellschaftliche Handlungsfähigkeit zielt, ist damit nicht zu erreichen. Das kurative Prinzip der Medizin haben die Gemeindepsychologen in den 70er Jahren schon einmal wesentlich kritischer reflektiert.102
Dennoch verfahren sie mit der Sozialpsychiatrie weiterhin nach dem Grundsatz aus dieser Zeit Hilfe zur Selbsthilfe zugeben. Er mutierte zu einem der Leitsprüche der aus der 68er Studentenbewegung Kommenden und sich in sozialen Berufen Etablierenden. Gleichwohl haftet ihm schon die Ambivalenz an, die sich zum Übergangsscharnier der von ihnen etablierten reflexiven Sozialpsychologie ausweitete, zudem auch jede andere medizinisch klinische Psychologie integrierte. Die Konsequenz lief auf eine medizinische Perfektionierung des Selbstmanagements von Copingstrategien der Krankheit hinaus. Noch kritischer formuliert, projizierten schon die frühen Gemeindepsychologen ihren Wunsch auf ihr Klientel, es möge sich doch zu den autonomen Individuen empowern, als die sie sich im Verlauf ihrer fortschreitenden Institutionalisierung selber gerne sahen. Gar nicht mehr wahrnehmend, dass ihr Klientel keine institutionelle oder gar universitäre Verankerung mit monatlichen Gehaltsscheck und rundum Pensionierung genoss. Zudem war das Hilfe zur Selbsthilfe- Konstrukt seit Anfang an ein ziemlich bürgerliches, den Vereinsamungs-, Indivdual-Atomisierungstendenzen ungemein zuarbeitender Grundsatz. Denn es heißt nichts anderes als das Handlungsschema der bürgerlichen Gesellschaft zu verdoppeln, sich letztlich immer nur “selbsthelfen” zu müssen. Ein Kollektiv, geschweige denn Gesellschaft als Selbstzweck und Solidaritätsbezug, in dem frau/man nicht allein gelassen wird; seine Probleme nicht mit sich abmachen, sondern mit dem Kollektiv/ der Kommune in der es lebt, und die kein Interesse daran hat sie einer Zwangs-Individualisierung auszusetzen, weil dies die Probleme erzeugt, die die heutige atomisierte Gesellschaft prägen, kommt in Keupps Denken schon nicht mehr vor. Weil es von der intitutionalisierten Individualisierung durchtränkt (oder besser ertränkt ) wurde. Und damit der protestantischen Kapitaldynamik die letzten Herrschaftsrechte überließ...
 Am entäuschendsten an Keupps Texten103 stößt nach längerer Reflexion der Sachverhalt auf, dass er Solidarität, oder wie er es nennt, Alltagssolidarität nur als Mittel, als Instrument sieht und einsetzt, welches den Einzelnen wieder stärken, gesunden lassen soll. Aber nur so lange sie als Trostpflaster im Heilungsprozess dient, um den Vereinzelten in einem engen gesundheitspolitischen public health Korsett wieder fit zu machen. Weiter begründet er dies, dass Habermas schon 1985 postulierte, dass die utopischen Energien am verlöschen sind und es nun darum gehe indivduell zugeschnittene gesundheitspolitische Perspektiven zu entwickeln. Übrigens zu dem Zeitpunkt als die Reflexivmodernen zu ihren Identitätsforschungsparadigmen übergingen. Aber hier gilt es genauestens zu präzisieren. Es waren die sich etablierenden, arrivierenden 68 er, denen just zu dem Zeitpunkt als Habermas seine Diagnose stellte, die utopischen Energien ausgingen. Es ließen sich trefflichst Thesen aufstellen, die eine eigene größere Arbeit wert wären, und sich um die gesellschaftlichen Gründe drehten. Aber es bedarf keiner größeren Reflexion um festzustellen, dass die materiell arrivierte, gesicherte Stellung der etablierten und nun pensionierten 68er, sie auf gar keine utopischen Gedanken mehr kommen ließ, wozu denn auch ? Ihr gesellschaftliches Sein als arrivierte, satte Fische bestimmte so definitiv, so unmittelbar ihr Bewusstsein, dass ihr Bestreben sich nun darum drehte, nachdem sie in ihre privilegierten Stellen eingerückt sind, sie auszubauen oder zu behalten. Dem nicht genug, wollen sie den anderen jetzt mittels ihrer Identitätsforschung, die selbe atomisierende Formierung des Denkens aufprägen, wie sie von ihnen längst Besitz ergriffen. Nun bemerkten sie aber auf Grund ihrer privilegierten, abgehobenen Stellung nicht mehr, dass ihre Identitätsfoschungsparadigmen für die Meisten, die heute auf einen extrem flexibilisierten Arbeitsmarkt verwiesen sind, überhaupt keinen Sinn mehr ergeben. Weder systemimmanent und schon gar nicht in Bezug auf eine entschiedene Gesellschaftskritik, vielleicht höchstens noch in Bezug auf einen antiquierten Protestantismus.
Das Chocierende  der 68er offenbart sich darin, dass wohl keine Generation derart vehement gegen das System protestierte. Es mit all ihrem Verve, ihrer Energie in Richtung einer humanen (utopischen ?) Räterepublik transformieren wollte, ("vorbei, verweht, nie wieder."?) Die radikalen Protagonisten sogar noch in den 80ern   an einen Marsch durch die Institutionen glaubten. Nur um letztlich zu umgedreht radikalen Systemapologeten zu mutieren, zu jenen kapitalen Rackets, die sie zuvor vehement bekämpften. Sobald sie den süßen Nektar des Privilegs schlürften, betrieben sie das Systemmanagement zuzüglich seiner extremen Forcierung vermittels krasser Anpassungs- und positivistischer Leadershipwissenschaften. Für  die Mehrheit ihrer Student/inn/en der Generationen X/Y/Z wartete jedoch nur die  prekäre unqualifizierte Beschäftigung.  Ihre Leadershipausbildung bereitete aktuell einer nur wenigen Privilegierten dienenden One-Man-Up Show den Weg, die  alle Anderen ob ihrer Privilegierung degoutieren und letztlich auf ihren Sturz hoffen.
Was sollen die 68er noch  für ein Beispiel für zukünftige Generationen abgeben, wenn schon sie, die absoluten Widerstand predigte und übte, eine derartige atemraubende, verrückte Transformation erfuhr oder vielmehr an sich selbst vollzog ???

Fußnoten 

 

1Karl Marx, Die Frühschriften, Das Kommunistische Manifest, Krömer, Stuttgart,1971,S.528 
2 Heiner Keupp 2006 Internet www. Engagiert Leben, Das Eigene Finden, Sich Einmischen, Zur Bedeutung Bürgerschaftlichen Engagements für Jugendliche und die Gesellschaft. Und Bürgerschaftliches Engagement 
3www.Monster.de übrigens nicht nur ein witziger Firmenname einer Karriereplattform im Internet, hier ist vor allem die Beziehung zur unverblümten Wahrheit interessant 
4Platon, Apologie des Sokrates 31c, Stuttgart 1987 
5Henaff, M (2009) Der Preis der Wahrheit, Gabe Geld und Philosophie, S.11, Suhrkamp, Frankfurt 
6Albrecht von Lucke,(2008), 68 oder neues Biedermeier, Der Kampf um die Deutungsmacht, Wagenbach, Berlin. 
7Heiner Keupp (2004) Vortrag vor dem paritätischen Wohlfahrtsverband in Bremen 
  Bürger lasst glotzen sein, kommt runter reiht euch ein. 
8Ottmar Mareis, (2009) die Dialektik der 68er- mit den frühen gegen die arrivierten 68er                  ,      wwwKritiknetz.de 
9Porträtiert in einer ARTE-Sendung 2011/12 über die Wissenschaftsevolution in Europa 

10 In der revolutionären Hitze kam es zu einem anti-intellektueller Radikalismus. Der öffentliche Ankläger Fouquier-Tinville sprach im Moment des Todesurteils gegen Lavoisier den für heutige Verhältnisse doch merkwürdigen Satz: „Die Republik braucht keine Wissenschaftler“. Alain Badiou (2011) Die kommunistische Hypothese, S. 89, Merve, Berlin. 

11 Hardt Negri, Common Wealth, Campus, Frankfurt, 2009 

12  Hannah Arendt (2010) Über die Revolution rororo 

14 Foucault, 1973 Wahnsinn und Gesellschaft, Suhrkmap Frankfurt S.28 Ibid. S. 29  
"Wahnsinn ist seit dieser Zeit mit der Schifispassage der Stultifera Navis und dem Wasser, seines reinigenden aber auch unheilbringenden, unberechenbaren ozeanischen Qualität assoziiert. Der Ritus des Übergangs, in dem sich der Wahnsinnige befindet, ist seit dem im Unbewussten des abendländischen Menschen fest verankert. 
15Ibid. S.391 
16Ibid. S. 97 
17Ibid. S.104 
18 Friedrich Engels in Marx Engels Werke (MEW), BD. 2 Berlin, 1977 S.497 
19aSiehe auch Max Horkheimer, Egoismus und Freiheitsbewegung (1936), in der er u.a. auf die  
Rolle Luthers in den verschiedenen Kämpfen zwischen Bauern , Fürsten und emporkommenden Bürgertum eingeht.S. 130, in Traditionelle und kritische Theorie, Vier Aufsätze, S. Fischer, Frankfurt 1968 
19 b,c Foucault,M. (2014) Die Strafgesellschaft, Vorlesungen 1972-1973, S.25 ff Suhrkamp Berlin 
20 W. Welsch, Vernunft, Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen 
Vernunft,Suhrkamp, Frankfurt 1996, S 175 
21J. Bentham zit nach Miller, J-Alain (1996), Jeremy Benthams panoptische Maschinerie in: Utilitarismus; Wien 
22 Foucault M. (1973) Wahnsinn und Gesellschaft S.68 , Suhrkamp, Frankfurt; Überwachen und Strafen, (1976) Suhrkamp, Frankfurt; Die Anormalen (2007), Suhrkamp Frankf.; Dits et Ecrits (2000- 2005) Bd. 1-4, Suhrkamp Frankfurt 
22 b Foucault,M (2015) Die Strafgesellschaft, Vorlesungen 1972-73, S.41, Suhrkamp, Berlin 
22 c Ibid. S.53 
22 d Ibid. S.57 ff 
22 e Ibid. S.278 ff 
23Was aber zwanghaft verleugnet werden muss, behauptet letztlich seine Faktizität: die Gesellschaft 
24Louis Althusser, Ideologie und ideologische Staatsapparate, 2010,  Hg. Frieder Otto Wolf, VSA 

24 b Louis Althusser, Die Zukunft hat Zeit, Die Tatsachen, Zwei autobiographische Texte, Fischer 1993, Spiegel online, Hölle zu zweit, 4.5.1992 

25Michel Foucault, Was ist Kritik? Merve-Verlag, Berlin 1992. 
26 Über die Implementierung der aktuellen europäischen und amerikanischen Workfareregimes informiert ausführlich Loic Wacquants Bestrafen der Armen, zur neoliberalen Regierung der sozialen Unsicherheit. B.Budrich, Opladen 2009 
27Michel Foucault, Von der Subversion des Wissens, Hg, Walter Seiter, Hanser, München, 1974, Klappentext 
27a Wylie Christopher, (2020), Mindf*ck, Wie die Demokratie durch Social Media untergraben wird, Dumont, Köln 

  https://www.dasmagazin.ch/2016/12/03/ich-habe-nur-gezeigt-dass-es-die-bombe-gibt/ 
Der digitale Spiegel. 9/2017. Netzpolitik: Wie Facebook die Bundestagswahl revolutioniert. 
Gläserne Wähler. 
"Im Wahlkampf geht es allerdings auch darum, neue Anhänger zu überzeugen und Gegner davon abzuhalten, ihre Stimme abzugeben. Die Trump-Kampagne in den USA setzte offenbar auf die Demobilisierung von Clinton-Anhängern. So sprachen Trumps Digitalstrategen, wie Bloomberg berichtete, im Wahlkampf via Facebook gezielt junge Frauen mit Botschaften über Bill Clintons sexuelle Verfehlungen an und Afroamerikaner mit einem alten Video von Hillary Clinton über die angebliche Aggressivität junger schwarzer Männer ("super predators"). Es ging nicht darum, diese Wählergruppen für Trump zu gewinnen. Sie sollten nur nicht für seine Gegenkandidatin stimmen. 
Es waren diese digitalen Anzeigen, die nach Ansicht vieler Experten den US-Wahlkampf 2016 von allen vorangegangenen unterscheiden – schon wegen der dafür eingesetzten Budgets. Die Trump-Kampagne hat horrende Millionenbeträge allein für digitale Wahlwerbung ausgegeben, das Gros davon bei Facebook. Die Organisation glich einem eigenen Tech-Start-up: Allein sein Digitalteam umfasste mehr als hundert Mitarbeiter. Sie entwarfen und testeten Zehntausende Werbemotive für unterschiedliche Zielgruppen. Dazu beschäftigte Trump externe Agenturen und Datenanalysten wie die britische Cambridge Analytica und baute eine umfassende eigene Wählerdatenbank auf." 
Der Spiegel Online, 24.3.2018, Nr. 13, Die Falle Facebook, Digitalkonzerne, Außer Kontrolle 

28Beck, U. (2007) Weltriskogesellschaft Suhrkamp, ders. (2002 ) Macht und Gegenmacht, Suhrkamp 
29 Beck, U. (1986) Risikogesellschaft, S. 217, Suhrkamp, Frankfurt. 
Auf sie wäre zu antworten: 
Während die bessere Praxis der gesellschaftlichen und individuellen Emanzipation von gesellschaftlicher Herrschaft unauflöslich damit verbunden, dass die Menschen lernen, als enttäuschte, zu Verstande gekommene Menschen zu handeln, die allen Aberglauben an die Vergangenheit, insbesondere jenen an das sich selbst bewegenden narzisstische Geistsubjekt, ablegten. Das einerseits in der alltäglichen Produktion „ordinäres“ arbeitendes Fleisch wird, andererseits in kultischen Massenveranstaltungen zu „erhabenen“ Gurufleisch mutiert und sich in Gestalt religiöser narzisstischer Gurus verehren lässt. Lastet der alte „Alp aller toten Geschlechter“ (Marx) so sehr auf dem Gehirn von Ulrich Beck, dass alle seine Bemühungen um die kritische Reflexion der Moderne immer neu wieder nur zur Auferstehung des Alps in den neuen Kleidern seines anpassungsfähigen, beliebig dehnbaren pseudokritischen Jargons führen. 
30Beck, U.,(1986) Risikogesellschaft, Auf dem Weg in eine andere Modene. Suhrkamp, Frankfurt 
31Badiou, A. (2011) Die kommunistische Hypothese, morale provisoire # 2, Merve, Berlin 
32 Genazino Wilhelm, (2011) Das Glück in glücksfernen Zeiten, Roman, S.13, dtv München 
33Ehrenberg, A. (2012) Das Unbehagen ind er Gesellschaft, S. 34, stw, Suhrkamp, Berlin. 

34Meyer, L. (2005) Absoluter Wert und allgemeiner Wille, zur Selbstbegründung dialektischer Gesellschaftsthorie, S.23, ff, transcript Verlag Bielefeld. 

35Ibid. 
36Beck, U. Schöne neue Arbeitswelt, 1999, Campus Frankfurt. 
37Www. Zeit online Manifest für Europa, Beck, Cohn-Bendit und viele mehr 

38Miessen, M. (2011/2012) The Nightmare of Participation, Sternberg Press, Berlin; Albtraum Partizipation Merve Berlin. 

39Kohl war selbst das beste “Beispiel” für seine peinlichst peinliche geistig moralische Wende. Nicht nur, dass er der Öffentlichkeit 30 Jahre mit einer selten krassen Kombination aus Bräsigkeit und spießigen Langeweile auf die Nerven ging. Das Bürgertum, das er verkörperte, war nicht nur äußerliche kalte Fassade, sondern von einer Macht- und Korruptionspolitik geprägt, die an die Maffia und Berlusconi heranreicht und ähnlich verhängnisvoll wirkt. In der Jahrzehnte währenden Spendenaffäre verschliß er eine ganze Regierungsriege, was die Kanzlerschaft von Angela Merkel überhaupt erst ermöglichte. Interessantes verspricht seine Familiendynamik mit einem psychoanalytischem Blick zu betrachten. Nicht nur das Buch seines Sohnes Peter ist diesbezüglich aufschlussreich. Hannelore Kohl, gewiss kein unbeschriebenes Blatt und bis zur Spendenaffäre äußerst hart (masochistisch) im Nehmen (Schlucken), konnte und wollte die letzten 10 Jahre ihres Lebens nur mehr Nachts das Haus verlassen. Sie entwickelte eine Lichtallergie, was eigentlich keiner Deutung mehr bedarf, weniger wegen falscher Medikation, sondern weil sie die Leute aufgrund der Spendenaffären ihes Mannes beschimpften oder vor ihr ausspuckten. Als Kohl seine zweite Frau gegen Ende von Hannelores Leben kennenlernte, war das nur der letzte Anlass zum Suizid, anstatt sich produktiv zu trennen und evtl. weiteres über das System Kohl zu publizieren, aufklärerisch tätig zu werden. Geholfen hätte was ihr am fernsten: Zu einer kleinen Medea zu werden, die sich freilich nicht auf ihre Kinder, sondern auf das System Kohl stürzt, nach der Maxime: Mach kaputt was dich kaputt macht. Siehe auch Die Frau an seiner Seite: Leben und Leiden der Hannelore Kohl von Heribert Schwan, Heyne Verlag 2011 

40www. Internet, Nur die perverse Phantasie kann uns noch retten. Goethe in den Gesprächen mit Eckermann zugeschriebenes Bonmot 

41Richard Münch,(2011) Akademischer Kapitalismus: Über die politische Ökonomie der Hochschulreform, Suhrkamp Berlin 

42Im akademischen Bereich hieße dies, dass für sie eine maximale Autonomie gegeben  
sei, die selten vorhanden. 
43 In seiner paradoxalen Individualisierungstheorie benutzte Beck den Begriff Employabilitiy zwar nicht , aber er hat eine Einführung in den Begriff und das Forschungsgebiet gegeben als er in der Risikogesellschaft formulierte: „ In der individualisierten Gesellschaft muss der einzelne bei Strafe seiner permanenten Benachteiligung lernen, sich selbst als Handlungszentrum, als Planungsbüro in bezug auf seinen eigenen Lebenslauf, seine Fähigkeiten, Orientierungen, Partnerschaften usw. zu begreifen. … Er fordert - eine Maßnahmenphantasie, die auf den eigenen Handlungsradius bezogen ist..., Gefordert ist ein aktives Handlungsmodell des Alltags, das das Ich zum Zentrum hat, ihm Handlungschancen zuweist und eröffnet und es auf diese Weise erlaubt, die aufbrechenden Gestaltungs- und Enstscheidungsmöglich-keiten (die er nur wenige Seiten zuvor negierte OM) in bezug auf den eigenen Lebenslauf kleinzu-arbeiten,.... für die Zwecke des eigenen Überlebens muss ein ichzentriertes Weltbild entwickelt werden, das das Verhäntnis von Ich und Gesellschaft sozusagen auf den Kopf stellt und für die Zwecke der indivduellen Lebenslaufgestaltung handhabbar denkt und macht. Beck, U. (1986) Risikogesellschaft, S. 217, Suhrkamp, Frankfurt 
44 Peoplemanagement und Leadership LMU Sozialpsychologie 
44a Agamben Girorgio Was ist ein Dispositiv, 2008, diaphanes 
45Fontane: Seinen Neigungen folgen und die Konsequenzen tragen...... 

46 Die Exzellenzinitiativen an den deutschen Universitäten, die zur Zeit 11 dieses Prädikat  
verleihen, verkörpern ihrerseits eine extreme hard-core, sadomaso Governancestrategie. Nicht nur, dass sie der Grundfinanzierung der anderen Unis das Geld entziehen, dadurch Druck auf sie ausübend, sich an diesen Initiativen auszurichten. Das Geld ist aber nur der eine Faktor. Inhaltlich werden dort viele „Führungs-, und Leadershipmoduleangeboten.. Bleibt nur zu hoffen, dass ihnen auch die einschlägigen Filme von Charlie Chaplin, Der große Dikator oder Ernst Lubitschs, Sein oder Nichtsein- Noch ist Polen nicht verloren, vorgeführt werden. Selbst Wagners, „Hier, wo mein Wähnen Frieden fand, Wahnfried sei diese Haus von mir benannt“ dürfte den Geisteszustand ihres “Führungsanspruchs“ auf den Punkt bringen. Foucault würde ihren Modulen die kritische Theorie liefern. Wo Leader- oder Machtpole angesiedelt werden, gibt es nicht nur Ressourcen verschleißende Machtkämpfe, sondern sie bringen unweigerlich ihre Bekämpfung hervor, mit dem ganzen daraus resultierenden Chaos. 
Diejenigen, die in die Exzellenzinitiativen eintreten, werden nicht nur, sondern setzen sich selbst massiv unter Druck gewissen wissenschaftlichen Standards zu entsprechen, die hauptsächlich über Konformismus und Unterwerfung unter positivistische Methoden funktionieren. Das einzige was diese “Exzellenzinitiativen“ garantiert nicht hervorbringen, obwohl sie es überall hinausposaunen, ist, überbordende Kreativität oder Innovation. Die am ehesten über viel Muse, Freiraum und Unangepasstheit zustande kommen, welche diese Initiativen konsequent unterbinden. Was sie allerdings hervorbringen sind Student/inn/en in Hosenanzügen, die ob des Lern- und Leistungsdrucks inzwischen die größte Klientel zwischen den 20-30 Jährigen stellt, welche nach Psychotherapie und Psychopharmaka nachfragen. McKinsey Pennäler, Nieten in Nadelstreifen, haben die Exzellenznummern erfunden. Sie werden hauptsächlich von solchen frequentiert, die meinen ein chicer Hosenanzug wäre die halbe Miete, und wenn sie nur auf irgendwas Exzellenz draufkleben wird schon Exzellenz rauskommen. Was mehr über ihre Art von Bulimie-Studium verrät, das ihnen komplett äußerlich geblieben, als dass es irgendwas mit der Dynamik eines Kreativitäts- oder Innovationsprozesses zu schaffen hätte. 

46 a) Martin Mittelmeier, Freiheit und Finsternis, Wie die Dialektik der Aufklärung zum Jahrhundertbuch wurde. S.124, Siedler, München, 2021 

Siehe auch Thorsten Fuchshuber,(2019) Rackets, Kritische Theorie der Bandenherrschaft, ca ira Verlag, Freiburg Wien. 

46 b) Hesse Jürgen (6.7.2022) Interview, "Mindestens die Hälfte ist leicht irre, es gibt aber auch schwere Fälle" Der digitale Spiegel. Siehe auch: Mein Chef ist irre- ihrer auch ? Warum Psychopathen Führungskräfte werden und wie Sie das überleben.  Econ, 2022 

46 c) Mary L Trump (2020) Heyne, Zu Viel Und Nie Genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf.) S. 28. Auf dem Backcover der amerikanischen Ausgabe von Simon & Schuster führt sie eine interessante psychologische Charakterisierung von Donald Trump aus: 

 Today, Donald is much as he was at three years old; incapable of growing, learning or evolving, unable to regulate his emotions, moderate his responses or take in and synthesize information.  

Child abuse is , in some sense, a matter of 'too much' or 'not enough'. Donald's mother became ill when he was two and a half, suddenly depriving him of his main source of comfort. His father , Fred, became his only available parent. But Fred firmly believed that dealing with young children was not his duty. From the beginning, Fred's care of his children reflected his own needs, not theirs. He could not empathize with Donald's plight, so his son's fears and longings went unsoothed. Over time, Donald became afraid that asking for comfort or attention would provoke his father'sanger or indifference. 

That Fred would become the primary source of Donald's solace when he was much more likely tobe a source of fear and rejection put Donald into an intolerable position: total dependence on a care-giver who also caused him terror. Donald suffered deprivations that would scar him for life. 
47Ehrenberg, A. (2010) Depression: Unbehagen in der Kultur oder neue Formen der Sozialität, S. 54 ff, in: Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus- von Christoph Menke (Hg.) und Juliane Rebentisch (Hg.) von Kulturverlag Kadmos. Alain Ehrenberg (2004) Das erschöpfte Selbst, 
Campus, Frankfurt, Ehrenberg A. (2010) Das Unbehagen in der Gesellschaft, Suhrkamp, Berlin, 

48Ehrenberg, A. (2010) Depression: Unbehagen in der Kultur oder neue Formen der Sozialität, S. 55, in: Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus- von Christoph Menke (Hg.) und Juliane Rebentisch (Hg.) von Kulturverlag Kadmos 

49Honneth, A. (2010) Organisierte Selbstverwirklichung S. 68, in:Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus- von Christoph Menke (Hg.) und Juliane Rebentisch (Hg.)  Ibid. 

50Honneth, A. (2010) Organisierte Selbstverwirklichung S. 68, in: Ibid. 

51Hölderlin, Friedrich (1990) Werke in einem Band, S.163, Carl Hanser Verlag, München Wien 
52Keupp, H. (1997) Identitätsarbeit heute, Suhrkamp, Frankfurt S.7 

53a Luhmann die Kunst der Gesellschaft S.14f. (1995) Suhrkamp, zit. nach Dirk Baecker           Neurosoziologie, ein Versuch, S. 14, Suhrkamp 2014 
53 b Nietzsche F. (1887) Zur Genealogie der Moral. Eine Streitschrift. In Colli G. & Montinari, M (Hrsg.)KSA (S. 245-412. München DTV, 1999 
53c Nietzsche F. (1873) Unzeitgemäße Betrachtungen. KSA S. 335-427. Münch. DTV 1999 

54Ottmar Mareis, Dialektik der 68er, www. Kritiknetz.de 

55Ibid. Große Armut, großer Reichtum S.27 

56Ehrenberg, Alain (2012) Das Unbehagen in der Gesellschaft S. 49-53, Suhrkamp, Berlin «.Die innerweltliche Askese ist der bevorzugte Heilsweg, den die Lehre von der doppelten Prädestination hervorgebracht hat. Im 18. Jahrhundert erfährt die Lehre Calvins auf dem europäischen Kontinent durch den Pietismus und in den Vereinigten Staaten durch den Methodismus verschiedene Änderungen. Weber zitiert eine Passage von John Wesley, dem Begründer des Methodismus: " Wir müssen alle Christen ermahnen, zu gewinnen was sie können und zu sparen was sie können, das heißt im Ergebnis: reich zu werden.« Die folgenden Ausführungen präzisieren, daß sie nicht nur sparen, sondern auch geben sollen, was sie nur können. Der Methodismus hat dem Puritanismus ein affektives und fröhliches Element hinzugefügt: Der echte Konvertit konnte auf Erden eine wahrhafte Glückseligkeit im AngesichtGottes genießen, wodurch der Puritanismus gemildert und eine"Kultur der Affektivität«geboren wird. Im Gegensatz zum Calvinismus ist bei Wesley "die Gewißheit rein empfunden«. Das Empfundene -der Affekt, die Emotion, das Gefühl -zeigt, daß die Versöhnung mit Gott anstelle der Einsamkeit und der Angst möglich wird. Andere Strömungen des Puritanismus kennen keine solche Milderung. Der Bürgerkrieg des Selbst, die Selbstentzweiung, die automachia offenbart sich in der religiösen Schwermut, insbesondere bei den evangelikalen Pietisten. Sie "erzeugt ein extremes Schuldbewußtsein angesichts der Sünde«.Diesen Typ von Schwermut hat Robert Burton in seiner Anatomie der Melancholie (1621) isoliert. Er widmet ihm einen sehr langen Abschnitt im dritten Teil der Abhandlung, der der Liebesarmut gewidmet ist, wobei der Verlust des geliebten Objekts die Analogie zum Verlust Gottes darstellt. Burton schreibt, daß »dieser Typ von Schwermut allen anderen gleicht, von denen ich schon gehandelt habe, daß er wohl noch verbreiteter und daß seine Wirkungen viel überspannter sind, daß er die Menschen mehr abstumpft und beherrscht als alle anderen schon genannten Typen von Schwermut«. Während man sie im 17. und 18. Jahrhundert als eine Gnade Gottes betrachtete, die einer vom Dämon in Versuchung geführten Person gewährt wurde, wird sie im Laufe des 19. Jahrhunderts, und zwar in dem Maße, in dem der Kontext sich säkularisiert, zu einer Nervenkrankheit. Die Puritaner haben auch die Bildung betont und dadurch die Investition in die Leistung bevorzugt. 
57a Zizek Slavoj, (2016) Der göttliche Todestrieb, Sigmund Freud Vorlesung 2015, Verlag Turia + Kant, Wien 

57b Baudrillard Jean, (2008)Warum ist nicht alles schon verschwunden, Matthes&Seitz Berlin S.16. 
58Dolar, M. (2002) Der Zuschauer der zuviel wusste. S. 133. in Zizek, S. Was Sie immer schon über Lacan wissen wollten und Hitchcock nie zu fragen wagten. Suhrkamp, Frankfurt 

59a Bauman, Z. Mazzeo, R. (2016) In Praise of Literature, S. 118, Polity Press, Camb. UK 

59b www. Kritiknetz.de zur Kritik des Identitätsbegriffs von Daniel Sanin, siehe auch: 

Niethammer Lutz (2000): Kollektive Identität, Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur.  Rowohlt Tb, S.625 

59cAdorno Ibid. 

 

59d , 1968 fand zudem in Frankfurt der 16. Soziologentag mit dem Thema Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft statt. Das Einleitungsreferat hielt Adorno. Es fand auf einer anschließenden Diskussionsveranstaltung eine heftige Auseinandersetzung mit Dahrendorf statt. Adorno, Dahrendorf, Krahl, Brandt und Offe schenkten sich nichts, auch  eine spätere Diskussion mit Dutschke geriet außerordentlich stürmisch. (Habermas glänzte durch Abwesenheit wegen "Krankheit", vermutlich wollte er der allzu krassen Diskussion aus dem Weg gehen.) Die damalige linke Avantgarde  kritisierte Dahrendorf, der an Adornos Einleitungsreferat bemängelte, dass Totaldiagnosen der Gesellschaft nichts verändern würden, sondern den Status Quo stabilisieren. Die Geschichte der 68er gab ihm nicht recht, zumindest was die 70er Jahre anbetraf, in der durchaus alternative Mentalitäten erkennbar wurden.  Nach dieser Geschichte mutet  erstaunlich an, dass  die reflexivmodernen Ex-68er gegen Ende der 80er  die neoliberale Dahrendorsche Diagnostik der posttraditionale Ligaturen und Optionen aufgriffen. In der LMU Vorlesung Sozialpsychologie Reflexive Modernisierung von 2006 (www) übernahm Keupp vollends diese neoliberale Dahrendorfsche Diagnostik. Man traut seinen Ohren kaum. Denn Dahrendorf wird, ohne  mit einem Wort auf die vehemente Konfliktgeschichte der frühen 68er mit ihm einzugehen, als unhinterfragte soziologische Autorität zitiert. Man erfährt nur, dass er Rektor der Universität Oxford war und von der Queen die Anrede Sir Ralf Dahrendorf verliehen bekam, "was bisher kaum einen Deutschen gelang." Gehts noch? Offenbart sich darin nicht schlimmstes Talkshowniveau ? 
 ( Es ist auch kein Zufall, dass Beck Sohn eines Marineoffiziers war, was in allen neueren Texten kaum mehr erwähnt wird, und Keupp Kind eines protestantischen Pfarrhauses, denn wenig andere Milieus werden derart stark auf ein Identitätsdenken konditioniert). 
 

59e, Ein großes Problem der heutigen deutschen Bildungsinstitutionen besteht darin, dass sie überhaupt kein Bewusstsein darüber vermitteln, was der Alltag im "Dritten Reich" für Oppositionelle, Andersdenkende, Juden und ethnische Minderheiten bedeutete. Die Geschichte des NS wird höchstens noch als Spezialthema privaten Studieninteressen überlassen. Dabei wäre ziemlich wichtig das Alltagsdenken der Reichsbürger zu lehren wie zu verstehen. Anderweitig wäre die lange NS-Herrschaft und auch die Nachkriegszeit bis in die 60er Jahre nicht zu verstehen. Dieses Alltagsdenken war geprägt von einem forcierten Identitäts- als auch Stammesdenken mit dem selbst einstige vertraute Nachbarn bei den Nazis oder der Gestapo denunziert wurden. Auf Denunziation von Bekannten wie von Blockwarten  wurden viele Verhöre bei NSDAP oder Gestapo veranlasst.  Misstrauen  und Denunziation reichte oft in die eigene Familie. 
59f   http://www.theguardian.com/books/2015/sep/06/michel-houellebecq-submission-am-i-islamophobic- probably-yes 
59g Frankreich haben 2015 und 2016 jeweils ca. 8000 Juden verlassen. Seit 2000 ca 55000. Die weitere Entwicklung bleibt interessant. Siehe auch Spiegel online: Zahl jüdischer Auswanderer auf Rekordhoch. 29.12.2015 

59h. Foucault, M.(1974) Wahnsinn, eine Frage der Macht., in Dits et Ecrits Bd.2., S.814f, Schriften, Surhkamp 2002. 

59i Michel Foucault,(1987) Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik , hrsg. H.L. Dreyfus, P. Rabinow, Frankfurt a.M, Athenäum Verlag, S. 268. 

Mein Ausgangspunkt ist nicht, dass alles böse ist, sondern dass alles gefährlich ist, was nicht dasselbe ist wie böse. Wenn alles gefährlich ist, dann haben wir immer etwas zu tun. Deshalb führt meine Position nicht  zur Apathie, sondern zu einem Hyper- und pessimistischen Aktivismus. Ich denke, dass die ethisch-politische Wahl, die wir jeden Tag zu treffen haben, darin besteht zu bestimmen, was die Hauptgefahr ist. 

59j Wie sehr den gemeindepsychologischen Diskurs Begriffe bestimmen, welche ein Kontext vorwegnahm, der erkenntniserheischender damit verfuhr, kam mir vollends zu Bewusstsein, als ich Adornos Aufsatz "Aldous Huxley und die Utopie" las. Dort berichtet er von einer Begriffstrias die für die "Brave New World" konstitutiv war. Der letzte Begriff ließe sich heute problemlos mit Patchwork ergänzen, weil ihm die Aufgabe der Synthese und des Stabilisierens von höchst Heterogenem zukommt:  

„Anstelle der drei Parolen der französischen Revolution heißt es: Community, Identity  

und Stability. Community definiert einen Stand der Gemeinschaft, in dem jedes  

Einzelwesen unbedingt dem Funktionieren des Ganzen untergeordnet ist,... .  

Die Panazee, welche die gesellschaftliche Statik garantiert, ist das conditioning, ein  

schwer übersetzbarer Ausdruck, der von der Biologie und behavioristischen  

Psychologie-...–in die amerikanische Alltagssprache drang, das Kennwort für jegliche  

Art wissenschaftlicher Kontrolle über Lebensbedingungen; etwa air conditioning für  

den maschinellen Temperaturausgleich in geschlossenen Räumen.." 108 

Hier sei nur angemerkt, dass die Patchwork-Identität und der Sence of coherence die  

aktuellen Varianten des conditioning stellen.  

„Der Endeffekt des conditioning, der zu sich selbst gekommenen Anpassung, ist  

Verinnerlichung von gesellschaftlichem Druck und Zwang weit über alles  

protestantische Maß hinaus: die Menschen resignieren dazu, das zu lieben, was sie  

tun müssen, ohne auch nur noch zu wissen, daß sie resignieren."109 

Siehe auch Ottmar Mareis, Identity is the very devil,  in www. Kritiknetz.de 

59k Carol Diethe (2001), Nietzsches Schwester und der Wille zur Macht , Biografie der Elisabeth Förster Nietzsche, Europa Verlag, Hamburg 
60Luthers Choral Siehe Wikipedia 
Luthers antisemitischen Tiraden, Schriften und Abhandlungen prägten in einem solchen Ausmaß das Verständnis eines reaktionären Deutschtums, dass es eines größeren Forschungsdesigns bedürfte um all ihren kulturellen, historischen und sozialpsychologischen Dimensionen/Verflechtungen nachzuspüren. 
61Pink Floyd, The Wall Live 1980-81, 2000 Pink Floyd Music 
62 Aus Aufzeichnungen Adornos geht hervor, dass er für die Jahre 1970/71 eine Vorlesungsreihe zur Kulturindustrie heute plante. Sicherlich wären sie ähnlich spannend respektive aufschlußreich wie das Kapitel zur Kulturindusrtrie der Dialektik der Aufklärung. The Wall die gen Ende der 70er erschien, wäre bei Lebzeiten vermutlich in der ein oder anderen Form ihr Material geworden 
63Benjamin, W. (2007) Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, S. 50. Suhrkamp, Frankf. 

64Bauman,Z. (2009) Leben als Konsum, Hamburger Edition, S.118, Bauman(2012) This is not a diary, Polity Camebr. 

65a Adorno (1997) GS Bd. 8 Soziologische Schriften I, Thesen über Bedürfnis, S.393 Suhrkamp, Frankfurt

65b Leon Wurmser, Die Maske der Scham, S.433. Springer Verlag, Berlin Heidelberg,1990

66Adorno (1997) GS Bd. 3, Dialektik der Aufklärung, S.50. Suhrkamp, Frankfurt 
67http://menteur.com/Les-amoureux-transis) 

 

71b Foucault. M (2014) Die Regierung der Lebenden, S.121-124 Vorlesungen am College de France (1979-1980), Suhrkamp, Berlin. 
71c   Foucault. M (2014) Die Regierung der Lebenden, S. 217 Vorlesungen am College de France (1979-1980), Suhrkamp, Berlin.  
72a  Zu dem Verhältnis der damaligen Rebellen und heute emeretierten 68er ließen sich schon Bände füllen. Noch mehr aber liesse sich zu dem Verhältnis zu ihren Kindern forschen und sogar  ganz neue Forschungsfelder eröffnen. Es wäre sehr erkenntniserheischend. Dennoch gibt es darüber so gut wie kein Material, weil die in ihren Forschungsinteressen dieser Thematik gegenüber blinden 68er, es nicht auf die Reihe brachten, ihre eigene Geschichte oder gar ihre eigenen blinden Flecken zu reflektieren, obwohl sie es von allen anderen Generationen verlangten. 

72b Adorno (1997) GS Bd. 3, Dialektik der Aufklärung, S.162. Suhrkamp, Frankfurt 
72 c Badiou, A. (2011) Die kommunistische Hypothese, morale provisoire # 2, Merve, Berlin  

73   Keupp (1978) in Die gesellschaftliche Organisierung psychischen Leidens, Suhrkamp, Frankfurt/M. 

74   Keupp (1978) in Die gesellschaftliche Organisierung psychischen Leidens, S.212, Ibid    
75   Ibid. 

76a Adorno T.W.(1997)GS: Negative Dialektik Bd 6, S.354 Suhrkamp Frankfurt,

Ottmar Mareis, www Kritiknetz (2008), Identity is the very Devil, oder ist Keupp noch zu retten? Der sense of coherence SOC oder theoretisch moralisches Desaster

76b, Gerhard Scheit, www. Kritiknetz.de, Der Todestrieb im Racket, Warum die Kritik der postnazistischen Gesellschaft auf Freuds Spekulation über einen natürlichen Todestrieb nicht verzichten kann

Die LMU, die TUM und noch so einige bayerische Universitäten saßen auf Millionenbeträge, die sie durch Studiengebühren einnahmen. Aber weder wurde entsprechend diesen Unsummen neues Lehrpersonal eingestellt. Die Student/innen, die ja ihr Studium durch ihre Gebühren finanzierten hatten kein Mitspracherecht in den Professoren- und Wissenschaftsgremien, die über die Gelder bestimmen. 
Eigentlich müssten die Student/innenen fast hauptsächlich bestimmen können wie und welche Lehre bzw. Forschung sie betreiben wollen. Im Kapitalismus ist normal üblich, dass diejenigen die bezahlen auch anschaffen“. Selbst dieses banale jedoch wesentliche Steuerungsinstrument ist in der aktuellen Bildungsbürokratie vollkommen undemokratisch ausgehebelt. Kafkaeske Zustände durch die das Kapital umso krasser agiert. Inzwischen wurden die Studiengebühren per Volksentscheid wieder aufgehoben. 
 Selbst in der eigenen auferlegten Exzellenzlogik des Shanghai-Ranking der 500 sichtbarsten, dh. finanzstärksten Universitäten taucht die erste deutsche Uni (LMU) in den letzten Jahren hinter Rang 50 auf. Und unter den ersten hundert auf den hinteren Plätzen liessen  sich insgesamt 5 finden. 

 

77  Keupp (1978) Die gesellschaftliche Organisierung psychischen Leidens, Ibid. S. 215 
78    Keupp, H. (1993) Zugänge zum Subjekt, Suhrkamp,Frankfurt am Main 

79    Keupp, H. (1999-2008)  Identitätskonstruktionen, das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne,  rororo, Hamburg 

80    Keupp, H. (1978) Die gesellschaftliche Organisierung psychischen Leidens, Ibid. 
Keupp, H. (2004) Bürger lasst das glotzen sein Vortrag www Internet S. 22.-26, siehe auch 
81 Veröffentlichung des SPK www. Internet 

  82Ibid.   

83 Foucault, M. (2012) Der Mut zur Wahrheit, Vorlesugen 1983/84, S.135 ff, Suhrkamp, Berlin 

84   Veröffentlichungen des SPK www. Internet 
85 Ibid. 

87 Ibid.                                                                                                                                    
88 Ibid. Huber klagte gegen die Kündigung und bekam fünf Jahre spräter Recht zugesprochen. Die Kündigung wurde formaljuristisch fehlerhaft vollzogen, weil das Kündigungsschreiben von einem Verwaltungsbeamten unterschrieben war. Eine Kündigung muss aber gut begründet von dem vorgesetzten Arzt Hubers bzw. dem ärztlichen Leiter der Klinik unterschrieben sein, was nicht zutraf. Seine Approbation wurde ihm trotzdem entzogen, was einem Berufsverbot gleichkam.  

89  Kraushaar Wolfgang,(2010) Verena Becker und der Verfassungsschutz, Hamburger Edition, Hamburg 

90  Dies trifft auch auf Keupp zu 

91  Beck, Poferl (Hg.) (2010) Große Armut, großer Reichtum, S.46 Suhrkamp, Berlin. (große Schafe) 
 92Ibid. 

93Keupp, H. (2012) Freiheit & Selbstbestimmung: Lernprozesse ermöglichen, Centaurus                      

94  Keupp, H. (2012) Ibid. S.47 
95 Honneth, (2010) Organisierte Selbstverwirklichung S. 74, in Kreation und Depression..., Ibid. 

96Gauck, J (2012) Freiheit, ein Plädoyer, S.38, Kösel-Verlag, München  

97 Schmitt, C. (1921) die Diktatur, (1922) politische Theologie, Duncker & Humblott; Agamben G.                  Homo Sacer, Suhrkamp, Frankfurt/M 

98 Die Konservativen in der Weimarer Republik konnten keine inneren Widerstandspotentiale gegen den NS aufbieten, weil sie selbst an ein Großdeutschland, an das Reich glaubten. Ihre Rhetorik unterschied sich nur minimal von den Monsterpropagandisten des Dritten Reichs. Siehe auch M. Greifenhagens (1971) Dilemma des Konservatismus in Deutschland, Piper, München; oder Ottmar Mareis, (2001) Sog, Profil, München.  Oder siehe das Kapitel IdentitätsMythos, Protestantismsus, Nationalsozialismus in diesem Blog 
99 Keupp Bürger lasst das glotzen sein..... Vorträge Internet 

100 Keupp H.(2013) Selbstsorge, zur Selbsthilfe befähigen,  Centaurus,  

1 101The Beatles, (1970) Let it be- Album, I, Me; Mine, dessen Text den kritischen Kommentar zur Egomanie der Reflexivmodernen stellt.  
 

1102 Keupp, H (1978)  Die gesellschaftliche Organisierung psychischen Leids Ibid.                                                            

103  Keupp H.(2013) Selbstsorge, zur Selbsthilfe befähigen,  Centaurus 
 

 

 





Literatur

Adorno, T.W. (1997) GS Bd. 3 Dialektik der Aufklärung, Suhrkamp, Frankfurt
Adorno, T. W.(1997) GS Bd. 6 Negative Dialektik, Jargon der Eigentlichkeit, Suhrkamp, Fr.
Adorno, T.W. (1997) GS, Bd.8, Soziologische Schriften I, Suhrkamp, Frankfurt
Arendt, H. (2011) Über die Revolution, Piper, München
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